Freisinger Domglocken

Freisinger Domglocken

Die elf Glocken des Freisinger Domes wurden in der Renaissance- und Barockzeit, sowie im Jahre 2007 gegossen.

Inhaltsverzeichnis

Das Renaissancegeläut des 16. Jahrhunderts

Als glockenkundliches und klangliches Unikat gilt das komplett erhaltene achtstimmige Renaissancegeläut. Es zählt zu den bedeutendsten historischen Geläuten Mitteleuropas. Die acht Glocken wurden nach der Zerstörung eines Vorgängergeläuts (1514, ebenfalls acht Glocken) durch einen Turmbrand am 15. Juni 1563 vom Freisinger Bischof Moritz von Sandizell im Jahre 1563 gestiftet. Gießer war Wolfgang Steger d. J., München in den Jahren 1563/64. Die Lieferung des Kathedralgeläuts erfolgte am 1. November 1564. Im Jahre 1583 wurde die kleine Friedensglocke umgegossen. Es überdauerte fast unbeschädigt die Glockenzerstörungen der Säkularisation und des Ersten und Zweiten Weltkrieges (sieben Freisinger Domglocken im Hamburger Glockenfriedhof von 1943 bis 1947). Lediglich die Frauenglocke wurde in der Nachkriegszeit etwa einen Halbton tiefer gestimmt. Die Glockenzier (Madonnen- und Kreuzigungsdarstellungen), bischöfliche Stifterwappen und Inschriften (Kapitalis) sind teilweise noch gotisch, überwiegend jedoch im Stil der Renaissance. Die Texte auf den Inschriftstafeln (Zerstörung und Wiedergeburt der Domglocken durch Feuer), sowie an den oberen und unteren Glockenrändern stammen vom Freisinger Humanisten Joachim Haberstock. Drei Glockenmodeln für die Inschriftentafeln aus Juramarmor, die als älteste Glockenmodeln Bayerns gelten, sind noch erhalten.[1] Der Steinmetz war Sebold Hering aus München in den Jahren 1563/64. Bemerkenswert ist die wiedergewonnene Klangfülle der Sigismundglocke, die zu den klangschönsten Glocken des 16. Jahrhunderts in Deutschland gezählt werden darf.[2] Sie erklingt solistisch jeweils freitags 15 Uhr zum Gedenken an die Todesstunde Christi.

Korbiniansglocke

Korbiniansglocke: Detail der Schulterinschrift

Zur Tausendjahrfeier der Ankunft des Bistumspatrons und ersten Freisinger Bischofs Korbinian in Freising 1724 stiftete Kurfürst Max II. Emanuel von Bayern die große Korbiniansglocke. Sie ist mit rund 5200 kg die größte der elf Domglocken und wurde 1724 von den Hofglockengießern Johann Matthias Langenegger und Anton Benedikt Ernst aus München gegossen. Das Material entstammt türkischer Kanonen von der Belagerung Belgrads 1688; der Kurfürst hatte sie erbeutet.[3]

Sie hängt als einzige Glocke im Südturm des Domes, während die übrigen zehn anderen Domglocken im Nordturm hängen. Als Festtagsglocke wird sie nur zu besonderen kirchlichen oder anderen festlichen Anlässen geläutet. Sie bildet das tragende Fundament des gesamten Domgeläutes und ist eine der tontiefsten und schwersten Zinnbronze-Glocken des Erzbistums München und Freising. Sie besticht durch ihre herb-metallische Tongebung und entfaltet für eine Barockglocke eine große Tonfülle.[4] Die Glockenzier beinhaltet neben zahlreichen Inschriften zur Stiftung und Weihe der Glocke Reliefs des kurfürstlich-bayerischen Wappens, sowie der Hll. Maria, Korbinian, Florian, Benno und Michael.

In den 1980er Jahren durfte die Korbiniansglocke wegen der Belastung des Turms nicht länger als sieben Minuten am Stück geläutet werden, erst seit 1967 wird sie nicht mehr von Hand geläutet (zwei Läutemotoren).

Wiederherstellung des Renaissance-Geläuts und Neugüsse

Teil des Renaissancegeläuts zur Restaurierung im Hof der Glockengießerei Perner: (v. l.) Sigismund-, Marien-, Lantpert-, Nonnosus-, Friedens- und Kreuzglocke.

Bauliche Mängel führten 1955 zum Abbruch des barocken Holzglockenstuhls und zur Stilllegung zweier Glocken. Ein Stahlglockenstuhl mit elektrischem Läutwerk wurde im Nordturm eingebaut.

Rudolf Perner aus Passau goss am 31. August 2006 in einem Schauguss auf dem Freisinger Marienplatz die Friedrichsglocke, die als Sakristeiglocke für die Hochfeste bestimmt ist.

