Flavius Petrus Iustinianus

Flavius Petrus Iustinianus
Justinian I., Mosaikdetail aus der Kirche San Vitale in Ravenna
Münzen (Halbfollis) des Justinian I.

Flavius Petrus Sabbatius Iustinianus, griechisch Ἰουστινιανός (* ca. 482 in Tauresium bei Justiniana Prima; † 14. November 565 in Konstantinopel), auch bekannt als Justinian I., war vom 1. August 527 bis zu seinem Tod im Jahre 565 römischer Kaiser. In der älteren Literatur wird er auch vereinzelt als Justinian der Große bezeichnet.

Justinian, als Kaiser Imperator Caesar Flavius Iustinianus Augustus, gilt als einer der bedeutendsten Herrscher der ausgehenden Spätantike. Seine Regierungszeit markiert dabei eine wichtige Stufe des Übergangs von der Antike zum Mittelalter und somit den Übergang von römischer Tradition zu byzantinischer Regierung (siehe auch Ende der Antike). Justinian betrieb eine aggressive Westpolitik, wobei es ihm gelang, weite Teile des alten Imperium Romanum, die im Westen an die Germanen gefallen waren, wiederzugewinnen. Für die Rechtsgeschichte ist die von ihm in Auftrag gegebene Kompilation des römischen Rechts, das später so genannte Corpus Iuris Civilis, von großer Bedeutung.

529 ließ Justinian die platonische Akademie in Athen schließen, 542 wurde von ihm das altrömische Amt des Konsuls, vielleicht aus Kostengründen, faktisch abgeschafft. Die immer stärker hervortretende Sakralisierung des Kaisertums zerstörte die letzten Reste der vom Prinzipat geschaffenen Illusion, dass der Kaiser nur ein primus inter pares sei.

Heftige Kritik an der Politik Justinians äußerte der Geschichtsschreiber Prokopios von Caesarea, dessen Werke die wichtigste Quelle für die Zeit Justinians darstellen. Weitere Informationen bieten unter anderem Johannes Malalas, Agathias und Menander Protektor.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines zur Person Justinians

Flavius Petrus Sabbatius Iustinianus war ein ungefähr 482 geborener Bauernsohn aus dem Dorf Tauresium (heute Taor) in Illyrien; der Name Sabbatius deutet vielleicht auf thrakischen Ursprung hin.[1] Seine Muttersprache war das Lateinische, und Tauresium gehörte zum Aufgabenbereich des römischen Bischofs; beides waren wohl Gründe für Justinians starke Westorientierung. Prokopios wirft dem Kaiser – vermutlich zu Unrecht – fehlerhaftes Griechisch vor, tatsächlich war er wohl belesen und gebildet. Justinian, der Sohn der Vigilantia, war ein Neffe des späteren Kaisers Justin I., der seit etwa 470 im Heer Kaiser Leos I. und später unter Zenon und Anastasios I. Karriere machte.

Schon zu Lebzeiten seines Onkels, der ihm eine gute Ausbildung ermöglichte und ihn nach seiner Thronbesteigung (518) offenbar früh zum Nachfolger aufbaute und vermutlich adoptierte, beherrschte Justinian offenbar die Reichspolitik. 519 wurde Justinian zum comes ernannt, 521 wurde er magister equitum et peditum praesentalis und bekleidete sein erstes Konsulat (drei weitere folgten: 528, 533 und 534), seit 525 trug er den Titel Caesar und galt offiziell als Thronerbe.[2] Im April 527 wurde er schließlich zum Mitkaiser erhoben, am 1. August dann nach Justins Tod zum Alleinherrscher. Er war seit 523 mit der Augusta Theodora I. verheiratet, der einige Quellen einen großen Einfluss auf Justinian nachsagen, und blieb kinderlos. Er hatte mehrere Vettern; der bedeutendste war Germanus, der auch ein talentierter Feldherr und wichtiger Vertrauter Justinians war. Justinian I. starb am 14. November 565 in Konstantinopel, wo er sich fast seine gesamte Regierungszeit aufgehalten hatte.

Nach dem Tod des Kaisers, der keinen Mitherrscher ernannt hatte, drohte zunächst ein Machtkampf zwischen zweien seiner Neffen, beide mit Namen Justin: dem General Justin, einem Sohn des oben genannten Germanus, und dem Chef der Hofhaltung, dem späteren Kaiser Justin II. Letzterer konnte sich schließlich durchsetzen; er ließ seinen Rivalen bald darauf ermorden.[3]

Außenpolitik

Das Oströmische Reich bei Justinians Tod 565 (rot)

Justinians Politik strebte die Wiederherstellung der Macht des Kaiserreiches über die spätantike Ökumene nach römischem Vorbild an (Restauratio imperii). Ob diese bereits von langer Hand geplant war oder erst nach den Erfolgen von Justinians Feldherr Belisar über die Vandalen 534 zu einer Ausprägung der justinianischen Politik wurde, ist in der Forschung umstritten. Unter Justinian, der als letzter römischer Kaiser Latein als Muttersprache sprach, wurden große Teile des alten Römischen Imperiums zurückerobert, und Ostrom wurde wieder ein Weltreich. Die Kriege Justinians wurden vom Historiker Prokopios von Caesarea in seinem Geschichtswerk Bella eingehend geschildert.

Perserkriege

Siehe auch: Römisch-Persische Kriege

Der Krieg gegen das persischen Sassanidenreich war ein Erbe aus der Regierungszeit seines Vorgängers Justin I. Der Kriegsschauplatz erstreckte sich dabei schließlich vom Kaukasus (vor allem in Armenien und um die wichtige Festung Petra am Schwarzen Meer, wo Justinians General Sittas bis zu seinem Tod 539 sehr erfolgreich operierte, wurde erbittert gekämpft), bis nach Mesopotamien. In Mesopotamien konnte Belisar 530/531 als magister militum per Orientem erste Erfolge erzielen (Schlacht bei Dara), musste aber auch Niederlagen erleiden (wie bei Callinicum). Mit dem neuen sassanidischen König Chosrau I. schloss Justinian 532 ein von recht hohen (aber einmaligen) Zahlungen an die Perser begleitetes Abkommen, den „Ewigen Frieden“. Diese Ruhe im Osten machte Justinians Westpolitik einer Restauratio imperii erst möglich, da die Ressourcen Ostroms bereits stark beansprucht waren.

