Freie Marktwirtschaft

Freie Marktwirtschaft

Die Marktwirtschaft (früher auch Verkehrswirtschaft[1]) bezeichnet eine arbeitsteilig organisierte Wirtschaftsordnung, in der die Koordination von Produktion und Konsum über das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage auf Märkten erfolgt. Grundlegende Elemente einer Marktwirtschaft sind das Eigentumsrecht, die Vertragsfreiheit und die Wettbewerbsordnung.

Die Marktwirtschaft grenzt sich damit von der Subsistenzwirtschaft ab, bei der die Produktion nur direkt für den eigenen Bedarf und nicht zum Zweck des Austausches stattfindet. Im Gegensatz zu dem Wirtschaftssystem der Zentralverwaltungswirtschaft plant in der Marktwirtschaft jedes Wirtschaftssubjekt prinzipiell für sich selbst.

Elementar für eine entwickelte Marktwirtschaft ist ein funktionierendes Tauschmittel, also Geld, welches den indirekten Austausch von Waren und Dienstleistungen nach dem Muster „Ware gegen Geld, Geld gegen andere Ware“ gegenüber einem einfachen Tauschhandel nach dem Muster „Ware gegen andere Ware“ erst ermöglicht.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Im antiken Griechenland war der Markt (die Agora) ein zentrales Element der polis, der Gemeinschaft von Bürgern, die in Selbstverantwortung über ihr Schicksal bestimmen. Bis etwa 400 v. Chr. setzte sich auch die Münze in ganz Griechenland gegenüber dem Tauschhandel durch. Später war die Marktwirtschaft im gesamten Römischen Reich die dominierende Wirtschaftsform.[2]

Im Mittelalter hatte sich am Rande einer agrarischen Naturalwirtschaft eine effiziente, regional ausgerichtete Marktwirtschaft entwickelt. Der Austausch der von Handwerkern gefertigten Produkte erfolgte auf einem von Körperschaften wie Zünften oder Räten organisierten und von persönlichen Beziehungen geprägten Markt. Diese Körperschaften „planten“ das Marktvolumen, indem sie die Zahl der Produzenten strikt begrenzten. So sollte ein Gleichgewicht von Produktion und Konsumtion gewährleistet werden. Diese Regulierung bezog sich auch auf die Produktionsmethoden, Werkzeuge und deren technische Innovationen.

Die heutige kapitalistische Form der Marktwirtschaft entstand zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert. Im Absolutismus bildete sich ein moderner Territorialstaat heraus, für dessen bürokratische und militärische Bedürfnisse eine Expansion der Geldwirtschaft notwendig wurde. Im Außenhandel sollten die für den zentralen Staat notwendigen Geldüberschüsse erwirtschaftet werden. Der Merkantilismus versuchte deshalb, die durch Zünfte stark regulierten lokalen Märkte für den entstehenden Weltmarkt aufzulösen. Zunehmend wurden die für lokale Märkte produzierenden Handwerker und Kleinbauern der anonymen Konkurrenz überregionaler, weltweiter Märkte unterworfen.

Begriff

Während gemäß verschiedenen Autoren das Vorliegen einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung von den Eigentumsverhältnissen der Produktionsmittel abhängt, zeichnet sich eine Marktwirtschaft durch eine Bedürfnisbefriedigung über Märkte aus.[3][4] Gregory Mankiw versteht Kapitalismus als Marktwirtschaft mit Privateigentum an Produktionsmitteln.[5] Beide Begriffe treten im heute vorherrschenden Wirtschaftssystem der kapitalistischen Marktwirtschaft gemeinsam auf; eine Marktwirtschaft kann gemäß dieser Klassifikation theoretisch jedoch ebenso ohne Kapitalismus als sozialistische Marktwirtschaft vorliegen wie Kapitalismus ohne Marktwirtschaft als kapitalistische Zentralverwaltungswirtschaft existieren kann.

Für andere ist der Begriff der Marktwirtschaft kaum vom Kapitalismus abzugrenzen. Nach John Kenneth Galbraith wurde er sogar gezielt nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt, um den durch die Weltwirtschaftskrise in Misskredit geratenen Kapitalismus unter neuer Bezeichnung beibehalten zu können. Der Ausdruck sei dabei vollkommen nichts sagend, denn im Prinzip bedeute er nichts anderes als den Warenaustausch über Märkte. Tatsächlich beinhalte die marktwirtschaftlich genannte Ordnung aber alle Strukturelemente des Kapitalismus und sei mit diesem gleichzusetzen.

