Freifahrt

Freifahrt

Die unentgeltliche Beförderung (so genannte „Freifahrt“) in öffentlichen Verkehrsmitteln können in Deutschland schwerbehinderte Menschen in Anspruch nehmen, denen vom Versorgungsamt zum Schwerbehindertenausweis bestimmte Merkzeichen zuerkannt wurden.

G
gehbehindert
aG
außergewöhnlich gehbehindert, schließt G mit ein
GL
gehörlos
H
hilflos
Bl
blind, schließt H mit ein

Die unentgeltliche Beförderung dient der Eingliederung Behinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft. Rechtsgrundlage ist das Neunte Buch Sozialgesetzbuch.

Inhaltsverzeichnis

Weitere Berechtigte

Nach der Besitzstandswahrung im „Gesetz über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr“ betrifft dies auch versorgungs- und entschädigungsberechtigte (Merkzeichen: „Kriegsbeschädigt“, VB oder EB) ab einem Grad der Behinderung (GdB) von heute noch mindestens 70, wenn der behinderte Mensch schon vor dem 1. Oktober 1979 aufgrund des „Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie von anderen Behinderten im Nahverkehr“ freifahrtberechtigt war oder gewesen wäre, wenn er nicht zu dieser Zeit seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der DDR gehabt hätte. Schwerbehinderten Auslandsdeutschen, die zu Besuchszwecken in das Bundesgebiet einreisen, kann nach Glaubhaftmachung der Voraussetzungen der „Ausweis zur unentgeltlichen Beförderung“ für die Dauer ihres Aufenthaltes einschließlich Beiblatt, jedoch ohne Streckenverzeichnis kostenfrei ausgehändigt werden.

Schwerbehindertenausweise, die vor dem Inkrafttreten des SGB IX am 1. Juli 2001 ohne freifahrtberechtigtem Merkzeichen, jedoch wegen Gehörlosigkeit ausgestellt wurden, sind allein mit ihrem orangefarbenen Aufdruck und ohne Merkzeichen auch weiterhin bis zum Ablauf ihrer Gültigkeit zur unentgeltlichen Beförderung zugelassen.

Behinderte Menschen mit einem GdB von 30 oder 40, die von der Agentur für Arbeit schwerbehinderten Menschen gleichgestellt wurden, haben auch bei „dauernden Einbußen der körperlichen Beweglichkeit“ keinen Anspruch auf unentgeltliche Beförderung, da hier die erforderlichen Merkzeichen nicht zuerkannt werden können.

Der Schwerbehindertenausweis, der zur unentgeltlichen Beförderung berechtigt, ist neben der Grundfarbe grün mit einem halbseitigen orangefarbenen Flächenaufdruck gekennzeichnet.

Beiblatt

Um die unentgeltliche Beförderung nutzen zu können, bedarf es jedoch - ab dem sechsten Lebensjahr - eines Beiblattes, welches gegen eine Kostenbeteiligung von derzeit 30 Euro für ein halbes, oder 60 Euro für ein ganzes Jahr beim Versorgungsamt erhältlich ist. Schwerbehinderte Menschen, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II, VII oder XII, oder Leistungen nach dem Bundesversorgungs- oder Bundesentschädigungsgesetz erhalten, blind (BL) oder hilflos (H) sind, erhalten das Jahresbeiblatt kostenlos.

Wer das Beiblatt mit Kostenbeteiligung vor Ablauf der Gültigkeit zurückgeben oder stattdessen (bei Merkzeichen „G“ oder „GL“) die Kraftfahrzeugsteuerermäßigung in Anspruch nehmen möchte, bekommt für jeden noch verbleibenden Gültigkeitsmonat derzeit fünf Euro erstattet, sofern drei Monate Gültigkeit nicht unterschritten werden. Spätestens sechs Wochen vor Ablauf des Beiblattes fragt das Versorgungsamt nach, ob die unentgeltliche Beförderung auch weiterhin genutzt werden möchte.

Die unentgeltliche Beförderung kann - wenn lediglich das Merkzeichen „G“ oder „GL“ vorhanden ist - nur genutzt werden, wenn nicht bereits die Kraftfahrzeugsteuerermäßigung in Anspruch genommen wird.

