Fernschreiben

Fernschreiben
Fernschreibmaschine mit Telefonanschluss, 1930.
Fernschreiber (Siemens T100); eingeführt im Jahre 1958; weitere Informationen in der Bildbeschreibung
Fernschreiber (Siemens T100)

Der Fernschreiber ist ein Telegrafie-Gerät zur Übermittlung von Nachrichten in Schriftform mittels elektrischer Signale. Im Englischen heißt das Gerät Teletypewriter. (Dagegen ist Teletype ein Warenzeichen.) Davon abgeleitet ist die Bezeichnung TTY für serielle Schnittstellentreiber in Computer-Betriebssystemen.

Als Vorgänger können Morsegeräte und der von Siemens & Halske entwickelte Zeigertelegraf gelten. Dem Fernschreiber verwandte Geräte sind der Hellschreiber und das Faxgerät.

Inhaltsverzeichnis

Ein- und Ausgabe

Ein Fernschreiber ähnelt äußerlich einer elektrischen Schreibmaschine, wobei die Tastatur, die die Sendeeinheit beinhaltet, und das Druckwerk, das den Empfänger beherbergt, unabhängig voneinander arbeiten, jedoch in der Regel in Reihe geschaltet betrieben werden, um das auf der eigenen Seite Geschriebene lesen zu können. Modernere mechanische und elektronische Fernschreiber verfügen darüber hinaus über Einrichtungen, die dem Empfänger signalisieren, wenn das empfangene Zeichen lokal gesendet wurde. Der Empfänger hebt dann eine der Richtungen farbig hervor (z. B. rot für den gesendeten Text).

Zur Ausstattung des Fernschreibers gehören oft ein Lochstreifenleser und Lochstreifenstanzer, um vorbereitete Texte mittels eines Lochstreifens mit maximaler Geschwindigkeit übertragen und so die Verbindungsdauer kurz zu halten oder Textbausteine speichern zu können. Seit den 1980er Jahren werden auch elektronische Speichermedien benutzt.

Man unterscheidet Blattschreiber und Streifenschreiber. Blattschreiber geben den Text wie eine Schreibmaschine auf einer Endlosrolle in der Breite eines üblichen Briefes (z. B. DIN A4) aus. Streifenschreiber hingegen geben den Text auf einem in der Regel 9,5 mm breiten Papierstreifen aus. So hat der Telegrammdienst der Deutschen Bundespost z. B. Streifenschreiber eingesetzt.

Übertragungsverfahren

Fernschreiber verwenden eine sequenzielle digitale asynchrone Datenübertragung mit Start- und Stoppbits und nutzen meist einen 5-Bit-Code, das Internationale Telegrafenalphabet Nr. 2 (kurz CCITT-2 oder ITA2), das umgangssprachlich oft fälschlicherweise als Baudot-Code bezeichnet wird. Dieser Code beschränkt den zur Verfügung stehenden Zeichensatz auf 32 Zeichen (25=32). Zur Übertragung von Buchstaben, Ziffern und Sonderzeichen ist der Code auf zwei Ebenen aufgeteilt, zwischen denen mittels Spezialzeichen zur Buchstaben-Ziffernumschaltung gewechselt wird. Da die beiden Umschaltzeichen sowie Wagenrücklauf und Zeilenvorschub auf beiden Ebenen Gültigkeit besitzen, beträgt die Höchstzahl übertragbarer Zeichen 56, von denen einige allerdings im ITA2 nicht belegt sind.

Übertragen wird üblicherweise mit 50 Baud (hier gleich 50 Bit/s); es existieren jedoch auch Geräte mit 75 (siehe Bild) und 100 Baud Übertragungsgeschwindigkeit. Das verwendete Zeichenformat besteht aus einem Startbit, 5 Codebits und 1,5 Stoppbits.[1] Damit ist bei den im Telex-Netz üblichen 50 baud eine Übertragungsrate von 6,67 Zeichen pro Sekunde erreichbar.

Die Geschwindigkeit eines mechanischen Fernschreibers wird über einen Fliehkraftregler am Motor geregelt, welcher üblicherweise mit einer Stimmgabel nach dem Stroboskopprinzip eingestellt wird.[2]

Die Anbindung mechanischer Fernschreiber geschieht mittels einer 40-mA-Stromschleife. Die logische 1 („Ruhelage“) wird von der geschlossenen Schleife repräsentiert, die logische 0 („Zeichenlage“) durch den unterbrochenen Stromkreis.

Später gebaute elektronische Fernschreibmaschinen verfügen teilweise über andere Schnittstellen wie RS232 oder ein direkt eingebautes Modem.

