Filiberto Lucchese

Filiberto Lucchese
Brigittakapelle, 1650/51
Palais Abensperg-Traun, ab 1651
Leopoldinischer Trakt, Hofburg, 1660-1666
Schloss Kremsier, 1665
Kirche Am Hof, 1658

Filiberto Lucchese, eigentlich Filip Alberto Lucchese, auch Luchese (* getauft 26. Dezember 1606 in Melide; † 21. Mai 1666 in Wien) war ein italienisch-schweizerischer Baumeister und Geometer. Er war die Schlüsselfigur der Architektur des Wiener Hofkreises in der Mitte des 17. Jahrhunderts.[1]

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Über den Beruf des Vaters, Giovanni Luchese, gibt es keine Aufzeichnungen. Seine Mutter hieß Elisabetta weiters hatte er zwei Brüder, Domenico (geb. 1612) und Giovanni Battista (gest. 1675), sowie eine Schwester namens Maria. Filiberto blieb Junggeselle, er hinterließ auch keine Erben.

Die für seinen Berufsstand und zu der Zeit üblichen Lehr- und Wanderjahre liegen im Dunkeln. Filibertos Großvater, Alberto Luchese, war Baumeister, starb jedoch bereits um 1600 im Melide. Alberto war zusammen mit seinem Vater, Giovanni dem Älteren, Baumeister des Erzherzogs Ferdinand II. in Innsbruck und vorher in Prag.

Das genaue Datum der Ankunft Lucheses in Österreich ist unbekannt. Einem Bittgesuch Lucheses aus dem Jahr 1657 ist zu entnehmen, dass er vor 17 Jahren als Militäringenieur in die Dienste Kaiser Ferdinands III. eingetreten war. Ab 1640 ist auch seine künstlerische Tätigkeit als Stuckateur und Architekt in Österreich fassbar. Im Herbst 1640 stuckierte Luchese mit seinen Gehilfen die Kapelle des Schlosses zu Rechnitz, wobei das Schloss während der Kampfhandlungen der letzten Kriegstage im Jahre 1945 fast völlig zerstört und anschließend abgetragen wurde.

Von 1641 bis 1650 arbeitete Luchese für Graf Adam Batthyány und lieferte die Pläne für die Umbauten an der Burg Schlaining, für die Burg und für das Franziskanerkloster in Güssing sowie für die Burg Bernstein.[2] Seit 1640 war Luchese auch für die Familie Pálffy als Architekt und Stuckateur tätig.

Die ersten gesicherten künstlerischen Arbeiten Lucheses für den kaiserlichen Hof waren keine Bauwerke, zu den Dienstpflichten eines kaiserlichen Architekten in Wien gehörte auch die Gestaltung der für den Hof benötigten Festdekorationen, wie ephemere Trauergerüste (Castrum doloris).

Das erste urkundliche gesicherte Bauwerk Filiberto Lucheses in Wien ist die Brigittakapelle. Von 1652 bis 1657 wurde die mittelalterliche Stiftskirche in Lambach umgebaut. Obwohl lediglich das Kirchenportal für Luchese urkundlich gesichert ist, lassen sich ihm sowohl die Stiftskirche als auch die neuen Trakte aus stilistischen Gründen zuschreiben. Zwischen 1639 und 1655 baute Luchese die Kirche in Maria Brunn, sie zählt zu den ersten Werken des neuen kaiserlichen Architekten Luchese und war ebenfalls eine Stiftung Kaiser Ferdinands III. Ab 1652 errichtete Filiberto Luchese für Johann Graf Rottal das Rottal´sche Schloss in Holleschau, Mähren.

