Albert Fraenkel (1864–1938)

Albert Fraenkel (1864–1938)

Albert Fraenkel (* 3. Juni 1864 in Mußbach an der Weinstraße; † 22. Dezember 1938 in Heidelberg) war ein deutscher Arzt, der als Tuberkulose- und Herzforscher bekannt wurde. Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte er die intravenöse Strophanthintherapie bei Herzinsuffizienz.

Inhaltsverzeichnis

Familie

Fraenkel kam im Winzerort Mußbach, der 1969 in die Stadt Neustadt an der Weinstraße eingemeindet wurde, als Mitglied einer jüdischen Familie zur Welt. Sein Vater war der Weinhändler Jakob Fraenkel (1836–1905), seine Mutter war Emilie geb. Deutsch.[1]

Albert Fraenkel trat 1896, als er Erna Thorade aus Oldenburg heiratete, zur evangelischen Kirche über.[1] Das Ehepaar bekam zwei Töchter. Tochter Annemarie Fraenkel († 12. Mai 1967) wurde später wegen ihres Einsatzes für die Jugendseelsorge der evangelischen Kirche bekannt. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde sie am 1. Oktober 1933, obwohl von Geburt evangelisch, wegen ihrer Herkunft für kurze Zeit in sogenannte „Schutzhaft“ genommen und als Leiterin des Evangelischen Gemeindedienstes Heidelberg entlassen.[2]

Ausbildung und Beruf

Fraenkel besuchte die Schule in Neustadt und bis zum Abitur 1883 das Humanistische Gymnasium (heute Eduard-Spranger-Gymnasium) in Landau.[3] Danach studierte er Medizin in München und in Straßburg, wo er 1888 das Staatsexamen ablegte. Während seines Dienstes als Assistenzarzt in München erkrankte er an Lungentuberkulose. Deshalb erweiterte er bei seiner weiteren Assistenzarzttätigkeit in Berlin konsequent sein Wissen über diese Infektionskrankheit.

1891 ließ sich Fraenkel in dem kleinen Schwarzwaldort Badenweiler (Baden) als Landarzt nieder. Unter seinem Wirken entwickelte sich die kleine Gemeinde zu einem Kurort besonders für Tuberkulosepatienten. Zwei Sanatorien gründete und leitete er, ab den 1890er Jahren die „Villa Hedwig“ zur Diätbehandlung internistischer Erkrankungen und ab 1903 die „Villa Paul“ für die Therapie von Lungenkranken.[1]

Neben seiner Kliniktätigkeit forschte Fraenkel ab 1893 an den Universitäten Heidelberg und Straßburg über die Wirkung von Medikamenten. 1906 gelang ihm in Straßburg der Nachweis der Wirksamkeit der intravenösen Strophanthintherapie bei Herzinsuffizienz. Über seine Forschungsergebnisse in Zusammenarbeit mit dem Mannheimer Pharmaunternehmen C. F. Boehringer berichtete er im gleichen Jahr auf dem 23. Internistenkongress in München.[1] Wegen der bahnbrechenden Entdeckung wurde er 1914 vom badischen Großherzog Friedrich II. zum Professor ernannt.

Während des Ersten Weltkrieges war Fraenkel Chefarzt des Beobachtungskrankenhauses Heidelberg und fungierte zudem als beratender Arzt im Krankenhaus Rohrbach, heute Heidelberg-Rohrbach. Nachdem 1928 unter der Federführung der LVA Baden die Gründung der „Krankenhaus Rohrbach GmbH“ zustande gekommen war, die wenig später in „Tuberkulose-Krankenhaus Rohrbach GmbH“ umfirmierte, wurde Fraenkel der erste Ärztliche Direktor der Klinik und gleichzeitig zweiter Geschäftsführer der GmbH.

1927 hatte Fraenkel in Heidelberg ein weiteres Krankenhaus gegründet, das internistische Mittelstandssanatorium Speyererhof. Dort wurde er ebenfalls zum Ärztlichen Direktor ernannt. 1928 wurde er Professor an der Heidelberger Medizinischen Fakultät und erhielt einen Lehrauftrag für Tuberkulose.

Zeit des Nationalsozialismus und Tod

Fraenkels Grab in Heidelberg

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde Fraenkel als Jude am 1. April 1933 aller Ämter enthoben. Dem Entzug seines Lehrauftrages in Heidelberg kam er zuvor, indem er von sich aus auf die weitere Lehrtätigkeit verzichtete. Im September 1938 wurde ihm wie allen jüdischen Ärzten die Approbation entzogen.

Drei Monate später verstarb Fraenkel im Alter von 74 Jahren in Heidelberg. Die Urnenbestattung auf dem Bergfriedhof konnte erst nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgen. Im Familiengrab liegt auch die Tochter Annemarie Fraenkel.

Bedeutung

Als bedeutendste Leistung Fraenkels gelten seine Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der intravenösen Verabreichung von positiv inotropen Herzmedikamenten.

Zum Andenken an Fraenkel verleiht die Bezirksärztekammer Südbaden an verdiente Mediziner die Albert-Fraenkel-Plakette. Mit dem Albert-Fraenkel-Preis, 1957 gestiftet von der Firma Boehringer Mannheim und heute von deren Rechtsnachfolgerin Hoffmann-La Roche (Grenzach-Wyhlen) mit 5200 Euro (Stand 2010) dotiert, ehrt die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie deutschsprachige Wissenschaftler, die sich durch Publikationen auf dem Gebiet der Physiologie, Pharmakologie, Pathologie, Klinik oder Therapie des Kreislaufs qualifiziert haben.

1920, im Jahre seines Umzugs nach Heidelberg, wurde Fraenkel Ehrenbürger des Kurorts Badenweiler, sein Geburtsort Mußbach ehrte ihn in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit einer Straßenwidmung.

Prominente Patienten Fraenkels waren der Schriftsteller und spätere Literaturnobelpreisträger Hermann Hesse, den er 1909 in Badenweiler behandelte[1], und der Philosoph Karl Jaspers. Dieser sagte, Fraenkel sei der einzige Arzt gewesen, der ihm wirklich helfen und auch zeigen konnte, was ein Arzt sein kann.[4]

Literatur

  • Peter Drings, Jörg Thierfelder, Bernd Weidemann, Friedrich Willig (Hrsg.), Michael Ehmann (Mitarbeit): Albert Fraenkel – Ein Arztleben in Licht und Schatten 1864–1938. Verlag Ecomed, Landsberg 2004

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e alemannia judaica: Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde. Abgerufen am 25. August 2010.
  2. Heidelberger Geschichtsverein: Annemarie Fraenkel. Abgerufen am 25. August 2010.
  3. Freunde des ESG: Berühmte Schüler und Lehrer des ESG. Abgerufen am 25. August 2010.
  4. L. Ruuskanen: Der Heidelberger Bergfriedhof im Wandel der Zeit. Verlag Regionalkultur, 2008, S. 195 f.

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