Streckenverzeichnis und Verkehrsverbund

Zu dem Schwerbehindertenausweis mit Freifahrtberechtigung, bekommt der behinderte Mensch noch ein Streckenverzeichnis, in dem alle DB-Strecken im Umkreis vom 50 km um den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Ausweisinhabers aufgelistet sind, die dieser mit den Zügen des Nahverkehrs (derzeit RB, RE, IRE und D-Zug) unentgeltlich befahren kann. S- und Nahverkehrs NE-Bahnen können unabhängig vom 50 km Umkreis immer genutzt werden, es sei denn die NE-Bahnen fahren im Auftrag der DB oder die Mehrzahl ihrer Fahrgäste fahren weiter als 50 km, was im Zweifel nur durch eine Fahrgastzählung nachgewiesen werden kann. Dabei besteht dann auch mit Streckenverzeichnis keine unentgeltliche Beförderung mehr, zumindest nicht aus gesetzlicher Sicht. Auch Tochterunternehmen der DB (zurzeit nur die Usedomer Bäderbahn) sind außerhalb von Verbünden nur mit einem entsprechendem Streckenverzeichnis nutzbar. Von Cuxhaven bis Dorum wird auch auf der Nordseebahn das Streckenverzeichnis benötigt. Zwar existiert für den Abschnitt ein Übergangstarif, der Verkehrsverbund Bremen-Niedersachsen erkennt den Schwerbehindertenausweis hierfür jedoch nicht an. Die Strecke wird durch die Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser nur im Auftrag der DB befahren, daher wird das Streckenverzeichnis trotz NE-Bahn benötigt.

Dort wo ein Verkehrsverbund (in dem der Schienenverkehr mit einbezogen ist / demnach also zur Zeit nicht im VEJ) existiert, hat das Streckenverzeichnis jedoch keine Bedeutung, da in diesen die unentgeltliche Beförderung generell gilt. Das bedeutet beispielsweise, dass ein schwerbehinderter Mensch mit Wohnsitz in München (wo der MVV gilt) auch die DB-Züge in Köln (wo der VRS gilt) unentgeltlich nutzen kann. Fahrten von einem in einen anderen angrenzenden Verkehrsverbund sind nur dann kostenfrei, wenn dort ein so genannter „Übergangstarif“ besteht. Ansonsten ist der reguläre Fahrpreis zu entrichten, es sei denn, der schwerbehinderte Mensch kann für die Strecke ein Streckenverzeichnis vorlegen. Ein eventueller BahnCard Rabatt wird hier natürlich gewährt.

In Nordrhein-Westfalen gelten im Zusammenhang mit der Freifahrt nur die lokalen Verkehrsverbünde und nicht der NRW-Tarif. Somit können die so genannten „Transitstrecken“, die in Gebiete ohne Verkehrsverbund führen, nicht unentgeltlich (zumindest nicht ohne Streckenverzeichnis) befahren werden. D-Züge können nur innerhalb des Streckenverzeichnisses genutzt werden. Zuschläge sind nicht zu entrichten. Die von der DB herausgegebene Broschüre „Mobil mit Handicap“ stellt kein zuverlässiges Informationsmedium über die unentgeltlich nutzbaren Strecken da, da sie die NE-Bahnen meist nicht mit einbezieht.

Von der Regel, dass Fernverkehrszüge nicht unentgeltlich genutzt werden können, wird im Einzelfall auch abgewichen. Dies trifft in der Regel auf mehr als 30-minütig verspätete Nahverkehrszüge zu, wenn zu dieser Zeit ein Fernverkehrszug für dieselbe Strecke oder zumindest für einen Abschnitt der Strecke Einfahrt hält und kein anderer Regionalzug zur Verfügung steht. Dies gilt jedoch nur bei ausdrücklicher Erlaubnis über die Lautsprecher am Bahnhof oder der Zugbegleiter. Im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg können auch diverse IC-Züge genutzt werden:

Weitere Verkehrsmittel

Des Weiteren können noch bundesweit, unabhängig vom 50 km Umkreis

  • (Nacht)Busse im Liniennahverkehr (Wenn die Mehrzahl der Fahrgäste weniger als 50 km fahren),
  • Schul-, Berufs-, Markt- und Theaterbusse,
  • Straßenbahnen und Oberleitungsbusse,
  • Stadt-, Untergrund-, Hoch- und Schwebebahnen, und
  • Übersetzfähren

unentgeltlich genutzt werden.

