Fraktal

Fraktal
Berühmtes Fraktal:
die Mandelbrot-Menge (sogenanntes „Apfelmännchen“)

Fraktal ist ein von Benoît Mandelbrot geprägter Begriff (lateinisch fractus ‚gebrochen‘, von lateinisch frangere ‚(in Stücke zer)brechen‘), der natürliche oder künstliche Gebilde oder geometrische Muster bezeichnet, die keine ganzzahlige Dimensionalität besitzen, sondern eine gebrochene - daher der Name - und zudem einen hohen Grad von Skaleninvarianz bzw. Selbstähnlichkeit aufweisen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn ein Objekt aus mehreren verkleinerten Kopien seiner selbst besteht. Geometrische Objekte dieser Art unterscheiden sich in wesentlichen Aspekten von gewöhnlichen glatten Figuren.

Inhaltsverzeichnis

Begriff und Umfeld

Der Begriff Fraktal kann sowohl substantivisch als auch adjektivisch verwendet werden. Das Gebiet der Mathematik, in dem Fraktale und ihre Gesetzmäßigkeiten untersucht werden, heißt fraktale Geometrie und ragt in mehrere andere Bereiche hinein, wie Funktionentheorie, Berechenbarkeitstheorie und dynamische Systeme. Wie der Name schon andeutet, wird der klassische Begriff der euklidischen Geometrie erweitert, was sich auch in den gebrochenen und nicht natürlichen Dimensionen vieler Fraktale widerspiegelt. Neben Mandelbrot gehören Wacław Sierpiński und Gaston Maurice Julia zu den namensgebenden Mathematikern.

Fraktale Dimension; Selbstähnlichkeit

Ein kleiner Ausschnitt vom Rand der Mandelbrotmenge. Hier zeigt sie Ähnlichkeit mit einer Julia-Menge

In der traditionellen Geometrie ist eine Linie eindimensional, eine Fläche zweidimensional und ein räumliches Gebilde dreidimensional. Für die fraktalen Mengen lässt sich die Dimensionalität nicht unmittelbar angeben: Führt man beispielsweise eine Rechenoperation für ein fraktales Linienmuster tausende von Malen fort, so füllt sich mit der Zeit die gesamte Zeichenfläche (etwa der Bildschirm des Computers) mit Linien, und das eindimensionale Gebilde nähert sich einem zweidimensionalen.

Mandelbrot benutzte den Begriff der verallgemeinerten Dimension nach Hausdorff und stellte fest, dass fraktale Gebilde meist eine nicht-ganzzahlige Dimension aufweisen. Sie wird auch als fraktale Dimension bezeichnet. Daher führte er folgende Definition ein:

Ein Fraktal ist eine Menge, deren Hausdorff-Dimension größer ist als ihre Lebesgue’sche Überdeckungsdimension.

Jede Menge mit nicht-ganzzahliger Dimension ist also ein Fraktal. Die Umkehrung gilt nicht, Fraktale können auch ganzzahlige Dimension besitzen, beispielsweise die Brownsche Bewegung.

Besteht ein Fraktal aus einer bestimmten Anzahl von verkleinerten Kopien seiner selbst und ist dieser Verkleinerungsfaktor für alle Kopien derselbe, so verwendet man die Ähnlichkeitsdimension D, die in solchen einfachen Fällen der anschaulichen Berechnung der Hausdorff-Dimension entspricht.

 D = -\frac{\log(\mbox{Anzahl selbstähnlicher Teile})}
{\log(\mbox{Verkleinerungsfaktor})}

Die Selbstähnlichkeit kann aber auch nur im statistischen Sinn bestehen. Man spricht dann von Zufallsfraktalen.

Etwas abstrakter betrachtet wird diese Dimension, wenn man folgende Größen einführt: \dim X=\inf\{s\mid H^s(X)=0\}=\sup\{s\mid H^s(X)=\infty\}.

H^s_\varepsilon(X)=\inf\Big\{\sum_{i=1}^\infty d(A_i)^s\Big|X\subseteq\bigcup_{i=1}^\infty A_i;\; d(A_i)<\varepsilon\Big\}

X bezeichnet die fraktale Dimension.

Selbstähnlichkeit, eventuell im statistischen Sinn, und zugehörige fraktale Dimensionen charakterisieren also ein fraktales System bzw. bei Wachstumsprozessen sog. „fraktales Wachstum“ (z. B. Diffusionsbegrenztes Wachstum).

Beispiele

Menger-Schwamm nach der 4. Iterationsstufe

Die einfachsten Beispiele für selbstähnliche Objekte sind Strecken, Parallelogramme (u. a. Quadrate) und Würfel, denn sie können durch zu ihren Seiten parallele Schnitte in verkleinerte Kopien ihrer selbst zerlegt werden. Diese sind jedoch keine Fraktale, weil ihre Ähnlichkeitsdimension und ihre Lebesgue’sche Überdeckungsdimension übereinstimmen. Ein Beispiel für ein selbstähnliches Fraktal ist das Sierpinski-Dreieck, welches aus drei auf die Hälfte verkleinerten Kopien seiner selbst aufgebaut ist. Es hat somit die Ähnlichkeitsdimension  \tfrac{\log 3}{\log 2}\approx 1{,}585, während die Lebesgue’sche Überdeckungsdimension gleich 1 ist.