Seit Oktober 2007 sind nun die 1955 verliehenen zwei Glocken von 1563/64 auf den Nordturm zurückgekehrt. Sie hingen bis zum Sommer 2007 in anderen Freisinger Kirchtürmen, denen der Wieskirche (Justinusglocke, bis Sommer 2007) und der Pallottinerkirche (Alexanderglocke, bis September 2007).

Friedrich Kardinal Wetter weihte am 13. Oktober 2007 die beiden neuen Domglocken der Glockengießerei Perner: Benedikt von Nursia (Schlagton a1) und Otto von Freising (Schlagton c2). Sie ermöglichen weitere Teilgeläute, die für die zahlreichen Läuteanlässe einer Domkirche nützlich sind.

Seit November 2007 ist das „größte und komplett erhaltene Renaissancegeläut der Welt aus einer Gießerhand“ wiedervereint. Alle Glocken erhielten Eichenholzjoche (die Joche der vier großen Renaissanceglocken zusätzlich Obergewichte), die Klöppel wurden mit Weicheisenpuffern ausgestattet. Ein neuer Glockenstuhl aus über zehn Kubikmetern bestem Eichenholz ersetzt die alte Stahlkonstruktion von 1957. Die Klangabstrahlung (hölzerne Schalljalousien) und die Glockenstube wurden baulich optimiert.

Das neue, ergänzte Vollgeläute sollte, wie zunächst geplant, erst zur Feier des Korbiniansfests am Samstag, dem 24. November 2007, das erste Mal nach der Sanierung wieder erklingen. Die Beerdigung von Prälat Friedrich Fahr bewirkte die Vorverlegung dieser Premiere um drei Tage. So läutete es nicht nur am Samstag, sondern bereits am Mittwoch, dem 21. November 2007, dem Buß- und Bettag, an dem in früheren Jahren das Korbiniansfest in Freising gefeiert wurde, als dieser Tag gesetzlicher Feiertag war.

Das elfstimmige Freisinger Domgeläut mit einem Gesamtgewicht von über 15.000 kg und einem Tonumfang von über eineinhalb Oktaven ist einzigartig und stellt ein internationales Kulturobjekt erster Ordnung dar: „Durch das Nebeneinander von Dur- und Mollskala sind hier in einem Geläute zwei komplette Klangwelten darstellbar, und dies mit Originalklängen aus dem 16. Jahrhundert.“[5]

Daten zum Geläut des Freisinger Doms

Südturm

Glocke 1 – Korbinian
Nr. Name Gussjahr Gießer, Gussort Masse
(kg)
Durchmesser
(mm)
Schlagton
(HT-1/16)
1 Korbinian (Festtagsglocke) 1724 Johann Matthias Langenegger & Anton Benedikt Ernst, München ≈5.200 2.100 g0 0±0

Nordturm (ergänztes Renaissancegeläut)

Nr. Name Gussjahr Gießer, Gussort Masse
(kg)
Durchmesser
(mm)
Schlagton
(HT-1/16)
2 Sigismund (Stürmerin) 1563 Wolfgang Steger d. J., München 2.864 1.675 c1 0–3
3 Maria (Frauenglocke) 1563 Wolfgang Steger d. J., München 1.964 1.427 es1 –3
4 Kreuz (Sechserin) 1563 Wolfgang Steger d. J., München 1.518 1.327 e1 0±0
5 Lantpert (Fünferin) 1563 Wolfgang Steger d. J., München 1.032 1.158 g1 0–8
6 Nonnosus (Viererin) 1563 Wolfgang Steger d. J., München 743 1.057 g1 0–6
7 Benedikt 2007 Rudolf Perner, Passau 612 960 a1 0–2
8 Alexander (Dreierin) 1563 Wolfgang Steger d. J., München 446 910 b1 0–2
9 Otto 2007 Rudolf Perner, Passau 402 825 c2 0–1
10 Justinus (Zweierin) 1564 Wolfgang Steger d. J., München 290 756 d2 0+1
11 Frieden (Einserin) 1583 Wolfgang Steger d. J., München 187 665 e2 0–6

Sakristeiglocke

Sakristeiglocke – Friedrich
Name Gussdatum Gießer, Gussort Masse
(kg)
Durchmesser
(mm)
Schlagton
(HT-1/16)
Friedrich (Sakristeiglocke für Hochfeste) 31.08.2006 Rudolf Perner, Freising 122 540 g2 0+2