Auch Sammeltaxis können kostenfrei genutzt werden, wenn die Beförderungsbedingungen einen Ausstieg außerhalb der Haltestellen nicht gestatten oder dies erst außerhalb einer Ortschaft gestattet ist (in dem Fall Freifahrt nur bis zur letzten Ortshaltestelle).

Begleitung

Ist die „Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson“ mit dem Merkzeichen „B“ ebenfalls nachgewiesen, so fährt auch eine Begleitperson oder ein Hund im Nah- wie im innerdeutschen DB-Fernverkehr kostenfrei mit. Dies gilt nicht in Zügen der europäischen Fernbahnen, allerdings gewähren diese meist gewisse Vergünstigungen für den Begleiter oder den behinderten Menschen selbst.

Das Merkzeichen „B“ bedeutet jedoch nicht, dass der behinderte nicht auch allein, also ohne Begleitung reisen darf. Auch ist nicht vorgeschrieben, dass die Begleitperson die gesamte Strecke die der behinderte Mensch zurück legt, mitfahren muss. Es besteht sogar die Möglichkeit, auf einer Strecke verschiedene Begleitungen in Anspruch zu nehmen. Ist Tariflich die Mitnahme eines Hundes kostenfrei möglich, so kann zusätzlich auch eine Begleitperson befördert werden. Hunde die nicht größer als eine Katze sind, fahren immer kostenlos. Begleithunde von schwerbehinderten Menschen sind von der Maulkorbpflicht in Zügen befreit und dürfen im Fernverkehr auch im Gastro- und Ruhebereich mitgeführt werden.

Blinde (Merkzeichen „BL“) können sowohl eine Begleitperson als auch einen Führhund (und ein zusätzlicher Hund wenn ohne Begleitperson gefahren wird) mit auf Reisen nehmen, sie müssen in Zügen auch keinen „Bordpreis“ für nachgelöste Fahrscheine entrichten, wenn sie ohne Begleitperson reisen.

Im europäischen Eisenbahnverkehr fahren Begleitungen von Blinden und von Rollstuhlbenutzern nach dem Internationalen TCV-Tarif kostenfrei mit. Außerhalb der BRD fahren Begleitpersonen von Blinden nach diesem Tarif nur dann kostenfrei mit, wenn nicht bereits ein Führhund den blinden Menschen begleitet.

Für die unentgeltliche Mitnahme einer Begleitperson ist kein Beiblatt erforderlich. Die Begleitung fährt immer in der Klasse kostenfrei, in der der Schwerbehinderte selbst eine Fahrberechtigung besitzt. Schwerbehinderte Kinder, denen die Berechtigung zur Begleitung bescheinigt wurde (Merkzeichen „B“) und die das sechste Lebensjahr noch nicht vollendet haben, können mit ihrer Begleitperson ausnahmslos den gesamten ÖPNV, Nah- und Fernverkehr der DB, sowie alle privat betriebenen Eisenbahnen in der zweiten Klasse ohne Beiblatt oder Streckenverzeichnis innerhalb der BRD kostenfrei nutzen. Einzig im ICE-Sprinter ist ein Aufpreis zu zahlen. Bei der DB kann in diesem Fall auf Grund einer "internen Anweisung" auch die erste Klasse genutzt werden.

Weitere Erleichterungen und Vergünstigungen

Schwer Kriegsbeschädigten oder Entschädigungsberechtigten kann ab einem GdB von 70 bei besonders gravierenden Behinderungen das Merkzeichen „1. KL.“ zuerkannt werden. Dieses berechtigt zur Nutzung der ersten Klasse innerhalb des persönlichen Streckenverzeichnisses (in Verkehrsverbünden nicht grundsätzlich) oder mit Fahrscheinen der zweiten Klasse in Zügen der Deutschen Bahn. Ohne dieses Merkzeichen kann die unentgeltliche Beförderung stets nur in der zweiten Klasse erfolgen (außer bei Kindern unter sechs Jahren). Daneben steht es dem Freifahrtberechtigten frei, eine Aufpreiskarte für die erste Klasse zu lösen. Dies ist jedoch nicht überall möglich.

