Francis Petre

Francis Petre
Francis Petre

Francis (Frank) William Petre (* 27. August 1847 in Petone (heute Lower Hutt); † 10. Dezember 1918 in Dunedin) zählt zu den bekanntesten neuseeländischen Architekten des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Die meisten seiner Bauwerke konzentrieren sich auf die zu dieser Zeit florierende Stadt Dunedin, in der er die längste Zeit seines Lebens verbrachte. Vor seiner Zeit stand die neuseeländische Architektur sehr unter dem Einfluss der „Mutterkolonie“, dem Vereinigten Königreich, und insbesondere unter dessen neogotischem Architekturstil. Petre, der zu den ersten in Neuseeland selbst geborenen Persönlichkeiten zählt, war maßgeblich daran beteiligt, anderen architektonische Stilrichtungen, vornehmlich dem in Südeuropa beheimateten Palladianismus sowie Elemente der Renaissance, die besser zum Klima und zum Lebensstil des Pazifikstaates passen, in Neuseeland zur Blüte zu verhelfen.

Francis Petre kam in seiner langjährigen Architektenlaufbahn mit zahlreichen verschiedenen Stilrichtungen in Kontakt, wobei er bei der Verwendung von Beton Pionierarbeit leistete. Dies brachte ihm schließlich den Spitznamen „Lord Concrete“ (engl.; Beton) ein. Er konstruierte zahlreiche öffentliche und private Gebäude, von denen die meisten noch in der jetzigen Zeit in und um Dunedin auf der neuseeländischen Südinsel zu finden sind. Seine Wohnhäuser zählen heute zu den vornehmsten und begehrtesten des Landes. In Erinnerung bleibt Petre jedoch vor allem wegen seiner Sakralbauten, den monumentalen römisch-katholischen Kathedralen in den neuseeländischen Metropolen Dunedin, Wellington und Christchurch, die heute Zeugnis für sein Talent und seinen architektonischen Sachverstand ablegen.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Frühe Jahre

Die Familie Petre, die im Peerswesen Englands als Barone Petres seit 1603 die Adelswürde innehatte, stammte aus Ingatestone in Essex (England). Der engste Verwandtschaftskreis von Francis Petre zählte zu den ersten und bekanntesten Immigrantenfamilien Neuseelands. So wurde zum Beispiel die Petre Bay auf der Chatham-Insel nach ihnen benannt, genauso wie ursprünglich auch die Stadt Wanganui auf der Nordinsel. Des Weiteren wurde ein Vorort der Hauptstadt Wellington nach dem „Thorndon Hall-Anwesen“, dem Familiensitz der Petres benannt. Dieser Stadtteil ist noch heute als Thorndon bekannt. Petre war Sohn des Honourable Henry William Petre, der im Jahr 1840 als Direktor der New Zealand Company erstmals nach Neuseeland kam. Dessen Vater wiederum, Lord Petre, war zu dieser Zeit Vorsitzender der „Company“. Die New Zealand Company, die erst ein Jahr zuvor gegründet worden war, bemühte sich um die Kolonisierung der damals fast ausschließlich von Maori bewohnten Inseln und eignete sich durch Tauschgeschäfte in den folgenden Jahren − zum Teil auf dubiose Weise[1]  − große Landflächen von den Ureinwohnern an, damit daraufhin weiße Siedler einwandern konnten. Folglich darf Henry Petre zu den Gründern der Stadt Wellington gezählt werden. Außerdem hatte er das Amt des kolonialen Schatzmeisters von „New Munster“, wie die Südinsel damals genannt wurde, inne.

Francis Petre wurde am 27. August des Jahres 1847 als drittes von sechzehn Kindern in Petone − heute Vorort von Lower Hutt −, einer der ersten Siedlungen der weißen Bevölkerung in Neuseeland, geboren. Im Alter von acht Jahren wurde er, gemäß britisch-kolonialer Tradition zur Ausbildung nach England geschickt. Zu Beginn war er Schüler des „Mount St Mary's College“ in der Nähe von Sheffield, wo er von Jesuiten unterrichtet wurde. Bereits vier Jahre später verließ er die Schule, um in das damals in Portsmouth angesiedelte Royal Naval College einzutreten. Da er sich selbst als ungeeignet für eine Karriere in der Marine befand, setzte er seine Ausbildung in Frankreich fort, wo der die Bildungsanstalt des französischen Priesters Benoit Haffreingue in Boulogne-sur-Mer besuchte. Als er nach England zurückkehrte, schloss er seine Ausbildung schließlich am „Ushaw College“ in Durham ab.

