Frauenanteil

Frauenanteil

Frauenquote bezeichnet eine frauenbezogene Quotenregelung bei der Besetzung von Gremien oder Stellen. Der angestrebte Zweck ist die Gleichstellung von Frauen und Männern in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Frauenquoten wurden vor allem in den achtziger Jahren als wesentliches Instrument der Frauenförderung verstanden, bei der Vergabe politischer Ämter sind Frauenquoten mit dem Proporz vergleichbar.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Hintergrund ist in der Gleichstellungspolitik die Annahme, dass Frauen in der Gesellschaft bei politischen Entscheidungsprozessen und anderen Ereignissen (Einstellungsverfahren, beruflicher Aufstieg usw.) aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit und damit zusammenhängenden, gesellschaftsbedingten Faktoren in drei Punkten benachteiligt seien:

  • Sie sind nicht entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil an Macht und Einkommen beteiligt (die Frauenerwerbsquote ist allgemein niedrig, Frauen sind überproportional in niedrigeren Lohnklassen, aber um so seltener in Führungsebenen zu finden).
  • Die Interessen der gesellschaftlichen Gruppe der Frauen sind aufgrund der geringen Anzahl von Frauen in höheren politischen und wirtschaftlichen Positionen schlecht vertreten. Daher muss der Anteil von Frauen in Entscheidungsgremien erhöht werden. Diesem Argument liegt die Annahme zugrunde, dass Frauen einheitliche Interessen haben, und Frauen ihre eigenen Interessen besser vertreten können als Männer.
  • Außerdem wird angenommen, dass eine Erhöhung des Frauenanteils in Entscheidungsgremien kurzfristig nicht auf „natürliche“ Weise möglich ist, da Frauen insbesondere in geschlechtsuntypischen Bereichen (wozu Führungspositionen in der westlichen Kultur traditionell gehören) geringere Chancen als Männer haben, gewählt bzw. eingestellt zu werden.

Bekenntnis der Völkergemeinschaft

Basis der Quotenregelung sind die allgemeine Umsetzung der Frauenrechte. Das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) der Vereinten Nationen von 1980 formuliert die Übereinkunft, mit allen geeigneten Mitteln unverzüglich eine Politik zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau zu verfolgen. Sie ist durchaus radikal formuliert und nicht unumstritten. Trotzdem bildet sie die moderne Basis der Forderungen, die tatsächliche Gleichberechtigung der Geschlechter herbeiführen.

Die Einführung von Quoten für einige politische Gremien und Teile des öffentlichen Dienstes wurde von der Frauenbewegung durchgesetzt.

Arten von Frauenquoten

Absolute Quotenregelung

Bei einer absoluten Quotenregelung werden Frauen solange prinzipiell bevorzugt behandelt, bis die angestrebte Frauenquote von x Prozent im entsprechenden Gremium erreicht ist. Diese Art der Quotenregelung ist die umstrittenste, da männliche Kandidaten diskriminiert werden, wenn sie unabhängig von ihrer Qualifikation keinen Posten oder ein Amt erhalten.

  • harte Quote, bezeichnet die Regelung, dass bei einer mindestens 50-Prozent-Quotierung nur so viele Männer gewählt werden können, wie Frauen gewählt wurden.
    Beispiel: zehn Plätze, sprich fünf Frauenplätzen und fünf offene Plätze. Wurden fünf Frauen gewählt, dann können bis zu fünf Männer auf den offenen Plätzen gewählt werden. Wurden nur vier gewählt (da z. B. keine Kandidatinnen im Vorfeld gesucht wurden), dann können bis zu vier Männer auf den offenen Plätzen gewählt werden. Der eine Frauenplatz und der eine offene Platz bleiben dann bis zur nächsten Wahl unbesetzt.
  • weiche Quote, bezeichnet die Regelung, dass bei einer mindestens 50-Prozent-Quotierung auf der Hälfte der zu besetzenden Plätze ausschließlich Frauen kandidieren dürfen.
    Beispiel: zehn Plätze, sprich fünf Frauenplätzen und fünf offenen Plätze. Es können alle fünf offenen Plätze mit Männern besetzt werden, auch wenn nur vier Frauen auf die Frauenplätze gewählt werden. Der eine offene Frauenplatz bleibt dann bis zur nächsten Wahl unbesetzt. Über Ausnahmen dieser Art entscheidet in der Regel eine Frauenversammlung.

Relative Quotenregelung

Diese Quotenregelung ist meist so formuliert, dass bei gleicher Qualifikation die Bewerberin dem Bewerber vorgezogen werden soll, bis ein Frauenanteil von x Prozent im entsprechenden Gremium erreicht ist. Dies ist in den meisten Fällen die Regelung, die schlussendlich durchgesetzt wird. Einigen Feministinnen geht eine solche Regelung jedoch nicht weit genug, da ihrer Meinung nach die Bedingung „gleiche Qualifikation“ zu viel Interpretationsspielraum lasse und in vielen Fällen dazu führe, dass die Kandidatin nur dann eingestellt werde, wenn sie deutlich höher qualifiziert sei als der Kandidat.