Manche Fluggesellschaften, wie beispielsweise die Lufthansa, bieten für Kriegsbeschädigte und NS-Verfolgte Vergünstigungen an. In vielen Fällen fliegt eine Begleitperson auf Grund des Merkzeichens "B" im innerdeutschen Flugverkehr sogar kostenfrei.

Ab einem GdB von 70 können schwerbehinderte Menschen die „BahnCard 50“ zum halben Preis erwerben, was sich jedoch nur lohnt, wenn öfter der Fernverkehr genutzt wird oder die unentgeltliche Beförderung nicht zuerkannt wurde. Die „Mitfahrerregelung“ der DB findet auf den Schwerbehindertenausweis keine Anwendung. Auch die kostenfreie Mitnahme von Kindern im Alter zwischen 6 und 15 Jahren bei der DB ist nicht möglich, da diese auf einem Fahrschein vermerkt sein müssen. Ein Kind fährt jedoch ab dem sechsten Lebensjahr oder ab Beginn des Schulbesuches als Begleitperson eines schwerbehinderten Menschen kostenfrei.

Das Merkzeichen „B“ (Begleitung) berechtigt zudem einen oder zwei Sitzplätze im DB-Fernverkehr kostenfrei zu reservieren. Unabhängig davon besteht für Behinderte im Nah- wie im Fernverkehr ein Anspruch auf die Sitzplätze mit „stilisiertem Kreuz“ oder auf die Plätze mit der Bezeichnung „Schwerbehinderte“.

Orthopädische Hilfsmittel - wie zum Beispiel ein Rollstuhl oder andere Gegenstände, die der Mobilität Behinderter dienen - werden ebenfalls, soweit die Beschaffenheit des Fahrzeuges dies zulässt, kostenfrei befördert. Hierzu zählen beispielsweise Behindertendreiräder, nicht jedoch gewöhnliche Fahrräder oder Tandems. Für Tandems wird jedoch nur ein Fahrschein benötigt.

An vielen Bahnhöfen sind die Toiletten bereits mit einem einheitlichen Schließsystem ausgerüstet. Dieses Schließsystem erlaubt es Schwerbehinderten Menschen mit einem dafür passenden Schlüssel - dem Euroschlüssel - die dortigen Anlagen kostenfrei zu nutzen.

Für behinderte Fahrgäste, die in ihrer Mobilität so schwer beeinträchtigt sind, dass sie bei ihrer Reise der Hilfe bedürfen, bietet die Deutsche Bahn einen so genannten „Mobilitätsservice“ an. Dieser ist unter der Telefonnummer 0180/5512512 zu erreichen und ist der richtige Ansprechpartner für behinderte rund um Reisen mit der Deutschen Bahn. Sicherlich ist im Bedarfsfall aber auch eine der vielen „Bahnhofsmissionen“ gern behilflich.

Geschichte der Freifahrt

Die Geschichte der Freifahrt begann bereits am 1. April 1944, als „in Würdigung der großen Opfer, die die Kriegsbeschädigten für Volk und Reich dargebracht haben“ die „Verordnung über Vergünstigungen für Kriegsbeschädigte im öffentlichen Personenverkehr“ in Kraft trat, welche die unentgeltliche Beförderung von Kriegsbeschädigten ab einer MdE von 70 % und einer eventuell benötigten Begleitperson anordnete.

Frei genutzt werden konnten:

  • Straßenbahnen,
  • S-Bahnen in Berlin und Hamburg, sowie
  • Busse im Ortsverkehr.

Eine Erstattung der Fahrgeldausfälle an die Verkehrsunternehmen fand noch nicht statt. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht 1962 entschieden, dass der Staat die Verkehrsunternehmen für die unentgeltliche Beförderung entschädigen soll, da aber bereits eine Gesetzesnovellierung im Gange war, wurde die Erstattung nicht mehr in die alte Verordnung aufgenommen. Die Verordnung findet auch heute noch in Österreich Anwendung, da zu der Zeit ihrer Bekanntgabe das Land zum Deutschen Reich gehörte und nach dem Zweiten Weltkrieg übernommen wurde. Im Jahr 1999 war vorgesehen im Rahmen einer so genannten „Bundesrechtsbereinigung“ die Verordnung in Österreich aufzuheben. Hiervon wurde jedoch schnell wieder Abstand genommen, da wohl auch mindestens in zwanzig Jahren noch mehr Kriegsbeschädigte zu verzeichnen sind als zunächst angenommen wurde.

