Flensburger Löwe (Berlin)

Flensburger Löwe (Berlin)
Berliner Kopie nach der Restauration 2005

Der Flensburger Löwe (auch Idstedt-Löwe, dänisch Istedløven) ist eine Plastik der spätklassizistischen Monumentalbildhauerei, die der Däne Herman Wilhelm Bissen als Denkmal für den Sieg der königlich-dänischen Truppen über die deutschen Schleswig-Holsteiner in der Schlacht bei Idstedt (25. Juli 1850) geschaffen hat. Das Original, das sich nur kurz in Flensburg und anschließend bis 1945 in Berlin befand, steht heute unter der Bezeichnung Istedløven in Kopenhagen. Eine 2005 restaurierte Zinkkopie aus dem Jahre 1874 befindet sich im Berliner Ortsteil Wannsee am Seeufer von Heckeshorn.

Inhaltsverzeichnis

Überblick

Für das Verständnis der Figur und ihrer Odyssee sind vier Elemente bestimmend:

  • die dänisch-deutschen Kriege in der Mitte des 19. Jahrhunderts;
  • die Tatsache, dass der Löwe das Wappentier Dänemarks ist;
  • hinsichtlich der Berliner Kopie die Gründung der Colonie Alsen am Wannsee im Jahr 1863 sowie gleichfalls
  • hinsichtlich der Berliner Kopie das erwachende preußische Nationalbewusstsein in den 1870er Jahren.

Das Original

Die Plastik des Bildhauers Bissen

Versuchter Sturz des Idstedter Löwen 1864

Im Streit um das Herzogtum Schleswig kam es im ersten Schleswig-Holsteinischen Krieg 1850 zur Schlacht zwischen der dänischen Armee und den Schleswig-Holsteinern bei Idstedt, das rund 10 Kilometer nördlich von Schleswig liegt. Der dänische Sieg in diesem Krieg hatte zur Folge, dass das Herzogtum Schleswig und damit auch die Stadt Flensburg weiterhin mit dem Königreich Dänemark in Personalunion verblieb.

Zur Erinnerung an diesen Triumph schuf der dänische Bildhauer Herman Wilhelm Bissen eine Bronzeplastik, die in Anlehnung an das dänische Wappen einen riesigen Löwen mit triumphal hochgerecktem Kopf auf einem steinernen Sockel darstellt. Das dänische Staatswappen zeigt drei gekrönte Löwen (auch das Wappen Schleswig-Holsteins und das Stadtwappen Flensburgs enthalten zwei Schleswigsche Löwen als bestimmendes Moment). Um eine anatomisch perfekte Plastik zu schaffen, reiste Bissen zuvor nach Paris und betrieb intensive Studien an einem Löwen, der in den Jardin des Plantes gehalten wurde.

Im Jahr 1860 konnte Bissen ein erstes Gipsmodell fertigstellen, und im Juni 1862 war der Bronzeguss vollendet. Der Sockel für den Löwen bekam vier Reliefs mit den Profilen der Generäle Krogh und Schleppergell sowie der Colonels Helgesen und Læssøe. Das rund vier Meter hohe Siegesdenkmal wurde am 25. Juli 1862, dem 12. Jahrestag der Schlacht von Idstedt, auf dem Alten Friedhof in Flensburg enthüllt, wo der Löwe nach Süden schaute. Von den deutschgesinnten Schleswig-Holsteinern wurde das Standbild als Schmach empfunden, und am 28. Februar 1864 haben sie es zu stürzen versucht. Dabei wurde das Bronzebildwerk stark beschädigt und der Löwenkopf gänzlich abgebrochen.

Von Flensburg über Berlin nach Kopenhagen

Im Deutsch-Dänischen Krieg, in dem Preußen und Österreich den Schleswig-Holsteinern beistanden, siegte bei der Festung Düppeler Schanzen am 18. April 1864 die deutsche Seite. Die Erstürmung der Festung gelang dem General der Kavallerie Prinz Friedrich Karl von Preußen, nachdem ein Spandauer Pionier, Carl Klinke, mit einem Pulversack eine Bresche in die Schanze II gesprengt hatte. Klinke, der sich dabei geopfert hatte, soll bei der Aktion den legendären Satz „Ich heiße Klinke, ich öffne das Tor!“ ausgerufen haben. Das Herzogtum Schleswig kam mit dem Herzogtum Holstein als gemeinsame, neue Provinz zu Preußen und Flensburg wurde deutsch.