Angehörige britischer Adelsfamilien mussten sich zur damaligen Zeit das Geld zum Leben in der Regel nicht verdienen, da sie sowieso zum Militär gehen würden oder eine geistliche Karriere anstrebten. Als dritter Sohn eines jüngeren Sohnes eines Peers stand jedoch schon zu seiner Geburt fest, dass er in Zukunft für sein Einkommen selbst Sorge zu tragen habe. Folglich wurde er zwischen 1864 und 1869 zum Londoner Schiffbauer und Ingenieur Joseph Samuda in die Lehre gegeben. Dort erlernte er verschiedene Verfahren, mit dem damals relativ neuen Material Beton umzugehen, kennen. Dies inspirierte ihn bei seinen späteren Werken.

Nach dem Abschluss seiner Ausbildung im Jahr 1869 wurde Petre als Architekt und Ingenieur zugelassen und er arbeitete für drei Jahre bei dem Londoner Architekten Daniel Cubitt Nicholls, bevor er 1872 nach Neuseeland zurückkehrte. Hier wurde er zugleich als Ingenieur beim Eisenbahnunternehmen Brogden and Sons angestellt. Während dieser Zeit überwachte er den Bau der Eisenbahnlinien Blenheim-Picton und Dunedin-Balclutha, außerdem die Trockenlegung von Teilen der Taieri Plains und die Errichtung zahlreicher Tunnels entlang der Otago Central Railway, von denen heutzutage noch einige in Zusammenhang mit dem Otago Central Rail Trail begehbar sind. Nachdem diese Arbeiten beendet waren, ließ sich Petre in der Liverpool Street in Dunedin als freier Architekt und Ingenieur nieder.

Beginn der Architekturkarriere

Nie vollendete Ausführung der St. Joseph's Cathedral, Dunedin

Von 1875 an scheint Petre sein Leben zum großen Teil der Architektur, insbesondere der sakralen Architektur, zugeschrieben zu haben. Ohne Zweifel wurde er von damaligen Zeitströmungen und Persönlichkeiten beeinflusst; hier ist vor allem der beliebte Architekt Benjamin Mountfort aus Christchurch zu nennen, dessen Gothic Revival-Stil seine ersten Projekte dominiert. Einst sagte er über den neogotischen Baustil:

[He saw in this type of architecture] the great richness and delicay of detail, and the closer application of geometrical rules to architecture - more especially in the window tracery which exhibits greater variety of design, together with an easier and more perfect flow into the various parts of the whole structure.[2]
[Er sah in diesem Architekturstil] den großen Reichtum und die Verbundenheit zum Detail, und die Einbindung geometrischer Formen in die Architektur − insbesondere beim Maßwerk der Fenster, die eine größere Vielfalt in der Konstruktion zur Schau stellt, verbunden mit einem sanfteren und vollkommeneren Einfließen der verschiedenen Teile in das Gesamtwerk.

Die englische Neugotik war zu dieser Zeit, besonders bei anglikanischen Kirchengebäuden sowohl in den Kolonien des britischen Empire, als auch im Vereinigten Königreich selbst, äußerst populär. Der Aufschwung dieses Architekturstils ging Einher mit dem Aufkommen der Oxford-Bewegung, einer anglo-katholischen Gruppierung englischer Intellektueller (siehe auch High Church), die die Meinung vertraten, mittelalterlich-gotisch beeinflusste Architektur rege die Spiritualität in einem höheren Maße an, als die auf heidnischen Tempeln bzw. nichtchristlichen Gotteshäusern basierenden Baustile. Die Anglikanische Kirche außerhalb des „Mutterlandes“ verfolgte schließlich neben der nostalgischen Erinnerung an die Heimat noch ein weiteres Ziel: Die Ureinwohner in solcher Art und Weise zu beeindrucken, dass sie zum neuen Glauben konvertierten. Die römisch-katholische Kirche jedoch, der Francis Petre angehörte, wollte sich seit jeher von den Anglikanern unterscheiden, so auch in der Architektur. Daher orientierte sich diese Konfession an den in Südeuropa vorherrschenden Formen der Gotik und der Renaissance. Folglich war es die katholische Kirche, die Petre die größten Möglichkeiten eröffnete, sein architektonisches Können in Bezug auf italienische und französische Baustile unter Beweis zu stellen.

