Friedrich Julius Stahl

Friedrich Julius Stahl

Friedrich Julius Stahl (ursprünglich: Julius Jolson, auch: Golson; * 16. Januar 1802 in Würzburg[1][2][3][4]; † 10. August 1861[5] in Bad Brückenau) war ein deutscher Rechtsphilosoph, Jurist, preußischer Kronsyndikus und Politiker, der in Erlangen zum erwecklichen Kreis um Christian Krafft gehörte. Von Schelling und Savigny angeregt, schrieb er sein wissenschaftliches Hauptwerk Die Philosophie des Rechts nach geschichtlicher Ansicht (Heidelberg 1830–1837), das trotz großer Mängel epochemachend für die Geschichte der Staatswissenschaft war. Stahl trat darin der naturrechtlichen Lehre schroff entgegen und begründete seine Rechts- und Staatslehre »auf der Grundlage christlicher Weltanschauung«. Er forderte die »Umkehr der Wissenschaft« zum Glauben an die offenbarte Wahrheit der christlichen Religion. Stahl war 1848/49 Mitbegründer und -organisator sowie Programmgeber der Konservativen Partei Preußens. Er war Mitglied des Preußischen Herrenhauses auf Lebenszeit. Dass Stahls Einfluss als Rechtsgelehrter groß war, geht u. a. daraus hervor, dass seine Definition des Rechtsstaats bis heute die in Deutschland meistzitierte ist.[6][7][8]

Friedrich Julius Stahl

Inhaltsverzeichnis

Jugend und Studium

Als erstes Kind seiner jüdischen Eltern, Babette und Valentin Jolson, wurde (Julius oder) Joël[9] am 16. Januar 1802 in Würzburg geboren, wo er aber nur die ersten Kinderjahre verbrachte, bevor er 1805/07 mit seinen Eltern nach München ging, wo der „kleine Joll“ im Hause seines Großvaters, des Vorstehers der jüdischen Gemeinde Münchens, Abraham Uhlfelder († 1813) aufwuchs und das Wilhelmsgymnasium sowie das Lyzeum besuchte. 1819 nach dem Abschluss mit „Sehr gut“ wollte Julius, wie sein Vorbild und verehrter Lehrer Friedrich Thiersch, Latein unterrichten, wurde jedoch aufgrund seiner Religionszugehörigkeit nicht zugelassen. Auch unter dem Einfluss Thierschs, sowie weiterer Lehrer und Freunde, beschloss er zur evangelisch-lutherischen Kirche überzutreten. Sein Vater stimmte diesem Wunsch unter dem Vorbehalt zu, dass dies fern von München geschehe. Der Freundeskreis des Konvertiten arrangierte die Taufe am 6. November 1819 in der Neustädter Kirche in Erlangen und er nahm den Namen Friedrich Julius Stahl an.[10]

Am Vorabend seiner Taufe war Julius in einer Erlanger Studentenkneipe angepöbelt worden und hatte sich um Beistand an den ihm bislang unbekannten Hermann von Rotenhan gewandt, mit dem ihn von da an eine lebenslange Freundschaft verband. Er folgte seinem neuen Freund in die Burschenschaft und nach Würzburg. Dort begann er mit dem Wintersemester 1819/20 das Studium der Rechtswissenschaft und engagierte sich in der Würzburger Burschenschaft, die ihn schon in seinem zweiten Semester zum Sprecher wählte, da sich seine mitreißende rednerische Begabung bereits zeigte. Zwar waren durch die Karlsbader Beschlüsse im August und September 1819 auch die Burschenschaften verboten worden, doch wurde dies in Bayern und Baden nicht streng durchgeführt. 1821 wechselte Julius nach Heidelberg. Die dortige Burschenschaft vertrat er im Oktober 1821 auf einem illegalen und daher geheimen Burschentag im mittelfränkischen Städtchen Streitberg, wo er sich in einer Rede gegen die direkte politische Aktion, für die Konzentration auf Studium und Bildung einsetzte. Mit dem Wintersemester 1822/23 setzte Julius sein Studium in Erlangen fort und begann sich auf dessen Abschluss vorzubereiten. Da - als er sich innerlich bereits von den Burschenschaften verabschiedet hatte - holten ihn seine Jugendsünden ein: Am 16. August 1823 musste sich Julius einem Verhör über seine Streitberger Rede stellen und am 20. April 1824 wurde er von der Universität relegiert zunächst zeitlich begrenzt für zwei Jahre, falls er sich nichts mehr zu schulden kommen lasse.[11]

Reumütig über die "ephemere Studentenzeit" kehrte Stahl nach München ins Elternhaus zurück. Hier hatte sich manches verändert: Unter der Einwirkung seines Beispiels hatten Eltern und Geschwister das Judentum abgelegt und sich wie er zum evangelischen Christentum bekannt. Am 6.März 1824 waren sie in München getauft worden, hatten ebenfalls den Familiennamen Stahl angenommen und das Judenviertel für immer verlassen.[12] Vergebens versuchte Stahl durch wiederholte Eingaben eine Verkürzung der Relegationszeit zu erreichen. Aber er nutzte diese Jahre natürlich auch zu Selbststudium und Lektüre, z. B. der Philosophie Hegels, dessen Grundlinien der Philosophie des Rechts 1820 erschienen war. Nachdem er 1826 sein Studium wieder aufnehmen durfte, promovierte er noch im selben Jahr in Würzburg über die Kollision und den Vorzug des Besonderen vor dem Allgemeinen im Recht.[13]

Akademisches Wirken

1827 habilitierte sich Stahl in München Ueber das ältere römische Klagerecht und erhielt dort eine allerdings undotierte Privatdozentenstelle. Mit dem Wintersemester 1827/28 begann er mit Vorlesungen über das römische Recht und mit einem Versuch über die Philosophie des Rechts. Aus nicht bekannten Gründen hatte sein Vater Valentin Stahl den größten Teil seines Vermögens verloren; nach dem Tod der Eltern (1829/1830) musste Julius Stahl seine sieben jüngeren Geschwister versorgen. Vergeblich bewarb er sich um eine bezahlte Dozentenstelle. 1830 wurde Stahl als verantwortlicher Redakteur der inoffiziell-regierungsamtlichen Zeitschrift Der Thron- und Volksfreund eingesetzt, die jedoch nur acht Nummern erlebte. Sein Denken wie seine publizistische und politische Tätigkeit waren schon zu dieser Zeit antirationalistisch und antirevolutionär, entsprachen ganz König Ludwigs I. monarchischem Prinzip.[14] Nach mehreren, trotz Unterstützung des Ministers Eduard von Schenk von Ludwig I. abgelehnten Gesuchen, wurde Stahl schließlich mit Dekret vom 27. Juni 1832 zum außerordentlichen Professor in Erlangen ernannt.

Doch noch vor Beginn des Wintersemesters 1832/33 wurde er nach Würzburg versetzt und zum ordentlichen Professor für Rechtsphilosophie, Pandekten und bayerisches Landrecht ernannt, worüber er gar nicht glücklich war: Nach dem Gaibacher Konstitutionsfest waren mehrere Würzburger Professoren „quiesziert“ worden, und Stahl gehörte zu den Ersatzleuten, seine Fächer entsprachen nicht ganz seinen Wünschen und in der katholisch dominierten Umgebung konnte er sich nicht wohlfühlen. Dennoch lehnte er zweimal einen Ruf an die Kurhessische Universität Marburg ab, weil er sich Bayern verpflichtet fühlte. 1834 kehrte Stahl an die Erlanger Universität zurück, lehrte hier Kirchenrecht, Staatsrecht und Rechtsphilosophie und heiratete 1835 Julie Kindler[15], Tochter eines Erlanger Handschuhfabrikanten; die Ehe blieb kinderlos. Unter dem Einfluss Christian Kraffts und der Erlanger Theologie entwickelte Stahl sich endgültig zu einem typischen Vertreter der lutherischen Orthodoxie, und 1837 wählte ihn die Erlanger Universität als ihren Abgeordneten in die zweite Kammer des bayerischen Landtages, wo er eine fraktionsähnliche Gruppe zur Vertretung protestantischer Interessen organisierte und in der Budgetdebatte gegenüber der Regierung zwar in der Sache kompromissbereit war, jedoch prinzipiell die verfassungsmäßigen Rechte des Landtags verteidigte, und sich ihm die Kammermehrheit und schließlich Minister Ernst Fürst von Öttingen-Wallerstein anschlossen. Daraufhin entließ König Ludwig I. den Minister und maßregelte Stahl - der zufällig im selben Jahre wie die Göttinger Sieben Zivilcourage bewiesen hatte -, indem er ihm die Professur für Staatsrecht entzog und das ihm fremde Zivilprozessrecht übertrug. Deshalb lehnte Stahl eine Wiederwahl in den Landtag ab und war nunmehr bereit, einen Ruf an eine Universität außerhalb Bayerns anzunehmen.[16]

1840 wurde Stahl als Professor der Rechtsphilosophie, des Staatsrechts und des Kirchenrechts nach Berlin berufen. Auf Wunsch Friedrich Wilhelms IV. sollte er den „rationalistischen“ Hegelianismus an der Universität bekämpfen. Bei seiner Antrittsvorlesung am 26. November verkündete Stahl diese Absicht und erregte einen Eklat [17]. Den protestierenden Studenten rief er zu: „Meine Herren, ich bin hier, um zu lehren, Sie um zu hören, urteilen mögen Sie zu Hause, hier aber stören Sie nicht die Ordnung und Ruhe!“[18] Schon 1841 wurde Stahl in das Spruchkollegium der Juristischen Fakultät aufgenommen, in dem er Gutachten zu staats- und kirchenrechtlichen Fällen erstellte. Als Professor scharte er konservative Studenten um sich und nahm, wenn er Dekan oder Rektor war, im konservativen Interesse Einfluss auf die Besetzung der Lehrstühle. In einem Gutachten der juristischen Fakultät sprach er sich gegen die Zulassungen von Juden als Dozenten aus. Stahl formulierte auch die Ablehnung der Einladung zu einer Versammlung von Universitätslehrern im September des Revolutionsjahres 1848, weil er gegen eine Anerkennung der Frankfurter Zentralregierung war. Seit dem Wintersemester 1850/51 hielt er öffentliche Vorlesungen über Die gegenwärtigen Parteien in Staat und Kirche, zu der auch hohe Beamte und Offiziere, ja sogar Minister kamen.[19]

Julius Stahls Gesundheit war stets labil; regelmäßig unterzog er sich Kuren, so auch im Sommer 1861 in Bad Brückenau, wo er am 10. August überraschend starb. Stahl, der eine der prägenden Personen für den Konservativismus in Preußen und im Deutschen Reich nach 1871 war, liegt auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Berlin-Schöneberg begraben. Der Berliner Senat entzog durch Beschluss vom 29. November 2005 diesem Grab "wegen fehlender Voraussetzungen" den Status als Ehrengrab. Der Nachlass Stahls befindet sich, soweit erhalten, größtenteils in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel.

