Freiherren von Grünenberg

Freiherren von Grünenberg
Wappen Grünenberg im Scheiblerschen Wappenbuch

Die Freiherren von Grünenberg waren eine weit verzweigte Adelsfamilie, deren Vertreter von der Mitte des 12. bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts im schweizerischen Mittelland, vor allem im heutigen Bernischen Oberaargau, sowie im Elsass und im Südbadischen, vor allem im heutigen Markgräflerland und im Breisgau, in Erscheinung treten. Für diese Zeit des ausgehenden Mittelalters sind rund einhundert Personen bekannt, die mit grosser Sicherheit der Familie zugeordnet werden können.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Vorfahren der Freiherren von Grünenberg

  • Grünenberg als Ministerialen der Konstanzer Kirche
  • Freiherren von Langenstein

Im Jahr 1192 traten drei Brüder als Ministerialen der Kirche von Konstanz in Erscheinung. Hugo von Grünenberg, 1176 erstmals erwähnt, übertrug vor dem 25. März 1192 zusammen mit seinem Bruder Conrad ein Gut in Bankholzen und ein Gut in Bohlingen an das Domkapitel von Konstanz. Die beiden Güter waren Leibgedinge ihres Bruders, des Schenken Arnold II., für dessen Ehefrau. Hugo war zuvor in die Konfraternität aufgenommen und mit einer Pfründe ausgestattet worden. Er erhielt eine Wohnstätte (curia canonicalis). Der damalige Bischof Diethelm von Krenkingen überliess die beiden Güter durch die Hand des Dompropstes Ulrich dem Hugo von Grünenberg als Lehen (feodum claustralis). Der Vater der drei Brüder, Arnold I., wurde 1162 als Ministeriale der Kirche von Konstanz erwähnt. Seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts lassen sich am Hofe des Konstanzer Bischofs die klassischen vier Hofämter des Marschalls, des Truchsessen, des Kämmerers und des Schenken nachweisen. Diese Ämter waren überwiegend mit Hochstiftsministerialen besetzt. Sie trugen den Titel "ministerialis ecclesiae Constantiensis". Arnold II. war als Schenk einer der Träger dieser vier Hofämter. Es wird vermutet, dass er der Vater von Heinrich I. von Grünenberg gewesen sein könnte, der 1224 im oberen Aargau in Erscheinung trat. Die Familie hatte ihren Sitz auf der Burg Grünenberg, dem späteren Kloster Grünenberg in Bankholzen auf dem Gebiet der heutigen Gemeinde Moos (am Bodensee). Die Familie nannte sich auch "von Bankholzen".

Die Freiherren von Langenstein, von denen sehr wenig bekannt ist, gehörten vermutlich zum alteingesessenen Adel in der Gegend des heutigen Bernischen Oberaargaus und des Luzerner Hinterlandes. Sie traten 1194 in Erscheinung, indem sie das Zisterzienserkloster Sankt Urban gründeten und mit reichlich Grundbesitz aus ihrem Eigentum ausstatteten. Wenig später starben sie aus. Vermutlich über eine Erbtochter fiel der allergrösste Teil der langensteinischen Herrschaft an die Freiherren von Grünenberg. Ein kleinerer Teil aus dem Besitz der Langenstein gelangte über frühere Mitgiften in die Hände der Freiherren von Luternau und der Freiherren von Balm.

Die Grünenberg im oberen Aargau

Den Freiherren von Grünenberg gehörte die gleichnamige Adelsherrschaft in der Zeit des 12. bis zu Beginn des 15. Jahrhunderts sowie drei einzelne Burganlagen im dreiteiligen Burgenkomplex Langenstein, Schnabelburg und Grünenberg in der Gemeinde Melchnau (Kanton Bern, Schweiz). Die Adelsherrschaft bestand aus grund- und gerichtsherrschaftlichem Eigentum, zu dem die Dörfer Melchnau, Gondiswil, Madiswil, Busswil, Leimiswil und Reisiswil gehörten.