Unter den heute lediglich durch alte Abbildungen überlieferten Wiener Adelspalästen des 17. Jahrhundert ist Lucheses Urheberschaft für das Palais Abensperg-Traun urkundlich gesichert. Aus stilistischen Gründen kann man Luchese auch den Umbau des Abensperg-Traunschen Schlosses in Petronell zuschreiben. 1652 hielt sich Luchese in Linz auf. In den Jahren 1652–53 arbeitete er für Gundaker von Liechtenstein an der Ausschmückung des Schlosses und des Schlossparks in Ungarisch-Ostra, wo er möglicherweise auch den Entwurf für die dortige Pfarrkirche lieferte. 1658 errichtete Luchese die Fassade der Kirche am Hof. Nach dem Tod Ferdinands III. 1657 wurde Luchese von dessen Sohn Leopold I. in kaiserlichen Diensten behalten. Im Jahr 1660 wurde unter der Leitung der Baumeister Carl Martin Carlone und Dominico Carlone der Bau des so genannten Leopoldinischen Traktes der Hofburg in Wien als erster Schritt zu einer großzügigen Barockisierung der damals wenig repräsentativen Kaiserresidenz in Angriff genommen. Die Bauarbeiten dauerten bis 1666, 1668 brannte der Trakt aus und wurde anschließend unter Aufsicht des kaiserlichen Architekten Giovanni Pietro Tencalla wiederhergestellt und aufgestockt. Die risalitlose Außenfront des Leopoldinischen Traktes mit ihrer beträchtlichen Länge von neunundzwanzig Achsen trägt jedoch auch die charakteristische Fassadentextur Filiberto Lucheses, trotz des heutigen vereinheitlichenden Anstrichs.[3]

Von den sakralen Barockbauten Wiens, die man auf der Grundlage stilistischer Überlegungen mit dem Namen Luchese in Verbindung bringen kann, seien hier noch die Schottenkirche und die Servitenkirche erwähnt. Am Ende seiner Karriere gewann Luchese einen wichtigen Auftraggeber – Karl Eusebius von Liechtenstein, der selbst kunsttheoretische Werke verfasste und von dem folgender Ausspruch stammt: „Das Geldt ist nur, schene Monumenta zu hinterlassen zue ebiger und unsterblicher Gedechtnuss“.[4] 1664 wurde Karl von Liechtenstein zum Bischof von Olmütz gewählt. So legte Luchese für Liechtenstein im Jahr 1665 Pläne für den Umbau der Residenz zu Kremsier vor. Noch vor seinem Tod lieferte Luchese auf Aufforderungen seines Bauherrn im Jahre 1666 auch Pläne für das Prager Palais des Grafen Johann Humprecht Czernin, welche aber leider verschollen sind.

Das Palais Czernin dürfte Lucheses letztes Werk gewesen sein. Am 21. Mai 1666 starb der kaiserliche Hofingenieur in Wien im Alter von 60 Jahren an einem hitzigen Fieber. Nach seinem Tode erhielt Giovanni Pietro Tencalla das Amt des Hofbaumeisters.

Werke (Auswahl)

Einzelnachweise

  1. Walter Kalina: Die Brigittakapelle in Wien 20 (1650/51). „...in capella a nobis nuper in sylva Thaber inter pontes Danuby extructa...“, in: Bundesdenkmalamt (Hg.): Österreichische Zeitschrift für Kunst- und Denkmalpflege. LIX, 2005, Heft 3/4, S. 247.
  2. Hellmut Lorenz: Barock, in: Hermann Fillitz (Hg.): Geschichte der bildenden Kunst in Österreich. Band 4, Wien 1999, S. 564-567.
  3. Thomas da Costa Kaufmann: Höfe, Klöster und Städte. Kunst und Kultur in Mitteleuropa 1450-1800. Köln 1998, S. 303.
  4. Victor Fleischer: Fürst Karl Eusebius von Liechtenstein als Bauherr und Kunstsammler (1611-1684), Wien 1910, S. 15, in: Gerald Schöpfer (Hg.): Klar & Fest. Geschichte des Hauses Liechtenstein, in: Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Sonderband 2, Graz 1996, S. 51.

Weblinks


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