Politische Tätigkeit

War schon Stahls Aktivität in der Hochschule politisch bedeutsam, genügte dies seinem politischen Ehrgeiz jedoch beileibe nicht. Nachdem 1848 eine Petition der Außerordentlichen Professoren und Privatdozenten der Berliner Universität die Absetzung u. a. Stahls gefordert hatte, verließ er fluchtartig Berlin, kam jedoch bald zurück um an der Gründung einer konservativen Zeitung und der Organisation der Conservativen Partei mitzuwirken. Stahl gehörte zu den Aktionären und den Mitarbeitern der Mitte 1848 gegründeten „Neuen Preußischen Zeitung“ auch „Kreuzzeitung“ genannt. Sein am 20. Juli 1848 darin abgedruckter Artikel „Das Banner der Conservativen“[20] war eine Kurzfassung seiner Schrift „Das monarchische Princip“ von 1845, allerdings aktualisiert und konkretisiert: Aus Friedrich Wilhelms IV. Proklamation vom 18. März leitete er eine Weiterentwicklung der preußischen Verfassungswirklichkeit durch den König ab. Weitere Artikel Stahls folgten in kurzen Abständen, bis er sich im September auf den Aufbau einer Parteiorganisation zu konzentrieren begann. Sein im Februar und März 1849 verfasster ’’Entwurf für eine conservative Partei, in dem er die Leitlinien einer künftigen konservativen Politik umriss, wurde Grundlage für das schließlich gedruckte Programm der Konservativen[21][22]

Allerdings konnte Stahl nicht die gesamte konservative Partei auf dieses Programm festlegen; so wurde er zum Wortführer nur der äußersten parlamentarischen Rechten. 1849 für den Landkreis Oberbarnim in die erste Kammer gewählt, gelang es ihm immerhin, die „Hochkonservativen“ der „Kreuzzeitungspartei“ für die prinzipielle Akzeptanz der Verfassung zu gewinnen, deren Revision sie jedoch anstrebte. Eine bedeutende Rolle spielte 1850–1857 die „Kamarilla“, ein aus Adligen bestehendes Geheimkabinett Friedrich Wilhelms IV., dem Stahl zwar persönlich nicht angehörte, dessen Berater dieser „dialektisch begabte und konzessionsbereite Staatsrechtler“[23] aber war. Er rang zwar mit dem König zäh um die Besetzung der Kammer, gab dann jedoch stets nach, wenn er ihn nicht überzeugen konnte. Schließlich wurde Stahl eines der vom König auf Lebenszeit ernannten Mitglieder des Herrenhauses und damit der Hauptwortführer der Reaktion und der ritterschaftlichen Partei, der er bis zu seinem Ende treu blieb. Im Staatenhaus des Erfurter Unionsparlamentes agierte er 1850 gegen das Vorhaben einer kleindeutschen Lösung der nationalen Frage unter preußischer Führung, weil er nichts gegen Habsburg, in dem er noch immer den legitimen Anwärter auf die Kaiserkrone sah, unternommen haben wollte. Das Scheitern der Unionspolitik durch die Olmützer Punktation war ihm nur recht; so wurde das Einvernehmen in der Heiligen Allianz mit Österreich und Russland wieder hergestellt. Aus diesem Geiste heraus setzte er sich auch 1854 für die preußische Neutralität im Krimkrieg ein, als Bunsen und andere Parteigänger Englands Friedrich Wilhelm IV. zum Eingreifen drängten. Der König hatte 1840 verheißen: „Ich will Frieden halten in meiner Zeit.“ und hielt dies nun ein. Preußen war bewusst neutral geblieben, und Stahl begründete dies in einer Rede vor der ersten Kammer als „Fazit einer Politik nach höherem Prinzip“.[24][25]

Friedrich Julius Stahl, 1860

Auch auf kirchlichem Gebiet nutzte Stahl seine Stellung als Mitglied des altpreußischen Evangelischen Oberkirchenrates (1852–1858) zur Lockerung der Union, zur Stärkung des lutherischen Konfessionalismus (Neuluthertum) und zur Erneuerung der Herrschaft der Geistlichkeit über die Laienwelt. Er war Mitglied der preußischen Generalsynode 1846 sowie (gemeinsam mit August von Bethmann-Hollweg) Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentags von 1848 bis 1861 [26]. Auf Einwirkungen des Katholizismus in seiner Würzburger Zeit, als ihn die autoritären Momente der hierarchischen Kirchenverfassung bestachen,[27] mag zurückzuführen sein, dass Stahl forderte, die Gültigkeit des lutherischen Bekenntnisses als oberster Norm allen kirchlichen Lebens mit Hilfe einer weitgehend selbständigen episkopalistischen Kirchenorganisation sicherzustellen[28]. Das Bischofsamt wurde schließlich nach 1945 in der EKD eingeführt[29].

Der politische Umschwung infolge der Erkrankung des Königs und der Erhebung des Prinzregenten Wilhelm und der Sturz des Ministeriums Manteuffel beendeten auch Stahls Arbeit im Oberkirchenrat und führten 1858 zu seinem Austritt aus der Behörde. Er setzte aber den politischen Kampf gegen das »Ministerium der liberalen Ära« im Herrenhaus fort, erlebte die politische Wende zurück zur Orientierung am Herrenhaus jedoch nicht mehr.

Stahls Staatslehre

Ende der 1820er Jahre war Stahl in München in einer in jeder Hinsicht schwierigen, krisenhaften Situation gewesen: Nicht nur materiell – er musste für sich und seine Geschwister den Lebensunterhalt verdienen – auch geistig war er in Bedrängnis, wie er im Dezember 1829 in der Vorrede zur ersten Auflage der „Philosophie des Rechts“ schreibt, die ihm so wichtig ist, dass er sie vollständig in die späteren Auflagen übernimmt: „Ich übergebe hier der gebildeten Welt die Bearbeitung eines Stoffes, von dem ich seit vielen Jahren nicht mehr glaubte, daß er je Gegenstand meiner Untersuchung werden könnte. Denn der Mangel an Hoffnung, je durch Philosophie einen Gewinn, ein festes Resultat zu erhalten, das abschreckende Beispiel der gefeierten Denker neuer Zeit, welche durch sie gerade des Trostreichsten und Heiligsten verlustig geworden, hatte mich wie so viele Andere mit einem völligen Ueberdruß an aller philosophischen Forschung erfüllt, und ich zog mich ausschließlich auf das Studium des positiven Rechts zurück. - Es war die Beschäftigung mit dem Positiven Rechte, die mir Fragen und Untersuchungen aufdrang, für welche ich die Lösung, ja selbst Begriff und Bezeichnung nicht mehr in ihm selbst fand, und so, ohne es zu suchen und zu wollen, in ein höheres wissenschaftliches Gebiet gedrängt wurde. ... Damit war ich genöthigt meine Behandlungsweise durch eine Ansicht über das Wesen des Gerechten ethisch zu begründen und jede ihr entgegenstehende einer Kritik zu unterwerfen. Die verschiedenen Richtungen in der Rechtsphilosophie ordneten sich mir bei dieser Betrachtung von selbst zu einer stufenmäßigen Entwickelung. Dadurch wurde der erste Grund zu diesem Buche gelegt. — Um dieselbe Zeit vereinigte sich mir viel Günstiges. Trübe Verhältnisse und eine trübe Stimmung, begannen von mir zu weichen. Dahin gehört vorzüglich auch meine Stellung zur Philosophie Hegels. Schon von Anbeginn von ihrer Unwahrheit lebendig überzeugt, konnte ich doch den Sitz des Irrthums nicht finden. So riß sie mich zwar nicht zu ihrem Glauben hin, aber sie trübte und schwächte mir den meinigen, und so sehr sie mich abstieß, war ich immer genöthigt, wenn auch nicht in vorsätzlichem Studium, doch in unwillkürlicher Beschäftigung wieder zu ihr zurückzukehren, bis ich die Mittel wissenschaftlicher Ueberwindung gegen sie erworben hatte.“[30] Zu diesen „kam endlich als letzter Bestimmungsgrund der Einfluß Schellings, der in demselben Semester seine Vorlesungen an unserer Hochschule eröffnete. Durch ihn erhielt ich vielfach Mittel zu klarerer Auseinandersetzung, Erweiterung, zu tieferer Begründung meiner Gedanken; durch ihn erhielt ich den Muth, von Ueberzeugungen, die man als in ein eignes Gebiet gehörig im Innersten zu verschließen und nur gegen feindliche Angriffe zu schützen pflegt, auch positiv den vollständigsten wissenschaftlichen Gebrauch zu machen.“[31] Stahl sieht sich jedoch nicht als Jünger Schellings. Und in der zweiten Auflage stellt er 1847 klar: „Bekenntniß und Richtung im Leben wie in der Wissenschaft habe ich von Schelling nicht erhalten. Als ich vor siebzehn Jahren das erste Mal den Fuß in seinen Hörsaal fetzte, waren meine positiven Grundüberzeugungen und mein Verhältniß zur Philosophie Hegel's schon derselben Art wie jetzt, gerade daß Schelling sich in gleichem Sinne aussprach, hat mich ihm gewonnen. Wohl aber verdanke ich Schelling eine Anfeuerung und eine sehr bedeutende Unterstützung zur wissenschaftlichen Darlegung jener Grundüberzeugungen, so wie außerdem noch die allgemeine geistige Anregung, die man immer aus großartigen tiefgedachten Vorträgen schöpft. Was ich jedoch von Schelling annahm, wozu ich mich bekannte und noch bekenne, ist bloß seine Polemik gegen das „rationalistische" („negative") und seine Gegenüberstellung des „geschichtlichen" („positiven") Princips, und das wird wohl Niemand für ein philosophisches System halten.“[32]: „Die irrige Meinung, als sey ich ein Vertreter der neuen Schelling'schen Philosophie oder als sey meine Rechtsphilosophie ein Ausfluß derselben, hat ihren Ursprung lediglich darin, daß man von vornherein auf meinen ganzen Standpunkt nicht einging.“[33]. "Nur von diesem Grundgedanken (Schellings), dem Begriff der „geschichtlichen Philosophie", habe ich behauptet, daß er mit dem Christenthum übereinstimme, diesem die Stätte in der Philosophie bereite."[34] „So bildete sich mir der Plan, jene flüchtig entworfene Geschichte der rechtsphilosophischen Richtungen mit Gründlichkeit durchzuführen, den Gang derselben nunmehr im Zusammenhang mit der ganzen Philosophie zu verfolgen und den Versuch zu machen, ob ich, auf diese historische Basis gestützt, vielleicht selbst zu einem neuen und befestigten Resultate gelangen möchte.“[35]