Daran fügte sich im 14. und 15. Jahrhundert entsprechend dem weiten Aktionsfeld der Grünenberg vom Zürichsee bis ins Berner Oberland sowie im Südbadischen weiterer Besitz: Durch Heirat erworbene Herrschaften (zum Beispiel Burg und Dorf Aarwangen), Lehen (das sanktgallische Meieramt im Dorf Rohrbach, das kyburgische Dorf Bleienbach) sowie habsburgischer und kyburgischer Pfandbesitz, so unter anderem das Städtchen Huttwil, das Innere Amt Wolhusen (Entlebuch), Burg und Stadt Rothenburg, das Städtchen Wangen an der Aare. Im Burgdorferkrieg nahmen die Berner 1383 eine der Burgen auf dem Melchnauer Schlossberg, nach der Überlieferung die Grünenberg, und "brachen" sie (das heisst, sie versetzten sie in einen verteidigungsunfähigen Zustand). Nach den archäologischen Untersuchungen in den 1990er Jahren wurde keine der drei Anlagen damals zerstört ("geschleift"). Die Stadt Bern setzte jedoch ein Öffnungsrecht für die Burg Grünenberg durch.

Die Grünenberg im Südbadischen

  • Die Grünenberg als Eigentümer von Wasserschloss und Herrschaft Binzen (bei Lörrach)
  • Die Grünenberg als Oberschultheissen der Stadt Breisach

Die Erben und Rechtsnachfolger

Der letzte männliche Vertreter der Freiherrenfamilie, Wilhelm von Grünenberg, verkaufte 1423 Burg und Herrschaft Aarwangen um 8'000 Gulden der Stadt Bern. Im Zuge des Alten Zürichkrieges, den Grünenberg auf der Seite Habsburg-Österreichs und der Stadt Zürich bestritt, annektierte die Stadt Bern 1444 die Burg Grünenberg und richtete dort eine kleine Landvogtei ein, die nur wenig später mit der benachbarten und deutlich grösseren Landvogtei Aarwangen zusammengelegt wurde.

Über seine Töchter gelangte der verbliebene Teil der Herrschaft nach Wilhelms Tod an verschiedene Schwiegersöhne. Im Laufe von nur wenigen Jahren fielen diese Erbteile, in den Quellen die "Herrschaft Langenstein" genannt, in die Hände der Familie von Luternau. 1480 mussten diese die Burg Langenstein und den verbliebenen Teil der ehemals grünenbergischen Herrschaft ebenfalls der Stadt Bern verkaufen. Die drei Burgen wurden dem Verfall überlassen und als Steinbruch genutzt. An der Stelle der Burg Langenstein wurde zudem im 19. Jahrhundert zusätzlich Sandstein gebrochen, so dass der ursprüngliche Burghof heute vollständig abgetragen ist.

Wappen

Blasonierung: In Silber ein grüner, schwebender Sechsberg: oben ein Berg, in der Mitte zwei, unten drei.

Das Wappen erscheint unter anderem im Scheiblerschen Wappenbuch, andeutungsweise mit zusätzlichen, auch anderswo zuweilen belegten goldenen (gelben) Rändern um die sechs grünenen Berge. Die Freiherren von Grünenberg führten den Sechsberg auch in ihrem Siegel, manchmal jedoch auch als Zehnberg mit vier Reihen von Bergen oder gar mit fünf Reihen und 15 Bergen.

Die Gemeinde Melchnau, wo sich einst der Stammsitz der Freiherren befand, führt das Wappen unverändert. Die Gemeinde Eriswil führt das Wappen in gewandelten Farben: der Wappenschild ist Rot. Eriswil gehörte den Grünenbergern als Eigentümer der Herrschaft Rohrbach BE.