Von dem rhythmisch tickenden Geräusch beim Arbeiten eines Fernschreibers leitet sich die Redewendung „eine Nachricht läuft über den Ticker“ her.

Fernschreibnetze

1938 wurde ein behördliches Fernschreibnetz in Hamburg von der Firma Siemens & Halske installiert. Fernschreiber werden auch heute noch stellenweise von Behörden verwendet.

Bundeswehr

Die Bundeswehr benutzte bis zum Jahr 1986 das so genannte Bundeswehrgrundnetz zur militärischen Nachrichtenübermittlung. Dabei handelte es sich um ein vermaschtes Sternnetz, welches über Leit-, Knoten- und Endvermittlungen arbeitete und bei Ausfall einer dieser Komponenten ersatzweise andere Vermittlungswege im Netz benutzte (Ausfallsicherheit und Verfügbarkeit wurden so gewährleistet).

1986 wurde dieses Netz durch das AFDNBw (Automatisiertes Fernschreib- und Datenübertragungsnetz der Bundeswehr) ersetzt, in dem immer noch die alten Fernschreib- und Schlüsselgeräte benutzt werden konnten.

Im Rahmen des Kooperationsvertrages Herkules wurde, als einer von vielen Vertragspunkten, auch die gesamte nicht-militärische IT der Bundeswehr erneuert. Dies führte u. a. dazu, dass am 30. November 2006 das gesamte AFDNBw abgeschaltet und durch das neue System NUKOM BW 2000 (NUtzerorientierte KOMmunikation) ersetzt wurde.

Der herkömmliche Fernschreibbetriebsdienst der Bundeswehr wurde ersetzt durch das Military Message Handling System der Bundeswehr (MMHSBw)

Dieses System stellt unter anderem insofern eine Vereinfachung des Nachrichtenverkehrs dar, als dass der Mitarbeiter in einer Fernschreibstelle keine aufwändige und fachspezifische Ausbildung mehr durchlaufen muss. Das neue System basiert auf einem modifizierten MS-Outlook-Client. Dieser entspricht zum großen Teil dem normalen E-Mail-Programm MS-Outlook, ist allerdings um einige militärische Spezifikationen erweitert. So können u. a. militärische Vorrangstufen (wichtig in Bezug auf die maximale Laufzeit einer Meldung vom Absender zum Empfänger) und militärische Geheimhaltungsgrade eingegeben werden.

Sonstige Netze

Neben drahtgebundenen Fernschreibnetzen (Telex) existieren weltweit noch zahlreiche Funkfernschreibnetze, die Nachrichten per Funk z. B. über Kurzwelle austauschen. Die Bezeichnung dieser Dienste hierfür lautet Radio Teletype, kurz RTTY.

Das öffentliche Telexnetz der Deutschen Bundespost und heutigen Deutschen Telekom war bis in die 1990er Jahre als ein eigenständiges Netz mit eigenen Vermittlungsstellen im Betrieb. Die Verbindungen zum Nachrichtenaustausch mit den Telexpartnern konnten mittels eines Wählzusatzgerätes anhand ihrer öffentlichen Telexnummer wie bei einem Telefon direkt über eine automatische Wähleinrichtung hergestellt werden. Dieses Netz war in das internationale Fernschreibnetz eingebunden.

Heute gibt es kaum noch reine Fernschreib- oder Telexnetze und Vermittlungsstellen. Die meisten Fernschreibnetze sind über Gateways in weitere Nachrichten- oder Datennetze eingebunden und können teilweise in diesen Systemen als Zusatzdienst betrieben werden.

Fernschreiber können auch im Direktbetrieb fest als Gegenstellen miteinander verbunden sein.

Fernschreibnetze in der DDR

Briefmarke der DDR 1953, Frau am Fernschreiber, aus Fünfjahrplan (Briefmarkenserie)

In der DDR existierten mehrere automatische Fernschreibnetze im Selbstwählbetrieb nebeneinander:

und weitere nicht öffentliche Netze der NVA, des Ministerium des Inneren (MdI), des Ministeriums für Staatssicherheit sowie des Warschauer Pakts.

Entsprechend der Wichtigkeit eines Fernschreibanschlusses war auch die Nutzung eines anderen Fernschreibnetzes durch netzfremde Teilnehmer direkt und indirekt möglich.

Weiterentwicklungen

Durch den Einsatz von Elektronik und Software sind die aufwendigen Wartungen und Einstellungen an den mechanischen Bauteilen eines Fernschreibers und an dem Fernschreibnetz weitgehend entfallen.