Das Original des Löwen in Kopenhagen, 2007.

Jeden Versuch, den inzwischen stark lädierten Löwen komplett vom Sockel zu stürzen, unterbanden nun die deutschen Befehlshaber. Auf Veranlassung von Reichskanzler Bismarck erfolgte eine Demontage des Monuments, das mit einigen Bruchstücken und in Einzelteilen zuerst in Flensburg gelagert wurde. Im Jahre 1867 wurden die Teile des Löwen gemeinsam mit den vier Sockel-Reliefs auf Betreiben des Generalfeldmarschalls Friedrich Graf von Wrangel nach Berlin transportiert.

Seine erste Wiederaufstellung fand der restaurierte Löwe am 9. Februar 1868 im Berliner Zeughaus. Aufgrund des Umbaus des Zeughauses reiste der Löwe, erneut demontiert, weiter nach Berlin-Lichterfelde und fand dort im April 1878 eine erneute Errichtung im Hof der Preußischen Hauptkadettenanstalt. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs veranlasste der Oberbefehlshaber der Alliierten Streitkräfte in Europa und spätere Präsident Dwight D. Eisenhower im Herbst 1945 auf Wunsch der dänischen Regierung den Transport nach Kopenhagen.

Dort hatte der Idstedt-Löwe für lange Jahre einen Platz zwischen historischem Kriegsgerät im Hinterhof des Königlich Dänischen Zeughausmuseums. Nach der Einweihung des Erweiterungsbaus der nahe gelegenen Dänischen Königlichen Bibliothek im Jahre 2001 wurde der Hof entfernt. Seither steht der Löwe alleine auf dem weiten und recht kahlen Platz, den eine Hauptverkehrsstraße durchzieht und der an der Südseite zum Wasser hin offen liegt. (Lage: 55° 40′ 25″ N, 12° 34′ 51″ O55.67361111111112.5808333333337) In den letzten Jahren flammt von dänischer Seite immer wieder die Diskussion über eine Rückführung des Denkmals nach Flensburg auf, die aber bislang zu keinen konkreten Schritten geführt hat. In Fredericia, wo sich mit dem tapferen Landsoldaten ein weiteres Hauptwerk Bissens befindet, bemüht sich ein Verein, das Löwendenkmal für die dortigen Festungsanlagen zu gewinnen.

Die Berliner Kopie

Villenkolonie Alsen und der Löwe

Der Löwe in Berlin, 1942

Im Jahr 1863 gründete der Berliner Bankier und Direktor der Berliner Handelsgesellschaft Wilhelm Conrad die hochfeine Wannseer Villenkolonie Alsen, die sich schnell zu einer der ersten Adressen der vermögenden Berliner entwickelte. Im Jahr 1873 wählte Conrad den Namen der Kolonie – in einer Zeit des gewachsenen preußischen Patriotismus und Nationalbewusstseins – zur Erinnerung an die Kapitulation der dänischen Insel Alsen im Jahr 1864, die den deutschen Sieg über Dänemark besiegelt hatte. Das historisch passende Monument für seine Kolonie fand Conrad nur wenige Kilometer entfernt mit dem Flensburger Löwen, von dem er 1874 (ältere Angaben 1869) eine Zinkkopie anfertigen und auf dem erhöht liegenden Bergpark aufstellen ließ. Die Informationstafel vor Ort führt dazu aus:

„Die Aufstellung an diesem Ort war neben dem dekorativen Zweck auch ein Zeichen der Verehrung, die Wilhelm Conrad für Prinz Friedrich Karl von Preußen besaß, der auf dem nahen Gut Düppel lebte. Statt der Medaillons von vier dänischen Generälen beim originalen Denkmal, führte die Kopie daher ein Porträtmedaillon des Prinzen Friedrich Karl im Sockel.“ Dieses Relief verschwand 1919 nach einem Diebstahl.