Als der Berner Schultheiss Niklaus Friedrich von Mülinen (* 1. März 1760 in Bern, † 15. Januar 1833) im Jahr 1816 von Kaiser Franz I. von Österreich in den erblichen Grafenstand erhoben wurde, nahm er als Nachfahre Johanns III. von Grünenberg, genannt der Grimme, den grünenbergischen Sechsberg mit gelbem Rand als eine der Helmzierden in sein Wappen auf.[1]

Bedeutende Vertreter aus der Familie von Grünenberg

Stand der Forschung

August Plüss (* 1871, † 1910), ein Historiker aus Langenthal, wählte die Adelsfamilie von Grünenberg als Thema für seine Doktorarbeit, die 1900 erschien. Sie ist mit ihrer fundierten Quellenauswertung bis heute das Standardwerk zum Thema.[2] Plüss stützte sich dabei auf die Privatbibliothek der Familie von Mülinen und eine Genealogie von Gottfried von Mülinen. Sein Doktorvater war der Berner Geschichtsprofessor Wolfgang Friedrich von Mülinen (* 25. Dezember 1863 in Bern, † 15. Januar 1917 in Bern).

Auf Grünenberg fand 1949 eine erste wissenschaftliche Grabung statt. Dabei wurde der einmalige, noch in situ erhaltene Boden aus reliefierten St.-Urban-Bodenplatten der ehemaligen Burgkapelle gefunden.[3]

1992 bis 1998 wurde die Burgruine einer Sanierung unterzogen, die archäologisch begleitet wurde. Trägerin für die Massnahmen war die Stiftung Burgruine Grünenberg, die Arbeiten erfolgten durch den Archäologischen Dienst des Kantons Bern.[4]

In dieser Zeit verfasste der Langenthaler Historiker Max Jufer (* 1992 in Lotzwil) im Auftrag der Stiftung Burgruine Grünenberg eine Neufassung zur Geschichte der Adelsfamilie, die 1994 erschien. Sein Verdienst war es, neben einigen neuen Erkenntnissen, zum Beispiel zur Burgkapelle, den Text für ein breiteres Publikum ansprechend zu illustrieren.

Weblinks

Literatur

  • Jakob Käser: Topographische, historische und statistische Darstellung des Dorfes und Gemeindebezirkes Melchnau in seinen Beziehungen zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Mit zwei lithographischen Erläuterungstafeln. Gedruckt bei J. Konrad, Langenthal 1855, Kapitel XIII. Die alten Twingherrenburgen und Nachrichten von den alten Twingherren, S. 183–194 (http://lwl.homeip.net/gruenenberg?m=H;v=kaeser_1855_text ; dazu Grundriss der Schlösser, S. 185). 
  • August Plüss: Die Freiherren von Grünenberg in Kleinburgund. In: Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde eingereicht der hohen philosophischen Fakultät der Universität Bern. Bd. XVI, Heft 1, Stämpfli, Bern 1900 (http://lwl.homeip.net/gruenenberg?m=H;v=pluess_1900_text). 
  • Lukas Wenger: Ganerbensitz Grünenberg? – Eigentumsverhältnisse der Freiherren von Grünenberg untersucht mit Hilfe einer genealogischen Datenbank. In: Burgen und Schlösser, Zeitschrift der Deutschen Burgenvereinigung e. V.. Nr. 3/2007, Europäisches Burgeninstitut, Braubach am Rhein 2007, ISSN 0007-6201, S. 152–155 (http://lwl.homeip.net/gruenenberg?m=H;v=wenger_2007_text). 

Einzelnachweise

  1. Plüss 1900: S. 6.
  2. „Auf dem Staatsarchiv [in Bern] haben in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg auch zwei Oberaargauer mitgearbeitet: [...] der verheissungsvolle, leider früh verstorbene Dr. August Plüss (1871–1910), dessen Dissertation über die Freiherren von Grünenberg die beste Monographie über ein bernisches Adelsgeschlecht geblieben ist.” Zitat von Karl H. Flatt aus seinem Aufsatz über Staatsarchivar Gottlieb Kurz, 1866-1952 im Jahrbuch des Oberaargaus, Bd. 8, Langenthal 1965. S. 53. http://www.digibern.ch/jahrbuch_oberaargau/jahrbuch_1965/JBOAG_1965_053_058_gottlieb_kurz.pdf PDF 108.8 KB [2009].
  3. Die Ergebnisse sind veröffentlicht vom Grabungsleiter René Wyss: Grünenberg, in: Ur-Schweiz, Jahrgang XIII, Nr. 3, 1949. S. 42–47.
  4. Website des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern: http://www.erz.be.ch/site/archaeologie [2009-04-23].

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