540 brachen die Kämpfe allerdings erneut aus (laut Prokopios von der Sorge Chosraus ausgehend, dass ein erneuertes Römerreich stärkere Ressourcen gegen Persien mobilisieren könnte; eventuell spielte auch ein ostgotisches Bündnisangebot eine Rolle – überdies brach um diese Zeit die Macht der Hephthaliten, die Persien bedroht hatten, zusammen). Der Hauptgrund für den persischen Angriff dürfte aber wohl einfach in der günstigen Lage zu sehen sein: Chosrau I. suchte militärischen Ruhm und brauchte Geld, und da das römische Syrien nur schwach verteidigt war, wollte er vermutlich einfach einen Plünderungszug unternehmen und danach wieder Frieden schließen.[4]

Justinian scheint bereits 539 von den Angriffsplänen gewusst zu haben, konnte aber nicht rechtzeitig Truppen an den Euphrat entsenden – versprochene Verstärkungen trafen jedenfalls nur in sehr geringer Zahl ein. Germanus wurde mit nur 300 Mann nach Antiochia am Orontes geschickt und konnte dort auch nichts ausrichten. Der magister militum Buzes musste mit den lokalen römischen Truppen operieren, die der großen persischen Armee zahlenmäßig weit unterlegen waren; er zog sich auf eine Verteidigungsstellung bei Hierapolis zurück und wartete ab. Die bedeutendsten Städte der Region unterwarfen sich Chosrau. Die größte Katastrophe für die Römer war dann zweifellos die Eroberung, Plünderung und anschließende Zerstörung der Weltstadt Antiochia, wobei Chosrau gewaltige Schätze (auf die es ihm wohl vor allem ankam) und zahlreiche Gefangene nach Persien überführte, wo sie in einer eigenen Stadt angesiedelt wurden. Chosrau soll außerdem ein rituelles Bad im Meer genommen und dem Sonnengott geopfert haben. Andere Städte hatten mehr Glück als Antiochia und konnten sich frei kaufen oder hielten den persischen Angriffen stand.

Chosrau bot den Römern sogleich einen erneuten Friedensschluss an, doch Justinian scheint den Glauben an die sassanidische Vertragstreue verloren zu haben und lehnte ab. Der Krieg wurde fortgesetzt; aber es gelang den Römern nur langsam, die Lage zu stabilisieren. Die ohnehin stark beanspruchte oströmische Armee (die Mannschaftsstärke betrug laut Agathias nur etwa 150.000 Mann, aber diese Angabe muss mit großer Vorsicht behandelt werden – wahrscheinlicher ist eine Zahl von gut 300.000 Soldaten) musste nun einen Zweifrontenkrieg führen: gegen die Ostgoten in Italien und gegen die Perser im Osten. Überdies war der Balkanraum durch Plünderungszüge der Awaren und Slawen bedroht.

Die römisch-persische Grenze zum Zeitpunkt des Todes Justinians im Jahr 565.

Der wichtigste Streitpunkt und ein Zentrum der Kampfhandlungen zwischen Römern und Persern war vor allem Lazika, ein kleines Königreich am Schwarzen Meer, identisch mit dem früheren Kolchis. Der Krieg sollte bis 561/62 andauern (unterbrochen von einem Waffenstillstand, der sich bezeichnenderweise nicht auf Lazika bezog) und die Ressourcen Ostroms stark strapazieren. Anders als oft behauptet, vernachlässigte Justinian dabei keineswegs die Verteidigung der Ostgrenze zugunsten seiner Eroberungen im Westen. Da sich im Orient bald ein militärisches Patt entwickelte und sich die Perser um 560 mit einem neuen Feind, den Türken, konfrontiert sahen, waren sie 562 zum Frieden mit den Römern bereit. In diesem Vertrag, der von Petrus Patricius für Justinian ausgehandelt wurde, überließen die Perser den Römern Lazika – Justinian hatte die Ostgrenze also letztlich doch halten können, wenngleich er nun den Persern jährlich Tribut zahlen musste. Es ist letztlich unklar, wie stark diese Zahlungen die römischen Kassen belasteten – dennoch waren die Römer wohl mehrheitlich nicht sehr glücklich mit der Tributverpflichtung. Justinians Nachfolger Justin II. versuchte dann auch, diesen Vertrag zu revidieren – mit allerdings katastrophalem Ergebnis.

Insgesamt betrachtet wird man wohl nicht sagen können, Justinian habe die Ostgrenze vernachlässigt; seit 540 wurde die Mehrheit der oströmischen Truppen im Orient eingesetzt (was zur langen Dauer des Krieges in Italien beitrug); der Kaiser war aber im Osten oft eher defensiv tätig und widmete sich stärker der Politik im Westen (siehe unten). Durch eine Mischung aus diplomatischen und militärischen Mitteln konnte der Kaiser die römische Position gegenüber Persien dabei letztlich halten. Sein Nachfolger Justin II. hingegen ging aggressiv gegen die Sassaniden vor – was allerdings nur in einen jahrelangen Krieg mündete, der erst unter Maurikios wenigstens vorübergehend beendet werden konnte, bevor Chosrau II. dann 602 den letzten und größten römisch-persischen Krieg begann (siehe Herakleios).[5]

Vandalenkrieg

Der Krieg gegen das Vandalenreich in Nordafrika (etwa deckungsgleich mit dem modernen Tunesien, siehe auch Africa) begann ursprünglich als eine Strafexpedition. Der dem Katholizismus nicht feindlich gesinnte arianische König Hilderich war abgesetzt und durch Gelimer ersetzt worden. Justinian bestand nun auf der Wiedereinsetzung Hilderichs, was aber strikt abgewiesen wurde. Den Charakter einer regelrechten Eroberungskampagne erhielt der Feldzug wohl erst im Nachhinein.

Belisar begann schließlich in den Jahren 533/34 mit einem nur ca. 15.000 Mann starken Heer den Feldzug, der innerhalb kürzester Zeit abgeschlossen war. Hilfreich dabei war, dass der Vandalenkönig Teile seiner Streitkräfte nach Sardinien gesandt hatte, um eine dortige Revolte niederzuschlagen, und auch nicht mit einem Angriff der Oströmer gerechnet hatte. Belisar besiegte die Vandalen bei Ad Decimum und Tricamarum. Am 15. September 533 fiel Karthago. Belisar nahm auch den Vandalenkönig Gelimer gefangen und führte ihn bei seinem „Triumphzug“ durch Konstantinopel. Vermutlich entstand erst jetzt der Plan, auch Italien wieder der direkten kaiserlichen Herrschaft zu unterwerfen.

Allerdings kam es in Nordafrika schon bald wieder zu Kämpfen mit den Berbern, die einen ständigen Unruheherd darstellten, und auch zu mehreren Meutereien der oströmischen Garnisonstruppen, wie die unter Stotzas. Justinians General Johannes Troglita konnte die Berberrebellion nach langwierigen Kämpfen jedoch niederschlagen. Letztlich erlebte Africa um 600 offenbar noch einmal eine bescheidene Blüte und blieb immerhin bis 698 römisch und christlich.