Ein frühes Spezialgebiet Petres war die Verwendung von besonders für große Flächen geeignetem Massenbeton, einem zur damaligen Zeit in Neuseeland neuen Baustoff. Wurde er bereits von den Römern verwendet, ging die Rezeptur zur Herstellung verloren, bis im 18. Jahrhundert neu erfunden wurde. Drei von Petres ältesten Werken wurden allesamt unter Einbindung dieses Baustoffes erbaut: Das Anwesen von Richter Chapman (heute als „Castlemore“ bekannt), eine als „Cargill's Castle“ bekannte, exponiert gelegene Villa sowie die St. Dominic's Priory, die alle drei in den 1870er Jahren vollendet wurden. Auf Wunsch seiner Auftraggeber arbeitete Petre jedoch auch mit konventionellen Baustoffen.

Erster Großauftrag: Die St Dominic's Priory

Die St Dominic's Priory

Das vermutlich wichtigste Projekt, dass Petre in den 1870er-Jahren in Angriff nehmen durfte, war die Errichtung eines Priorats in seiner hauptsächlichen Wirkungsstätte, in Dunedin. Das nach dem Heiligen Dominikus benannte Gebäude wurde von 1876 bis 1877 errichtet. Petres Meinung nach orientiere sich die Architektur des Priorats an der angelsächsischen Tradition, was er mit den gleichmäßig abgeschrägten Fensteröffnungen begründete. In Wirklichkeit jedoch entsprang das Gebäude zum Großteil aus seiner eigenen Feder und wurde nur leicht von angelsächsischer Architektur beeinflusst.

Bekanntheit erlangte das Gebäude durch die großzügige Verwendung von gegossenem Beton, einem Baumaterial, das in Neuseeland zur damaligen Zeit fast gänzlich unbekannt, jedoch sehr vielseitig einsetzbar war. Auf diese Weise war es ohne größere Schwierigkeiten möglich, die Fassade des Bauwerks durch derart viele Fensteröffnungen zu unterbrechen. Insgesamt erscheint das Gebäude gewaltig und zugleich streng, was den zukünftigen Verwendungszweck als Kloster zur Geltung bringen sollte. Zur Zeit seiner Errichtung war das Priorat das größte aus unbewehrtem Beton bestehende Gebäude der Südhalbkugel (Stahl wurde damals noch nicht als stützendes Element des Betons verwendet). Dieses Projekt brachte Petre den noch heute charakteristischen Spitznamen „Lord Concrete“ (von engl. concrete = Beton) ein.

Wandlung von Neogotik zur Renaissance: Die Kathedralen

Francis Petre hatte als gläubiger Katholik das Privileg, drei römisch-katholische Kathedralen auf neuseeländischem Boden entwerfen und errichten zu dürfen. In den drei gewaltigen Sakralbauten spiegelt sich deutlich die stilistische Wandlung Petres wider, die von der neogotischen St Joseph's Cathedral in Dunedin, über die beinahe klassizistisch anmutende Cathedral of the Sacred Heart in Wellington, bis hin zum typischen Renaissance-Bau, der Cathedral of the Blessed Sacrament in Christchurch reicht.

St Joseph's Cathedral (1878)

45° 52′ 28″ S, 170° 29′ 53″ O-45.87452170.49803

Die heutige St Joseph's Cathedral in Dunedin

Obwohl Francis Petre in seiner Architekturkarriere zahlreiche Kirchen, Schulen, öffentliche Gebäude und Privathäuser entwarf, konnte er sein gewaltigstes Projekt, die römisch-katholische Kathedrale in Dunedin niemals fertigstellen. Die heutige Fassade und das gesamte Kirchenschiff entsprechen noch dem Originalzustand aus den späten 1870er-Jahren und verdeutlichen die Stellung des Bauwerks als eines der wichtigsten Beispiele für französische Neogotik. Heute erinnert das Gebäude, das direkt neben der St Dominic's Priory errichtet wurde, an zahlreiche Meisterwerke europäischer Sakralarchitektur. So kommen beim Betrachten der Fassade, die von den zwei Türmen und der Rosette dominiert wird, französische Kathedralen wie Chartres oder Notre Dame in den Sinn. Petres ursprüngliche Entwürfe, die auf einer fast 90 Seiten umfassenden Sammlung von Zeichnungen überliefert sind und heute im Archiv der Diözese aufbewahrt sind, sahen einen Kathedralenbau vor, der alle anderen Sakralbauten im damaligen Australasien in den Schatten stellen sollte. Die beiden seitlichen Türme wären demnach von einer zentralen, ungefähr 60 Meter hohen Kirchturmspitze überflügelt worden. Der Spatenstich erfolgte im Jahr 1878, infolge der Wirtschaftskrise aus den frühen 1880er Jahren besann sich jedoch ein Diözesan-Verantwortlicher darauf, zur Begrenzung der Verschuldung auf den gewaltigen mittleren Turm zu verzichten.