Nach dem Tod Conrads und der anschließenden Aufteilung und dem weiteren Ausbau des Geländes am Bergpark blieb dem Denkmal, das 1923 in das Eigentum der Stadt Berlin überging, zunehmend weniger Platz. Im Jahr 1938 kam es nach Berichten in der dänischen Presse und nach einer Beschwerde der Botschaft über die von Gebüsch umwucherte und ungepflegte Plastik zur Umsetzung zum Heckeshorn am Westufer des Großen Wannsees. Dort steht der rund zwei Tonnen schwere Löwe auch heute auf einem Aussichtsplateau in einem kleinen Park neben der Gedenkstätte Haus der Wannseekonferenz. Die erhöhte Lage auf einem Hügelhang unmittelbar vor dem Ufer bietet einen wunderbaren Blick auf die Havelseenkette und auf das gegenüberliegende, denkmalgeschützte Strandbad Wannsee aus den Jahren 1929/1930.

Umfassende Restaurierung 2005

Denkmalplatz und Kopie am Heckeshorn nach der Restaurierung

Bei dem Diebstahl im Jahr 1919 hatte die Statue auch den Schwanz verloren. Ein notdürftiger Ersatz und weitere dringende Reparaturen erfolgten erstmals nach der Umsetzung in dem Jahr 1938. Zur lange überfälligen, umfassenden und vier Monate währenden Restaurierung kam es im Jahr 2005 in einer Berlin-Adlershofer Werkstatt. Der Restaurator Bernd Michael Helmich zerlegte die Figur in rund einhundert Einzelteile, so dass korrodierte Nahtstreifen und Verschraubungen sowie Risse ausgebessert werden konnten. Modernes Glasfasergewebe schließt nunmehr die Nahtstellen ab und eine Edelstahlkonstruktion ersetzt das hinfällige innere Stützkorsett. Um den seinerzeit unzulänglich reparierten Schwanz wieder authentisch herzustellen, nahmen Mitarbeiter der Werkstatt einen Abdruck am Kopenhagener Original.

An den Gesamtkosten von rund 90.000 Euro, die auch die Sanierung des Denkmal-Sockels und -platzes enthalten, beteiligte sich der Bezirk Steglitz-Zehlendorf mit rund 10.000 Euro. Den Rest brachten je zur Hälfte das Landesdenkmalamt und die Hinckeldey-Stiftung auf, die 1993 zum Gedenken an den preußischen Polizeipräsidenten von Berlin, Karl Ludwig Friedrich von Hinckeldey, gegründet worden war. Der Sockel erhielt eine neue Tafel, die in elf Zeilen die Denkmalgeschichte erläutert.

Am 1. September 2005 fielen bei einer feierlichen Übergabe die Hüllen der runderneuerten und konservierten Zinkgussplastik. Acht neue historische Schinkel-Leuchten sorgen für einen passenden Rahmen für den Flensburger Löwen.

Quellen, Literatur

Informationstafel

  • Das Zitat und einige weitere Informationen stammen aus der aktuellen Informationstafel aus dem Jahr 2005 vor Ort. Konzept, Redaktion, Layout: Hortec Berlin, im Auftrag von und finanziert durch: Hinckeldey-Stiftung, Landesdenkmalamt, Bezirksamt. Auf Grundlage eines kunsthistorischen Gutachtens von Dr. Jörg Kuhn. Die zweisprachige Tafel (deutsch, englisch) enthält zudem einige historische Fotos.

Literatur

  • Klose, Olaf (Hrg.): Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck. Band 1. Wachholtz, Neumünster 1970, S. 72–74.
  • Leppien, Jörn-Peter: „Operation Lion“. Henrik V. Ringsted und der Idstedt-Löwe. Flensburg 1995.
  • Poulsen, Bjørn & Schulte-Wülwer, Ulrich (Red.): Der Idstedt-Löwe. Ein nationales Denkmal und sein Schicksal. Herning 1993. Gleichzeitig und in gleicher Ausstattung auf Dänisch unter dem Titel Istedløven. Et nationalt monument og dets skæbne erschienen.
  • Rostrup, Haavard: Der Bildhauer H. W. Bissen als Zeichner. In: From the collections of the Ny Carlsberg Glyptothek. Kopenhagen, 1942, S. 318–400.
  • Schlaber, Gerret Liebing: Kontroverse um ein Denkmal. Der Idstedt-Löwe zwischen Provokation und Provisorium. In: Grenzfriedenshefte. 4 2002. S. 259–290.

Weblinks


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