Fitness (Biologie)

Fitness (Biologie)

Fitness (engl. fitness „Angepasstheit“, „Tauglichkeit“) ist ein Fachbegriff aus der Populationsgenetik. In Abgrenzung zur körperlichen Fitness wird gelegentlich auch die Bezeichnung reproduktive Fitness gewählt.

Der biologische Fitnessbegriff hat in nichts mit dem im deutschen umgangssprachlich verwendeten Begriff „Sportlichkeit“ oder „gut trainiert“ zu tun; das berühmte Zitat von Herbert Spencer survival of the fittest wird in diesem Zusammenhang immer wieder falsch mit „Überleben der Stärksten“ übersetzt, tatsächlich bedeutet es das „Überleben der Angepasstesten“.

Häufig benutzte Synonyme für Fitness sind Anpassungs- bzw. Adaptationswert, relative Überlebensrate oder Eignung.

Inhaltsverzeichnis

Darwin-Fitness

Trotz seiner zentralen Rolle in der Evolutionstheorie und der intuitiven Klarheit des Begriffs ist seine genaue Definition schwierig und er wird bis heute in leicht unterschiedlichen Bedeutungen gebraucht[1]. Fitness ist ein Maß für die Anpassung eines Individuums oder eines Genotyps an seine Umwelt. Der adaptive Wert eines Merkmals (bzw. der Kodierung dieses Merkmals) bemisst sich danach, wie es sich auf die Anzahl von dessen Nachkommen auswirkt; eine Anpassung ist besser, wenn sie die Nachkommenzahl steigert, d. h. Fitness misst die Summe der Anpassungen anhand der Anzahl fortpflanzungsfähiger Nachkommen. Im Idealfall lassen sich die Eigenschaften, welche die höhere Nachkommenzahlen bewirken, bestimmen. Da die Nachkommen ebenfalls über die günstigen Anpassungen verfügen, setzen sie sich im Verlaufe der Evolution durch, bis sich die Umweltbedingungen ändern. Die Messgröße "Fitness" ist in der Evolutionstheorie nützlich, aber nicht zentral. Es ist ohne weiteres möglich, die Theorie ganz ohne diesen Begriff zu definieren und zu begründen. In der Tat kam Charles Darwin in seiner ursprünglichen Fassung der Evolutionstheorie ohne ihn aus, die Definition geht auch nicht auf ihn selbst zurück. Bei der Untersuchung der Fitness ist es häufig sinnvoll, Teilprozesse zu betrachten (z. B. Überlebensrate, Fortpflanzungsrate, Paarungserfolg, Lebensdauer usw.)

Fitness als populationsgenetischer Begriff

Die Populationsgenetiker haben den oben definierten Fitnessbegriff weitgehend unverändert übernommen. Um die Fitness in einer sinnvollen Art und Weise messen zu können, wurde der Begriff zudem etwas präzisiert und eine Beschreibung in mathematischer Sprache begründet[2]. Dies war besonders erforderlich, um Fitness nicht nur als Eigenschaft einzelner Individuen, sondern auch von Populationen fassen zu können. Die einfachste Form, die "individuelle Fitness", entspricht für das Individuum einfach der Definition. Für die Population kann ihr arithmetisches Mittel und ihre Varianz berechnet werden. Allerdings hängt die individuelle Fitness in im einzelnen schwer durchschaubarer Weise von genetischen Anlagen und von den jeweiligen Umweltfaktoren ab. Deshalb wird eine weitere Größe eingeführt, die als "absolute Fitness" bezeichnet wird, die ausschließlich auf den Genotyp bezogen wird. Die absolute Fitness ist dieser Definition entsprechend so etwas wie der mittlere Erwartungswert der Fitness für ein Individuum eines bestimmten Genotyps. Diese lässt sich für reinerbige Individuen bestimmen, indem größere Serien untersucht werden (zu beachten ist, dass die Definition der Fitness den Lebensraum mit einschließt, denn die Fitness ist vom Lebensraum abhängig. Die mittlere absolute Fitness entspricht genau der mittleren individuellen Fitness, da im zweiten Fall dieselben Individuen nur auf zwei oder mehr Untergruppen verteilt worden sind.

Absolute Fitnesswerte sind für eine Bearbeitung meist nicht sehr nützlich, da sie keine Vergleiche ermöglichen. Deshalb wird in der Regel der absolute Fitnesswert auf einen Vergleichswert normiert. Das Resultat wird dann als "relative Fitness" bezeichnet. Meist wird die Fitness des fittesten Genotyps als Referenz verwendet (so dass dieser den Wert 1 erhält). Es ergibt sich eine relative Fitness zwischen 0 und 1. Die relative Fitness kann, in Gleichungen eingesetzt, zur Vorhersage von Allelfrequenzen bei unterschiedlich starker Selektion verwendet werden.

Gesamtfitness

Eine Erweiterung erfuhr der Fitness-Begriff, indem auch der Fortpflanzungserfolg nahe verwandter Individuen in der Berechnung berücksichtigt wurde, da deren Gene zu einem erheblichen Teil identisch sind. Für diese Betrachtung hat sich der Begriff der Gesamtfitness etabliert (auch: "inklusive Fitness"). Durch die Betrachtung der Gesamtfitness lässt sich insbesondere die Entstehung altruistischer Verhaltensweisen erklären.