Quorum und Votum

Zur Einführung der Frauenquote kam mancherorts noch ein besonderes Quorum hinzu, das Frauen einen gleichen Anteil von Redebeiträgen bei Versammlungen sichern sollte (paritätische Redeliste). Grüne und Grüne Jugend u. a. haben darüber hinaus noch das Frauenvotum.

Umsetzung von Frauenquoten

Europäische Union

Im Europarecht ist Artikel 141 Absatz 4 des EG-Vertrags einschlägig. Die EU-Richtlinien zur Gleichstellungspolitik der Europäischen Union, insbesondere die Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie 2000/78/EG, definieren unter dem Begriff mittelbare Diskriminierung „dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren“.

Nach dem EuGH-UrteilKalanke vs. Stadt Bremen[1] entsprachen „automatische“ Bevorzugungen von Bewerberinnen nicht dem Gemeinschaftsrecht. Im Urteil Marschall gg Land Nordrhein-Westfalen[2] präzisierte der EuGH dies und sprach aus, dass eine Bevorzugung von Frauen bei bestehender Unterrepräsentation und bei gleicher Qualifikation dann keine Benachteiligung des männlichen Bewerbers darstellt, wenn mit einer Öffnungsklausel geprüft wird, ob in der Person des Mitberwerbers gelegene Gründe vorliegen. Solche Gründe dürfen allerdings nicht in sich diskriminierend sein.[3]

Hierzu wird heute versucht, Stellenausschreibungen oder politische Mandate im Sinne einer affirmative Action geschlechtsneutral (also nicht mittelbar diskriminierend) bzw. zweigeschlechtlich zu formulieren, um den Anteil an wahlfähigen Kandidatinnen zu erhöhen. Das umfasst etwa, bekannte faktische Ungleichstellung in den vorgelagerten Ebenen (Ausbildung, typischer Kanditatenkreis, Besetzung der niedrigeren Hierarchien) durch geeignete Ausschreibungskriterien zu kompensieren, oder das Erwünschtsein weiblicher Kandidaten ausdrücklich zu erwähnen.

Deutschland

Im Gleichstellungsgesetz für den öffentlichen Dienst ist eine relative Quotenregelung enthalten. Seitdem werden Stellen im öffentlichen Dienst mit dem Zusatz versehen, dass bei gleicher Qualifikation Bewerberinnen bevorzugt werden.

Die Grünen beschlossen bei ihrer Parteigründung 1979 eine Frauenquote: mindestens die Hälfte aller Ämter sollen weiblich besetzt sein. Die SPD beschloss 1988 eine 40-Prozent-Geschlechterquote für Ämter und Mandate. Die CDU plante im Dezember 1994 einen Anteil von einem Drittel, scheiterte damit aber 1995. Stattdessen führte sie 1996 ein sogenanntes Frauenquorum ein.

Ein Gleichstellungsgesetz für die private Wirtschaft – ein Ziel der früheren Bundesministerin Christine Bergmann – scheiterte u. a. am Widerstand der Unternehmerverbände. Stattdessen wurde eine freiwillige Vereinbarung zwischen Wirtschaft und Bundesregierung geschlossen, die allerdings nach einer Studie der Böckler-Stiftung im Management nur teilweise bekannt ist und meist entsprechend zögerlich umgesetzt wird. Auch die PDS fordert ein Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft, durch das bestehendes Unrecht behoben werde. Dies entspreche dem Gleichstellungsgebot des Grundgesetzes und auf EU-Ebene dem Amsterdamer Vertrag.

Über die Zulässigkeit von Quoten im öffentlichen Dienst in Deutschland hat der Europäische Gerichtshof in drei Verfahren entschieden und dabei wesentliche Kriterien festgesetzt. Das Urteil des EuGH Rs. Kalanke 1995[1] befasst sich mit zwei Vorlagefragen des Bundesarbeitsgerichtes, die die Regelung einer leistungsbezogenen Quote in § 4 Landesgleichstellungsgesetz Bremen betrafen. Der EuGH urteilte, dass Art. 2 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 76/207/EWG einer nationalen Regelung entgegenstehe, nach der bei gleicher Qualifikation von Bewerbern unterschiedlichen Geschlechts für Bereiche, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, den weiblichen Bewerbern automatisch der Vorrang eingeräumt werde. Ein automatischer Vorrang der Frauen bewirke eine Diskriminierung der Männer im Sinne des Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie. In einem weiteren Urteil (Rs. Marschall)[2] 1997 revidierte der EuGH die aufgestellten Prinzipien teilweise.

