Fetialen

Fetialen

Die Fetialen (lat. fetiales) waren eine Priesterschaft im antiken Rom, die vor allem in früher Zeit (frühe und mittlere Römische Republik) für die völkerrechtlichen Außenbeziehungen Roms und deren Zeremonien verantwortlich waren (ius fetiale).[1] In früher Zeit übten sie auch eine Richtertätigkeit (iudices) in völkerrechtlichen Fragen aus, aber diese Funktion ging in Verlauf der frühen Republik an den Senat verloren. Die Anzahl der in Kooptation ergänzten Priesterschaft betrug 20 Priester. Die Priesterschaft war wahrscheinlich auch Plebejern zugänglich. Die Gründung der Priesterschaft wird in der Überlieferung verschiedenen römischen Königen (Numa Pompilius, Tullus Hostilius oder Ancus Marcius) zugeschrieben. Der rechtsarchäologische Befund und die Überlieferung zu den Insignien bzw. Werkzeugen der fetiales (sagmina und vasa vom Kapitol genommen) legt eine Datierung des überlieferten ius fetiale in das 6. Jh. v. Chr. nahe.

Es scheint, dass sich die gesamte Tätigkeit der fetiales lediglich auf Vertragspartner Roms bezog und der Kern des ius fetiale darin bestand, vertragliche Bindungen Roms gegenüber den Schwurgöttern zu bewahren bzw. zu pflegen und förmlich zu lösen (Dionysios von Halikarnass ant. rom. 2,72). Die Fetiales sollten ungerechte Kriege gegen römische Bundesgenossen verhindern, Genugtuungsgesandtschaften an die Bundesgenossen übernehmen und Kriege bestätigen. Sie entschieden über Klagen der römischen Bundesgenossen gegenüber Rom und übernahmen gegebenenfalls Sühneleistungen bzw. veranlassten sie. Über Verstöße gegen das ius legationium urteilten sie. Die von Rom eingegangenen Bündnisverpflichtungen bewahrten sie. Sie schlossen Friedensverträge und besondere foedera unter Anwendung eines altertümlichen Eidopfers, bei dem ein Schwein unter Hersagen einer Fluchformel vom pater patratus mit einem silex erschlagen wurde.[2] Über vertragswidrige Handlungen der römischen Feldherren urteilten sie und veranlassten angemessene Sühneleistungen (z. B. deditio noxae).

Neben der Beeidung einer besonderen Art von römischen Staatsverträgen (foedera mit dem Schweineopfer) waren sie für die bellicae ceremoniae zuständig, mit denen ein Krieg gegenüber römischen Verbündeten förmlich eröffnet wurde. Den Ablauf einer solchen Kriegserklärung schildern Livius und Dionysios von Halikarnassos aus gemeinsamer Quelle ausführlich.[3] Nach mehrmaligen res repetere wurde zuletzt der Krieg vom fetialis erklärt – unter Hersagen bestimmter Formelworte. Nach dem Kriegsbeschluss des Senats und der Volksversammlung lex de bello indicendo eröffnete ein fetialis im Beisein von drei erwachsenen Zeugen an der Grenze zum Kriegsgegner die Kriegshandlungen, indem er eine Lanze (hasta fetialis) aus Kornellkirschholz über die Grenze zum Feindstaates hinüberwarf – dabei sprach er bestimmte Formelworte. Diese Lanzenwurfzeremonie markierte die förmliche Eröffnung der Kriegshandlungen und war kein Bestandteil der völkerrechtlich erheblichen förmlichen Kriegserklärung. Als im 3. Jahrhundert v. Chr. die Kriegsgegner Roms nicht mehr eine gemeinsame Grenze mit Rom hatten, konnte deshalb die Kriegseröffnungszeremonie des Lanzenwurfes an die bellica columna vor dem Bellonatempel im Gebiet des späteren Circus Flaminius nach Rom verlegt werden.[4]

Im 3. bis 1. Jahrhundert v. Chr. verliert die Tätigkeit der fetiales ihre politische Bedeutsamkeit. Die aktive Teilnahme an Gesandtschaften und ebenso ihre Insignien (sagmina, verbena und vasa) gingen an die säkularen legati über. Die fetiales begegnen nur noch als Gutachter und Zeremonienmeister in außenpolitischen Dingen strittigen Inhalts, wobei die politischen Entscheidungen allerdings vom Senat gefällt werden bzw. ihm überlassen werden. Dennoch behält das ius fetiale seine prägende Wirkung auf die völkerrechtlichen Rechtanschauungen der Römer, was man insbesondere bei der Ausgestaltung der bellum iustum Konzeption Ciceros, Livius und Dionysios von Halikarnass beobachten kann. Octavian erneuerte den alten Brauch, indem er im Herbst 32 v. Chr. anlässlich der Kriegseröffnung gegenüber Kleopatra selbst als Fetiale auftrat.[5]