Die Selbstähnlichkeit muss nicht perfekt sein, wie die erfolgreiche Anwendung der Methoden der fraktalen Geometrie auf natürliche Gebilde wie Bäume, Wolken, Küstenlinien usw. zeigt. Die genannten Objekte sind in mehr oder weniger starkem Maß selbstähnlich strukturiert (ein Baumzweig sieht ungefähr so aus wie ein verkleinerter Baum), die Ähnlichkeit ist jedoch nicht streng, sondern stochastisch. Im Gegensatz zu Formen der euklidischen Geometrie, die bei einer Vergrößerung oft flacher und damit einfacher werden (etwa ein Kreis), können bei Fraktalen immer komplexere und neue Details auftauchen.

Fraktale Muster werden oft durch rekursive Operationen erzeugt. Auch einfache Erzeugungsregeln ergeben nach wenigen Rekursionsschritten schon komplexe Muster.

Dies ist zum Beispiel am Pythagoras-Baum zu sehen. Ein solcher Baum ist ein Fraktal, welches aus Quadraten aufgebaut ist, die so angeordnet sind wie im Satz des Pythagoras definiert.

Ein weiteres Fraktal ist das Newton-Fraktal, erzeugt über das zur Nullstellenberechnung verwendete Newton-Verfahren.

Ein Fraktal im dreidimensionalen Raum ist der Menger-Schwamm.

Anwendungen

Durch ihren Formenreichtum und den damit verbundenen ästhetischen Reiz spielen sie in der digitalen Kunst eine Rolle und haben dort das Genre der Fraktalkunst hervorgebracht. Ferner werden sie bei der computergestützten Simulation formenreicher Strukturen, beispielsweise realitätsnaher Landschaften, eingesetzt. Um in der Funktechnik verschiedene Frequenzbereiche zu empfangen, werden Fraktalantennen eingesetzt.

Fraktale in der Natur

Fraktale Konzepte findet man auch in der Natur. Dabei ist jedoch die Anzahl der Stufen von selbstähnlichen Strukturen begrenzt und beträgt oft nur drei bis fünf. Typische Beispiele aus der Biologie sind die fraktalen Strukturen bei der grünen Blumenkohlzüchtung Romanesco und bei den Farnen. Auch der Blumenkohl hat einen fraktalen Aufbau, wobei man es diesem Kohl auf den ersten Blick häufig gar nicht ansieht. Es gibt aber immer wieder einige Blumenkohlköpfe, die dem Romanesco im fraktalen Aufbau sehr ähnlich sehen.

Weit verbreitet sind fraktale Strukturen ohne strenge, aber mit statistischer Selbstähnlichkeit. Dazu zählen beispielsweise Bäume, der Blutkreislauf, Flusssysteme und Küstenlinien. Im Fall der Küstenlinie ergibt sich als Konsequenz die Unmöglichkeit einer exakten Bestimmung der Küstenlänge. Je genauer man die Feinheiten des Küstenverlaufes misst, umso größer ist die Länge, die man erhält. Im Falle eines mathematischen Fraktals, wie beispielsweise der Kochkurve, wäre sie unbegrenzt.

Fraktale finden sich auch als Erklärungsmodelle für chemische Reaktionen. Systeme wie die Oszillatoren (Standardbeispiel Belousov-Zhabotinsky-Reaktion) lassen sich einerseits als Prinzipbild verwenden, andererseits aber auch als Fraktale erklären. Ebenso findet man fraktale Strukturen auch im Kristallwachstum und bei der Entstehung von Mischungen, wenn man z. B. einen Tropfen Farblösung in ein Glas Wasser gibt.

Das Auffasern von Bast lässt sich über die fraktale Geometrie von Naturfaserfibrillen erklären. Insbesondere ist die Flachsfaser eine fraktale Faser.

Verfahren zur Erzeugung von Fraktalen

Fraktale können auf viele verschiedene Arten erzeugt werden, doch alle Verfahren enthalten ein rekursives Vorgehen:

  • Die Iteration von Funktionen ist die einfachste und bekannteste Art, Fraktale zu erzeugen; die Mandelbrot-Menge entsteht so. Eine besondere Form dieses Verfahrens sind IFS–Fraktale (Iterierte Funktionensysteme), bei denen mehrere Funktionen kombiniert werden. So lassen sich natürliche Gebilde erstellen.
  • Dynamische Systeme erzeugen fraktale Gebilde, sogenannte seltsame Attraktoren.
  • L-Systeme, die auf wiederholter Textersetzung beruhen, eignen sich gut zur Modellierung natürlicher Gebilde wie Pflanzen und Zellstrukturen.

