Friedrich Hasenöhrl

Friedrich Hasenöhrl
Friedrich Hasenöhrl

Friedrich Hasenöhrl (* 30. November 1874 in Wien; † 7. Oktober 1915 in Vielgereuth, Welschtirol) war österreichischer Physiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Hasenöhrl wird als zweites Kind von Viktor Hasenöhrl (Regierungsrat, Hof- und Gerichtsadvokat) und Gabriele, geborene Freiin von Pidoll zu Quintenbach, in Wien geboren. Er besucht die Theresianische Akademie und besteht die Matura mit Auszeichnung. Schon in seiner Schulzeit tritt er durch kleinere Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Mathematik in Erscheinung. 1892 beginnt er das Studium der Mathematik und Physik und arbeitet an der Universität Wien u. a. bei Franz-Serafin Exner, Josef Stefan und Ludwig Boltzmann. Bereits während des zweiten Studienjahres veröffentlicht er die mathematische Arbeit „Über das quadratische Reziprozitätsgesetz“. 1894 unterbricht er sein Studium für eine einjährige freiwillige Militärzeit, während der er Hugo von Hofmannsthal kennen lernt. 1896 promoviert er bei Franz-Serafin Exner „Über den Temperaturkoeffizienten der Dielektrizitätskonstante in Flüssigkeiten und die Mosotti-Clausius'sche Formel“.

Danach wendet sich Hasenöhrl stärker der theoretischen Physik zu, promoviert 1897 zum Doktor der Philosophie und habilitiert sich 1899 mit einer Arbeit über Potentialtheorie. Ein Auslandsaufenthalt führt ihn zu Heike Kamerlingh Onnes an die Universität Leiden — Boltzmann hatte ihn Kamerlingh-Onnes auf Anfrage als Assistenten empfohlen. Im März 1899 heiratet er Ella Brückner und erhält noch im selben Jahr die venia legendi an der Universität Wien. Schnell erwirbt er sich den Ruf, ausgezeichnete Vorlesungen zu halten. Zu seinen Schülern gehören u. a. Paul Ehrenfest und Erwin Schrödinger.

Erste Solvay-Konferenz 1911 - Friedrich Hasenöhrl, stehend Achter von links

1906 wird Hasenöhrl außerordentlicher Professor an der Technischen Hochschule in Wien. Als noch im selben Jahr Ludwig Boltzmann stirbt, wird Hasenöhrl, der nach Wilhelm Wien und Max Planck als dritter auf der Berufungsliste stand, dessen Nachfolger als Ordinarius für Theoretische Physik. Er war Teilnehmer der ersten beiden Solvay-Konferenzen 1911 und 1913.

Bei Ausbruch des ersten Weltkrieges meldet sich Hasenöhrl, mittlerweile vierzigjährig, freiwillig zum Kriegsdienst. Nach einer Verwundung an der Schulter im Juli 1915 erhält er das Militär-Verdienstkreuz 3. Klasse. Als Oberleutnant der Reserve und Bataillonskommandant im 14. Infanterie-Regiment wird er am 7. Oktober in Vielgereuth (Folgaria) bei Trient durch einen Granatsplitter tödlich am Kopf getroffen, während er die Attacke seines Bataillons anführte. Sein früher Tod im Alter von nur 41 Jahren erregte in breiten Kreisen Aufmerksamkeit – er galt als die große Hoffnung der Theoretischen Physik in Österreich. Der Kaiser persönlich schickte der Witwe ein Kondolenztelegramm. Seine Gebeine ruhen heute auf dem Friedhof von Altmünster bei Gmunden. 1956 wurde die Hasenöhrlstraße in Wien-Favoriten nach ihm benannt.

Die Hohlraumstrahlung

Ab 1880 wurde von Physikern wie Joseph John Thomson (1881), George Frederick Charles Searle (1897), Wilhelm Wien (1900), Henri Poincaré (1900), Max Abraham (1902), und Hendrik Antoon Lorentz (1904) der Begriff der „elektromagnetischen Masse“ benutzt. Diese drückte aus, dass die elektromagnetische Energie zur Masse eines Körpers beiträgt. Als Formel für diesen Zusammenhang ergab sich (in moderner Notation):

m_{em}=\frac{4}{3} \cdot \frac{E_{em}}{c^2}

Im Juli 1904 erschien (nach Vorarbeiten in den Wiener Sitzungsberichten im selben Jahr) in den Annalen der Physik Hasenöhrls Arbeit Zur Theorie der Strahlung in bewegten Körpern. Darin entwickelt er aus dem Strahlungsdruck elektromagnetischer Wellen die Formel

m=\frac{8}{3} \cdot \frac{h \, \varepsilon_0}{c^2}

Dabei ist m die „scheinbare Masse der Hohlraumstrahlung“, hε0 der „Betrag der im ruhenden Hohlraum enthaltenen Strahlungsenergie“ und c die Lichtgeschwindigkeit. Die Formel drückt aus, dass ein von Strahlung erfüllter Hohlkörper durch die Strahlung eine zusätzliche, „scheinbare Masse“ besitzt. Hasenöhrl folgerte darüber hinaus, dass dieser Zusammenhang für jede Form von Wärmestrahlung und somit für jeden Körper, dessen Temperatur größer als 0 K ist, gültig ist. 1905 wurde Hasenöhrl allerdings von Max Abraham auf einen Fehler aufmerksam gemacht, wodurch er die Formel korrigieren musste auf:

m=\frac{4}{3} \cdot \frac{h \, \varepsilon_0}{c^2}

Diese Formel entspricht der, welche bereits früher für die elektromagnetische Masse bekannt war. Hasenöhrls Ergänzung zu diesen vorhergehenden Leistungen bestand darin, dass er diesen Zusammenhang u. a. auf die Hohlraumstrahlung anwandte und mit thermodynamischen Überlegungen in Verbindung brachte. Für diese Leistung erhielt er, auf Vorschlag von Ludwig Boltzmann, den Haitinger-Preis der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien und wurde 1906, trotz seiner Jugend, Nachfolger Boltzmanns als Ordinarius. Unter Bezug auf Hasenöhrl wurde die Hohlraumstrahlung später auch von Kurd von Mosengeil (1906) und, dem letzteren folgend, in sehr allgemeiner Weise im Rahmen der Relativitätstheorie von Max Planck (1907) benutzt.[1][2][3]

In weiteren Arbeiten (1907, 1908) baute Hasenöhrl sein Theorie weiter aus und merkte an, dass die Ergebnisse seiner neuen Theorie mit denen von Mosengeil und Planck übereinstimmten. Dabei beklagte er allerdings, dass seine 1904-Ergebnisse von Planck (1907) überhaupt nicht erwähnt worden waren. Allerdings Hasenöhrls neue Arbeit von 1907 wurde nun auch von Planck (1908) anerkannt, indem er wie Hasenöhrl anmerkte, dass deren Ergebnisse trotz unterschiedlicher Methoden mit denen aus der Relativitätstheorie gefolgerten übereinstimmten.[4]

Hasenöhrl und Einstein

Die Formeln zur elektromagnetischen Masse (wie auch die von Hasenöhrl vom Juli 1904) ähneln sehr der Formel

\displaystyle{E=mc^2}

die Albert Einstein einige Ausgaben später, im September 1905 (s. Annus mirabilis) in derselben Zeitschrift in seiner Arbeit Zur Elektrodynamik bewegter Körper veröffentlichte. Die Ähnlichkeit beider Formeln wurde noch bis in die 1930er Jahre von Gegnern der Einsteinschen Relativitätstheorie(n), insbesondere von den Vertretern der nationalsozialistischen Deutschen Physik — u. a. von Philipp Lenard — benutzt, um ihre Kritik zu fundieren oder zumindest Einstein die Originalität streitig zu machen.

So behauptete Lenard in einer Arbeit von 1921 (wo er übrigens auch die Priorität von Johann Georg von Soldner und Paul Gerber behauptete), dass es Hasenöhrls und die darauf folgenden Untersuchungen gewesen wären, welche die „Trägheit der Energie“ (d.h. die Äquivalenz von Masse und Energie) erwiesen hätten.[5] Max von Laue (1921) antwortete darauf, dass die Trägheit der elektromagnetischen Energie insbesondere durch Poincaré (1900) und Abraham (1902) durch Einführung des elektromagnetischen Impulses erwiesen worden war, während Hasenöhrl diese Erkenntnisse im Grunde nur auf die Hohlraumstrahlung angewandt hätte. Hingegen Einsteins Begriff der Trägheit der Energie ist sehr viel weitergehend, da er nicht nur für die elektromagnetische Energie wie bei den anderen Autoren, sondern für jede möglich Form der Energie gültig ist.[6]

Siehe auch

Veröffentlichungen

 Wikisource: Friedrich Hasenöhrl – Quellen und Volltexte
Hasenöhrls Arbeit zur Hohlraumstrahlung

Einzelnachweise

  1. Miller, Arthur I.: Albert Einstein’s special theory of relativity. Emergence (1905) and early interpretation (1905–1911). Reading: Addison–Wesley 1981, ISBN 0-201-04679-2
  2. Mosengeil, Kurd von: Theorie der stationären Strahlung in einem gleichförmich bewegten Hohlraum. In: Annalen der Physik. 327, Nr. 5, 1907, S. 867–904.
  3. Planck, Max: Zur Dynamik bewegter Systeme. In: Sitzungsberichte der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften, Berlin. Erster Halbband, Nr. 29, 1907, S. 542-570.
  4. Planck, Max: Bemerkungen zum Prinzip der Aktion und Reaktion in der allgemeinen Dynamik. In: Physikalische Zeitschrift. 9, Nr. 23, 1908, S. 828-830.
  5. Lenard, P.: Vorbemerkung Lenards zu Soldners: Über die Ablenkung eines Lichtstrahls von seiner geradlinigen Bewegung durch die Attraktion eines Weltkörpers, an welchem er nahe vorbeigeht;. In: Annalen der Physik. 65, 1921, S. 593-604. doi:10.1002/andp.19213701503.
  6. Laue, M.v.: Erwiderung auf Hrn. Lenards Vorbemerkungen zur Soldnerschen Arbeit von 1801. In: Annalen der Physik. 66, 1921, S. 283-284. doi:10.1002/andp.19213712005.

Literatur

  • Walter Moore: A life of Schrödinger. Cambridge 1994, S. 33, 71f

Weblinks

 Commons: Friedrich Hasenöhrl – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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