Albert Filbert

Albert Filbert

Albert Filbert (* 8. September 1905 in Darmstadt; † 30. Juli 1990) war im nationalsozialistischen Deutschen Reich SS-Obersturmbannführer, Leiter der Amtsgruppen VI A „Allgemeines“ (SD-Ausland) und V B „Wirtschaftskriminalität“ (Reichskriminalpolizeiamt) des Reichssicherheitshauptamtes, Führer des Einsatzkommandos 9 im Rußlandfeldzug.

Inhaltsverzeichnis

Schule und Studium

Albert Filbert wuchs mit zwei Geschwistern bis zu seinem 6. Lebensjahr in der Kaserne seines Vaters auf, der Berufssoldat und „Spieß“ (Kompaniefeldwebel) in einer Darmstädter Kaserne war. Die Familie zog 1911 nach Worms um, wo der Vater eine Anstellung als Telegrapheninspektor bei der Post fand. Nach der Obersekunda auf der Oberrealschule nahm Filbert eine Banklehre auf, besuchte jedoch parallel dazu die Abendschule. Als Externer legte er schließlich 1927 das Abitur an der Oberrealschule Mainz ab. Er studierte in Worms Jura und trat im August 1932 in die NSDAP und SS ein.

Beim Sicherheitsdienst

Nach dem ersten juristischen Staatsexamen bewarb er sich während seiner Referendarzeit beim Sicherheitsdienst (SD), wo er im März 1935 hauptamtlich in der von Heinz Jost geleiteten Abwehrabteilung in der Berliner Zentrale eingestellt wurde. Filbert erfüllte die Erwartungen seines Vorgesetzten in vollem Umfang. In den Personalbeurteilungen Josts vom 2. August 1937 und 1. März 1939 wird Filbert als fähiger Mitarbeiter bewertet, der seine Abteilung „mit großer Umsichtigkeit und Tatkraft leite“ und „über die nötige eigene Initiative“ verfüge. So kam die Beförderung zum SS-Obersturmbannführer im Januar 1939 nicht überraschend.

Nach Bildung des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) am 27. September 1939 leitete Filbert bis zum Juni 1941 die Amtsgruppe A „Allgemeine Aufgaben“ im Amt VI (SD-Ausland).

Bei den Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD in der UdSSR

Mit Beginn des Rußlandfeldzuges übernahm Filbert die Führung des Einsatzkommandos 9 (EK 9) in der Einsatzgruppe B (EGr B), die vom Chef des Reichskriminalpolizeiamtes (RKPA) SS-Brigadeführer Arthur Nebe geleitet wurde und zur Verwendung in Litauen und Weißrussland im Bereich der Heeresgruppe Mitte bestimmt war.

Das Stammpersonal der Einsatzgruppen war in der Grenzpolizeischule Pretzsch sowie in den benachbarten Städten Düben und Bad Schmiedeberg zusammengezogen und ausgebildet worden. Filbert erinnerte sich bei seiner Nachkriegsvernehmung an die Teilnahme an einer Besprechung, die der Chef des RSHA Reinhard Heydrich mit den Amtschefs I und IV des RSHA Bruno Streckenbach und Heinrich Müller sowie einigen weiteren RSHA-Angehörigen im März oder April 1941 durchführte und Hitlers Planung für den Rußlandfeldzug („Unternehmen Barbarossa“) und die damit verbundenen Aufgaben für die zu bildenden „Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD“ vorstellte. Hauptzweck sei die Entlastung des Heeres durch die Bekämpfung versprengter Rotarmisten und Partisanen. Daraufhin habe er sich ebenso wie Streckenbach und Müller freiwillig für diesen Einsatz gemeldet.

Konkreter wurde Heydrich bei der Instruierung der Führer der Einsatzgruppen und Einsatzkommandos am 17. Juni 1941 in Berlin. Hier wurde als Nahziel die umfassende sicherheitspolizeiliche Befriedung des eroberten Raumes vorgegeben, die mit „rücksichtsloser Schärfe“ sicherzustellen sei. In einem Fernschreiben vom 2. Juli 1941 an die Höheren SS- und Polizeiführer formulierte Heydrich nochmals die Weisung an die Einsatzgruppen in aller Deutlichkeit:

„Zu exekutieren sind alle Funktionäre der Komintern (wie überhaupt die kommunistischen Berufspolitiker schlechthin), die höheren, mittleren und radikalen unteren Funktionäre der Partei, der Zentralkomitees, der Gau- und Gebietskomitees, Volkskommissare, Juden in Partei- und Staatsstellungen, sonstigen radikalen Elemente (Saboteure, Propagandeure, Heckenschützen, Attentäter, Hetzer usw.).“

In der Erinnerung Filberts habe Heydrich kurz vor dem Abmarsch in Pretzsch an sämtliche Führerdienstgrade eine Ansprache gehalten, alle Anwesenden auf den Führer vereidigt und anschließend den Führerbefehl hinsichtlich der Liquidierung sämtlicher Juden einschließend der Frauen und Kinder eröffnet.