Berechnung der Fitness

Folgende Gleichung wird zur Berechnung der Fitness bzw. der Wachstumsrate eines Genotyps i verwendet (die Formel gilt für eine Population sich asexuell fortpflanzender Genotypen, wobei die Generationen überlappen):

\sum_{x=1}^L l_xm_x e^{- rx} = 1

  • lx ist die Überlebenswahrscheinlichkeit bis zum Alter x
  • mx ist die durchschnittliche Fruchtbarkeit im Alter x
  • L ist die maximale Lebenszeit

Überlappen sich die Generationen, wird die Fitness eines Individuums als Wachstumsrate r des Genotyps i gemessen. Für den Fall, dass sich die Generationen nicht überlappen, wird die Fitness eines Genotyps über die Ersetzungsrate R(\approx e^r) gemessen. R ist dabei das Produkt der mittleren Fruchtbarkeit eines Genotyps und der Überlebenswahrscheinlichkeit bis zum fortpflanzungsfähigen Alter.

Für sich sexuell fortpflanzende Individuen lässt sich die Fitness schwieriger berechnen, weil die Häufigkeit eines Genotyps in jeder Generation von der Überlebensfähigkeit und der Fruchtbarkeit all jener Genotypen abhängt, die durch Kreuzung zu seiner Entstehung beitragen können. Die Fitness eines sexuellen Genotyps kann geschätzt werden, indem man seine lx- und mx-Werte misst und die Wachstumsrate oder die Ersetzungsrate berechnet.

Quellen

  1. eine Übersicht in: J. S. F. Barker (2009): Defining fitness in natural and domesticated populations. in: J. van der Werf (Hrsg): Adaptation and Fitness in Animal Populations. Springer-Verlag (Heidelberg) 2009: 3-14.
  2. Übersicht in: J. F. Crow & M. Kimura (1970): An Introduction to Population Genetics Theory. Harper and Row (New York).

Siehe auch


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Fitness — Fitness, Selektionswert, Anteil eines Genotyps am Genbestand der folgenden Generation in einer Population. Die Höhe der F. ist durch das Maß an Angepasstsein an Umweltbedingungen bestimmt und wird durch viele Faktoren, z.B. Paarungserfolg, Zahl… …   Deutsch wörterbuch der biologie

  • Fitness-Funktion — Eine Fitnessfunktion in Evolutionären Algorithmen ist eine Funktion, die Individuen eine Fitness zuordnet, also einen Wert, wie gut ein jedes Individuum mit seiner Umwelt zurecht kommt und damit, wie erfolgreich es sein soll, sein Genom… …   Deutsch Wikipedia

  • Fitness (Homonymie) — Cette page d’homonymie répertorie les différents sujets et articles partageant un même nom. Le fitness est un ensemble de pratiques physiques et sportives. Le body fitness est une version féminine du culturisme. Le fitness ou valeur sélective d… …   Wikipédia en Français

  • Fitness (homonymie) — Cette page d’homonymie répertorie les différents sujets et articles partageant un même nom. Le fitness est un ensemble de pratiques physiques et sportives. Le body fitness est une version féminine du culturisme. Le fitness ou valeur sélective d… …   Wikipédia en Français

  • Evolution (Biologie) — Stammbaum des Lebens, der das Auszweigen der heutigen Arten von einer urtümlichen Form verdeutlicht.[1] Die drei Domänen sind farblich getrennt (blau: Bakterien; grün: Archaeen; …   Deutsch Wikipedia

  • Bastard (Biologie) — Eine Hybride (gelegentlich auch Hybrid (maskulin), nicht fachsprachlich bzw. veraltet: Bastard, Mischling oder Blendling) ist in der Biologie ein Individuum das aus einer Kreuzung zwischen Eltern verschiedener Arten oder Unterarten hervorgegangen …   Deutsch Wikipedia

  • Anpassung (Biologie) — Dieser Artikel oder Abschnitt besteht hauptsächlich aus Listen, an deren Stelle besser Fließtext stehen sollte. Unter evolutionären Anpassungen (Adaptation) versteht man Eigenheiten in Körperbau und Verhalten, die als die evolutionäre Reaktion… …   Deutsch Wikipedia

  • Biologische Fitness — Fitness ist ein Fachbegriff aus der Populationsgenetik. Er ist abgeleitet von englisch fitness = Angepasstheit, Tauglichkeit. In Abgrenzung zur körperlichen Fitness wird gelegentlich auch die Bezeichnung reproduktive Fitness gewählt. Häufig… …   Deutsch Wikipedia

  • Philosophie de la biologie — La philosophie de la biologie est la branche de la philosophie des sciences qui s intéresse aux fondements et aux enjeux conceptuels, théoriques et méthodologiques de la biologie. (La tradition de recherche française tend à employer la formule… …   Wikipédia en Français

  • Adaptation (Biologie) — Pour les articles homonymes, voir Adaptation. . L’adaptation est, en biologie de l évolution, la modification d un caractère anatomique, d un processus physiologique ou d un trait comportemental dans une population d individus sous l effet de la… …   Wikipédia en Français

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”