Läuteordnung

In der neuen Läuteordnung, die für das gesamte Kirchenjahr durch den Glockensachverständigen des Erzbistums München und Freising, KMD Gerald Fischer (München) entwickelt wurde, kommt ein großer Teil Klangvielfalt des Freisinger Domgeläuts zur Geltung. Werktags um 06:55 Uhr erklingen je nach Kirchenjahreszeit unterschiedliche Motive (s.u.). Zum Angelus läutet mittags um 12:00 Uhr die Marienglocke (es1) und abends um 18:30 Uhr die Kreuzglocke (e1). Im Anschluss daran mahnt die kleine Friedensglocke (e2) zum Gedächtnis an die Verstorbenen. Freitags um 15:00 Uhr erinnert die Stürmerin (c1) an den Kreuzestod Christi. Die Sonn-, Feier- und Hochfesttage im Kirchenjahr werden gewöhnlich am Vortag gegen 14:55 Uhr eingeläutet. Dabei ertönen zunächst alle am Hauptgottesdienstgeläut (s. u.) beteiligten Glocken jeweils einzeln nach einander und erklingen ab 15:00 Uhr zusammen (Cluniazenserläuten). Auch wenn mit den Glocken Lantpert und Nonnosus zweimal der Ton g1 vorhanden ist, wird wegen ihrer dennoch unterschiedlichen Klangstrukturen Glocke 5 für Moll- und Glocke 6 für Dur-Motive eingesetzt. Die große Korbiniansglocke ist für Hochfeste vorgesehen.

Anlass Anzahl
Glocken
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Bezeichnung
Ostersonntag, Heiligabend (Christmette), Pfingstsonntag,
Dompatrozinium Mariä Geburt, Priesterweihe, Korbiniansfest,
Neujahrsnacht, Gloria am Gründonnerstag, Besondere Anlässe
11 g0 c1 es1 e1 g1 g1 a1 b1 c2 d2 e2 Gesamtplenum
1. Weihnachtstag, Ostermontag, Fronleichnam,
Jugendkorbiniansfest
10 g0 c1 e1 g1 g1 a1 b1 c2 d2 e2 Großes Dur-Plenum
Hochfest der Gottesmutter, Heilige Dreikönige 8 g0 c1 e1 g1 a1 c2 d2 e2 Großes Salve Regina
Allerheiligen 8 c1 es1 e1 g1 g1 b1 d2 e2 Renaissance-Plenum
Palmsonntag 6 c1 es1 g1 a1 b1 c2 Dorisch
Sonntage der Adventszeit 4 a1 c2 d2 e2 Präfations-Motiv
–– Adventssonntag Gaudete 4 g1 b1 c2 d2 Präfations-Motiv
Sonntage der Weihnachtszeit 7 c1 e1 g1 a1 c2 d2 e2 Kleines Dur-Plenum
Sonntage der Fastenzeit 5 g1 a1 b1 c2 d2 Mollskala
–– Fastensonntag Lætare 5 es1 g1 a1 b1 c2 Lydisch
Sonntage der Osterzeit 9 c1 e1 g1 g1 a1 b1 c2 d2 e2 Dur-Plenum
Sonntage im Jahreskreis 6 e1 g1 a1 c2 d2 e2 Griesbacher'sches Idealsextett
Werktage der Adventszeit 3 c2 d2 e2 Magnificat (6. Psalmton)
Werktage der Weihnachtszeit 5 g1 a1 c2 d2 e2 pentatonisch
Werktage der Weihnachts-/Osteroktav 4 e1 g1 a1 c2 Griesbacher'sches Idealquartett
Werktage der Fastenzeit 3 g1 a1 b1 Dies iræ
Werktage der Osterzeit 4 g1 c2 d2 e2 Westminster
Werktage im Jahreskreis 3 g1 a1 c2 Gloria

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Historischer Verein von Oberbayern/Inschriftenkommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
  2. Klanganalyse der Sigismundglocke (Ausschnitt): Schlagton c1 −3, Unterton des0 −10, Prim a0 −4, Terz es1 −8, Quint ges1 −9
  3. Hubert Koch: Zur Geschichte. In: Erzbischöfliches Ordinariat München (Hrsg.): Freisinger Domglocken. Wiederherstellung des Renaissance-Geläuts. Ernst Baumann, Freising 2007, S. 18.
  4. Klanganalyse der Korbiniansglocke (Ausschnitt): Schlagton g0 ±0, Unterton Gis +2, Prim g0 +7, Terz b0 +3, Quint e1 +6
  5. Gerald Fischer: Freisinger Glockenmusik. In: Erzbischöfliches Ordinariat München (Hrsg.): Freisinger Domglocken. Wiederherstellung des Renaissance-Geläuts. Ernst Baumann, Freising 2007, S. 35.

Literatur

  • Erzbischöfliches Ordinariat München (Hrsg.): Freisinger Domglocken. Wiederherstellung des Renaissance-Geläuts. Ernst Baumann, Freising 2007.

Siehe auch

Weblinks


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