Eine zweite Persönlichkeit, auf die er sich stützen konnte war: Savigny, der Vater der historischen Rechtsschule [36]. „Savigny durfte sich der Untersuchung über die letzten Gründe des Gerechten überheben, sein Sinn leitet ihn sicher, durch eine künstlerische Kraft bildet er ganz und vollendet, wozu erst langsam allmälig die angestrengteste philosophische Forschung hinführt. Er stellte eine Ansicht der Rechtsentstehung — und daraus augenblicklich praktische Anforderungen — auf, die, wie sie von ihm dargestellt ist, ein klares Bild gewährt und durch innere Wahrheit ergreift. ... aber Andere, denen dieser Zauber mangelt,“ bedürften einer Rechtsphilosophie als einer theoretischen Grundlage. Diese war vernachlässigt worden, und Stahl wollte sich der Aufgabe stellen: „Ihr Kern ist aber unmöglich, wie man anzunehmen pflegt, die Ansicht über das Faktische, wie das Recht entsteht; sondern nur die über das Ethische, wie es entstehen, welchen Inhalt es erhalten soll — die Ansicht über das Gerechte[37] .“ „Vor Allem aber war es mein Vorsatz, jede Terminologie so viel als möglich zu vermeiden, weder selbst eine zu bilden, noch irgend einer der bestehenden zu folgen, ja diese selbst in die allgemeine Sprache aufzulösen[38].“ „Neues zu finden ist überhaupt nicht die Absicht; gerade das Uralte, der Glaube der Menschheit von Anbeginn ist das Wahre. Was der schlichte Sinn ewig als solches erkennt, z. B. die Persönlichkeit, die Liebe Gottes, davon entfernen sich mit Entschiedenheit und Bewußtsein immer nur wenige[39]“. Vor allem wollte Stahl mit seinem Werk „dem Rationalismus einen ewigen Denkstein[40]“ (d.h. Grabstein!) setzen.

Die Einleitung seines Hauptwerkes beginnt er mit der lapidaren Definition: „Rechtsphilosophie ist die Wissenschaft des Gerechten [41].“ Da vorausgegangene Versuche nicht unbeachtet bleiben können, ist der erste Band der Genese der Rechtsphilosophie gewidmet. „Der geschichtliche Verlauf, die reelle Beschaffenheit der Menschen ist das Gericht über die Motive aller Philosophie, und sohin über diese selbst. Die Wissenschaft muß, wie der Heilige in der Legende (Christophorus), den stärksten Herrn suchen[42].“ „...es fragt sich bei jedem Systeme nicht sowohl, welche Einrichtungen es für gerecht erkläre, als was ihm das Gerechte sey, und woher es die Kenntniß desselben schöpfe[43].“ Beginnend mit den Griechen, über das Mittelalter und die Naturrechtslehre, gelangt Stahl schließlich nach pragmatischen (Macchiavelli und Montesquieu) und spekulativen (Hegel und Schelling) zu den "Schriftstellern der Kontrerevolution" und zur geschichtlichen Rechtsphilosophie.

Der zweite Band der „Philosophie des Rechts“ erschien 1833, also nach der Julirevolution von 1830. Das Revolutionserlebnis war prägend für Stahl[44]. Die Revolution lehnte er unbedingt ab und alles wäre zu tun, um sie zu verhindern, um ihr vorzubeugen. Die Revolution beginnt für Stahl bereits mit dem Rationalismus, damit dass der Mensch sich nicht mehr damit begnügt, Gott über sich zu wissen, sondern selbst, mittels seiner Vernunft, Maßstäbe setzen will. Und wenn man dem Rationalismus seinen Lauf lässt, so glaubte Stahl, führt er zwangsläufig zur permanenten Revolution, denn nachdem ja Gott schon gestürzt sein soll, begnügt man sich nicht mit einer Verfassung, auch nicht mit dem Sturz des Monarchen und der Errichtung einer Republik, vielmehr wird schließlich auch das Eigentum abgeschafft und alle Grundlagen der Ordnung in der Gesellschaft werden beseitigt, damit auch die Freiheit des Einzelmenschen und die Menschenwürde – es kommt zur "Hölle auf Erden". Also: wehret den Anfängen! Die Rettung ist allein der christliche Konservatismus.

Wie die Revolution im negativen, so ist die Religion im positiven Sinne prägend für Stahl gewesen. Er wuchs ja im Haus des Vorstehers der jüdischen Gemeinde religiös auf. Doch diese Religiosität genügte ihm bald nicht mehr. Am Gymnasium wurde für ihn der Einfluss Thierschs bestimmend; dieser lutherische Protestant aus dem Umfeld des Präsidenten der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Friedrich Heinrich Jacobi überzeugte ihn, und Stahl konvertierte. Nicht dass er sich an das vom Katholizismus dominierte München und Bayern anpasste, nein: er wurde Lutheraner. Und später, als Professor in Würzburg, das ganz vom Katholizismus beherrscht war, litt Stahl darunter und wurde unsicher. Erst die Erlanger Theologie Kraffts festigte ihn wieder und formte ihn zum orthodoxen Lutheraner. War er Pietist? Stahl bestritt dies, und so wie er den Pietismus verstand, nämlich als apolitisch, hatte er natürlich recht; unpolitisch war Stahl sicher nicht. Auch den Vorwurf Thibauts, gegen die historische Rechtsschule überhaupt, sie sei pietistisch, ließ er nur in dem Sinne gelten, dass Pietät „ihrem innersten Beweggrunde nach jene sorgfältige Pflege der Geschichte, Pietät die Bewahrung jedes eigenthümlichen Instituts, die Scheu vor allem, was ohne unser Zuthun geworden“ sei.[45]

Im Prinzip bekannte sich Stahl also als Anhänger der historischen Rechtsschule, indem er ihr und Savigny nicht Fehler vorwarf, sondern nur den Mangel an einer ethischen Fundierung durch eine Rechtsphilosophie, die er selbst für diese Richtung zu schaffen versuchte[46]. Nämlich dadurch, dass er das historisch Gewachsene als aus dem Walten Gottes resultierend sah und er den Willen Gottes als Maßstab für das Gute zugrunde legte und das Recht als Basis die göttlichen Gebote haben soll. Auf dieser Grundlage führte er aus, dass das Recht auch weiterhin im Sinne Gottes organisch–historisch entwickelt werden soll. Staat und Kirche sind Anstalten, d.h. Institutionen, von Menschen errichtet, aber sie sollen einem Höheren dienen. Im Staat soll das "sittliche Reich" errichtet werden; nicht identisch mit dem ewigen "Reich Gottes", aber in der Zeit, in der Geschichte die Vorstufe dazu. 1837 schrieb Stahl: So ist der Staat der Leiter der göttlichen Einflüsse auf den äussern Zustand der Menschen. Er soll ihn an Gottes Statt ordnen, fördern, Verletzung der Ordnung strafen, eben damit aber auch den sittlich vernünftigen Willen der menschlichen Gemeinschaft bewähren, d.i. ihren Gehorsam, Gottes Ordnung aufzurichten und zu handhaben[47]. Ausgehend von seinem Glauben an den persönlichen Gott als oberstes Prinzip postulierte Stahl auch an die Spitze des Staates eine Persönlichkeit: den Monarchen. Dieser soll aber nicht über dem Staat stehen, sondern ihm dienen, Verfassung und Gesetze einhalten, den Staat führen zur Erfüllung der von Gott gestellten Aufgaben.