Der klassische mechanische Fernschreiber ist heute vielfach durch ein Fernschreib-E-Mail-Gateway oder durch einen PC mit Drucker und Spezialhardware zum Anschluss an den vorhandenen Fernschreibanschluss oder für eine Funkstation ersetzt worden.

So ist für die PC-Software WinTelex32 dial von der Swisscom keine eigene Telexleitung mehr erforderlich. Die Verbindung zur Telexvermittlung geschieht über das öffentliche Telefonnetz. Win Telex32 TCP/IP wiederum stellt über das öffentliche Internet die Verbindung zur Telexvermittlung her, wobei die normale Telexnummer erhalten bleibt. Die Authentifizierung der Teilnehmer erfolgt mit X.509-Zertifikaten mit (512-bit-Schlüsseln), wobei die Kommunikation über das Internet mit einem 128-bit-Schlüssel gesichert wird.

Trotzdem haben Faxgeräte, Mailboxsysteme und Internet das Fernschreiben als Hauptkommunikationsverfahren für Texte und Daten Ende der 1990er Jahre praktisch abgelöst.

Vorteile des Fernschreibens

Im Unterschied zum Morsen kann die Nachricht beim Empfang sofort als Klartext gelesen oder automatisch weiterverarbeitet werden. Weiterhin ist auch die automatische Ver- und Entschlüsselung von codierten Fernschreiben durch entsprechende Geräte mit Lochstreifen möglich.

Die verwendeten Nachrichtenkanäle müssen nicht ständig manuell auf ankommende Nachrichten überwacht werden. So kann auch der Fernschreibbetrieb bei Bedarf weitgehend automatisiert erfolgen und eine vorbereitete Nachricht automatisch zu einem bestimmten Zeitpunkt mittels Lochstreifenlesers versendet werden. Damit kann eine hohe Effizienz bei der Ausnutzung des Nachrichtenkanals erreicht werden.

Der Fernschreiber kann über ein Spezialmodem direkt an eine bestehende V.31-Schnittstelle zur Datenübertragung angeschlossen werden. Auch lassen sich automatische Messstationen oder Fernwirkeinrichtungen einfach an einen bestehenden Fernschreibanschluss anbinden sowie Daten und Befehle als „Fernschreiben“ versenden.

Die größten Vorteile des Fernschreibens sind auch heute noch die einfache und sichere Art der automatischen Text- und Datenübermittlung über beliebige Übertragungsmedien wie beispielsweise Funk und Datennetze, sowie als Wechselstromtelegrafie über bestehende Telefonleitungen.

Heute wird der Fernschreibdienst häufig über bereits bestehende Datenverbindungen mittels Umsetzer bzw. Konverter als Gastsystem oder durch Gateways in andere Netze oder über Funk abgewickelt.

Wechselstromtelegrafie

Mit Hilfe der sogenannten Wechselstromtelegrafie (WT) können durch die Mehrfachausnutzung eines vorhandenen Fernsprechkanals mehrere Fernschreibkanäle unabhängig voneinander und gleichzeitig betrieben werden. Üblich ist bei diesen Verfahren die Frequenzmodulation der einzelnen Fernschreibkanäle. Die Trägerfrequenzen werden mit dem Nachrichteninhalt moduliert und gemeinsam auf einer Leitung übertragen und an deren Ende wieder getrennt demoduliert. Ein Fernsprechkanal kann so bis zu 24 Telexkanäle mit einer Telegrafiergeschwindigkeit von bis zu 50 Baud aufnehmen. Bei höheren Telegrafiergeschwindigkeiten sind entsprechend weniger Telegrafiekanäle auf Grund der begrenzten Bandbreite des Trägerkanals möglich.

Bei der Begrenzung der Bandbreite eines Fernsprechkanals und der Telegrafiergeschwindigkeit ist ein gleichzeitiger unabhängiger Betrieb von beiden Betriebsarten auf einem Fernsprechkanal möglich.

Gateway-Systeme für Fernschreiben

Die Gateway-Systeme für Fernschreiber-E-Mail gestatten häufig den Datenaustausch von reinen Textnachrichten in beide Richtungen.

Bei diesen Systemen kann zum Beispiel jedem Fernschreibanschluss im Gateway einfach eine eigene E-Mail-Adresse zugeordnet werden. Die Nachrichten selbst werden im Gateway als System-Mail-Nachricht umgesetzt und können so über Mailboxsysteme oder direkt über das Internet als E-Mail von den Empfängern empfangen werden.

Beim Empfang einer E-Mail im Textformat übernimmt das E-Mail-Gateway die Textnachricht und setzt diese als Fernschreiben um.

