Freie Gewerkschaften

Freie Gewerkschaften

Als freie Gewerkschaften bezeichnet man in Deutschland die nach der Aufhebung des Sozialistengesetzes (1890) neu entstandene sozialistisch orientierte Gewerkschaftsorganisation.

Entwicklung in Deutschland

Entwicklung der Richtungsgewerkschaften 1887-1912

Der Begriff „frei“ ist ein im Laufe der Zeit aufgekommener Zusatz, um die Organisationen von den konkurrierenden liberalen Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereinen auf der einen Seite und vor allem den christlichen Gewerkschaften auf der anderen Seite zu unterscheiden. Auch in Österreich wurden aus demselben Grund die sozialistischen Organisationen als freie Gewerkschaften bezeichnet.

Zu den freien Gewerkschaften in Deutschland gehörten zahlreiche teils nach dem Berufsverbands-, teils nach dem Industrieverbandsprinzip organisierte Einzelorganisationen. Diese schlossen sich 1890 zur Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands zusammen. Sie entwickelten sich dabei zur mitgliederstärksten Gewerkschaftsrichtung. Gegen die Zentralisierungstendenzen der freien Gewerkschaften bildete sich spätestens ab 1890 die innere Opposition der Lokalisten heraus, die sich letztlich 1897 organisatorisch verselbstständigte und in Form der Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften (FVdG) den deutschen Syndikalismus begründeten.

Zu Beginn der Weimarer Republik wurde die Organisation der freien Gewerkschaften unbenannt in Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund. Hatte die Generalkommission vor dem Ersten Weltkrieg noch die (wenigen) sozialdemokratisch orientierten Angestellten mitorganisiert, kam es 1920 zur Gründung des Allgemeinen freien Angestelltenbundes (AfA-Bund). Im Jahr 1924 kam es als Spätfolge des Eisenbahnbeamtenstreiks von 1922 zur Abspaltung vor allem unterer Beamter vom Deutschen Beamtenbund und zur Gründung des Allgemeinen deutschen Beamtenbundes (ADB). Sowohl diese Organisation der Beamten wie auch der AfA-Bund waren lose mit dem ADGB verbunden. Man sprach zeitgenössisch vom „Drei-Säulen-Modell“ der Arbeitnehmerbewegung. Während der Weimarer Republik bildeten diese drei gewerkschaftlichen Dachorganisationen die freien Gewerkschaften.

Nach dem Ersten Weltkrieg spaltete sich die marxistische politische Arbeiterbewegung in Sozialdemokraten und Kommunisten. Die freien Gewerkschaften wiesen über einen längeren Zeitraum weiterhin Mitglieder beider Richtungen auf, auch wenn es zwischen ihnen nicht selten zu Konflikten kam. Allerdings spaltete sich seit 1928 mit der Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO) eine kommunistische Konkurrenzorganisation ab. Ende 1932/Anfang 1933 lehnte die ADGB-Führung eine Initiative der ITF ab, internationale Kampfmaßnahmen gegen den aufsteigenden deutschen Nationalsozialismus vorzubereiten. Letztlich näherte sich die ADGB-Führung in den ersten Wochen der nationalsozialistischen Herrschaft sogar dem neuen Regime an und bot sich Adolf Hitler als "unpolitischen Sachverwalter der Arbeinehmerinteressen" (Theodor Leipart) an. Dies verhinderte aber nicht, dass die freien Gewerkschaften unmittelbar nach dem „Tag der nationalen Arbeit“ (1. Mai), zu dem sie noch proklamierten, "dass der deutsche Arbeiter ... ein vollberechtigtes Mitglied der Volksgemeinschaft werden soll" (Flugschrift des ADGB), am 2. Mai 1933 zerschlagen wurden.

Phasen und Teilorganisation

Quellen

  • Klaus Tenfelde u.a.: Geschichte der deutschen Gewerkschaften. Von den Anfängen bis 1945. ISBN 3-7663-0861-0 darin:
Klaus Schönhoven: Die Gewerkschaften als Massenbewegungen im Wilhelminischen Kaiserreich 1890-1918. S.167-278.
Michael Schneider: Höhen, Krisen und Tiefen. Die Gewerkschaften in der Weimarer Republik 1918 bis 1933. S.279-446.
  • Arno Klönne, Hartmut Reese: Die deutsche Gewerkschaftsbewegung. Hamburg, 1984.
  • Klaus Schönhoven: Die deutschen Gewerkschaften. Frankfurt, 1987. ISBN 3-518-11287-2

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