Das im Gefolge der Heeresgruppe Mitte und im Verband der EGr B vorrückende, ca. 120 Mann starke EK 9 Filberts, gelangte von Pretzsch über Posen, Warschau und Treuberg am 1. Juli 1941 nach Varėna (etwa 70 km südwestlich von Vilnius). Hier sandte Filbert Teilkommandos nach Grodno und Lida, um diese Städte „sicherheitspolizeilich durchzuarbeiten“. Das Gros des EK 9 erreichte am 2. Juli 1941 Vilnius, wo es das schon dort befindliche EK 7a unter SS-Obersturmbannführer Walter Blume ablöste. Dieses hatte bereits den litauischen „Ordnungsdienst“ zur Erschießung der örtlichen Juden angeleitet. Das EK 9 marschierte zwischen dem 20. und 24. Juli 1941 nach Wilejka und Molodeczno weiter. Schon am 2. August 1941 erreichte es Wizebsk, das als Hauptstandort diente. Von hier wurden wiederum Teilkommandos nach Polozk, Lepel, Newel, Surash, Janowitschi und Gorodok entsandt. Teilweise kam es hier zu Massenerschießungen, so z. B. nach der Ereignismeldung Nr. 92 vom 23. September 1941 betreffend Janowitschi: „ … die Insassen des Gettos [sic] in einer Stärke von 1.025 Juden sonderbehandelt.“ Nach überwiegender Partisanenbekämpfung im September 1941 begann das EK 9 am 8. Oktober 1941 mit der „Räumung“ des Ghettos von Wizebsk; d. h. mit der „Liquidation der im Getto [sic] befindlichen Juden“.

Am 20. Oktober 1941 gab Filbert die Führung des EK 9 an Oswald Schäfer ab und kehrte nach Berlin zurück, während seine ehemalige Einheit einen Tag später nach Wjasma weiterzog. Nach den „Ereignismeldungen UdSSR“ des RSHA betrug die Zahl der vom EK 9 bis Oktober 1941 exekutierten Menschen 11.449.

Im Reichskriminalpolizeihauptamt des RSHA

In Berlin hatte sich Filbert mit Vorwürfen zur Unterschlagung von Devisen auseinanderzusetzen, die schließlich zu einer zweijährigen Suspendierung vom Dienst im RSHA führten.

Zu einer Belastung Filberts hatte bereits die Verhaftung seines Bruders geführt, der sich nach dem Bürgerbräu-Attentat auf Hitler am 8. November 1939 durch Georg Elser, bedauernd über dessen Scheitern äußerte und denunziert worden war.

Ab 1943 wurde Filbert wieder im RSHA eingesetzt. Er kam jedoch nicht mehr zum SD-Ausland, sondern übernahm in der Amtsgruppe V (RKPA) das Referat „Wirtschaftskriminalität“. 1944 wurde er zum Leiter der Amtsgruppe V B bestellt.

Nach dem Krieg

Im April setzte sich Filbert mit einem Teil der RSHA-Angehörigen nach Schleswig-Holstein ab, trennte sich dort jedoch im Mai von dieser Gruppe und suchte seine Familie auf.

In Bad Gandersheim lebte er bis 1950 unter dem Falschnamen Dr. Selbert. Die durch das Straffreiheitsgesetz vom 31. Dezember 1949 geschaffene Amnestie nutzte er dazu, wieder seinen richtigen Namen anzunehmen. Beschäftigt bei der Braunschweig-Hannoverschen-Hypothekenbank, avancierte Filbert 1958 zum Filialleiter deren Berliner Niederlassung.

Schließlich wurde er doch aufgrund seiner Tätigkeit als Führer eines Einsatzkommandos im Februar 1959 verhaftet und angeklagt. Im Urteil des Landgerichts Berlin vom 22. Juni 1962 wird zu Filberts Einsatz im Osten ausgeführt:

„Sein Auftreten während dieses Einsatzes war das eines überzeugten Nationalsozialisten. Er war ein strenger Vorgesetzter, der die Führung des Kommandos fest in der Hand hielt, hatte zu den Kommandoangehörigen – auch soweit sie im Führer(Offiziers)-rang standen – ein sehr distanziertes Verhältnis, bestand auf der strikten Durchführung seiner Befehle und war allen Erwägungen, die auf Einschränkung der Erschießungen zielten, unzugänglich.“

Ebenso wie er Erschießungen verschiedentlich selbst leitete – z. B. auch die erste, von der Frauen und Kinder betroffen waren – so verlangte er auch, dass alle SS-Führer seines Kommandos persönlich an den Erschießungen teilzunehmen hatten. Angehörige seiner Einheit, die nach der Erschießung von Frauen und Kindern einen Nervenzusammenbruch erlitten, bedachte er mit den Worten: „So etwas will ein SS-Führer sein. Den sollte man mit einer entsprechenden Behandlung gleich wieder nach Hause schicken.“

Filbert wurde wegen gemeinschaftlichen Mordes an mindestens 6.800 Menschen zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. Die tatsächliche Höhe der Opfer dürfte aber mehr als das Doppelte betragen haben. Der Bundesgerichtshof verwarf den Revisionsantrag Filberts im April 1963, so dass das Urteil des Landgerichts Berlin rechtskräftig wurde. 13 Jahre später wurde Filbert wegen Haftunfähigkeit, die durch eine fachärztliche Untersuchung festgestellt wurde, Anfang Juni 1973 entlassen.

In dem Film „Wundkanal“ von Thomas Harlan wird Filbert vom Regisseur interviewt. Der Film, der auf der Biennale in Venedig 1984 vorgestellt wurde, bezieht Filbert als "Nazi-Monstrum" in die Handlung eines provozierenden Werkes ein, das die These verfolgt, die inhaftierten Terroristen der RAF seien in Stuttgart-Stammheim umgebracht worden.

Am 30. Juli 1990 ist Albert Filbert verstorben.

Literatur

  • Michael Wildt: Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes. Hamburger Edition HIS Verlagsges. mbH, 2002, ISBN 3-930908-75-1
  • Helmut Krausnick/Hans-Heinrich Wilhelm: Die Truppe des Weltanschauungskrieges. Die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD 1938-1942. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1981, ISBN 3421019878

Weblinks


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