Gotenkriege

Verlauf der Gotenkriege

Hintergrund für das Eingreifen Ostroms in Italien bildeten die Intrigen und Thronkämpfe nach dem Tod des bedeutenden Ostgotenkönigs Theoderichs des Großen. Seine Tochter Amalasuntha suchte eine Anlehnung an Rom, während Theoderichs Neffe Theodahad seine eigene Position stärken wollte. Nach dem Tod von Amalasunthas jungem Sohn Athalarich im Jahre 534 gelang es Theodahad, die Königswürde zu erlangen. Die Spannungen führten schließlich 535 zum offenen Krieg (Gotenkrieg), doch wurden die Kämpfe gegen die Ostgoten langwieriger als erwartet. Ein oströmischer Angriff auf Dalmatien scheiterte, während Belisar Sizilien und bald darauf Neapel einnehmen konnte. Theodahad versagte vollkommen, worauf er von Witichis abgelöst wurde. Dieser organisierte den Widerstand recht erfolgreich, verlor aber Ende 536 Rom an Belisar. Versuche, die Stadt, die noch immer etwa 80.000 bis 100.000 Einwohner hatte, erneut zu erobern, scheiterten. Es kam zu schweren Kämpfen, die sehr wechselhaft verliefen und für die Bevölkerung Italiens mit großen Lasten verbunden waren. So wurde das von oströmischen Truppen eroberte Mailand 538 von den Ostgoten grausam zurückerobert; zudem kam es zu Hungersnöten im Land. 538 war auch Narses, Belisars Konkurrent, mit nur geringen Verstärkungen nach Italien entsandt worden, doch führten Streitigkeiten zwischen den beiden Kommandeuren dazu, dass die Offensive gegen die Goten im Sande verlief und Narses bald darauf nach Konstantinopel zurückkehrte. Auch der Einfall der merowingischen Franken, die unter Theudebert I. 539 in Norditalien einfielen und diese Region gründlich verwüsteten, forderte zahllose Opfer; dabei kämpften sie sowohl gegen die Goten als auch gegen die Oströmer, die beide vorher die Franken als mögliche Verbündete umworben hatten.

Im Mai 540 fiel das von Belisar belagerte Ravenna. Ostgotische Adlige hatten ihm die Kaiserwürde im Westen angeboten, und Belisar war darauf eingegangen.[6] Witichis wanderte in die Gefangenschaft, wo er 542 im Range eines Patricius verstarb. Ob Belisar die Kaiserwürde nur zum Schein annahm, ist unklar, aber wohl am wahrscheinlichsten. Dennoch erweckte dies den Argwohn Justinians, der seinen Generälen ohnehin nie recht traute. Sicher ist, dass Belisar seine Kompetenzen überschritt, als er Witichis gefangen nahm, denn Justinian hatte zuvor mit den Ostgoten vereinbart, dass sich diese in Norditalien als Foederaten ansiedeln sollten. Belisar setzte sich über diese Abmachung eigenmächtig hinweg; vielleicht hätte die Geschichte einen anderen Verlauf genommen, hätte er den kaiserlichen Willen befolgt: Ein transpadanisches Gotenreich hätte als Puffer gegen Langobarden und Franken fungieren können, und zudem wäre Italien wohl die zweite, blutigere Phase des Ostgotenkrieges erspart geblieben.

Das Restaurationswerk Justinians I.

Aufgrund der hohen Steuerlasten kam es in Italien bald darauf zu Aufständen, wobei sich der 542 in Pavia, wo sich die Reste der Ostgoten gesammelt hatten, zum neuen König erhobene Totila (eigentlich Baduila) als ein kluger Stratege erwies (Propagandakampagne, Bau einer Flotte). Nur kleine Truppenteile wurden Belisar, der 544 wieder das Kommando des italischen Kriegsschauplatzes übernommen hatte, zur Niederschlagung der „Rebellion“ zur Verfügung gestellt, da Justinian seinem besten General nicht mehr recht vertraute und der Großteil der römischen Truppen im Osten benötigt wurde, wo es wieder zu Kämpfen mit den Persern gekommen war (siehe oben). Der so genannte zweite Gotenkrieg (541/42 bis 552) erwies sich als noch härter als der vorangegangene. Ende 546 fiel Rom an Totila, der es jedoch bald darauf wieder verlor. Die Kämpfe erstreckten sich über ganz Italien und wurden mit großer Grausamkeit geführt. 549 wurde Belisar, dem Prokopios von Caesarea, der den General nun nicht mehr begleitete, später zahlreiche Versäumnisse vorwarf, abberufen und zunächst 550 durch Germanus, nach dessen plötzlichem Tod durch Narses ersetzt. Totila hatte derweil 550 Rom ein zweites Mal eingenommen, konnte sich aber wieder nicht behaupten. Dieser Krieg ruinierte auch die wohlhabende weströmische Senatsaristokratie, die bis dahin ein Träger der antiken Kultur gewesen war. Zum Ende des Jahrhunderts sollte der Senat in seiner bisherigen antiken Tradition dann aus den Quellen verschwinden.

Narses gelang es Anfang Juni 552, das wieder gotische Ravenna zu erobern und bald darauf die Goten unter Totila bei Busta Gallorum zu schlagen; Totila fiel dabei, womit das gotische Heer seinen Strategen verloren hatte. Unter Teja stellten sich die Goten im Oktober 552, wohl am Vesuv, noch einmal zum Kampf, den sie aber ebenfalls verloren. Einzelne gotische Garnisonen konnten sich noch einige Jahre halten, der Krieg war damit jedoch entschieden.

Italien wurde wie zuvor Africa wieder einem römischen Praefectus praetorio unterstellt; das Land jedoch war verwüstet. Die Pragmatische Sanktion, mit der es 554 wieder ins Imperium Romanum eingegliedert wurde, schaffte fast alle Ämter ab, die zuvor von weströmischen Senatoren besetzt worden waren, und trug damit noch zusätzlich zum Verschwinden dieser Aristokratie bei. Bald nach Justinians Tod fielen die Langobarden in Italien ein – eventuell im Zusammenhang mit einem gescheiterten Versuch des Narses, sie als Foederaten anzusiedeln – und nahmen es zum größeren Teil in Besitz. Als Teile Ostroms verblieben Genua bis 650, Sizilien bis zum 9. Jahrhundert und Teile Süditaliens bis 1071. Ravenna fiel erst 751 in die Hände der Langobarden.[7]

Sonstige Außenpolitik

In Spanien konnte der Römer Liberius im Auftrag Justinians 552 in Folge von inneren Wirren im Westgotenreich dessen südliche Region um Córdoba und Gibraltar in Besitz nehmen. Dieser Raum, der im wesentlichen der alten Provinz Baetica entsprach, blieb knapp 80 Jahre oströmisch und unterstand einem eigenen magister militum.

Der Balkan kam während der ganzen Regierungszeit Justinians nicht zur Ruhe. Immer wieder fielen Awaren, Slawen und Hunnen ein, daher wurde mit erheblichem Aufwand das Festungssystem erweitert und erneuert. Unter anderem wurde das während der Hunnen- und Gotenzügen zerstörte Legionslager Singidunum an der Donau ab 535 als oströmisch/byzantinisches kastron, das den mittelalterlichen Kern der Stadt Belgrad begründete, neu aufgebaut. Allerdings erwies sich dieser Schritt dennoch als nicht ausreichend, um die Sicherheit der Provinzen Moesia und Thrakien zu gewährleisten: Das Hinterland war immer wieder Plünderungszügen ausgesetzt, da insbesondere die Donaugrenze vernachlässigt wurde. 545 gewannen die Oströmer die Anten als Verbündete, die einen Teil der Donaugrenze fortan sicherten.