Nicht die logische Notwendigkeit (wie Hegel), sondern die freie Persönlichkeit des offenbarten Gottes legte Stahl als Prinzip seiner Weltanschauung zugrunde. Analog dazu setzte er, wie schon im 4. Jahrhundert Eusebios von Kaisarea, der Hofhistoriograph Konstantins, in seiner Tricennalienrede[48], die freie Persönlichkeit des Monarchen als Souverän des Staates. Der Staat ist jedoch nicht Eigentum des Monarchen; dieser steht nicht über jenem, sondern ist Teil davon. Staat und Monarch sind einem Höheren verpflichtet und haben in dessen Sinn zu wirken. Fundament der stark von Schelling, aber auch von Hegel beeinflussten Philosophie Stahls ist der Glaube an einen persönlichen Gott, an einen Lenker der Geschichte. Von ihm gelenkt entfaltet sich im religiös-sittlichen Bereich die „Persönlichkeit“ als Einzelwesen, als Gläubiger in der Kirchengemeinde und als Bürger in der bürgerlichen Ordnung der „sittlichen Welt“, überwölbt vom Staat, dem „sittlichen Reich“. Letzteres wird vom Christentum normativ bestimmt. Der Staat ist bei Stahl selbstverständlich keine Vertragskonstruktion, sondern die von Gott eingesetzte Obrigkeit; wie der Einzelne strebt auch der Staat als Persönlichkeit zum Sittlichen. Es leuchtet ein, dass dieser „christliche Staat“ die hegelsche Trennung von Staat und Gesellschaft nicht kennen kann. Vielmehr ist der Staat „nach Art und Form seines Bestandes der Verband eines Volkes unter einer Herrschaft (Obrigkeit).Nach Gehalt und Bedeutung ist ein sittliches Reich“. Dieses Reich lebt aus der monarchischen Autorität, ist aber wiederum keine theokratische Diktatur. Der Monarch ist „gebunden“, wie er dies in der gesamten lutherischen Staatslehre seit ihren Anfängen war (Ch.Link). Der ethisierte Rechtsbegriff Stahls bringt Autorität und Freiheit, monarchisches Prinzip und ideelles „Volk“ jedenfalls verbal in Balance[49]. Aus der Souveränität folgt, dass dem Fürsten die Ausübung der Staatsgewalt ganz und unteilbar zusteht. Da zur Macht die Verantwortung gehört, ’’hat der Fürst auch alleinige Gesetzesinitiative, Anspruch auf seine Zivilliste, das Recht der Einnahmenverwendung und das Recht, die Volksvertretung zusammenzuberufen. Bei Verfassungskonflikten zwischen Kammer und Regierung hat er durch das absolute Veto die letzte Entscheidung. Seine Pflicht ist es aber, sein Interesse dem Staate unterzuordnen und die Rechte der Untertanen zu achten. Für die Untertanen ergibt sich als Pflicht Gehorsam und Liebe gegenüber der legitimen Obrigkeit, Hingebung und Aufopferung für den Staat. Ihr Recht ist erstens der Anspruch auf Freiheit der Religion, der Lehre, des Eigentums; denn der Staat als höchst unvollkommene Institution, als Reich des Sündenfalls, kann nur negativ, nur schützend, vor allem stehen, was dem Innern des Einzelnen entspringt. Erfüllt können diese Lebensverhältnisse nur in einer höheren Einheit werden, in der von Gottes Geboten, die unmittelbar in der Seele seiner Geschöpfe wirken. Mit diesem negativen Status erschöpfen sich aber die Rechte der Untertanen nicht. Da sie freie Geschöpfe sind, müssen sie nicht bloß gehorchen, sondern auch zustimmen. Der Wille des Herrschers muss zu ihrem eigenen freien Willen werden. Daher forderte Stahl eine Volksvertretung, die Gesetzen und Steuern zustimmen oder sie ablehnen kann, die die ordnungsmäßige Finanzgebarung, die verfassungsmäßige Durchführung der Gesetze, die gerechte Rechtsprechung überwacht und so zum Wächter und Garanten der menschlichen Freiheit wird. Es müsse eine Volksvertretung sein, daher lehnte Stahl Feudalstände ab. Aber sie soll die tatsächlichen Machtverhältnisse widerspiegeln, daher war Stahl zwar für das allgemeine, aber gegen das gleiche Wahlrecht, und für ein Oberhaus. Die Volksvertretung hat nicht bloß beratende, sondern beschließende Stimme und muss gehört werden. Da sie auf Rechtsgrundlage steht, darf sie Widerstand leisten, aber nur passiv, er darf niemals bis zur Steuerverweigerung oder gar bis zur offenen Empörung getrieben werden.’’[50]

Wie Masur feststellt, kommt Stahl auf diese Weise nicht eigentlich zu einer Rechtsphilosophie, sondern alles, was „1837 zum Abschluss gedieh, war die christliche Rechts- und Staatslehre“ [51]. Und so bezeichnet ihn auch der Brockhaus (Leipzig 2000) kurz und bündig als „Schöpfer der christlich-konservativen Staatslehre“.

Rezeption und Nachwirkung

Anwendung der Lückentheorie, die auf Stahl zurückgeht, war der Versuch Otto von Bismarcks, den preußischen Verfassungskonflikt im Sinne des Königs zu lösen. Stahl und Bismarck vertraten die Auffassung, dass in allen staatsrechtlichen Fällen, zu denen in der Verfassung keine explizite Regelung getroffen war, der Monarch als Souverän (und nicht das Parlament) die Kompetenz besäße, diese Verfassungslücke in einer Entscheidung nach eigenem Gutdünken zu füllen.

Die „Konstitutionelle Monarchie“, von Stahl auch als „institutionelle“ Monarchie mit monarchischem Prinzip bezeichnet, hat er nicht erfunden, aber bei ihrer Realisierung und Ausgestaltung in Preußen theoretisch wie praktisch-parlamentarisch wichtige Arbeit geleistet. Sie nimmt eine Zwischenstellung ein zwischen der „Parlamentarischen Monarchie“ der nordwesteuropäischen Staaten, mit dem Parlament als entscheidender Institution, und der absoluten Monarchie, wie sie in Russland bis 1917 bestand. Dem preußisch-deutschen Modell schlossen sich die südöstlich gelegenen Staaten (der Balkan-) wie auch die der Iberischen Halbinsel bis zum Ersten Weltkrieg an.[52] Selbst in Japan wurde bei der Entwicklung der Verfassung von 1889 auf den deutschen Konstitutionalismus und, neben Jellinek, auch auf Stahl zurückgegriffen, indem das Verständnis vom Staat als juristischer Person als Kompromiss zwischen Fürstensouveränität und Volkssouveränität in Deutschland eine vollständige Entwicklung der Volkssouveränität verhindert hat, dagegen in Japan dasselbe Konzept einer vollständigen Entwicklung der Fürstensouveränität entgegenstand[53]. Noch 2011 gab der marokkanische König Mohammed VI. seinem Volk eine Verfassung, die der konstitutionellen Monarchie entspricht.

Doch schon von Stahls moderneren Zeitgenossen gab es Kritik: Der Historiker und Politiker Friedrich Christoph Dahlmann kritisierte durchaus zutreffend, Stahl wolle die Freiheit nur in „homöopathischen Tropfenteilchen“ gewähren. Der liberale Politiker und Staatswissenschaftler Robert von Mohl zählt Stahl zu den Gegnern des Rechtsstaats und Befürwortern einer Theokratie[54]. Eduard Wippermann widmete in seinem 1851 erschienenen Werk Die altorientalischen Religionsstaate" Stahl einen Anhang[55], weil er ihn als den Repräsentanten der Lehre vom "christlichen Staat" sah, der als Einziger diese Doctrinen in einem umfassenden Systeme wissenschaftlich verarbeitet hat, und stellt fest, am leichtesten regiere es sich im Religionsstaate. Der Staatsrechtler Rudolf Gneist stellte ironisch fest, dass Stahls Persönlichkeit und Lebensführung in "scharfem Gegensatze" zu der seiner "Parteigenossen" stand[56]. Ludwig Feuerbach widmet 1835 in seinen Erläuterungen und Ergänzungen zum Wesen des Christentums Stahl eine Kritik der 'christlichen Rechts- und Staatslehre' von Fr. Jul. Stahl 1835[57]. Er macht sich über ihn lustig: Der Verfasser geht nämlich bei seiner Philosophie von den Principien des Christenthums aus, und er mußte daher, nachdem er die Splitter in den Augen der Andern aufgezeigt hat, die Balken in seinem eignen Auge öffentlich zur Schau tragen, um so mehr, als eben gerade diese Balken die einzigen festen Stützen seines philosophischen Gebäudes sind.[58] Hart geht Feuerbach ins Gericht mit der sogenannten positiven Philosophie. Obwohl sie die schwachsinnigste Mystik von der Welt ist, obwohl sie in ihrem innersten Grunde den stockfinstersten Obscurantismus birgt und die directe Vernichtung des Princips wahrhafter Wissenschaft und Vernunfterkenntniß in sich enthält, macht sie doch sich und Andern, sei es nun absichtlich oder unabsichtlich, einen blauen Dunst von Philosophie vor.[59] Und ihr oberstes Princip selbst, wenn wir durch ihre Machinationen und die sophistischen Intriguen ihrer unbestimmten ausweichenden, nie bei der Klinge bleibenden, aalsschlüpfrigen, schlupfwinklichen Methode hindurch mit penetranten Blicken ihr auf den Grund schauen und die Sache in geraden deutschen Worten beim rechten Namen nennen wollen, ist nichts als der von der Vernunft abgetrennte, durch sie nicht bestimmte, für sich selbst als Realität fixirte Wille, d. h. die absolute Willkür, die unter dem schönen Namen der Freiheit als das höchste Wesen auf den Thron gesetzt wird. ... Sonst nahmen die Menschen nur in außerordentlichen Fällen, nur da, wo sie auf Facta stießen, welche sie, von unzureichenden Principien ausgehend, nicht mit der Vernunft in Uebereinstimmung bringen konnten, zu dem Willen Gottes ihre Zuflucht und nannten daher denselben offenherzig genug den Zufluchtsort der Unwissenheit, das Asylum ignorantiae. Jetzt aber wird das Asyl der Ignoranz sogar zum Princip der Wissenschaft gemacht, ...[60] Idololatrie (Götzendienst) ist der Geist der positiven Philosophie; ihr Erkenntnißprincip besteht in nichts Anderm, als das Bild einer Sache für die Sache selbst zu nehmen, um dann hintendrein wieder aus dem Bilde als dem Urbilde die reale Sache als das Nachbild zu construiren. ... Aber was ist Inconsequenz für den Verf.? Er hat ja von Vorne herein allen Vernunftzusammenhang, alle Nothwendigkeit als eine lästige Bürde sich vom Halse geworfen, und der Willkür Thür und Thor geöffnet.[61]

Der konservative Historiker Heinrich von Treitschke bescheinigte Stahl, er sei "ganz zum Christen und Deutschen" geworden, nannte ihn Wegbereiter der nationalen Einheit und den "einzigen großen politischen Kopf unter allen Denkern jüdischen Blutes“[62]. Im Wilhelminischen Kaiserreich hatte sich der Rechtspositivismus durchgesetzt und Stahl war weitgehend vergessen[63], fand allenfalls historisches Interesse, etwa bei Erich Kaufmann[64], während Laband in seinem Staatsrecht des Deutschen Reiches 1876 keinerlei Beachtung schenkte[65]. Unterschiedlich war die Bewertung seiner Lehren in der Weimarer Zeit. Im nationalsozialistischen Deutschland verurteilten, Reichsinnenminister Hans Frank folgend, u.a. Johannes Heckel (wegen des „Einbruchs ...jüdischen Geistes in das deutsche Staats- und Kirchenrecht“)[66] und Edgar Tatarin-Tarnheyden den "Artfremden" Stahl (wegen "Staatsmachtzerstäubung")[67], sowie Carl Schmitt, dem "Stahl-Jolson", wie er ihn stets nannte, als "der Kühnste in" einer "jüdischen Front" galt[68], der Preußen paralysiert und den Sturz der Hohenzollern verschuldet haben soll. Dagegen äußerten sich Schriftsteller im Exil positiv oder differenziert zu Stahls Lehren; der junge Peter F. Drucker veröffentlichte einen lobenden Artikel über Stahl im April 1933 in Tübingen, kurz bevor er Deutschland verlassen musste.