Formen

Freie Marktwirtschaft

Im Modell der freien Marktwirtschaft, das erstmals von Adam Smith (1723-1790) beschrieben wurde, werden Produktion wie Konsum vom Markt gesteuert. Der Staat wirkt nur indirekt am Markt durch die Bereitstellung öffentlicher Güter und die Schaffung einer Rechtsordnung. Smith ging davon aus, dass die Selbstorganisation durch die „unsichtbare Hand“ des Marktes dafür sorge, dass jeder Marktteilnehmer selbst, auch wenn er nur seine Eigeninteressen verfolge, zum Wohl der gesamten Gesellschaft beitrage, ohne dies bewusst zu wollen. Als weitere Grundlage gilt die Theorie des rationalen Handelns von Max Weber (1864-1920). Danach liegt den Handlungen des Menschen ausschließlich ein Zweck-Mittel-Kalkül zugrunde.

Zentrale Merkmale der freien Marktwirtschaft sind:

Soziale Marktwirtschaft

Das von Alfred Müller-Armack und Ludwig Erhard entworfene Modell der Sozialen Marktwirtschaft baut auf Elementen der freien Marktwirtschaft auf, wird jedoch durch wettbewerbspolitische und in bestimmten Fällen auch regulierende Maßnahmen des Staates ergänzt, die Tendenzen zur Kartell- und Monopolbildung entgegen wirken sollen. Ideengeschichtlich beruht die Soziale Marktwirtschaft auf dem Neoliberalismus, insbesondere dem Ordoliberalismus von Walter Eucken.[7]

Sozialistische Marktwirtschaft

Eine sozialistische Marktwirtschaft zeichnet das Koordinationsprinzip dezentrale Planung und die Eigentumsordnung Gemeineigentum an den Produktionsmitteln aus. Im Gegensatz hierzu steht die kapitalistische Marktwirtschaft mit Privatbesitz an den Produktionsmitteln und sozialistische Zentralverwaltungswirtschaft mit einer zentralen Planung.

Marktmechanismus und Effizienz

Der Ökonom Jürgen Pätzold beschreibt den Marktmechanismus als einen „Koordinationsmechanismus, der keiner bürokratischen Befehle bedarf. Jedes Wirtschaftssubjekt erhält in der Marktwirtschaft seine Informationen über die Veränderung der Preissignale. Die Planungen und Handlungen werden diesen veränderten Marktsignalen laufend angepasst und dadurch schrittweise aufeinander abgestimmt. Das marktgesteuerte System hat daher eine im Vergleich zur Zentralverwaltungswirtschaft höhere Flexibilität und Problemverarbeitungskapazität. […] Diese unbestrittenen Vorteile der marktwirtschaftlich organisierten Wirtschaft gegenüber der bürokratischen Lenkung schließen jedoch nicht aus, daß die marktwirtschaftliche Realität durch Fehlentwicklungen gekennzeichnet sein kann. Die Erfahrungen mit dem klassischen Laissez faire-Liberalismus haben eindringlich gezeigt, daß eine marktwirtschaftliche Ordnung der Gestaltung und Korrektur durch den Staat bedarf.“ [4]

Marktversagen

Als Marktversagen werden Situationen in einer Marktwirtschaft bezeichnet, in denen der Marktmechanismus nicht oder nicht ausreichend die ihm in der Marktwirtschaft zukommenden Funktionen (zum Beispiel optimale Allokation knapper Güter) erfüllen kann.

Beispiele:

Insbesondere in der Sozialen Marktwirtschaft wird dem Staat daher die Aufgabe zugewiesen, Marktversagen zu verhindern, beispielsweise durch Wettbewerbspolitik, Umweltpolitik oder die Bereitstellung öffentlicher Güter. Gelingt dies nicht im gewünschten Maß oder führen staatliche Maßnahmen gar zu weiterem Marktversagen, so spricht man von Staatsversagen.