Literatur

  • Andreas Zack: Studien zum "Römischen Völkerrecht". Kriegserklärung, Kriegsbeschluß, Beeidung und Ratifikation zwischenstaatlicher Verträge, internationale Freundschaft und Feindschaft während der römischen Republik bis zum Beginn des Prinzipats. Edition Ruprecht, 2. Aufl. Göttingen 2007

Weblinks

Anmerkungen

  1. Hauptquellen: Titus Livius 1, 24 und 32. Dionysios von Halikarnassos, antiquitates Rom. 2, 72. Varro, Ling. Lat. 5, 86. Cicero, de legibus 2, 9, 21.
  2. Livius 1, 24.
  3. Livius 1, 32; Dionysios, ant. Rom. 2, 72.
  4. Servius und Scholia Danielis Comm. zur Aeneis 9, 52.
  5. Cassius Dio 50, 4, 4f.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Fetialen —   [lateinisch, zu fetis »Satzung«, »Gesetz«] Plural, lateinisch Fetiales, altrömisches Priesterkollegium von 20 Mitgliedern, das die religiösen Formen und Bräuche des völkerrechtlichen Verkehrs ordnete und überwachte. Besonders vor Kriegsbeginn… …   Universal-Lexikon

  • Fetĭalen — (Fetiāles), bei den Römern ein aus 20 lebenslänglichen Mitgliedern höchsten Standes bestehendes, durch Kooptation sich ergänzendes Kollegium mit der Aufgabe, bei Konflikten mit andern Völkern Gutachten über Krieg und Frieden zu erteilen,… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Fetialen — Fetiālen (Fetiāles), Priesterkollegium im alten Italien, bes. in Rom, zur Überwachung der religiösen Formen bei Friedensschlüssen und Kriegserklärungen …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Fetialen — Fe|ti|a|len die (Plur.) <aus gleichbed. lat. fetiales, Plur. von fetialis »zu den Rechtsaufgaben gehörig«, dies zu *fetis »Satzung, Gesetz«> Priesterkollegium im alten Rom, das die für den völkerrechtlichen Verkehr bestehenden Vorschriften… …   Das große Fremdwörterbuch

  • Sagmina — (Plural; Singular sagmen) waren in der römischen Religion heilige und rituell reine Pflanzen, die zusammen mit dem Wurzelwerk und dem Erdballen von der Priesterschaft der Fetialen auf dem Kapitol (arx) gepflückt wurden (herba pura oder auch… …   Deutsch Wikipedia

  • Foedus — Das foedus (Plural foedera) war in der römischen Republik die gängige Form des zwischenstaatlichen Vertrages und noch bis in die Spätantike ein wichtiges Instrument römischer Außenpolitik. Ein foedus wurde u. a. vom pater patratus aus dem… …   Deutsch Wikipedia

  • Römische Priester und Priesterschaften — Das Priesterwesen im antiken Rom hatte staatliche wie auch private Verwirklichung, die sich auf die Rezeption des Kultus im gesamten Staatswesen erstreckte. Es gab im Gegensatz zu vielen anderen antiken Religionen nie eine geschlossene… …   Deutsch Wikipedia

  • Alemonia — Die Römische Mythologie beschäftigt sich mit den Vorstellungen der antiken römischen Mythographen über die Welt der Götter und Heroen. Die ursprüngliche römische Bauernreligion wurde vornehmlich von Personifikationen der Natur und von… …   Deutsch Wikipedia

  • Antevorte — Die Römische Mythologie beschäftigt sich mit den Vorstellungen der antiken römischen Mythographen über die Welt der Götter und Heroen. Die ursprüngliche römische Bauernreligion wurde vornehmlich von Personifikationen der Natur und von… …   Deutsch Wikipedia

  • Bellum Justum — Als gerechten Krieg (lateinisch bellum iustum) bezeichnet abendländische Rechtstradition einen Krieg oder bewaffneten Konflikt zwischen Kollektiven – meist Staaten –, dessen Begründungen, Ziele und Mittel bestimmte Bedingungen erfüllen und… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”