Nach 1945 finden Stahls Doktrinen neben Kritik noch bis in die sechziger Jahre hinein Anklang bei christlich-konservativen Politikern, Historikern wie Hans-Joachim Schoeps[69] und lutherischen Kirchenvertretern wie Otto Dibelius[70]. ‚‚Die Reflexion der Ursachen und Folgen des Zusammenbruchs Deutschlands führte auch dazu, Stahl erneute Aufmerksamkeit zu widmen. Denjenigen, die meinten, er habe im Gefolge Hegels und als Vorläufer Bismarcks den autoritären deutschen Obrigkeitsstaat legitimiert und dadurch der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft vorgearbeitet, traten diejenigen entgegen, die ihn als christlichen Naturrechtler, als einen Theoretiker des „Rechtsstaates“ und als einen christlichen Grundsätzen verpflichteten gemäßigt-konservativen Politiker würdigten und ihn für ihre Lösungsvorschläge zur Neugestaltung der westdeutschen Sozietät und ihrer Staatlichkeit in Anspruch nahmen. Die Vertreter dieser Auffassung ... einigte eine religiös-weltanschauliche Grundhaltung, die sich schon in den genannten Urteilen über Stahl am Ausgang der Weimarer Republik angekündigt und die sich dann im gemeinsamen Widerstand gegen die nationalsozialistischen Machthaber gefestigt hatte. Ihr politische Heimat wurde die Christlich Demokratische Union.’’[71] Fritz Fischer[72] hob besonders die Gefährlichkeit der scheinliberalen Zugeständnisse in Stahls Staatslehre hervor; mit Hilfe seines Verfassungskompromisses sei die notwendige parlamentarische Reform des deutschen Regierungssystems bis zum Ende des Ersten Weltkrieges verhindert worden. Seine obrigkeitlichen Anschauungen hätten das Denken der maßgeblichen konservativen protestantischen Führungseliten Preußen-Deutschland im Staate, in der Kirche, in der Gesellschaft und an den Universitäten bis zum Ersten Weltkrieg und darüber hinaus maßgeblich bestimmt und dadurch zum Untergang der Weimarer Republik mit seinen Folgen beigetragen. „Die Geschichte der ‚Gegenrevolution der Wissenschaft’ war nicht mit F.J.Stahl, sie war 1918 noch nicht abgeschlossen.“[73]Dieter Grosser[74] würdigte Stahls Staatslehre als wesentlichen Beitrag zur Bewältigung der staatstheoretischen und verfassungspolitischen Probleme seiner Zeit und erkannte ihren rechtsphilosophischen Grundlagen darüber hinaus einen bleibenden wissenschaftlichen Wert zu. Insbesondere arbeitete er die religiös-ethische, rechtliche und politische Struktur des „Sittlichen Reiches von persönlichem Charakter“, des Zentralbegriffs der Stahlschen Rechts- und Staatsphilosophie, heraus und führte die Spannungen in Stahls System auf die Verwurzelung seines Denkens in den unterschiedlichen „reaktiven“ politischen Strömungen der Restauration, der Philosophie Schellings und der Theologie Luthers zurück.[75] Dagegen stellte Robert Adolf Kann[76] fest, Stahl habe lediglich das konservative Gedankengut seiner Zeit systematisiert und ihren Bedürfnissen angepasst. Seine Ideen, die schon zu seinen Lebzeiten überholt gewesen seien, gingen in ihrem Kern nicht über die mittelalterliche Zwei-Schwerter-Lehre hinaus.[77] Martin Greiffenhagen[78] charakterisiert Stahl als Vertreter eines autoritären, obrigkeitlich-institutionellen Staats- und Kirchenverständnisses. Seine Anschauungen – ebenso wie die Doktrinen seiner Vorgänger, Parteigenossen und Nachfolger – seien „durch ihre eigene Geschichte widerlegt“.[79] Zusammenfassend stellte H.-J. Wiegand fest: "Stahl ist nicht 'tot'; er hat ein Vermächtnis hinterlassen, das seine Erben bis heute beschwert[80]."

Insbesondere auf dem Gebiet der Rechtsstaatlichkeit wird Stahls unumstritten großer Einfluss sehr unterschiedlich bewertet. Seine berühmte Definition beginnt fanfarenhaft mit dem lapidaren Postulat: „Der Staat soll Rechtsstaat sein; ..“ Aber: ..diesem Fanal folgt allerdings eine sprachlich keineswegs eingängige, aber rhetorisch dennoch bemerkenswerte Erklärung,.. schreibt Sobota [81] und legt dar, wie Stahl in schillernder Sprache ein „Labyrinth“ konstruiert. Den letzten Halbsatz, der Rechtsstaat bedeute „nicht Ziel und Inhalt des Staates, sondern nur Art und Charakter, dieselben zu verwirklichen.“ hat Carl Schmitt isoliert[82][83], um Stahl zu denunzieren, er habe einen formalen Rechtsstaatsbegriff eingeführt. Andere haben diesen Vorwurf übernommen, obwohl aus Stahls Definition das Gegenteil hervorgeht: Überhaupt sind für ihn ethische Grundsätze wichtiger als Gesetze. Stahl hat dem Positivismus der historischen Rechtsschule ja gerade die ethische Grundlage des göttlichen Willens zugeschrieben. Dieser steht bei ihm über Recht und Staat. Durchaus erkannt und anerkannt haben dies Sobota[84] wie schon Peter F. Drucker, der Stahls ethisch begründetes Rechtsverständnis dem skrupellos pragmatischen des Nationalsozialismus als vorbildlich gegenüberstellte[85].

Differenziert hat Ernest Hamburger geurteilt, nämlich dass Stahl zwar: als einer der Ersten gegen das Prinzip des laissez faire die Sturmfahne erhob. Karl Rodbertus, der Vater des Staatssozialismus erklärt, von ihm am meisten gelernt zu haben. Stahl behauptete einen wichtigen Platz unter den Denkern, die die konservative Partei mit sozialen Gedanken vertraut gemacht haben.“[86] und: Ein Vorläufer des Nationalsozialismus war Stahl nicht.[87] aber auch: Stahl hat dem preußischen Junkertum das geistige Rüstzeug geschmiedet, mit dessen Hilfe es seine Zeit zu überdauern vermochte. Er hat es dadurch instand gesetzt, Preußen und Deutschland auf einen tragischen Irrweg und schließlich zusammen mit anderen unheilvollen Kräften von Katastrophe zu Katastrophe zu führen. Das Lebenswerk des hochbegabten Mannes brachte Deutschland keinen Segen.[88]und sogar: S. 555: Er hat in unheilvoller Weise den Graben zwischen Deutschland und Westeuropa vertieft[89].

Aus der engen Verbindung von Religion und Staatsrecht bei Stahl ergibt sich ein weiterer Aspekt: Folgt man Carl Schmitt, der hier Recht hat, dann sind vielleicht nicht alle, aber doch zentrale Begriffe des modernen Staatsrechts nur säkularisierte theologische Begriffe.[90] schreibt F.W. Graf, der - ohne Stahl zu nennen - noch darauf hinweist, dass auch Georg Jellinek 1893 in einem Vortrag zeigen will, wie die von theologischen Voraussetzungen ganz unabhängige moderne Staatslehre Jahrhunderte hindurch von der Vorstellung des Adam beherrscht ist, oft ohne es zu ahnen[91]. Spätestens seit dem Vormärz, als Kirchenhistoriker ... die ethischen Konzeptionen der beiden protestantischen Konfessionen komparatistisch analysierten und zugleich bleibende Differenzen zur römisch-katholischen Ethik profilierte, ist gut bekannt, dass sich in ethischen Fragen die genannten christlichen Konfessionsparteien mindestens so sehr unterscheiden wie in dogmatischen Lehren.[92]Günter Dürig einer der Verfasser des lange maßgeblichen Kommentars zum Grundgesetz, schreibt 1952 in einem Aufsatz in der Juristischen Rundschau, dass seit jeher der Begriff 'Persönlichkeit' ein fester Begriff der christlich-philosophischen Anthropologie, der christlichen Gesellschaftslehre und der Moraltheologie[93] sei. Die Germanen hätten allen Völkern die romantische Idee der Freiheit voraus gehabt, aber das Christentum habe den Einzelnen wirklich frei gemacht, indem es ihn als Persönlichkeit der innerlich begründeten Gemeinschaftsbindung unterworfen hat.[94] Das alles erinnert sehr an Stahls christlich-romantische Rechts- und Staatslehre! Gemäß seiner „Sakralisierung sozialer und politischer Institutionen“ gelten als Schöpfungsordnung ’’im theologischen Diskurs des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts zunächst die Ehe und die Familie; aber auch der Staat beziehungsweise das weltliche Regiment ist für Protestanten eine gute Ordnung Gottes“ [95].