548 und 550 drangen slawische Stämme über die Donau erstmals ins Innere der Balkanhalbinsel vor und erreichten den Golf von Korinth, die Adria und die ägäische Küste. Die Infiltration slawischer Stämme sollte sich in den nachfolgenden Jahrzehnten als folgenschweres Ergebnis justinianischer Politik zeigen, die zu einem völlig neuen demografisch-soziologischen Charakter der Balkanhalbinsel führte und dem Reich über Jahrhunderte kostspielige militärische Operationen sowie eine mit der Kurie konkurrierende Missionstätigkeit abverlangte. Nach Justinians Tod fiel 582 die Schlüsselstadt Sirmium (heute Sremska Mitrovica) dem Ansturm der Awaren und unterworfener slawischer Stämme zum Opfer. Obwohl einer seiner Nachfolger, Maurikios, mit zahlreichen Feldzügen die Versäumnisse der justinianschen Balkanpolitik aufzufangen versuchte, konnte er die Landnahme der Slawen auf dem Balkan letztendlich nur verzögern, denn seine Nachfolger schenkten der Balkanverteidigung nicht die nötige Aufmerksamkeit. Aus der Konsequenz der Völkerwanderungen der Slawen im 6 Jh. und der byzantinischen Mission hatte der byzantinische Kulturkreis seine natürliche Grenze an Drina und Save.

Es gelang Kaiser Justinian, Kontakte mit dem christlichen Reich von Aksum herzustellen (im heutigen Äthiopien, siehe dazu auch Ella Asbeha), wobei die Aksumiten bereits im Jahr 525 im Jemen gegen die Himjariten interveniert hatte, sehr zum Ärger der Sassaniden, die in dieser Region eigene Interessen verfolgten und die Südküste des persischen Golfs bald nach dem Tod des Kaisers eroberten. An der Südgrenze der Provinz Ägypten kam es zudem immer wieder zu Kämpfen mit den Blemmyern. Aus dem Kaiserreich China konnten unter Justinian Seidenraupen eingeführt werden, was die Abhängigkeit von Importen verringerte und zur Entstehung einer eigenen Seidenproduktion führte. Auch in denjenigen Regionen des Mittelmeerraumes, die nicht der direkten Herrschaft Ostroms unterworfen waren, wurde der Vorrang des Kaisers zu dieser Zeit in der Regel anerkannt. Ebenso wie mit den Hunnen kam es auch mit den Franken immer wieder zu Kämpfen, die aber nicht von entscheidender Bedeutung waren (siehe Gotenkriege in Italien).

Innenpolitik

Allgemeines

Justinian galt als ein „schlafloser Kaiser“, der sich um viele Belange persönlich kümmerte. Justinian verließ die Hauptstadt nur sehr selten und war ein wahrer „Innenpolitiker“, wobei er das Glück hatte, über mehrere fähige Generäle zu verfügen (Belisar, Narses, Germanus, Sittas, Mundus, Johannes Troglita). Die von ihm veranlasste Rechtskompilation war bahnbrechend und sollte bis in die Neuzeit nachwirken. Allerdings musste er auch Rückschläge wie den unten besprochenen Nika-Aufstand hinnehmen. Seinen Berater Johannes der Kappadokier musste er 541 sogar fallen lassen, da dessen Macht von dem Kaiserpaar, aber vor allem von Theodora, als Gefahrenfaktor eingestuft wurde. Justinian sorgte sich auch um die Städte und die Provinzverwaltung sowie - vor allem in der zweiten Hälfte seiner Regierung - um theologische Fragen. Er versuchte durch zahlreiche Gesetze und Verordnungen, die spätrömische Administration des Reiches zu straffen und den aktuellen Erfordernissen anzupassen – nicht immer mit Erfolg, aber mit bemerkenswerter Energie. Eine wichtige Quelle für diese letzte Phase der spätantiken Verwaltungsgeschichte stellt dabei das Archiv des Beamten Dioskoros dar, der unter Justinian und seinen Nachfolgern wichtige Posten in Ägypten bekleidete. Fast noch wichtiger ist die Schrift De magistratibus des ehemaligen kaiserlichen Beamten Johannes Lydos, in der dieser Einblicke auch in die höheren Ränge der spätantiken Verwaltung bietet.

Allerdings belasteten die Kriege die Staatsfinanzen. Dies, die ungebremste Bauwut und insbesondere die Folgen der Pestepidemie sorgten für immer höhere Belastungen, was schließlich möglicherweise zur Verelendung von Teilen der Bevölkerung führte. Andererseits erlebten Kleinasien, Ägypten und die nicht von persischen Invasionen betroffenen Gebiete Syriens und Palästinas unter Justinian eine wirtschaftliche Blüte. Hier wahrten die Städte ihren klassisch-antiken Charakter, den sie vor allem südlich der Donau bereits verloren. Inwiefern Justinian die Kräfte des Reiches wirklich überstrapazierte, ist bislang kaum zu sagen. Die spätrömische Senatsaristokratie konnte im Osten weiter ihr enormes Sozialprestige und ein teilweise gewaltiges Vermögen alles in allem bewahren (ein Beispiel hierfür ist die hochadlige Anicia Juliana), es kam aber offenbar zu Spannungen zwischen den politisch weitgehend entmachteten Senatoren und dem Kaiser.[8]

Nika-Aufstand

Das innenpolitisch markanteste Ereignis seiner Regierungszeit war der so genannte Nika-Aufstand in Konstantinopel im Jahre 532, bei dem die Zirkusparteien der Blauen und Grünen, verärgert durch Justinians Bestrebungen ihre Macht einzuschränken, sich zusammenschlossen und einen Gegenkaiser (Flavius Hypatius, den Neffen des früheren Kaisers Anastasios I.) ausriefen. Wahrscheinlich waren auch andere hochrangige Senatoren an der Revolte beteiligt. Während Justinian die Lage angeblich als verloren ansah, weigerte sich angeblich (nach Prokopios) Justinians Frau Theodora, eine ehemalige Zirkusartistin, aus der Hauptstadt zu fliehen.[9] Durch Verhandlungen des Hofkämmerers Narses mit den Aufständischen und durch Belisars Einfall mit kaisertreuen Truppen ins Hippodrom, wo sich die Aufständischen versammelt hatten, konnte der Aufstand jedenfalls blutig niedergeschlagen werden. Auch zahlreiche Aristokraten fanden dabei den Tod.

Die Pest und ihre Folgen

Seit 541 tobte die Pest (wahrscheinlich handelte es sich um Beulenpest) im ganzen Reich, an der wohl auch Justinian selbst erkrankte; sein wichtigster Jurist Tribonian verstarb sogar – und mit ihm zahllose andere. Prokopios hat einen erschütternden Bericht über das Wüten der Seuche in Konstantinopel hinterlassen. Die Folgen waren offenbar weitreichend: Es kam zu Hungersnöten, und es entwickelte sich offenbar eine Endzeitstimmung, die durch andere Faktoren wie Kriege und zahlreiche Erdbeben noch verstärkt wurde. Wie schwerwiegend die Auswirkungen der Seuche wirklich waren, ist aber umstritten.