Im Jahr 1886 schließlich wurde das heutige Kirchengebäude gesegnet. Der Unterbau der Kathedrale verhalf ihr zu größerer Bekanntheit: Der nach dem Heiligen Josef benannte Sakralbau stützt sich auf 40 wuchtige Betonstöße, die jeweils über 1,2 Meter breit sind und 10 Meter in das vulkanische Grundgestein versenkt wurden. Das Kirchenschiff misst eine Länge von 24 Metern und ist 16 Meter hoch. Das Mauerwerk des Gebäudes besteht aus schwarzem Basalt, während für die Friese und Ornamente das aus dem nahen Oamaru stammende weiße Oamaru-Gestein verwendet wurde. Diese Art des Kalksteins wurde in der damaligen Südinsel-Architektur bevorzugt verwendet; ein weiteres bekanntes Gebäude dieser Art ist der Bahnhof Dunedin. Petre sollte in den folgenden Jahrzehnten weitere Aufträge zum Bau von Kathedralen bekommen, die St Joseph's Cathedral sollte jedoch sein größtes im Gothic Revival-Stil errichtetes Bauwerk bleiben.

Cathedral of the Sacred Heart (1901)

41° 16′ 36″ S, 174° 46′ 32″ O-41.27677174.77561

Die „Basilica of the Sacred Heart“ im Jahr 1910
Das klassizistisch anmutende Kirchenschiff (ca. 1910)
Die „Cathedral of the Sacred Heart“ im Jahr 2005

Dass ein römisch-griechischer Tempel heute die Hauptkathedrale der Römisch-Katholischen Kirche in Wellington darstellt, war zur Zeit ihrer Errichtung nicht im Entferntesten geplant. Die Sacred-Heart-Basilika, heute eine Kathedrale, wurde ursprünglich nur deswegen erbaut, um an die Lage der völlig ausgebrannten St Mary's Cathedral zu erinnern. Diese gewaltige, der Heiligen Maria gewidmete Kathedrale, vollständig im neogotischen Architekturstil errichtete, die im Jahr 1850 errichtete und 1898 durch ein Feuer zerstörte Kirche, verfügte sogar über Strebebögen. Da Petre eine gewisse Bindung zu diesem Ort und den nahe gelegenen Grundstücken hatte, die die katholische Gemeinde erst durch seinen Vater und seinen Großvater erhalten hatte. Nur zwei Tage nachdem der Entschluss gefasst worden war, eine Art „Gedenkkirche“ zu schaffen, wurde Petre mit dieser Aufgabe betraut. Jedoch wurde auch beschlossen, die neue Kathedrale in einem dichter besiedelten Stadtteil von Wellington, zum Beispiel Te Aro oder Newtown zu erbauen. Petre veröffentlichte später − im Jahr 1903 − auch Pläne für letzteren Bau, der seiner Meinung nach auf „römischer Architektur an der Grenze zur Italienischen Renaissance“ errichtet hätte werden sollen. Dieses Vorhaben wurde jedoch niemals realisiert, anders als die Basilika „The Sacred Heart“, deren Grundstein auf dem geräumten Bauplatz der zerstörten St Mary's Cathedral gesetzt wurde.

Nach der Meinung zahlreicher angesehener Architekten des 19. Jahrhunderts, wie zum Beispiel dem Engländer Augustus Pugin, war nur der (neo)gotische Architekturstil in passender Weise dazu geeignet, für den Bau christlicher Gotteshäuser verwendet zu werden. Diese Ansicht hielt sich mitunter bis kurz vor Beginn des 20. Jahrhunderts, ein Beispiel dafür ist der Neuseeländer Benjamin Mountfort, der 1898 verstorben war. Petre brach nun mit der Tradition, ausschließlich neogotische Kirchengebäude in Neuseeland zu errichten, indem er das neue Gebäude im in Venetien wurzelnden Palladianismus plante und errichten ließ. Auf einmal nämlich galt der „alte“ Gothic Revival-Stil als altmodisch und war schlicht und einfach zu teuer zu errichten. Petre realisierte im neu angebrochenen Jahrhundert einen Kirchenbau, der nur wenige Jahre zuvor mit hoher Wahrscheinlichkeit als ketzerisch bezeichnet worden wäre.