Die Theologische Realenzyklopädie stellt 1998 die „beiden prototypischen politischen Handlungstheorien der Revolution, der Revolutionstheorie Karl Marx’ und ihres konservativ rückspiegelnden Gegenentwurfes von F.J. Stahl“ einander diametral gegenüber. Beiden diene die „Idee einer permanenten Revolution als Ausgangs- und Zielpunkt der geschichtlichen Konstruktion.“[96] Allerdings sehe Marx die Revolution als ökonomisch-soziales Phänomen, Stahl hingegen vor allem als staatsrechtliches. Für Marx sei die Revolution Mittel der Befreiung und Emanzipation des Menschen, solle über partikulare Revolutionen in die Weltrevolution münden und zum Paradies der klassenlosen Gesellschaft des Kommunismus führen und sei daher mit allen Mitteln anzustreben. Dagegen sei für Stahl die Revolution das Übel schlechthin: Aufbegehren gegen Gott. Dieses führe den revolutionären Verfall eskalierend durch das rationalistische, liberale, demokratische und sozialistische Stadium zur Hölle auf Erden und sei darum von Anfang an zu vermeiden und zu bekämpfen. „So haben die Revolutionstheorien Marx’ und Stahls in ihrem universalhistorischen Ansatz unter Einschluss politisch-sozialer ethischer Anweisung und in ihren Konsequenzen für die gesellschaftliche Funktion der Religion jenen spannungsvollen Paradigmenrahmen geschaffen, innerhalb dessen sich die politische Revolutionstheorie der Moderne seither definiert und bewegt.“[97]

Versuch einer Beurteilung

Daraus, dass die Bewertung Stahls und seines Wirken so umstritten ist, lässt sich der Schluss ziehen, dass es nicht um objektive Wissenschaft geht, sondern um subjektiv politische Beurteilung. Er beklagte einmal, die Philosophen sähen ihn als Juristen an und die Juristen als Philosophen; er wolle aber weder halber Jurist noch halber Philosoph sein[98]. Nun, er ist eben ganz und gar Politiker und Parlamentarier gewesen! Er versuchte, die Monarchie zu erhalten, indem er sie anpasste durch scheinbare Aufnahme der neuen Idee des Konstitutionalismus, und brachte diese in eine Form, die die Herrschenden bereit waren zu akzeptieren, weil so ihre Macht erhalten wurde. Stahl hat seine Staatslehre, trotz ihrer scheinbar transzendenten Begründung, für seine politische Tätigkeit nicht nur eingesetzt, sondern geschaffen, in der Absicht, die unvermeidliche Entwicklung abzubremsen. Als einem historisch Denkenden musste ihm bewusst sein, dass nichts bleibt wie es ist, sondern alles sich verändert. Deshalb gehörte zu Stahls Konzept auch dessen Weiterentwicklung, die er jedoch versäumte, weil er - entsprechend seinem monarchischen Prinzip - stets zur Nachgiebigkeit gegenüber den Wünschen des Königs bereit sein musste. Hinzu kam, dass die herrschende Schicht des großgrundbesitzenden Adels einschließlich der aus ihr hervorgehenden hohen Offiziere, Richter und Beamten nicht den moralischen Anforderungen genügte, die Stahls "sittliches Reich" an sie stellte: Sie hatten nicht das Wohl des Ganzen im Auge und verschärften durch ihren Klassenegoismus die soziale Frage. Vollends ihre Ablehnung der Republik nach 1918 schwächte diese von Anfang an und trug schließlich zum Untergang bei.

In der Tat ist Stahls Theorie nicht tief, nicht philosophisch begründet, sondern basiert auf seiner christlich-religiösen Orientierung, ist „gebunden an die impliziten normativen Leitvorstellungen seiner Kultur“[99]. Da Stahl, wie schon Masur (s.o.) feststellte, eigentlich keine Rechtsphilosophie vorlegte, sondern eine Staatslehre, ist er eben nicht Philosoph, sondern Politiker und Parteiideologe. Dies geht auch daraus hervor, dass er in seiner „Philosophie des Rechts“ Wert darauf legte, keine Terminologie zu verwenden, sondern ( s.o.) allgemeinverständlich zu schreiben. Auch Max Lenz schrieb über Stahl: Politik war, was er als Lehrer wie als Mitglied der Fakultät und als Schriftsteller trieb; seine Vorlesungen glichen nach Inhalt und Form den Vorträgen und Reden, die er in den Parlamenten und den Versammlungen seiner Partei hielt: so waren sie berechnet, und so wurden sie aufgenommen, bekämpft und bewundert. Nur von diesem Interesse waren Themata und Durchführung seiner Bücher diktiert, schon in Erlangen, und vollends in Berlin, wo er überhaupt nichts anderes neu geschrieben hat als Broschüren und Streitschriften, die zur Sammlung seiner Anhänger und zur Bekämpfung seiner Gegner bestimmt waren.[100]. Auch Hamburger sieht es so: Während der 20 Jahre seiner Professur in Berlin lehrte er hauptsächlich das, was er in der Ersten Kammer und dann im Herrenhaus betrieb: Politik. In seinen öffentlichen Vorlesungen über die Parteien in Staat und Kirche und über die englische Verfassung saßen im Auditorium maximum zu seinen Füßen dicht gedrängt neben Studenten Theologen, hohe Staatsbeamte, Richter und Offiziere jeden Ranges.[101] Ferner passt hierzu, dass er ein anerkannt guter Redner und gewandter Dialektiker war[102][103] Stahl selbst sah seine Aufgabe darin, Zusammenhänge auf den Punkt zu bringen[104]. Und er tat dies auch mit Schlagworten und Zuspitzungen, mit einprägsamen Losungen wie z. B. „Autorität statt Majorität![105][106]“ und „Nicht zurück, sondern hindurch!“ Und mit witzigen Vergleichen, z.B. des Königs in der parlamentarischen Demokratie mit dem Knopf auf der Kirchturmspitze: erhaben aber unwichtig!

Andrerseits war er in manchem durchaus ein untypischer Politiker: Stahl, obwohl nicht vermögend, verwaltete drei Ehrenämter, als Mitglied des Herrenhauses, des Staatsraths und des Ober-Kirchenraths und nur als Professor an der Universität bezog er ein sehr mäßiges Gehalt.[107] Ueberblicken wir schriftstellerische und politische Thätigkeit Stahl's, so steht er vor uns als Mann aus Einem Guß, dessen erstes Werk mit seinem letzten, dessen Theorie mit seiner Praxis einheitlich zusammenklingen. Als wesentlich hiermit übereinstimmend wird uns auch seine Lebensführung geschildert; bürgerlich einfach in seinen Sitten, peinlich höflich gegen Jedermann, fein und liebenswürdig im näheren Umgange, und von unermüdlichem Fleiß; in gewählter schwarzer Kleidung den Eindruck des vornehmen juristischen Professors demjenigen des Geistlichen annähernd; ohne Pathos, aber mit scharfer Stimme redend; so bildete der ein stilles und glückliches Familienleben führende, kleine, zarte, den Typus seine Abstammung in der äußeren Erscheinung deutlich aufweisende Mann gegen die Mitglieder der Partei, deren führender Geist er zu Lebzeiten gewesen und deren geistiger Heros er geblieben ist, einen Gegensatz von geradezu weltgeschichtlicher Ironie. Er selbst scheint nichts derart empfunden zu haben — in dieser unerschütterten Sicherheit lag ein gutes Theil seiner Kraft.[108]

Man sollte Stahls Einfluss, sowohl des Politikers, als auch des Ideologen, nicht überschätzen. Eben weil er Realpolitiker war, hat er sich in Theorie und Praxis an die Verhältnisse und Sachzwänge angepasst und somit den Lauf der Geschichte nicht bestimmt, sondern allenfalls Details der scheinbar unabänderlichen Entwicklung der Dinge lediglich in Geschwindigkeit und Modalitäten geringfügig mitbeeinflusst.

Werke

  • Über Ehre als Triebfeder der neuern Monarchie, in: F. Herbst, Ideale und Irrthümer des academischen Lebens in unserer Zeit, oder der offene Bund für das Höchste im Menschenleben, zunächst für die teutsche studierende Jugend. (Stuttgart 1823) S. 228-237.
  • Grundriß zu Vorlesungen über Philosophie des Rechts. (München 1829) Digitalisat
  • Die Philosophie des Rechts nach geschichtlicher Ansicht. – Band 1: Genesis der gegenwärtigen Rechtsphilosophie. – Band 2 und 3: Christliche Rechts- und Staatslehre. Erste und zweite Abtheilung: Heidelberg, im Verlag der akademischen Buchhandlung J.C.B. Mohr (1830, 1833, 1837).
  • Die Kirchenverfassung nach Lehre und Recht der Protestanten. (Erlangen 1840)
  • De matrimonio ob errorem rescindendo commentatio. (Berolini 1841)
  • Über Kirchenzucht (Berlin 1845)
  • Das monarchische Prinzip (Heidelberg 1845)
  • Fundamente einer christlichen Philosophie. (Heidelberg 1846)
  • Der christliche Staat und sein Verhältnis zu Deismus und Judentum. (Berlin 1847)
  • Die Revolution und die constitutionelle Monarchie (Berlin 1848)
  • Rechtswissenschaft oder Volksbewusstsein? (Berlin 1848)
  • Die deutsche Reichsverfassung nach den Beschlüssen der deutschen Nationalversammlung und nach dem Entwurf der drei königlichen Regierungen. (Berlin 1849)
  • Reden aus den Verhandlungen der preußischen Ersten Kammer und des Deutschen Unions-Parlaments 1849 und 1850. (Berlin 1850)
  • Was ist Revolution? (Berlin 1852)
  • Der Protestantismus als politisches Prinzip (Berlin 1853)
  • Friedrich Wilhelm der Dritte. Gedächtnisrede gehalten am 3. August 1853. (Berlin 1853
  • Die katholischen Widerlegungen (Berlin 1854)
  • Ausführungen über das Ehescheidungsgesetz. (Berlin 1855)
  • Parlamentarische Reden von F.J. Stahl. herausgeg. v. J.P.M. Treuherz. (Berlin 1856)
  • Wider Bunsen (gegen dessen Zeichen der Zeit, Berlin 1856)
  • Die lutherische Kirche und die Union (Berlin 1859)
  • Zum Gedächtniß Seiner Majestät des hochseligen Königs Friedrich Wilhelm IV. und seiner Regierung. (Berlin 1861)
  • Siebzehn parlamentarische Reden und drei Vorträge von Friedrich Julius Stahl. Nach letztwilliger Bestimmung geordnet und herausgeg. v. Hertz. (Berlin 1862)
  • Die gegenwärtigen Parteien in Staat und Kirche. Neunundzwanzig akademische Vorlesungen. (Berlin 1863)
  • Stahl und Rotenhan, Briefe herausgeg. v. Ernst Salzer, in: Historische Vierteljahresschrift Bd. 14. (Dresden 1911)
  • Neue Briefe Friedrich Julius Stahls. herausgeg. v. Ernst Salzer, in: Deutsche Rundschau 40. (1914) S.99-125.
  • Olaf Koglin, Die Briefe Friedrich Julius Stahls, Diss. Kiel 1975