Vielleicht auch als Folge der Katastrophen (siehe auch die Hypothese zu den Klimaveränderungen von 535–536) wandte sich Justinian nun verstärkt theologischen Fragen zu. Es kam zu einer gewissen Zäsur in seiner Regierungszeit; seine Politik war, auch bedingt durch die Rückschläge in den Kriegen, alles in allem weniger dynamisch als zu Beginn. Insgesamt können die enormen Menschenverluste durch die Pest wohl als einer der wichtigsten Einzelfaktoren für den Untergang der antiken Zivilisation gesehen werden.

Rechtskompilation

Eine der größten Leistungen Justinians war zweifellos die Kodifikation des römischen Rechts. 529 wurde der aus früheren privaten und öffentlichen Sammlungen kompilierte Codex Justinianus veröffentlicht, 533 erschienen die Digesten (auch Pandekten genannt), eine Sammlung von Schriften römischer Juristen, die die zweite Gruppe geltenden Rechts neben den kaiserlichen Gesetzen darstellten, wobei vor allem Tribonian großen Anteil am Erfolg hatte. Im selben Jahr wurden auch die Institutionen veröffentlicht, eine Art juristisches Lehrbuch. Den Abschluss dieses Corpus Iuris Civilis bildete eine Novellensammlung, in der die nach Erscheinen des Codex veröffentlichten Verordnungen Aufnahme fanden.

Die Wirkung des (erst im Mittelalter so genannten) Corpus Iuris war weitreichend: Im 12. Jahrhundert wurde das Corpus an der Rechtsschule von Bologna rezipiert und bildete mit das Grundgerüst für die Programmatik der Staufer, die sich an die spätantike Kaiseridee anlehnten. Am Ende des Mittelalters galt es als allgemein anerkanntes Recht und beeinflusste auch die folgende Gesetzgebung.

Bautätigkeit

Die Hagia Sophia heute. Die Minarette wurden nach der Eroberung Konstantinopels durch die Türken 1453 errichtet.
Gesamtplan der protobyzantinischen Stadt Justiniana prima (530–615).
1 Episkopalbasilika
2 Atrium und Brunnen der Episkopalbasilika
3 Baptisterium
4 „Consignatorium“
5 Straße der Akropolis
6 „Episkopalpalast“
7 Tor der Akropolis
8 Kreisförmiger Platz
9 Nordstraße der Oberstadt
10 Südstraße der Oberstadt
11 Weststraße der Oberstadt
12 Oststraße der Oberstadt
13 Osttor dern Oberstadt
14 Gebäude im Nordwesten des Kreisplatzes
15 Gebäude im Nordosten des Kreisplatzes
16 Gebäude im Südwesten des Kreisplatzes
17 Gebäude im Südosten des Kreisplatzes
18 Kirche mit Krypta
19 Gebäude an der Südstraße der Oberstadt
20 Südtor der Oberstadt
21 Kreuzförmige Kirche
22 Kirche am Fuße der Akropolis
23 „Urbane Villa“
24 Turm d'angle im Südwesten der Oberstadt (Reservoir)
26 Zisterne der Unterstadt
27 Doppelkirche
28 Kirche „à transept“
33 Therme
41 Quadratischer Turm der Mauern der Unterstadt

Justinian entfaltete eine rege Bautätigkeit. So ließ er unter anderem die Hagia Sophia in Konstantinopel nach einem Brand und später ein zweites Mal nach einem Erdbeben wieder errichten. Dieser Bau, der maßgeblich von den Architekten Anthemios von Tralleis und Isidor von Milet geprägt war, gilt als das letzte Meisterwerk der spätantiken Architektur. Sie war sieben Jahrhunderte lang die größte Kirche überhaupt; die Größe der Kuppel wurde erst nach über einem Jahrtausend vom Petersdom überboten.

Auch Antiochia am Orontes wurde nach einem schweren Erdbeben und der Eroberung durch die Sassaniden 540 wieder aufgebaut. Die Zahl der großen und kleinen Städte im Reich wird auf etwa 900 geschätzt, und besonders in den Provinzhauptstädten entfaltete sich eine zum Teil rege Bau- und Renovierungstätigkeit. Justinian regelte per Gesetz, welcher Anteil an den Steuern den poleis zukommen sollte, um den Unterhalt der öffentlichen Bauten (Theater, Bäder etc.) zu gewährleisten. Die Krisen, die das Reich seit 540 trafen, ließen die kaiserliche Politik zur Förderung der Städte aber letztlich scheitern.

Das Festungssystem wurde vor allem an der Donau stark erweitert, insbesondere wurde Singidunum, das heutige Belgrad, durch eine neue Burg befestigt, hielt jedoch dem Ansturm der Slawen bzw. der Awaren nicht stand, die 582 die Schlüsselstadt Sirmium an der Save nehmen sollten. Unter den Ingenieursbauten ist die monumentale Sangariusbrücke in Bithynien zu nennen, deren Bau vom Kaiser aus strategischen Gesichtspunkten veranlasst wurde. Des Weiteren wurde auf kaiserliche Anweisung hin die Stadt Justiniana Prima (530–615) im heutigen Serbien als neue Bischofsstadt prächtig ausgebaut; entweder handelt es sich dabei um seinen Heimatort oder um eine in der Nähe liegende Ortschaft, moderner Name Caricin Grad (serb. = Kaiserstadt).

Die Bautätigkeiten konnten jedoch nur durch reichlich fließende Steuern finanziert werden. Die hohe fiskalische Belastung war vielleicht ein Auslöser für den Nika-Aufstand 532.

Religionspolitik

In der Kirche seiner Zeit spielte Justinian eine dominierende Rolle. Justinian verfasste selbst theologische Traktate und leitete Kirchenversammlungen. Das Zusammenspiel (die symphonia) von spätantikem Staat und christlicher Kirche erreichte in dieser Zeit seinen Höhepunkt. Justinian ging auch gegen die Heiden vor, vor allem im südlichen Ägypten. Eifrig um Christianisierung bemüht, ließ der Kaiser 529 zudem die Platonische Akademie in Athen, einen Hort paganer neuplatonischer Philosophie, schließen – vermutlich um damit den Einfluss des Heidentums auf Wissenschaft und Bildung zurückzudrängen. Sieben heidnische Philosophen (darunter Damaskios und Simplikios) übersiedelten daraufhin 531 kurzzeitig nach Persien, kehrten aber schon 532 wieder in das Imperium zurück.[10] Zwar sollen noch in den 540er Jahren 80.000 kleinasiatische „Heiden“ bzw. „Hellenen“ getauft und ihre Tempel zerstört worden sein, doch insgesamt dürfte die Zahl der Anhänger der alten Religion inzwischen recht gering gewesen sein. Es gab allerdings noch immer einige pagane Inseln im christlichen Reich, zum Beispiel die Stadt Carrhae in der heutigen Türkei oder das syrische Baalbek. Der berühmte Isis-Tempel von Philae in Ägypten, bis dahin das letzte offiziell geduldete pagane Heiligtum im Reich, wurde um 536 geschlossen. Wie stark die vorchristlichen Kulte unter Justinian noch waren, lässt sich kaum abschließend beurteilen.