Das Aussehen der Bauwerks mutet beinahe theatralisch an. Die eindrucksvolle Hauptfassade aus weißem Oamaru-Gestein besteht fast ausschließlich aus einer auf sechs gewaltigen ionischen Pfeilern ruhenden Säulenhalle. Die Giebelseite des Portikus wird von einem großflächigen, mehr an Vitruv als an Andrea Palladio erinnernden Pediment dominiert. Hinter der beeindruckenden Frontfassade erstreckt sich das lang gezogene Kirchenschiff, das sichtlich in weniger strenger römischer Architektur gehalten wird. Wenn man sich Petres Auftrag, eine „betriebsfähige aus Steinen errichtete Kirche am Ort der alten Kathedrale“ zu errichten, vor Augen führt, ist es erstaunenlich, dass die katholische Kirche ein solch avantgardistisches Bauwerk erlaubt hat. Das Gebäude an sich könnte ohne Weiteres im Rom oder Venedig des 17. oder 18. Jahrhunderts stehen.

Im Kircheninnenraum setzt sich der palladianistische Stil fort. Das Kirchenschiff wird links und rechts von einem Säulengang umrahmt, während die Pfeiler selbst als Fundament für einen mit Rundbogenfenstern versehenen Obergaden dienen. Der Altarraum wird durch einen gewaltigen Bogen vom Hauptteil des Kirchenschiffes abgetrennt, dieses architektonische Element wird oftmals als „Palladianisches Fenster“ bezeichnet. Die flache, in jeweils gleich große Abschnitte geteilte Decke ist wesentlich zurückhaltender entworfen, als der Deckenabschnitt der Kirche Santa Maria dei Miracoli in Venedig. Leider mussten die beiden Glockentürme infolge eines Erdbebens im Jahr 1942 entfernt werden.

Die Kosten für die neue Kirche wurden vollständig aus den für die Errichtung der neuen Kathedrale im Stadtzentrum vorgesehenen Geldmitteln aufgewendet, was eine Verzögerung des eigentlichen Kathedralen-Projektes zur Folge hatte. Nach einer Zeit der Verzögerungen und der Aufschübe, die über 70 Jahre andauerte, wurden die Planungen zum Bau einer neuen katholischen Kathedrale in Wellington schließlich endgültig aufgegeben. Seit 1984, nachdem die Kirche noch einmal erweitert wurde, stellt Petres Church of the blessed Sacrament nun zur römisch-katholischen Hauptkathedrale Wellingtons geweiht. Hätte Petre bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts gewusst, welche Bedeutung seinem Kirchenbau einmal zukommen würde, wäre das Gebäude sicherlich nicht im damals gewagten palladianistischen Architekturstil errichtet worden.

Cathedral of the Blessed Sacrament (1904)

43° 32′ 18″ S, 172° 38′ 47″ O-43.53834172.64651

Die „Cathedral of the Blessed Sacrament“, Petres größtes fertiggestelltes Werk
Die im Bau befindliche Kathedrale (ca. 1903)

Von allen Bauwerken, die Petre entwarf und die auch errichtet wurden, gilt die römisch-katholische Cathedral of the Blessed Sacrament in Christchurch allgemein als sein bedeutendstes. Mit dem Bau der Kathedrale, die häufig kurz als Christchurch Basilica bezeichnet wird, wurde im Jahr 1901 begonnen. Das Bauwerk ersetzte eine seit 1864 bestehende kleinere Holzkirche, die von Benjamin Mountfort entworfen worden war. Nur vier Jahre nach Beginn der Bauarbeiten wurde die Kirche schließlich am 12. Februar 1905 offiziell eröffnet. Heute gilt die Kathedrale „zum gesegneten Sakrament“ als schönster und beeindruckendster Neo-Renaissance-Bau Australasiens.