Am 1. Januar 1966 wurde die Verordnung von 1944 durch das „Gesetz über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten so wie von anderen Behinderten im Nahverkehr“ ersetzt. Neu war hier die seit langem geforderte Erstattungspflicht für die Fahrgeldausfälle, und die Einbeziehung „ziviler Behinderter“, wenn sie Gehbehindert oder Blind waren, das sechste Lebensjahr vollendet hatten, und ihr Einkommen unterhalb des Sozialhilferegelsatzes lag. Der Begriff „Gehbehindert“ bezog sich jedoch nur auf wirklich Körperbehinderte, nicht also - so wie heute - auch zum Beispiel auf geistig Behinderte oder Asthmakranke. Auch dieses neue Gesetz ermöglichte noch keine Zugfahrten.

Frei genutzt werden konnten von nun an:

  • Straßenbahnen,
  • S-Bahnen,
  • Übersetzfähren, sowie
  • (O)Busse im Orts- und Nachbarortsverkehr.

Die so genannten „Überlandbusse“ gehörten - wenn sie (im Fall von Kriegsbeschädigten) nicht von der Bundespost- oder Bundesbahn betrieben wurden - nicht zu dem damaligen Nahverkehrsbegriff. Dies benachteiligte dementsprechend diejenigen, die auf dem Land lebten. Busse der Bundespost- und Bundesbahn konnten Kriegsbeschädigte nach deren damaligen Tarifbestimmungen ab 1972 ebenfalls nutzen.

Aus der alten Freifahrtregelung für Kriegsbeschädigte und anderen Gruppen wurde am 1. Oktober 1979 dann die heutige Freifahrt (Gesetz über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im Nahverkehr). Für die Inanspruchnahme dieses „Nachteilausgleichs“ wurde zunächst bis zum 1. April 1984 bei einer MdE von mindestens 80 % die benötigte „erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr“ - die im Ausweis mit einem „G“ vermerkt wird - auf Grund von Verwaltungsvereinfachung gesetzlich unterstellt. Bei einer MdE von 50- bis 70 % musste im Einzelfall geprüft werden ob die Voraussetzungen vorlagen. Dies ist heute alleinige Praxis. Auch Hilflosigkeit („H“) berechtigt zur unentgeltlichen Beförderung. Das ebenfalls berechtigende Merkzeichen „GL“ gibt es erst seit dem Jahr 2001 (Einführung des SGB IX), da Gehörlose aber dennoch einen Anspruch auf unentgeltliche Beförderung hatten, bekamen diese Personen auch einen Freifahrtausweis, jedoch mit durchgestrichenem „G“ (es sei denn sie waren gleichzeitig Gehbehindert).

Geplant war auch die Einbeziehung des innerdeutschen Luftverkehrs von und nach Berlin (zu DDR Zeiten). Man sah sich jedoch aus Kostengründen nicht dazu in der Lage, dies zu realisieren. In Folge von Sparmaßnahmen wurde am 1. April 1984 die Eigenbeteiligung von jährlich 120 DM eingeführt, die sich bis heute mit 60 Euro nicht einmal erhöht hat. Lediglich Kriegsbeschädigte (im Rahmen einer Besitzstandsregelung), Blinde, Hilflose und Fürsorgeempfänger sind von der Eigenbeteiligung befreit worden. Gehörlose wurden aus dem Kreis der Freifahrtberechtigten gestrichen. Das ebenfalls 1979 eingeführte „Bundesbahn-Streckenverzeichnis“ und somit die Freifahrt in den Zügen der DB außerhalb von Verkehrsverbünden wurde wieder aufgehoben. Auch die gesetzliche Unterstellung, schwerbehinderte ab einer MdE von 80 % würden in den meisten Fällen unter einer Gehbehinderung leiden, wurde verworfen. Am 1. Oktober des nächsten Jahres wurde der Ausschluss Gehörloser und die Abschaffung des Streckenverzeichnisses jedoch wieder rückgängig gemacht. Auch ist es seit dem möglich, eine Halbjahreswertmarke zu erstehen. Das Streckenverzeichnis hat seine Wurzeln übrigens im „Güterkraftverkehrsgesetz“. Dort wurde der Bereich um 50 km einer Ortsmitte als Nahbereich bezeichnet. Daher existierten für alle Städte und Gemeinden in Deutschland so genannte „Güternahverkehrskarten“. Dies sind die Vorlagen, mit der die ehemalige Bundesbahn die Streckenverzeichnisse erstellt und an die Versorgungsämter weitergeleitet hat. Zuletzt wurden diese von der DB 1994 auf Grund der Neuordnung der Kursbuchstrecken wegen des Beitritts der neuen Bundesländer mit Computern erstellt. Insgesamt wurden also nur zwei mal Streckenverzeichnisse aufgestellt.