Österreich

Österreich hat die Basis schon in seinem Bundes-Verfassungsgesetz gelegt, das in Artikel 7(1) besagt:

Maßnahmen zur Förderung der faktischen Gleichstellung von Frauen und Männern insbesondere durch Beseitigung tatsächlich bestehender Ungleichheiten sind zulässig.

Verankert ist die Quotenregelung nur im öffentlichen Dienst, namentlich im Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (B-GlBG) und den Landes-Gleichbehandlungsgesetzen/Antidiskriminierungsgesetzen. Für das allgemeine öffentliche Leben, insbesondere die Arbeitswelt, die mit dem Bundesgesetz über die Gleichbehandlung (GlBG) erfasst wird, ist eine solche Maßnahme nicht vorgesehen. Hier ist – konform mit den EU-Richtlinien – ganz im Gegenteil eine streng diskriminierungsfrei Ausschreibung von Stellen gefordert.

Schweiz

Die Schweizer Bundesregierung und Bundesverwaltung kennt neben Geschlechterquoten auch Quoten für die Sprachgruppen der Schweiz. Stellenanzeigen der Bundesverwaltung tragen folgenden Zusatz:

Bewerberinnen und Bewerber jeder Landessprache haben beim Bund die gleichen Chancen. In der Regel sind gute Kenntnisse mindestens einer zweiten Amtssprache erforderlich.
Bewerbungen von Frauen sind beim Bund besonders erwünscht.

Bei gleichen Qualifikationen sollte dem Bewerber oder der Bewerberin den Vorrang gegeben werden, deren Zugehörigkeitsgruppe (Geschlecht, Landessprache) im Vergleich zum Anteil an der Gesamtbevölkerung im entsprechenden Bereich unterrepräsentiert ist.

Politische Parteien wie die SP und die GPS haben für ihre eigenen Entscheidungsgremien und Wahllisten - sofern genügend Kandidatinnen zur Verfügung stehen - absolute Geschlechterquoten von 50 Prozent eingeführt.

Andere Länder

In Frankreich ist gesetzlich vorgeschrieben, Wahllisten paritätisch zu besetzten (abwechselnd Frau/Mann).

In Norwegen hat die Regierung im Dezember 2003 eine Frauenquote von mindestens 40 Prozent für Sitze in allen Verwaltungsräten der 600 börsennotierten Unternehmen beschlossen. Diese soll bis zum 1. September 2005 umgesetzt werden, sonst erfolgen Zwangsmittel. Der Anteil der Frauen betrug im Jahre 2003 sieben Prozent, gegenüber drei Prozent in deutschen Unternehmen.

Kritik an Frauenquoten

Das Instrument der Frauenquote zur Frauenförderung ist ein durchaus umstrittenes, und rechtlich brisantes Thema.

  • Neben der angemessenen Umsetzung ist Hauptkritikpunkt, dass es keine Männerquoten in Berufen, die von Frauen dominiert werden, gibt. Hier wurden weitestgehend noch keine (internationalen oder nationalen) Übereinkünfte erzielt, in welchen Bereichen die faktische Benachteiligung von Männern so gravierend anzusehen ist, wie die der Frauen.
  • Im Zusammenhang mit der Einführung der 40-Prozent-Quote bei der SPD in Deutschland kamen die Bezeichnungen Quotenfrau für Frauen auf, die aufgrund einer bestehenden Quotenregelung gewählt bzw. eingestellt werden.

Siehe auch

Literatur

  • Bernd Gräfrath: Wie gerecht ist die Frauenquote? Eine praktisch-philosophische Untersuchung. 1998, ISBN 3-88479-710-7
  • Susanne Boshammer, Matthias Kayß (Hgg.): „Halbe-Halbe?“ – Zur Gerechtigkeit der Frauenquote. ISBN 3-8258-4491-9
  • Kai-Oliver Miederer: Schubert, Björn G.: Affirmative Action und Reverse Discrimination. Zur Problematik von Frauenquoten im öffentlichen Dienst am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland unter Einbeziehung des Rechts der Europäischen Gemeinschaften, der Vereinigten Staaten von Amerika und der Republik Südafrika. Dunckler & Humblot, Berlin − Buchbesprechung, Der Staat 4/2005.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Rs. C-450/93, Urteil des Gerichtshofes vom 17. Oktober 1995. - Eckhard Kalanke gegen Freie Hansestadt Bremen., EUR-Lex
  2. a b C-409/95 Urteil des Gerichtshofes vom 11. November 1997. - Hellmut Marschall gegen Land Nordrhein-Westfalen, menschenrechte.ac.at
  3. Rebhhan (Hrsg.): Kommentar Gleichbehandlungsgesetz, GBK-GAW-Gesetz. Springer, Wien 2006; Jabornegg, Resch, Strasser: Kommentar Arbeitsrecht. Manz 2003

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