Die Adressierung und die automatische Weiterleitung (Routing) an den gewünschten Nachrichtenempfänger erfolgt über bestimmte, durch das Gateway festgelegte Telexadressen und mit Adressregeln beim Versand der Nachricht mit dem Fernschreiber oder von der Gegenstelle.

Häufig beinhaltet die Adresse des Gateways zusätzlich zur eigenen noch die Telex-Adresse des Empfängers. Anhand dieser ist die direkte automatische Zuordnung und Weiterleitung (Routing) der Nachricht an mehrere gewünschte Telex-Empfänger durch das Gateway automatisch möglich.

Funkfernschreiben für Seewetterberichte

Die bekannteste Anwendung von Funkfernschreiben in der Seefahrt sind die Seewetterberichte, die auch heute noch über Funk regelmäßig an die Schiffsbesatzungen versendet werden. Dieser Service wird auch vom deutschen Wetterdienst bereitgestellt.

Fernschreiben im Amateurfunk

Im Amateurfunk wurden (und werden teilweise heute noch) ausgemusterte Fernschreibgeräte üblicher Bauart und Verwendung eingesetzt. Streifenschreiber waren und sind beliebt, weil bei diesen Geräten ein Verlust des Befehls „Zeilenschaltung“ keine Auswirkung auf die Lesbarkeit der Nachricht hat (Zeilen können nicht überschrieben werden). Funkamateure verwenden weltweit eine Übertragungsrate von 45,45 Baud (im Gegensatz zu professionellen Diensten mit 50/75/100 Baud), bei denen Tonfrequenzen, je nach Zeichenpolarität „umgetastet“ werden (Frequenzumtastung). Diese Frequenzen lassen sich dann mittels entsprechender AFSKVerfahren (z. B. SSB) aussenden.

Heute werden für den Fernschreibverkehr überwiegend Personalcomputer eingesetzt, die über ein Modem und mit der Soundkarte des Computers die erforderlichen Tonsignale erzeugen und beim Empfang auswerten. Die dazu notwendigen Programme beherrschen oft auch die Betriebsarten Fax, HELL und Morsetelegrafie.

Der Nachfolgerdienst Teletex

Hauptartikel: Teletex

In der Bundesrepublik Deutschland wurde Anfang der 1980er Jahre versucht, den Dienst Teletex (nicht zu verwechseln mit Teletext als Verallgemeinerung von Videotext) als attraktiveren Nachfolger des Telex-Dienstes einzuführen.

In der heutigen Praxis hat die E-Mail auch diese Technik weitgehend abgelöst.

Fernschreiber und Computer

Fernschreiber stellen prinzipiell seriell arbeitende, digitale Ein- und Ausgabegeräte dar. Folgerichtig wurden sie in großem Umfang als Computer-Peripheriegeräte eingesetzt − zum Einen mit ihrem Druckteil als reines Ausgabegerät, zum Anderen zusätzlich mit der Tastatur als Terminal zur direkten Steuerung eines Computers. Spuren dieser Verwendung finden sich bis heute, etwa in den Steuerzeichen Line Feed (LF) und Carriage Return (CR). An manchen Universitäten waren noch bis in die 1970er Jahre Fernschreiber zum Erstellen von Programmlochstreifen und Ausdrucken der auf einem Streifenlocher produzierten Ergebnisse im Einsatz.

Als in den 1970er Jahren die ersten Mikrocomputer aufkamen, gab es anfangs kaum Angebote bezahlbarer Drucker. In vielen Firmen oder in Universitäten standen jedoch Fernschreiber, die dann über geeignete Schnittstellen als Drucker angeschlossen werden konnten. Die Daten wurden über den Lochstreifen oder über eine vorhandene COM-Schnittstelle z. B. RS-232 und mit Hilfe eines speziellen Anschlussgerätes ausgetauscht. Das alles galt auch für frühe Heimcomputer (vor ca. 1980), wo man vor allem relativ preiswert gebraucht erhältliche Fernschreiber einsetzte.

Schon sehr früh wurden auch Fernschreibermodelle mit dem verbesserten 7-bit-ASCII-Code statt des im normalen Fernschreibbetrieb üblichen 5-bit-Codes genutzt.

Auch die serielle Datenübertragung beim Fernschreiben ist bis in die heutige Zeit unverändert in Verwendung (siehe u. a. TTY-Schnittstelle).

Einzelnachweise

  1. Beschreibung des Fernschreibers Lo15, Zeichenformat, Seite 6 PDF
  2. Beschreibung des Fernschreibers Lo15, Einstellung der Geschwindigkeit, Seite 22 PDF

Weblinks


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