Nachdem sich Petre vom neogotischen Stil des Christchurcher Architekten Benjamin Mountfort losgesagt hatte, der große Teile des 19. Jahrhunderts fast konkurrenzlos dominierte, läutete er ein neues architektonisches Zeitalter in Neuseeland − und im Folgenden insbesondere in Christchurch − ein. Er entwarf seinen neuen Kathedralbau im Stil der Renaissance und orientierte sich dabei am klassischen Basilika-Schema mit dreischiffigem Langhaus, Querhaus, Chor mit Apsis im Osten und repräsentativer Turm/Portal-Front im Westen − jedoch mit einer großen Ausnahme. Entgegen der seit der Romanik geltenden Konvention, die Kuppel auf die Vierung, den Schnittpunkt von Haupt- und Querschiff, zu setzen, platzierte Petre sie über dem Chor. Diese ungewöhnliche Lösung in Verbindung mit der byzantinisch anmutenden Apsis sollte, so seine Absicht, die „Herrlichkeit“ des im runden Chorschluss befindlichen Hochaltars vergrößern und damit zugleich auf das Patrozinium der Kirche hinweisen, da sich hier der Tabernakel befindet.

Die Christchurch Basilica besteht aus Beton, der von Oamaru-Gestein, einem harten Kalkstein, armiert wird. Das Kirchenschiff und der Altarraum werden von aus ionischen Säulen aufgebauten Kolonnaden gestützt. Das Eingangsportal wird nach europäischem Kathedralmuster von zwei Türmen flankiert. Türme und Kuppel tragen Kupferhauben.

Wenn die Kathedrale von Christchurch auch oft mit der Saint Paul’s Cathedral in London aus dem 18. und besonders mit der Pariser St. Vincent-de-Paul-Kirche aus dem 19. Jahrhundert verglichen wird, war es doch vor allem der französische Mönch Benoît Haffreingue, von dem Petre beim Entwurf der Cathedral of the Blessed Sacrament beeinflusst wurde. Er war − wie oben erwähnt − während eines prägenden Teils seiner Ausbildungszeit bei Haffreingue in der Lehre gewesen. Dieser wiederum war die treibende Kraft beim Wiederaufbau der Kathedrale von Boulogne-sur-Mer, der die Kathedrale von Christchurch ähnlich sehen sollte. Unter anderem wurde auch die französische Kathedrale mit der unkonventionellen Kuppelposition errichtet.

Die Architektur des Gebäudes wurde weitgehend positiv bewertet, was den bekannten irischen Autor George Bernard Shaw dazu verleitete, Petre als „neuseeländischen Brunelleschi“ zu bezeichnen. Zur Zeit ihrer Errichtung waren fünfzig Menschen auf der Baustelle der Kathedrale beschäftigt, insgesamt wurden 3.400  an Steinen, 110 m³ Beton sowie 90 t Stahl benötigt. Nachdem es Probleme gab, geeignetes Gestein in so großen Mengen anzuliefern, entstanden Finanzierungslücken während des Baus. Infolgedessen verabschiedete das neuseeländische Parlament unter dem damaligen Premierminister Richard Seddon ein eigenes Gesetz, das die Finanzierung der Kathedrale sicherstellen und der römisch-katholischen Diözese bei den Gesamtkosten von 52.000 £ unter die Arme greifen sollte.

Petre als Architekt von Privatgebäuden

Nicht nur bei den Sakralbauten, auch im Bereich der Privathäuser präsentierte sich Francis Petre als extrem abwechslungsreich. Offensichtlich entwarf er − ungleich vielen anderen Architekten − Gebäude immer genau den Wünschen seiner Kunden nach − wollten sie einen burgähnlichen Bau, projektierte er eine Burg, wünschten sie ein herrschaftliches Anwesen im Tudorstil, entsprach Petre auch ihren Wünschen.