Justinian ordnete 545/6 die Verfolgung heidnischer Grammatiker, Rhetoren, Ärzte und Juristen an und ließ im Jahre 562 heidnische Bücher öffentlich verbrennen.[11] Die Kindstaufe wurde zwangseingeführt, Nichtbeachtung mit dem Verlust von Eigentum und Bürgerrecht bestraft, das Festhalten am „hellenischen“ Glauben bzw. die Apostasie nach der Taufe mit der Todesstrafe.[12] Dies war ein entscheidender Schritt, da nun jeder Reichsbewohner als Kind getauft wurde und ein Abfall vom Christentum als grundsätzlich todeswürdiges Verbrechen galt. Besonders die Manichäer wurden nicht nur von Justinian, sondern auch in Persien schwer verfolgt und mussten in der Folge nach Indien und China auswandern.[13] Die Rechtslage der Juden verschlechterte sich, doch wurde ihre Religion als einzige neben dem Christentum weiterhin geduldet.

Einen guten Überblick bezüglich der eschatologischen Erwartungen im „Zeitalter Justinians“ (z. B. im Hinblick auf die Pestepidemie und mehrere Naturkatastrophen) gibt Mischa Meier, Das andere Zeitalter Justinians. Inwiefern die enttäuschten Parusieerwartungen der Jahre um 500 aber tatsächlich auch für die Zeit um 540 von Bedeutung waren und ob die Quellen, die Meier anführt, wirklich repräsentativ sind, bedarf durchaus noch der weiteren Diskussion.

In der Frage innerkirchlicher Häresien scheiterten Justinians Ausgleichsbemühungen; seine Verurteilung der monophysitischen (miaphysitischen) Lehre, welcher unter anderem selbst Kaiserin Theodora folgte, verschärfte nur die schon existierenden Spannungen zwischen den monophysitischen Kirchen Syriens und Ägyptens und der antimonophysitisch bzw. chalcedonensisch eingestellten römischen und konstantinopolitanischen Kirche.

Justinians harte Religionspolitik führte im Sommer 529 zu einem Aufstand der Samaritaner, einer Splittergruppe des Judentums, in Palästina, der blutig niedergeschlagen wurde (zu den Hintergründen siehe Julian ben Sabar). Überlebende wurden zwangschristianisiert. Die Montanisten, Christen mit abweichenden Endzeiterwartungen, begingen kollektiven Selbstmord, indem sie sich in ihre Kirchen einschlossen und diese anzündeten, ihr Schrifttum ging verloren.[14] Der Kaiser persönlich war fromm und ein überzeugter Anhänger der orthodoxen Kirche, der auch als Kaiser die strengen Fastenzeiten strikt einhielt. Der angeblich von Justinian verfasste Hymnus, „O einzig-gezeugter Sohn und Wort Gottes“ gehört bis heute zur Liturgie der orthodoxen Kirche.

Justinian ließ im Januar 543 einen Erlass gegen Origenes veröffentlichen, der auch neun doktrinale Anathematismen beinhaltete, welche die Lehre des Origenes zum Inhalt hatten; ein zehnter Anathematismus zielte auf die Person des Origenes. Von der ständigen Synode wurde der Erlass kurz darauf bestätigt.

Fast gleichzeitig brach der erbittert geführte Dreikapitelstreit aus; beide Konflikte wurden teils zeitgleich geführt, inhaltlich hatten sie jedoch keine Gemeinsamkeit. Im Dreikapitelstreit ging es um die Schriften dreier Autoren aus dem 5. Jahrhundert, die im Verdacht standen, dem Nestorianismus anzuhängen. Namentlich waren dies Ibas von Edessa, Theodor von Mopsuestia und der Kirchenhistoriker Theodoret. Auch gegen sie ließ Justinian 544/45 eine Schrift verfassen, wogegen sich auch in den Reihen der Patriarchen erheblicher Widerstand formierte; selbst der römische Bischof Vigilius, welcher der Schrift zuerst zugestimmt hatte, musste seine Zustimmung auf Druck mehrerer westlicher Kirchen (unter anderem der von Africa) wieder zurückziehen.

Justinian berief 553 das zweite Konzil von Konstantinopel ein, das als das Fünfte Ökumenische Konzil (das letzte der Spätantike) in die Geschichte einging. Auch hier kam die Kontroverse um Origenes und um den Dreikapitelstreit noch einmal zur Sprache; Justinian ließ keinen Zweifel daran, dass er eine Verurteilung der drei Autoren wünschte und setzte zu diesem Zweck auch den Bischof von Rom massiv unter Druck. Ein Ausgleich mit den Monophysiten konnte nicht erreicht werden, und trotz der Anerkennung der Beschlüsse durch den Papst stießen sie im Westen auf Widerstand. Kurz vor seinem Tod entfernte sich der Kaiser dann durch die Propagierung des Aphthartodoketismus selbst wieder von der Orthodoxie.

In theologischen Fragen näherte sich Byzanz unter Justinian bereits dem Mittelalter an. Teils wird Justinian vorgeworfen, zu einer Verhärtung der Fronten beispielsweise in der Auseinandersetzung mit den Monophysiten beigetragen und somit indirekt die Kraft des Reiches geschwächt zu haben. Der Kaiser selbst, der eine enge Verknüpfung von Kaisertum und Kirche anstrebte, wollte wohl eher das Reich durch eine gemeinsame Religion/Konfession stärken – und wie für die Spätantike typisch, war dabei die Frage nach dem richtigen Dogma von entscheidender Bedeutung.

In der orthodoxen Kirche werden Justinian und auch seine Frau Theodora I. (obwohl sie sich für den Monophysitismus einsetzte) als Heilige verehrt. Justinians Gedenktag ist sein vermutlicher Todestag, der 14. November.

Fazit

Justinian ist bis in die jüngste Vergangenheit hinein als eine der leuchtendsten Herrscherfiguren der Spätantike gefeiert worden, und fraglos zählt er neben Diokletian und Konstantin zu den wichtigsten spätrömischen Kaisern. Problematisch scheint jedoch eine grundsätzliche Bewertung zu sein. Unter Justinian wurden die letzten Reste der alten römischen Volkssouveränität (die allerdings schon lange nur mehr auf dem Papier existierte) beseitigt und durch ein konsequentes Gottesgnadentum ersetzt. Allerdings blieb die schweigende Zustimmung (das silention) der Vertreter von Volk und Heer auch unter Justinian unverzichtbare Legitimation der kaiserlichen Herrschaft.