Marktwirtschaft und soziale Gerechtigkeit

Die Marktwirtschaft führt in der Theorie zu einer leistungsabhängigen Einkommensverteilung da das Einkommen maßgeblich von Dingen wie Bildung, Berufsqualifikation sowie auch Motivation und persönlicher Leistung beeinflusst wird. Daraus folgt natürlich, dass weniger qualifizierte Kräfte vom Einkommensniveau her höherqualifizierten unterlegen sind. In der Praxis wird die Einkommensverteilung zusätzlich durch unterschiedliche Startbedingungen beeinflusst, die unter dem Begriff Marktmacht zusammengefasst werden können.

Durch staatliche Regulierungen, wie z. B. Umverteilung, können Einkommensunterschiede verringert werden. Dabei besteht aber die Gefahr, dass insbesondere fallweises staatliches Eingreifen in die Marktwirtschaft meist zu Nebeneffekten führt, die die Absicht teilweise ins Gegenteil verkehren können.

Der Utilitarismus nach Jeremy Bentham hat den felicific calculus konzipiert. Dieser beruht auf der Grundlage, dass das größte zu erreichende Gut dasjenige sei, welches zum „größtmöglichen Glück für die größtmögliche Zahl“ führt. John Rawls entwickelte die Theorie der Gerechtigkeit. Aus dieser Sicht wird eine vollkommene Gleichverteilung als nicht sinnvoll empfunden, da sie die Motivation, Leistungen zu erbringen, verringere. Marxistische Kritik an der Marktwirtschaft geht vom Klassenwiderspruch zwischen Kapitalisten und Arbeiterklasse aus, auf Grund dessen es keine gerechte soziale Marktwirtschaft geben könne. Allein die Definition von sozialer Gerechtigkeit wirft große Probleme auf, ganz zu schweigen von der Frage, was Gerechtigkeit an sich ist.

Kritik

siehe Hauptartikel Kapitalismuskritik

Literatur

  • Friedman, Milton: Kapitalismus und Freiheit. Aus dem Amerikan. von Paul C. Martin. Piper, München 2004, ISBN 3-492-23962-5.
  • Galbraith, John Kenneth: Die Ökonomie des unschuldigen Betrugs. Vom Realitätsverlust der heutigen Wirtschaft. Siedler, München 2005, ISBN 3-8868-0821-1.
  • Gillies, Peter: marktwirtschaft.de. Frankfurter Institut/Stiftung Marktwirtschaft, Bad Homburg 2000, ISBN 3-89015-073-X.
  • Güth, Werner: Theorie der Marktwirtschaft. Springer, Berlin 2007, ISBN 3-5406-0904-0.
  • Eucken, Walter: Grundsätze der Wirtschaftspolitik. Mohr, Tübingen 1990, ISBN 3-16-345548-4.
  • Hayek, Friedrich A.: Freiburger Studien. Gesammelte Aufsätze. Nachdruck. Mohr, Tübingen 1994, ISBN 3-16-146312-9.
  • Smith, Adam: Der Wohlstand der Nationen. dtv, München 2005, ISBN 3-423-30149-X
  • Stocker, Ferry: Logik der Marktwirtschaft, Oldenbourg, München 2001, ISBN 3-4862-7542-9
  • Suntum, Ulrich van: Die unsichtbare Hand. Ökonomisches Denken gestern und heute, Springer, Berlin 2005, ISBN 3-5404-1003-1

Einzelnachweise

  1. Walter Eucken: Die Grundlagen der Nationalökonomie, 9. Aufl., Berlin u.a.O., 1989, Erstauflage 1940.
  2. Ulrich Femmeth: Pecunia non olet. Die Wirtschaft der antiken Welt. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008, ISBN 978-3-534-20840-1.
  3. Ulrich Baßeler; Jürgen Heinrich, Wirtschaftssysteme. Kapitalistische Marktwirtschaft und sozialistische Zentralplanwirtschaft, Würzburg 1984.
  4. a b Jürgen Pätzold, Soziale Marktwirtschaft. Konzeption – Entwicklung – Zukunftsaufgaben, 6. Auflage, Ludwigsburg, Berlin 1994
  5. N. Gregory Mankiw, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 3. Auflage, Stuttgart 2004, S. 255
  6. Eucken, Walter: Ordnungspolitik, Münster 1999, ISBN 3-8258-4056-5
  7. Stichwort Soziale Marktwirtschaft in Duden Wirtschaft von A bis Z. - Grundlagenwissen für Schule und Studium, Beruf und Alltag. 2. Aufl. Mannheim: Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus 2004. Lizenzausgabe Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2004.

Weblinks


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