Literatur

  • Hermann Wagener, Artikel „Stahl“ in: Staats- und Gesellschaftslexikon, 19. Bd., Berlin 1865, S. 653-661. Derselbe Artikel war im Spätsommer 1862 anonym in der „Berliner Revue“ XXVIII, S. 179-270 und im Herbst desselben Jahres in der anonymen Schrift Pernice – Savigny – Stahl, Berlin 1862, S. 69-115 erschienen.
  • Landsberg, Ernst, „Stahl, Friedrich Julius“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 35 (1893), S. 392-400
  • Erich Kaufmann: Friedrich Julius Stahl als Rechtsphilosoph des monarchischen Prinzips, 1906.
  • Gerhard Masur: Friedrich Julius Stahl, Geschichte seines Lebens. Aufstieg und Entfaltung 1802–1840. Berlin 1930
    (Habil., Berlin 1930; geplanter zweiter Band über 1840–1861 nicht erschienen).
  • Peter F. Drucker: ’’Friedrich Julius Stahl: Konservative Staatslehre und geschichtliche Entwicklung’’
  • Robert A. Kann, F.J.Stahl, A re-examination of his conservatism, in: Publications of Leo Baeck Institute, Year-Book 12, London 1967
  • Hans Peter Pyclik: Friedrich Julius Stahl. A Study of the Development of German Conservative Thought 1802–1861. Minnesota 1972.
  • Hans-Joachim Schoeps: Preußen. Geschichte eines Staates. Frankfurt/Berlin/Wien 1975. (zit. n. Nachdruck Hamburg 2009)
  • Hanns-Jürgen Wiegand : Das Vermächtnis Friedrich Julius Stahls : e. Beitr. zur Geschichte konservativen Rechts- u. Ordnungsdenkens / Königstein/Ts. 1980
  • Christian Wiegand: Über Friedrich Julius Stahl : (1801–1862), Recht, Staat, Kirche. Paderborn 1981.
  • Arie Nabrings: Friedrich Julius Stahl: Rechtsphilosophie und Kirchenpolitik. Bielefeld 1983.
  • Wilhelm Füßl: Professor in der Politik: Friedrich Julius Stahl. Das monarchische Prinzip und seine Umsetzung in die parlamentarische Praxis. Göttingen 1988.
  • Kim, Myoung-Jae: Staat und Gesellschaft bei Friedrich Julius Stahl: eine Innenansicht seiner Staatsphilosophie. Hannover, Univ., Diss., 1993
  • Katharina Sobota: Das Prinzip Rechtsstaat: verfassungs- und verwaltungsrechtliche Aspekte. Tübingen 1997. (Jus publicum; Bd. 22): Friedrich Julius Stahl: Das Labyrinth (S. 319-337)

Weblinks

 Commons: Friedrich Julius Stahl – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen und Einzelnachweise