In Italien gingen die eroberten Gebiete nach 568 zu großen Teilen wieder verloren. Im Osten musste das Reich um das nackte Überleben kämpfen und sich den Frieden teuer erkaufen, wobei der oft erhobene Vorwurf, Justinian habe die Perserfront vernachlässigt, um im Westen tätig zu sein, allerdings auf sehr schwachen Argumenten beruht: Im Gegenteil, die Hauptmacht der römischen Truppen widmete sich vor 532 und nach 540 der Abwehr der sassanidischen Angriffe. Hingegen erwies sich gerade die Pestepidemie als verheerend. Große Teile des Reiches wurden entvölkert; die finanzielle Kraft wurde dadurch ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen und das militärische Potenzial des Imperiums stark verringert. Allerdings trug der Kaiser gerade an dieser Katastrophe keine Mitschuld.

Seine Regierungszeit war für die Bevölkerung teils mit schweren Lasten verbunden und von einer eher intoleranten Religionspolitik geprägt (das Ziel, das Reich religiös durch das Chalkedonense zu einen, erreichte Justinian damit allerdings so wenig wie seine Vorgänger). Kritik am Kaiser hatten bereits Zeitgenossen geübt, hier vor allem Prokopios in seiner Geheimgeschichte. Dabei ist nach wie vor die Frage zu klären, ob Justinians Politik sich tatsächlich wesentlich von der seiner Vorgänger unterscheidet und ob sein Agieren nicht in vielem nur als Pragmatismus zu erklären ist. Das Bild, das Prokopios von Justinian entwirft, ist von tiefem Hass gegen den Kaiser erfüllt:

„Und dass er kein menschliches Wesen, sondern, wie man vermutet hat, die Verkörperung eines Dämons in menschlicher Gestalt war, kann man erschließen, wenn man die Schwere der Untaten ermisst, welche er an der Menschheit verübte. Denn in dem Maße, wie die Taten eines Mannes überragend sind, offenbart sich die Macht dessen, der sie verübt. Nun die genaue Zahl jener festzustellen, die durch ihn zerstört wurden, wäre nicht möglich, denke ich, weder für einen Menschen, noch für Gott. Denn man könnte schneller, so denke ich, alle Sandkörner zählen als die unermessliche Zahl jener, welche dieser Kaiser zerstörte.[15]

Im Bereich der Jurisprudenz war Justinian wegweisend, während die spätantike Kultur unter Justinian noch einmal eine letzte Blüte erlebte: Prokopios von Caesarea, Agathias, Simplikios und Corippus verfassten bedeutende Werke in klassischer Tradition; man vergleiche dagegen die Kirchengeschichte des Euagrios Scholastikos, die Weltchronik des Johannes Malalas und die – nur teilweise überlieferten – Werke des Johannes von Ephesos, die recht bald nach Justinians Tod entstanden sind und nach Ansicht mancher bereits in eine andere Richtung weisen. Die noch immer zahlreichen Städte des oströmischen Reiches scheinen zumindest bis zur Pest ebenfalls bis zu einem gewissen Grad floriert zu haben. Außenpolitisch waren Justinians Erfolge, wie bereits angesprochen, nur von mehr oder weniger kurzfristiger Natur.

Eine gewisse Zäsur ist wohl in den 540er Jahren zu sehen. War die Zeit vorher von Dynamik gekennzeichnet (Rechtskodifikation, Bautätigkeit, Restaurationspolitik), folgte nun eine gewisse Agonie, auch bedingt durch die Katastrophen der Pest und die andauernden Kriege im Westen und Osten – zumindest ist dies die Kernthese der vielbeachteten Monografie von Mischa Meier (Das andere Zeitalter Justinians). Allerdings gelangen zwei spektakuläre außenpolitische Erfolge – der Sieg über die Ostgoten und die Eroberung von Teilen Spaniens – noch am Anfang der 550er Jahre, sodass man den Einschnitt der Jahre um 542 vielleicht auch nicht überbewerten sollte. Ostrom war zudem am Ende seiner Regierungszeit zweifellos die Vormacht im Mittelmeer, ganz nach dem antiken Reichsideal, allerdings erkauft mit hohen Opfern.[16]

In der Zeit Justinians wurde in vielen Bereichen der Weg für das byzantinische Reich bereitet, auch wenn dies noch ein langer Prozess war. Insbesondere zu Beginn seiner Regierung war das Reich noch klar römisch, zum Ende hin ist eine Zunahme der byzantinischen Züge (gerade im religiösen Bereich) zu erkennen. Die Verwaltung des Reiches hielt allerdings zumeist noch an der typisch spätantiken Teilung von militärischer und ziviler Gewalt fest. Ein Wechsel deutete sich bereits an, doch der endgültige Bruch mit den antiken Traditionen erfolgte erst Anfang des siebten Jahrhunderts.

Die Frage allerdings, inwiefern der Kaiser für die Rückschläge und Katastrophen, die das Reich in seinen späteren Jahren und nach seinem Tod trafen, tatsächlich persönlich verantwortlich war, kann durchaus unterschiedlich beantwortet werden. Vielleicht sollte man den faktischen Handlungsspielraum eines spätantiken Herrschers nicht überschätzen und Justinian als einen innerhalb dieses Rahmens ungewöhnlich engagierten und fähigen Monarchen betrachten – als den letzten römischen Kaiser, der diesen Namen wirklich mit Recht trug und der das Imperium Romanum noch einmal zur Vormacht der Mittelmeerwelt machte. Zugleich aber sollte man auch den sukzessiven Zusammenbruch der justinianischen Ordnung bald nach seinem Tod nicht außer Acht lassen.

Zeittafel

Literatur

Primärquellen

Die wichtigste Quelle zur Regierungszeit Justinians I. stellen die Werke des Prokopios von Caesarea dar, wobei dessen Geheimgeschichte mit äußerster Vorsicht zu lesen ist, da in dieser stark polemisiert wird. An Prokop schließt Agathias an, ohne jedoch dessen Niveau zu erreichen. Des Weiteren sei unter anderem auf Menander Protektor, Johannes Malalas und die diversen Chroniken hingewiesen (z. B. des Victor von Tunnuna). Einige Werke sind jedoch auch teils verloren (wie das zeitgeschichtliche Werk des Hesychios von Milet). Eine wichtige Quelle ist auch das so genannte Corpus Iuris Civilis, zumal vor allem in den Vorreden Justinians Herrschaftsauffassung greifbar wird.

  • Corpus Iuris Civilis, diverse Editionen, z. B. ISBN 3-825-21764-7.
  • Prokopios: Werke gr.-dt. (Bücherei Tusculum), 5 Bände, herausgegeben von Otto Veh, München 1961ff.