Ursprünglich ist nicht geplant gewesen auch Züge außerhalb von Verkehrsverbünden in die Freifahrt mit aufzunehmen. Man sah sich auch mit unüberwindbaren Hürden bezüglich der Abgrenzung konfrontiert, die schließlich mit der Lösung der Zugrundelegung des Güterkraftverkehrsgesetzes doch noch überwindet werden konnten. Die Ortsmittelpunkte des Güterkraftverkehrsgesetzes wurden von der jeweils damit beauftragten Stelle festgelegt und hielten sich keinesfalls immer an den tatsächlichen Ortsmittelpunkt, sondern vielmehr an den für Industriegebiete vorteilhafteren Punkten. Bei mehreren Industriegebieten konnte eine einzige Stadt auch schon mal bis zu drei Ortsmittelpunkte aufweisen. Dies bedeutete demnach im Bezug auf das Streckenverzeichnis, dass dieses teilweise nicht bei 50 km endete, sondern durchaus auch schon mal bis zu 70 km - je nach genutztem Ortsmittelpunkt - Freifahrt bot. Da der Begriff „Nahverkehr“ im Güterkraftverkehrsgesetz im Jahre 1992 auf 75 km erhöht wurde und 1994 aber neue Streckenverzeichnisse aufgestellt werden mussten, musste eine neue Regelung gefunden werden. Computer waren im Jahre 1994 schon allgegenwärtig, daher Programmierte sich die DB unter zugrundelegung der tatsächlichen Ortsmittelpunkte ein Programm welches einen exakten Umkreis von 51 km errechnet. Der eine zusätzliche Kilometer wird von der DB auf freiwilliger Basis zur Vermeidung von Härtefällen hinzugezogen. Die Einbeziehung von Zügen außerhalb von Verkehrsverbünden sah man als notwendig an, da ansonsten Behinderte, die in Gegenden leben in denen nur Schienenverkehr durchgeführt wird, benachteiligt wären.

Das Land Berlin(West) stellte im Freifahrtrecht von 1966 bis 1982 eine Sonderstellung da. Dort konnten nach dem „Gesetz über Vergünstigungen für Beschädigte“ neben der Bundeseinheitlichen Freifahrt für Kriegsbeschädigte, alle Schwerbehinderten Menschen mit einer MdE von mindestens 70 % die Freifahrt in den Verkehrsmitteln der Berliner Verkehrsbetriebe - BVG - in Anspruch nehmen. In der Spalte "Sondervermerke des Landes" kam dabei der Stempel: „Freifahrt in Berlin“. Behinderte Menschen mit einer MdE von 50- oder 60 % die unter einer Gehbehinderung litten, erhielten Fahrpreisvergünstigungen von mindestens 25%, wenn sie erwerbstätig waren.

In der DDR gab es eine ähnliche Entwicklung wie in der Bundesrepublik. Dort schafften es Behindertenverbände sogar, die Freifahrt auf das ganze Land auszudehnen (Anordnung vom 5. Januar 1984 über die öffentliche Personen- und Gepäckbeförderung). Nach der Wiedervereinigung wurden Behinderte aus der DDR bis zur Verschmelzung der Deutschen Bundesbahn mit der Reichsbahn der DDR am 1. Januar 1994 auf Grund einer Übergangsregelung nach Zugkilometern bis zu 70 km vom Wohnort befördert. Die Eigenbeteiligung wurde um die Hälfte reduziert. Österreich und die Schweiz sehen eine unentgeltliche Beförderung (außer Begleitpersonen) nur für Kriegsbeschädigte vor. Da es keine anderen Länder auf der Welt gibt, die Freifahrten für Behinderte in diesem Umfang vorsehen, ist die Deutsche Rechtslage somit weltweit einmalig. Einige Länder der ehemaligen UdSSR gewähren ihren Rentnern jedoch auch gewisse Freifahrten.