  1. Die Angaben über den Geburtsort divergieren: Ernst Landsberg, „Stahl, Friedrich Julius“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 35 (1893), S. 392-400 nennt München,
  2. Wilhelm Füßl in BBKL Band X (1995)Spalten 1130–1135: Heidingsfeld,
  3. in MEYERS GROSSES TASCHENLEXIKON, 1981, ist Würzburg genannt.
  4. Bei Masur, a.a.O., S. 21, heißt es, sein Vater stammte aus Heidingsfeld bei Würzburg, die Eltern heirateten in München und zogen dann nach Würzburg, wo J. geboren wurde.
  5. lt. Schoeps, a.a.O. S. 209: erst am 11. August 1861
  6. Sobota, Katharina:Das Prinzip Rechtsstaat: verfassungs-und verwaltungsrechtliche Aspekte. Tübingen 1997 . S. 319 ff.
  7. F.J. Stahl, Die Philosophie des Rechts. 2.Bd., Rechts- und Staatslehre auf der Grundlage christlicher Weltanschauung, 2.Abth:, Die Lehre vom Staat und die Principien des deutschen Staatsrechts, 6. Aufl. (1. Aufl. unter dem Titel: Die Philosophie des Rechts nach geschichtlicher Ansicht, 1830–1837), S. 137 f.: Der Staat soll Rechtsstaat seyn; das ist die Losung und ist auch in Wahrheit der Entwicklungstrieb der neueren Zeit. Er soll die Bahnen und Gränzen seiner Wirksamkeit wie die freie Sphäre seiner Bürger in der Weise des Rechts genau bestimmen und unverbrüchlich sichern und soll die sittlichen Ideen von Staatswegen, also direkt, nicht weiter verwirklichen (erzwingen), als es der Rechtssphäre angehört, d.i. nur bis zur nothwendigsten Umzäunung. Dieß ist der Begriff des Rechtsstaats, nicht etwa, daß der Staat bloß die Rechtsordnung handhabe ohne administrative Zwecke, oder vollends bloß die Rechte der Einzelnen schütze, er bedeutet überhaupt nicht Ziel und Inhalt des Staates, sondern nur Art und Charakter, dieselben zu verwirklichen.
  8. Forschungskontoverse: Gab es eine Etappe der Formalisierung des Rechtsstaats-Konzeptes? in Rechtsstaat (Deutschland) (Wort- und Begriffsgeschichte)
  9. Max Lenz: Geschichte der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. Halle 1918. 2. Bd. 2. Hälfte: Auf dem Wege zur deutschen Einheit im neuen Reich. S. 125.
  10. Masur, a.a.O. S. 20-37
  11. Masur, a.a.O. S. 42-77(II. Universität und Burschenschaft)
  12. Masur, a.a.O. S. 17
  13. Masur, a.a.O. S. 88
  14. Füßl, S. 52 ff.
  15. Masur, a.a.O., S. 264 ff.
  16. Füßl, S. 86 ff.
  17. Lenz, a.a.O. S. 20.
  18. HAB Wolfenbüttel, Cod. Guelf. Stahl/Wilkens, 22k. zit. n. Füßl, a.a.O, S 111, Anm. 15.
  19. Füßl, S. 110 ff.
  20. Zweite Abhandlung in: Die Revolution und die constitutionelle Monarchie.
  21. Füßl, a.a.O. S. 181 ff.: ’’ ...eingehend in die Neugestaltung unseres öffentlichen Zustandes dennoch zugleich die alten unwandelbaren Grundlagen in Glaube, Sitte und Einrichtungen für denselben bewahren ..zugleich die Politik der Erhaltung und des Fortschritts ... I. Wir bekennen uns zu der neuen Ordnung im Staate, ..der Constitution als der rechtlich verbrieften einheitlichen Ordnung .., der Erweiterung der individuellen Freiheit ... II. .. Wir bekämpfen die permanente Revolution. ..gegen Willkühr des Volkes wie bisher gegen Willkühr des Fürsten, .. III. ...wir wollen den König kraft seines heiligen Thronrechtes ..als die höchste Obrigkeit, als den Souverän des Landes, .. IV. Wir wollen gegliederte Verhältnisse in allen Classen des Volkes. ... V. .., dass der arbeitenden Classe eine materiell und sittlich befriedigende Lebensexistenz werde, ..unbeschadet der unveräußerlichen Grundlagen der menschlichen Gesellschaft: des Eigenthums, des Erbrechts, der freien persönlichen Erwerbstätigkeit. VI. Wir wollen die Einheit Deutschlands, ..für die bisherigen Stammstaaten namentlich Preußen einen hinreichenden Bereich politischer Selbständigkeit, .. VII. Wir wollen die gleiche politische Berechtigung für die Bekenner aller Religionen ..für die christliche Kirche ..den zugesicherten Schutz des Staates, ..
  22. HAB Wolfenbüttel, Cod. Guelf. Stahl/Wilkens, 6, Nr. 7. zitiert nach Füßl
  23. Schoeps, a.a.O. S. 197
  24. Schoeps>, a.a.O. S. 206
  25. Der orientalische Krieg. (Sitzung der ersten Kammer am 25. April 1854) in: Siebzehn parlamentarische Reden. S. 200-218
  26. BBKL, Band X (1995)Spalten 1130-1135 Autor: Wilhelm Füßl
  27. Masur, a.a.O. S. 185
  28. Wiegand, a.a.O., 12
  29. Wiegand, Das Vermächtnis ... S. 29
  30. a.a.O., zit. n. 3. Aufl. v. 1854. Bd. I. Geschichte der Rechtsphilosophie. S. XII f.
  31. a.a.O., S. XIV
  32. a.a.O., S. XV, Fußnote
  33. a.a.O., Fußnote auf S. XVI.
  34. ebendort
  35. a.a.O., S. XVI f.
  36. Phil.d.Rechts, S. XVIII
  37. a.a.O. S. XXII
  38. a.a.O., S. XXIII
  39. a.a.O., S. XXIV
  40. a.a.O., S. XXVI
  41. a.a.O., S. 1
  42. a.a.O., S. 6
  43. a.a.O., S. 7
  44. Ph.d.R. II. Bd. Christliche Rechts- und Staatslehre, 1. Abth. Vorrede, S. V: Der Sturm ist nun beschwichtigt, der Friede wieder eingekehrt. Selbst die Begeisterung für den Liberalismus ist gedämpft durch diese niederschlagende Probe. Dessenungeachtet ist kein Heil und keine Freudigkeit in die Welt gekommen. Vergeblich würde man die Hilfe von der Zeit erwarten, daß sie die Wunden der jüngsten Ereignisse heile, und das wechselseitige Vertrauen wieder herstelle. Es liegt nicht bloß an diesen Wunden, es liegt nicht bloß am Mangel des Vertrauens. Es fehlt ein beseelendes Princip, jene tiefe Kraft des Lebens, des Trostes, der Freude, die allen Verhältnissen wie die kindliche Phantasie Glanz und Frische verleiht. Es fehlt die sittliche Kraft, welche die zerstörenden immer unbefriedigten Leidenschaften fesselt, welche den Menschen seiner selbst entäußert, und fähig macht, ohne Ruhmsucht und geräuschlos das Rechte zu thun. Wo aber ist der Born des Lebens wieder zu finden, der die erstorbene Welt verjüngte, der das sittliche Verderben überwände? Nach dem Laufe der Natur müßten die physische und geistige Entnervung, die ins Tiefste gewurzelte Eitelkeit, der Überdruß, die haltungslose Begierde sich ins Unendliche fortsteigern. Und gibt es eine Macht des Wunders, welche dem Laufe der Natur stille zu halten und umzukehren geböthe? Ja, es gibt noch eine solche! Das Christenthum ist der Born des Lebens, der unerschöpflich quillt, es ist diese Macht des Wunders, durch welche der Hinfällige erneuert, der Schwache gestärkt, der Sündige geheiligt wird.
  45. Phil.d.R., I. Band, S. 587
  46. Ute Mager: Einrichtungsgarantien: Entstehung, Wurzeln, Wandlungen und ..., Jus Publicum Bd. 99. Tübingen 2003. S. 110
  47. Stahl, Phil.d.R., II. Band, 2. Abth. S. 2 f.
  48. Mischa Meier, Anastasios. Stuttgart 2009. S. 19, 113
  49. Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland. Zweiter Band 1800 – 1914. München 1992. (S.152 f.)
  50. Drucker, a. a. O.
  51. Masur, a.a.O. S. 186.
  52. Geschichtsatlas, Bayer. Schulbuch-Verlag, München 1951 S. 29.
  53. Hisao Kuriki: Mensch, Gesellschaft, Staat in Japan. In: Marutschke, Hans Peter: Beiträge zur modernen japanischen Rechtsgeschichte. Berlin, 2006. S. 19 ff.
  54. Robert von Mohl: Die Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften. In Monographien dargestellt. 1855. S. 254 f.Unzweifelhaft über Allen, welche diese Richtung zur Ergründung und Begründung des Staates einschlagen, steht Stahl. Ihm kommt keiner der Genossen gleich an Ernst und Tiefe des philosophischen Denkens, an juristischer Schärfe und an klarer Kritik; viele Abschnitte, namentlich in der Geschichte der Literatur, sind meisterhaft; es ist in ihm ein grosser, wenn schon wohl irregehender politischer Sinn. Und dennoch ist das Werk wissenschaftlich unwahr, weil es einen bewusst vorgesetzten practischen Zweck hat, welchem zu Liebe die Theorie gemacht wird. — ..allein den Beweis dieser mittelbaren Göttlichkeit, ja nur die Aufstellung eines fassbaren Begriffes, bleibt Stahl ganz schuldig. Gerade hier ist nur nebelhafte Phrase und willkürliche Behauptung, und weder von philosophischem noch von juristischem Beweise auch nur eine Spur. Die ganze Theorie ist somit gerade in ihrer Grundlage unerwiesen und unbegreiflich.
  55. a.a.O., S. 137-148
  56. Artikel Friedrich Julius Stahl" in: Jahrbuch zum Konversationslexikon, 6.Bd. 1861. S. 419-449: "Entsprossen einem Volke, dessen Unterdrückung wie eine endlose Torheit der Völker durch die Jahrhunderte geht, stellte er sich auf die Seite derer, welche diese Torheit mit einem gewissen Fanatismus in unserem Jahrhundert vertreten, und umgab dieselbe mit der Glorie christlicher Weltanschauung. Wenn irgendwo, so lag in dieser Stellung eine Art weltgeschichtlicher Ironie. Die stolze christlich-germanische Partei, wie sie sich mit Vorliebe nennt, beugte sich willig unter die Führerschaft eines Abkömmlings jener verachteten Rasse, die, in Staat und Gesellschaft sonst mit Hohn bekämpft und zurückgewiesen, in diesem Manne ihren Fuß auf den Nacken ihrer Verfolger setzte. Klein, schwächlich, bürgerlich einfach in seinen Sitten und von unermüdlichem Fleiße, stand er an der Spitze der Partei, welche sich als Trägerin ritterlicher Lebenssitte, als preußische Aristokratie, als geschaffen für die unproduktive Arbeit des Vornehmseins darstellt. Rechtlich und gewissenhaft bis zur Peinlichkeit, fein und liebenswürdig im Umgange, verband er sich mit Leuten, deren Ansprüche im Staate und in der Gesellschaft eine taktlose Beleidigung der anderen Klassen sind. In dem kleinen, feinen Manne, dessen Haltung und Gesichtszüge unverkennbar den jüdischen Ursprung verrieten, hätte gewiss niemand den Führer der preußischen Adels- und Militärpartei gesucht.“ (S. 448)
  57. Ludwig Feuerbach's sämmtliche Werke, Erster Band, S. 108-127.
  58. a.a.O., S. 108
  59. a.a.O., S. 119 f.
  60. S. 118 f.
  61. a.a.O., S. 126 f.
  62. Wiegand, a.a.O., S. 10
  63. Wiegand, a.a.O., S. 6
  64. Wiegand, a.a.O., S. 7 f.
  65. a.a.O., S. 6
  66. a.a.O., S. 22
  67. a.aO., S. 22 f.
  68. Schmitt, Der Leviathan, Hamburg 1938, zit.n.Neudruck Stuttgart 1982. S. 108 f.: Er dringt in den preußischen Staat und in die evangelische Kirche ein. Ihm dient das christliche Sakrament der Taufe nicht nur, wie dem jungen Heine, als „Entreebillet“ zur „Gesellschaft“, sondern als Ausweis zum Eintritt in das Heiligtum eines noch sehr soliden deutschen Staates. Aus hohen Amtsstellungen heraus kann er den innersten Kern dieses Staatswesens, Königtum, Adel und evangelische Kirche, ideologisch verwirren und geistig paralysieren. Den preußischen Konservativen und dem König selbst weiß er die „konstitutionelle“ Monarchie als den rettenden Gegenbegriff gegen die parlamentarische Monarchie plausibel zu machen. Er führt sie dadurch auf die Ebene des innerpolitischen Feindes, des „Konstitutionalismus“, an dem der preußische Soldatenstaat unter der Belastungsprobe eines Weltkrieges im Oktober 1918 zusammenbrechen musste. Stahl-Jolson arbeitet hier an der Gesamtlinie seines Volkes, in dem Doppelwesen einer Maskenexistenz, die umso grauenhafter wird, je mehr er verzweifelt ein anderer sein will als er ist.
  69. Wiegand, a.a.O., S. 26 f.
  70. a.a.O., S. 29
  71. Wiegand, a.a.O., S. 25
  72. Der deutsche Protestantismus und die Politik im Neunzehnten Jahrhundert. Vortrag auf dem 20. Deutschen Historikertag in München am 14. September 1949. in: Historische Zeitschrift, Bd. 171. München 1951. S. 472-518.
  73. Wiegand, a.a.O., S. 27 f.
  74. Grundlagen und Struktur der Staatslehre F.J.St.s. Köln/Opladen 1963.
  75. Wiegand, a.a.O., S. 32 ff.
  76. F.J.Stahl, A re-examination of his conservatism.
  77. Wiegand, a.a.O., S. 35
  78. Das Dilemma des Konservatismus in Deutschland. München 1977. S. 22 ff.
  79. Wiegand, a.a.O., S. 36.
  80. a.a.O., S. 1
  81. Sobota, a.a.O. S. 320
  82. a.a.O., S. 323, Fußnote
  83. Schmitt, a.a.O. S. 106
  84. a.a.O., S. 336
  85. Drucker, a. a. O.
  86. Ernest Hamburger: ’’Juden im öffentlichen Leben Deutschlands.’’ Tübingen 1968, S.203.
  87. Hamburger, a.a.O. S. 202
  88. Hamburger; a.a.O. S. 206.
  89. Hamburger, a.a.O. S. 555.
  90. Friedrich Wilhelm Graf: ’’Missbrauchte Götter’’, München 2009,S. 157
  91. Jellinek: Adam in der Staatslehre. zit. n. Graf, a.a.O. S. 158
  92. a.a.O., S. 160
  93. Dürig, Die Menschenauffassung des Grundgesetzes. zit. n. Graf, a.a.O., S. 162.
  94. Dürig, a.a.O., zit. n. Graf, a.a.O., S. 163.
  95. Graf, a.a.O., S. 69.
  96. a.a.O. Band 29, Stichwort „Revolution“, Abschnitt 5.5. Revolutionstheorie als Theorie politischen Handelns. Seite 119
  97. a.a.O.
  98. Masur, a.a.O., S. 293
  99. Graf: a.a.O., S. 16
  100. Lenz, a.a.O. S. 125
  101. Hamburger, a.a.O. S. 199 f.
  102. Wagener, a.a.O.; S. VII: ... sich ein Jahr vor seinem Tode die Times zu dem Zugeständniß genöthigt sah, daß er unter allen Zeitgenossen der größte politische Redner sei.
  103. Die Rhetorikerin Sobota, a.a.O., S. 334: ... in der von ihm bis zum Überdruss verwendeten rhetorischen Figur der Restrictio: Im ersten Zug macht er seinen Gegnern ein überraschendes Zugeständnis, im zweiten schränkt er dieses ein.
  104. STAHL, FRIEDRICH JULIUS: DIE LUTHERISCHE KIRCHE UND DIE UNION. EINE WISSENSCHAFTLICHE ERÖRTERUNG DER ZEITFRAGE VON FRIEDRICH JULIUS STAHL;Berlin, 2. Aufl. 1860. VORREDE ZUR ERSTEN AUFLAGE,Seite VI: Es ist mein eigentlichstes Fach, große geistige Conceptionen (in Philosophie, Recht, Politik) in ihrem Centrum und ihren Wirkungen klar zu machen, ...
  105. Wagener, a.a.O., S. 115
  106. Drucker, a.a.O.
  107. Wagener, a.a.O.
  108. Ernst Landsberg in: ADB 35 (1893), S. 400.

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