Sekundärliteratur

  • Klaus Bringmann: Justinian. In: Manfred Clauss (Hrsg.): Die römischen Kaiser. C.H. Beck, München 1997, S. 431–450, ISBN 3-406-47288-5 (recht informative, knappe biografische Skizze).
  • Robert Browning: Justinian und Theodora. Lübbe, Bergisch Gladbach 1988 (engl. Justinian and Theodora. London 1971, mehrere Nachdrucke).
  • John Bagnell Bury: History of the Later Roman Empire. 2 Bände, New York 1958 (Nachdruck von 1923). Bd. 1, ISBN 0-486-20398-0, Bd. 2, ISBN 0-486-20399-9 (Älteres Standardwerk, aber immer noch empfehlenswert, wenn auch freilich in Teilen veraltet. Besonders sei auf Bd. 2 hingewiesen, in dem ausführlich die Regierung Justinians beleuchtet wird. Es findet sich dort auch ältere Literatur).
  • Averil Cameron u. a. (Hrsg.): The Cambridge Ancient History. 2. Auflage. Bd. 14, Cambridge 2000, ISBN 0-521-32591-9 (Besonders S. 63ff. Englisches Standardwerk zur Spätantike mit Beiträgen von ausgewiesenen Experten. Sehr empfehlenswert, gerade für den soziokulturellen Hintergrund. Dort auch weiterführende Literatur größtenteils jüngeren Datums.).
  • Brian Croke: Justinian under Justin. Reconfiguring a Reign. In: Byzantinische Zeitschrift 100, 2007, S. 13–56, ISSN 0007-7704.
  • James A. S. Evans: The Age of Justinian. The Circumstances of Imperial Power. London und New York 1996, ISBN 0-415-23726-2 (Neuere Biografie, die lesbar, gut und zuverlässig informiert)
  • James A. S. Evans: The Emperor Justinian and the Byzantine Empire. Greenwood Guides to Historic Events of the Ancient World. Greenwood, Westport Con 2005, ISBN 0313325820 (Vor allem aufgrund des Anhangs mit ausgesuchten, ins Englische übersetzten Quellen hilfreich).
  • James A.S. Evans: The empress Theodora. Partner of Justinian. Austin 2002. ISBN 0292721056 (Leicht romantisierend, dennoch eine nützliche und solide Einführung, die dem populärwissenschaftlichen Werk von P. Cesaretti (Theodora. Kaiserin von Byzanz) auf jeden Fall vorzuziehen ist)
  • Hartmut Leppin: Justinian und die Wiederherstellung des Römischen Reiches. Das Trugbild der Erneuerung. In: Mischa Meier (Hrsg.): Sie schufen Europa, C. H. Beck, München 2007, S. 176–194.
  • Michael Maas (Hrsg.): The Cambridge Companion to the Age of Justinian. Cambridge 2005. ISBN 0-521-52071-1 (Eine hervorragende Aufsatzsammlung zu zentralen Themen (Städte, Pest, Krieg, Administration, Ideologie, Beziehungen zu den Nachbarn des Reiches und zu den Juden usw.), die auch eine umfassende Bibliografie bietet und besonders empfohlen werden kann) Besprechung
  • Mischa Meier: Justinian. Herrschaft, Reich und Religion. C. H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-50832-4 (Knappe, aber dennoch sehr informative Biografie. Zudem stark problemorientiert und gut lesbar, die Beurteilung des Kaisers ist aber vielleicht zu negativ).
  • Mischa Meier: Das andere Zeitalter Justinians. Kontingenzerfahrung und Kontingenzbewältigung im 6. Jahrhundert n. Chr. 2. Auflage. Göttingen 2004, ISBN 3-525-25246-3 (Detaillierte, umfangreiche Studie, die von einem interessanten Ansatz die Regierungszeit Justinians beleuchtet, der Katastrophenangst und den Endzeiterwartungen der Bevölkerung. Für historische Laien allerdings nicht unproblematisch zu lesen, zudem bedürfen viele von Meiers Thesen noch eingehenderer Diskussion).
  • Berthold Rubin: Das Zeitalter Justinians. Bd. 1, Berlin 1960 (2. Band 1995 aus dem Nachlass herausgegeben) .
  • Peter Sarris: Economy and society in the Age of Justinian. Cambridge University Press, Cambridge 2006, ISBN 0-521-86543-3.
  • Georges Tate: Justinien. L’épopée de l’Empire d’Orient (527–565). Fayard, Paris 2004.
  • Edward Watts: Justinian, Malalas, and the End of Athenian Philosophical Teaching in AD 529. In: Journal of Roman Studies 94, 2004, S. 168–182, ISSN 0075-4358.

Weblinks

Primärquellen

Allgemeine Links zu Justinian

Archäologie

Anmerkungen

  1. Evans, Age of Justinian, S. 1f.
  2. Vgl. dazu Brian Croke, Justinian under Justin, S. 43ff.
  3. Zu den Nachfolgern Justinians vgl. Harry Turtledove, The Immediate Successors of Justinian: A Study of the Persian Problem and of Continuity and Change in Internal Secular Affairs in the Later Roman Empire During the Reigns of Justin II and Tiberius II Constantine (A.D. 565–582), unpublished Diss. University of California 1977.
  4. Vgl. dazu Henning Börm: "Der Perserkönig im Imperium Romanum", Chiron 36, 2006, S. 299ff.
  5. Vgl. zu Justinians Perserkriegen Rubin, Das Zeitalter Justinians, Bd. 1, S. 245ff.; jetzt zusammenfassend und mit Verweisen auf die aktuelle Literatur: Geoffrey Greatrex, Byzantium and the East, in: Michael Maas, The Cambridge Companion to the Age of Justinian, S. 486ff.
  6. Vgl. Henning Börm, "Das weströmische Kaisertum nach 476", in: Josef Wiesehöfer u. a. (Hg.), Monumentum et instrumentum inscriptum, Stuttgart 2008, S. 47ff.
  7. Allgemein zu den Kriegen Justinians vgl. unter anderem Bury, History of the Later Roman Empire, Bd. 2, sowie Evans, Justinian.
  8. Allgemein zu Fragen der Innenpolitik, aber auch bezüglich des kulturellen Lebens, empfehlen sich die entsprechenden Abschnitte in Maas, Cambridge Companion to the Age of Justinian, wo ein knapper Überblick mit Verweisen auf Quellen und die moderne Literatur geboten wird.
  9. Die bei Prokop überlieferte Rede ist sehr wahrscheinlich unhistorisch, vgl. Mischa Meier: Zur Funktion der Theodora-Rede im Geschichtswerk Prokops (BP 1,24,33-37). In: Rheinisches Museum für Philologie 147 (2004), S. 88ff.
  10. Vgl. Edward Watts: Where to Live the Philosophical Life in the Sixth Century? Damascius, Simplicius, and the Return from Persia. In: Greek, Roman, and Byzantine Studies 45 (2005) S. 285-315.
  11. W. Speyer: Büchervernichtung und Zensur des Geistes bei Heiden, Juden und Christen (Bibliothek des Buchwesens 7). Stuttgart 1981, S. 136
  12. Codex Justinianus I 11,10.
  13. Siehe Codex Justinianus I 5,12,3.
  14. Otto Mazal: Justinian und seine Zeit. Köln 2001, S. 203.
  15. Prokopios, Geheimgeschichte 18,1.
  16. Vgl. dazu Mischa Meier, Justinian. Herrschaft, Reich und Religion; siehe nun jedoch auch Michael Maas (Hrsg.), The Cambridge Companion to the Age of Justinian. Siehe auch Harmut Leppin, (K)ein Zeitalter Justinians – Bemerkungen aus althistorischer Sicht zu Justinian in der jüngeren Forschung. Aufsatz im Rahmen des 21st International Congress of Byzantine Studies; hier online (PDF).


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