Vor der Vereinheitlichung der Behindertenausweise im Jahre 1981, gab es eine Vielzahl unterschiedlicher Ausweise. Neben dem Schwerbeschädigtenausweis gab es noch den Ausweis für Schwerbehinderte, welchen es in verschiedenen Ausführungen – je nach Bundesland – gab. Der grün/orange-farbene Ausweis als Berechtigung für die Freifahrt wurde dann zusammen mit der Bekanntgabe der „Ausweisverordnung zum Schwerbehindertengesetz“ eingeführt. In der DDR gab es den zivilen Schwerbeschädigtenausweis, so wie den Schwerkriegsbeschädigtenausweis, den es in verschiedenen Ausführungen gab.

Kritik

Die NE-Bahnen wurden im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens von 1979 mit einbezogen, da man befürchten musste, dass die Behinderten einen Unterschied zwischen einer Straßenbahn und einer NE-Bahn (die zu dieser Zeit Straßenbahnen angeblich stark ähnelten) nicht erkennen könnten. Heutzutage zumindest sind NE-Bahnen nicht anders als die Züge der DB zu beurteilen, was ihre Sonderstellung im Freifahrtrecht (Bundesweit, unabhängig vom Streckenverzeichnis) nicht mehr rechtfertigt. Auch in Zeiten von fast flächendeckender Ausbreitung von Verkehrsverbünden stellt die darin generell geltende Freifahrt eine immens großzügige Regelung dar, muss jedoch unter dem Gesichtspunkt gesehen werden, dass Verkehrsverbünde - wie auch NE-Bahnen - damals so gut wie nicht vorhanden waren. Verkehrsverbünde wurden in das Gesetz aufgenommen, da in diesen des Öfteren Regionalbahnen im Vorfeld für ein späteres S-Bahn Netz fahren, was oft mit Einstellung des übrigen Busangebotes einher geht. Dies geschieht zwar auch heute noch (zum Beispiel im Jahr 2000 in Hannover), doch bleibt die Frage ob auch diese Regelung heute noch gerechtfertigt ist oder nach anderen Lösungen gesucht werden sollte, ohne jedoch die Behinderten zu benachteiligen. Ohne Zweifel kann man jedoch behaupten, dass der ursprüngliche Auftrag der Freifahrt: „Eine Hilfe für Mobilitätseingeschränkte für Strecken die andere noch zu Fuß gehen können“ zu sein, heute so überhaupt nicht mehr zutrifft, sondern - auf Grund von damals nicht vorhersehbaren Ereignissen - ohne das Gesetz selbst zu ändern, erheblich ausgeweitet wurde. Einen ersten Schritt zur Korrektur unternahm im Jahr 2004 das Sozialministerium als es bekannt gab, dass es Pläne gäbe die Freifahrt auf den Verkehrsverbund oder Landkreis des eigenen Wohnsitzes zu beschränken. Auf Grund massiver Proteste von Behinderten und Behindertenverbänden wurden diese Pläne jedoch schnell wieder verworfen, da befürchtet wurde, dass die neue Regelung einen Teil der Behinderten benachteiligen würde. Tatsächlich wäre eine solche Änderung unrechtmäßig, denn Landkreise und Verkehrsverbünde sind ihrer Natur nach niemals gleich groß, sondern weisen erhebliche Größenunterschiede auf. Es bleibt abzuwarten, ob die Politik sich nach einer solchen Niederlage erneut hiermit befassen wird, um nach einer gerechten Lösung für alle Beteiligten zu suchen, die diesmal im Sinne der sozialen Gerechtigkeit zwischen den Interessen der Behinderten und dem Steuerzahler steht.

Zur Zeit (Februar 2009) prüft die Deutsche Bahn mit einem Fragebogen, ob von Seiten der Betroffenen ein Interesse besteht, gegen Zahlung einer geringen Pauschale sämtliche Nahverkehrszüge in Deutschland unabhängig vom Streckenverzeichnis oder Verkehrsverbünden unentgeltlich nutzen zu können. Näheres hierzu ist noch nicht bekannt.

Weblinks

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