Es gibt fertige Programme, sogenannte Fraktalgeneratoren, mit denen Computeranwender auch ohne Kenntnis der mathematischen Grundlagen und Verfahren Fraktale darstellen lassen können.

„Einfache und regelmäßige“ Fraktale

Fraktal L-System Winkel Strecken-Verhältnis Visualisierung
Drachenkurve
F → R oder F → L
R → +R--L+
L → -R++L- 
45^\circ 1:1/\sqrt{2}
Drachenkurve
Gosper-Kurve
F → R oder F → L
R → R+L++L-R--RR-L+
L → -R+LL++L+R--R-L
60^\circ 1:1/\sqrt{7}
Gosper-Kurve
Hilbert-Kurve
X
X → -YF+XFX+FY-
Y → +XF-YFY-FX+
90^\circ 1:1 / 2
Hilbert-Kurve
Koch-Flocke
F--F--F
F → F+F--F+F
60^\circ 1:1 / 3
Kochsche Schneeflocke
Peano-Kurve
X
X → XFYFX+F+YFXFY-F-XFYFX
Y → YFXFY-F-XFYFX+F+YFXFY
90^\circ
Peano-Kurve
Peano-Kurve
F
F → F-F+F+F+F-F-F-F+F
90^\circ 1:1 / 3
Peano-Kurve
Penta Plexity
F++F++F++F++F
F → F++F++F|F-F++F
36^\circ 1:1/\left(\frac{\sqrt{5}+1}{2}\right)^2
Penta Plexity
Pfeilspitze
F → R oder F → L
R → -L+R+L-
L → +R-L-R+
60^\circ 1:1 / 2
Pfeilspitzen-Fraktal
Sierpinski-Dreieck
FXF--FF--FF
X → --FXF++FXF++FXF--
F → FF
60^\circ
Sierpinski-Dreieck
Sierpinski-Dreieck, 2. Variante
F--F--F
F → F--F--F--ff
f → ff
60^\circ 1:1 / 3
Sierpinski-Dreieck
Sierpinski-Teppich
F
F → F+F-F-FF-F-F-fF
f → fff
90^\circ 1:1 / 3
Sierpinski-Teppich
Lévy-C-Kurve
F
F → +F--F+
45^\circ 1:1/~1,45
C-Kurve
  • Erklärung des L-Systems:

Das optionale, also nicht notwendige F wird im allgemeinen als Strecke benutzt, die durch eine Anweisungsfolge ersetzt wird. Wie das F stehen auch andere groß geschriebene Buchstaben wie R und L für einen Streckenabschnitt, der ersetzt wird. + und - stehen für einen bestimmten Winkel, der im Uhrzeigersinn oder gegen den Uhrzeigersinn läuft. Das Symbol | bezeichnet eine Kehrtwendung des Zeichenstiftes, also eine Drehung um 180°. Gegebenenfalls setzt man dafür ein entsprechendes Vielfaches des Drehwinkels ein.

  • Beispiel Drachenkurve:
F → R
R → +R--L+
L → -R++L- 

F ist eine einfache Strecke zwischen zwei Punkten. F → R heißt, dass die Strecke F durch R ersetzt wird. Dieser Schritt ist notwendig, da es zwei rekursive Ersetzungen R und L besitzt, die sich gegenseitig enthalten. Im Weiteren wird wie folgt ersetzt:

R
+R--L+
+(+R--L+)--(-R++L-)+
+(+(+R--L+)--(-R++L-)+)--(-(+R--L+)++(-R++L-)-)+
.
.
.

Ab einem bestimmten Abschnitt muss dieser Ersetzungsprozess abgebrochen werden, um eine Grafik zu bekommen:

+(+(+r--l+)--(-r++l-)+)--(-(+r--l+)++(-r++l-)-)+

Dabei stellen r und l jeweils eine fest vorgegebene Strecke dar.

Zufallsfraktale

Daneben spielen in der Natur auch „Zufallsfraktale“ eine große Rolle. Diese werden nach probabilistischen Regeln erzeugt. Dies kann etwa durch Wachstumsprozesse geschehen, wobei man beispielsweise diffusionsbegrenztes Wachstum (Witten und Sander) und „Tumorwachstum“ unterscheidet. Im ersten Fall entstehen baumartige Strukturen, im letzten Fall Strukturen mit runder Form, je nachdem, in welcher Weise man die neu hinzukommenden Teilchen an die schon vorhandenen Aggregate anlagert. Wenn die fraktalen Exponenten nicht konstant sind, sondern z. B. von der Entfernung von einem zentralen Punkt des Aggregats abhängen, spricht man von sog. Multifraktalen.[1]

Literatur

Julia-Menge

Einzelnachweise

  1. Siehe z. B. Z. Eisler, J. Kertesz, Multifractal models of asset returns with leverages, Physica A 343C, 603-622 (2004), [1]

Weblinks

 Commons: Fraktal – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

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