Das „Castlamore“ in der Lovelockavenue, Dunedin

Ein großer Privatwohnsitz, der von Petre entworfen wurde, befindet sich in der Lovelockavenue in seinem hauptsächlichen Wirkungsort, in Dunedin. Ursprünglich wurde er 1875 für einen Richter namens Chapman errichtet und auf den Namen „Woodside“ getauft, obwohl das Anwesen schon bald nach der Fertigstellung fast ausschließlich unter dem Namen „Castlamore“ bekannt wurde. Dieses stattliche Gebäude befindet sich an den Hängen des Botanischen Gartens nahe der Universität von Otago und stellt ein Meisterwerk der Zurückhaltung dar. Von dem Gebäude geht eine mittelalterliche Atmosphäre − ähnlich der eines schottischen Cottages − aus, die − bei einem solchen Bauwerk üblichen − Zinnen werden jedoch nur mithilfe des abgestuften Giebels angedeutet. Die zweistöckigen Erker, die das Haus mit Licht durchfluten, spielen wieder auf die Mittelalter-Thematik an. Erst nach längerem Betrachten des Ensembles fällt auf, dass sie aus einer Reihe von Spitzbogenfenstern aufgebaut sind. Die großen, achteckigen Kamine heben den bisher geschilderten Aufbau des Bauwerks hervor, anstatt prahlerisch zu wirken.

Der Mittelalter-Thematik nach hätte das Anwesen ohne Probleme als trostlose, düstere Burg konzipiert werden können, in Wirklichkeit fungiert es aber komfortables Wohnhaus inklusive Loggia und Wintergarten. Ein weniger talentierter Architekt wäre nicht umhingekommen, ein Tourelle oder eine Fiale hinzuzufügen, was die ganze Dezentheit des Bauwerks zerstört hätte. Petres Raffiniertheit lag auch darin begründet, dass er genau wusste, wie er große Fensterflächen und weitere Vorzüge der Moderne mit der Mittelalter-Thematik verknüpfen musste, damit das betreffende Gebäude zwar einen neogotischen Einschlag bekam, jedoch nicht zur Verspottung der originalen Architektur wurde. Folglich gehörte Petre zu den Vertretern der ursprünglichen Gothic-Revival-Architektur, wie sie von Architekten wie James Wyatt ausgedacht wurde, und wandte sich gegen die neuere Neogotik, nachdem sie unter den anglo-katholischen Einfluss geriet; Er stand somit auch Architekten wie dem Engländer Augustus Pugin oder dem Neuseeländer Benjamin Mountfort entgegen.

Das „Pinner House“ in Dunedin

Eines von Petres größten Talenten war seine extreme Vielseitigkeit. Im Jahr 1883 zum Beispiel ließ er für einen ansässigen Kaufmann ein herrschaftliches Anwesen in Christchurch errichten. Das Bauwerk wird dem damals besonders in Neuseeland aufkommenden „English Cottage“-Stil zugeschrieben. Dieses, als „Llanmaes“ bezeichnetes Gebäude stand in krassem Gegensatz zu seinen bisherigen Projekten: Anstatt beeindruckende Größe und Ausstrahlung zum Ausdruck zu bringen, beschränkt sich dieses Anwesen darauf, rustikalen Charme zu verbreiten. Aufgrund ihrer Größe ähnelten Petres „Cottages“ jedoch eher Marie Antoinettes Hameau im Park von Versailles, als bescheidenen englischen Anwesen. Vergleichbar mit dem englischen Architekten George Devey versuchte Petre diese Gebäude in einem leicht stilisierten Tudorstil zu verwirklichen. Deren wichtigste Eigenschaft ist der hervorstechende Fachwerkstil mit den dunklen Holzbalken zwischen dem sehr hellen Mauerwerk, die bis in den Giebel unterhalb des Ziegeldaches reichen. Diese Architekturrichtung gelangte in Neuseeland ab den 1910er-Jahren zu sehr großer Berühmtheit.

In dunediner Stadtteil St. Clair existieren in der Cliffs Road zwei Cottages von Petre in direkter Nähe zueinander: Zum einen das „Pinner House“, bei dem Petre in den englischen Landhaus-Stil das mediterrane Klima Neuseelands mithilfe großer Fensterfronten sowie ausladender Veranden einzubinden versuchte. Es wurde in den 1880er-Jahren für Aufrere Fenwick, damals einem der bedeutendsten Börsenmakler der Stadt, errichtet. Gegenüber davon errichtete Petre ein ziemlich ähnlich aufgebautes Wohnhaus, in dem er sich selbst niederließ.

Privatleben

Einer von Petres ersten großen Bauaufträgen war das „Cargill's Castle“, ein anmutiger Prachtbau, dessen Funktionalität eindeutig weniger ausschlaggebend war, als die Wirkung nach außen. Das vom damaligen Politiker und späteren Bürgermeisters von Dunedin, Edward Bowes Cargill, in Auftrag gegebene und nach ihm benannte Gebäude ähnelte zwar eher einem herrschaftlichen Anwesen, als einer wirklichen Burg, doch stellte das „Cargill's Castle“ neben dem „Larnach Castle“ von Robert Lawson die einzige Burg Neuseelands dar. Weil die „Burg“ auf einer bis zu 60 Meter hohen Klippe erbaut wurde, bekam sie von Nachfahren des Auftraggebers den Namen „the Cliffs“ (engl., die Klippen).In diesem Zusammenhang war Petre höchstwahrscheinlich auch Bauleiter bei der Errichtung eines zu einem abgelegenen Strand zu Füßen der Burg führenden Tunnels, der heute als „Tunnel Beach“ bekannt ist. Während er dieses Anwesen plante, verliebte er sich in Margaret Cargill, die Tochter seines Auftraggebers. Einer Hochzeit standen jedoch anfangs die unterschiedlichen Konfessionen der beiden Familien gegenüber: Während die Petres seit jeher erzkatholisch, während die Cargill-Familie in genauso großem Ausmaß die Ansichten der presbyterianischen Kirche vertrat. Schlussendlich jedoch wurde beiden die Heirat erlaubt und die Hochzeitszeremonie fand 1877 − kurz nach der Fertigstellung des Bauwerkes − im Hauptsalon statt. Unglücklicherweise fiel ein Großteil des Gebäudes in den 1940er-Jahren einer Feuersbrunst zum Opfer und ist heute eine denkmalgeschützte Ruine.

Die Petres selbst hatten im Lauf ihres Ehelebens dreizehn[3] Kinder. Im Jahr 1903, nach dem Tod seines Schwiegervaters wurde Francis Petre zum Konsul des Staates Italien in Dunedin ernannt. Außerdem war er Gründungsmitglied des New Zealand Institute of Architects, einem Berufsverband, dem heute 85 % aller Architekten des Landes angehören. Von 1907 bis 1908 hatte er darin sogar den Vorsitz inne. Auch am Höhepunkt seiner Karriere wurde Petre zumeist als entgegenkommend und beliebt beschrieben. Petre starb am 10. Dezember 1918 im Alter von 71 Jahren in seinem Haus in Dunedin nach einer über 40-jährigen Laufbahn als Architekt und liegt heute auf dem Anderson's-Bay-Friedhof in seiner langjährigen Heimatstadt in Otago.

Bauwerke von Francis Petre

Es folgt eine chronologische Auflistung der von Francis Petre entworfenen und erbauten Gebäude:

  • Woodside mansion (im Volksmund zumeist „Castlamore“) im neogotischen Stil, Dunedin (1875).
  • Cargill's Castle im italienisch/neogotischen Schloss-Stil, Dunedin (1876).
  • St. Dominic's Priory im neogotischen Stil, Dunedin (1877).
  • St. Joseph's Cathedral im neogotischen Stil, Dunedin (1878–1886).
  • Guardian Royal Exchange Assurance Building im palladianistischen Stil, Dunedin (1881–1882).
  • Llanmaes mansion im englischen Cottage-Stil, Christchurch (1883).
  • Phoenix House (heute: „Airport House“), Dunedin (ca. 1885).
  • Pinner House im englischen Cottage-Stil, Dunedin, (ca. 1885).
  • Sacred Heart Church, Dunedin (1891).
  • St. Patrick's Church, Lawrence (1892).
  • St. Mary's Roman Catholic Church, Milton (1892).
  • St. Patrick's Basilica in palladianistischem Renaissance-Stil, Oamaru (1893–1903).
  • Sacred Heart Basilica (heute: „Cathedral of the Sacred Heart“) im palladianistischen Stil, Wellington (1901).
  • Cathedral of the Blessed Sacrament im italienischen Renaissance-Stil, Christchurch (1904–1905).
  • St. Mary's Roman Catholic Basilica, Invercargill (1905).
  • St.Patrick's Church in kombiniert römisch-italienischem Stil, Waimate (1908).
  • Church of the Sacred Heart (auch: „Timaru Basilica“), Timaru (1910).

Quellenangaben

  1. Anthony G. Flude: Early Land Sharks & Speculators 20. November 2005
  2. St Joseph's Cathedral: The Cathedral Architect 1847–1918 20. November 2005
  3. Francis William Petre, 1847-1918. In: archINFORM. Abgerufen am 16. Dezember 2003

Weblinks

 Commons: Francis Petre – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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