Fernkabel

Fernkabel

Als Fernkabel werden in der Nachrichtentechnik Kabel bezeichnet, die im Unterschied zum Ortskabel der Abwicklung des Nachrichtenverkehrs zwischen verschiedenen Vermittlungsstellen im Weitverkehrsbereich dienen.

Fernsprech-Fernverbindungen wurden in Deutschland bis 1912 fast ausschließlich über Freileitungslinien realisiert. Im Winter 1909 kam es durch eine extreme Wetterlage (gefrierender Schnee und Sturm) dazu, dass um Berlin und um Magdeburg reihenweise die Gestänge und Masten der Fernlinien umbrachen. Es gelang trotz großer Anstrengungen erst nach Monaten, die Schäden zu reparieren. Dieses Ereignis gilt als Auslöser für die Pläne, nun beschleunigt Weitverkehrskabel unter der Erde zu verlegen. Man verfügte inzwischen auch über Erfahrungen, wie man mittels Pupinisierung oder mittels Krarupkabel die Dämpfung der Weitverkehrsverbindungen verringern konnte. Das Übersprechen konnte durch eine geeignete Verseilung beherrscht werden.

Schnittzeichnung Rheinlandkabel, Abschnitt Berlin-Hannover

Im Juli 1912 erhielt die Firma Siemens & Halske den Auftrag zur Verlegung des sogenannten Rheinlandkabels, das 1913/1914 zunächst von Berlin nach Hannover verlegt wurde. Da Leitungsverstärker zwar seit 1912 existierten, diese aber noch nicht erprobt waren, wurde das Rheinlandkabel zunächst so konstruiert, dass ohne Verstärkung eine Sprechverständigung von Berlin bis ins Rheinland möglich gewesen wäre. Als die Arbeiten an der Kabellinie nach dem Ersten Weltkrieg wieder aufgenommen wurden, wurden die Möglichkeiten der Einschaltung von Verstärkern natürlich berücksichtigt. Die ständig steigende Nachfrage nach Sprechkanälen hatte bereits um 1914 zu Versuchen geführt, mehrere Kanäle im Trägerfrequenzverfahren über eine Leitung zu führen. Die Nachrichtentruppe des Heeres förderte seit 1917 Versuche, statt neue Freileitungen zu bauen, die vorhandenen besser auszunutzen, indem oberhalb des normalerweise benutzten Frequenzbandes ein weiterer Sprechkanal trägerfrequent übertragen wurde. Phantomschaltungen ermöglichten sowohl auf gekreuzt geführten Freileitungen als auch auf Fernkabel-Doppeladern die Mehrfachausnutzung der Übertragungswege mit minimalem technischen Aufwand. Die schon vor 1914 erprobte Simultanschaltung zur gleichzeitigen Übertragung von Telefongesprächen und Telegrammen auf der gleichen Leitung wurde verstärkt eingeführt. Die zwei grundlegenden technischen Innovationen der Kriegszeit, der Verstärker und die Gabelschaltung, waren besonders für die Überwindung großer Entfernungen geeignet. Seit 1916 wurden verbesserte Verstärker, die Hochvakuumröhren, in Massenfertigung hergestellt. Mit der Entwicklung der Elektronenröhre gelang es 1918, bis zu 100 km im Trägerfrequenzverfahren auf Freileitungen zu überbrücken. Die ersten deutschen Hochfrequenzämter entstanden 1920/1921 in Berlin, Hamburg, München und anderen Städten. Die Gabelschaltung ermöglichte eine getrennte Verstärkung der Gespräche in jeder Richtung und damit eine klare Verständigung über große Entfernungen, benötigte aber eine Doppelleitung für jede Richtung. Es sollten noch zehn Jahre vergehen, bis es 1932 gelang, Trägerfrequenzfernsprechen über Fernkabel zu realisieren. Hier erwies sich die Entscheidung aus der Vergangenheit als besonders weitsichtig, den Pupinkabeln den Vorzug vor den Krarupkabeln zu geben.

Fernkabel-Spulenkasten von 1937

Für den Einsatz von Niederfrequenzverstärkern in Kabeladern musste die Bespulung der Adern verringert und für den Trägerfrequenzbetrieb ganz entfernt werden. Da die Spulenelemente in besonderen Spulenkästen längs der Kabeltrasse untergebracht waren, gelang dies problemlos.

Das Fernkabelnetz wurde seit 1921 von der Deutschen Fernkabel Gesellschaft verlegt und unterhalten, einem gemeinsamen Unternehmen von Postministerium und Kabellieferanten. Die Ortsvermittlungsstellen wurden automatisiert, das Fernnetz verkabelt, die Gespräche mit Verstärkern übertragen. Nach der Verknüpfung der in ganz West- und Nordeuropa wachsenden nationalen Fernkabelnetze und nach dem Beginn der Funktelefonie nach Übersee 1927 setzte sich das Telefon weltweit gegen den Telegraphen durch.

Anfang der 1930er Jahre begann man auch damit, Breitband-Koaxialkabel zu entwickeln (zum Beispiel Typ 21a). Ein Breitbandkabel für Fernsprechen und Fernsehen wurde im Juli 1938 auf der Strecke Berlin-Leipzig-München vollständig in Betrieb genommen. Neben den Breitbandkabeln wurden auch spezielle Trägerfrequenzkabel (zum Beispiel Typ 24b) entwickelt. Diese Kabel wurden vorrangig im Nahbereich eingesetzt.

Um das Nebensprechen zwischen den Übertragungsrichtungen gering zu halten, können Fernkabel physisch aus zwei nebeneinander verlegten Kabeln bestehen, eines für die Richtung A-B, das andere für die Richtung B-A. Im Zuge der Digitalisierung der Kommunikationsnetze vollzog sich im Fernkabelbereich dann der Übergang zum Glasfaserkabel.

Literatur

  • Krauskopf : Artikel "Fernkabel" in: Handwörterbuch des elektrischen Fernmeldewesens, h. v. Ernst Feyerabend et al. , Bd.1, Berlin: Springer 1929, S. 395 - 400.
  • Europäischer Fernsprechdienst, Jg. 1 - ??? (1943).
  • Länderkarten des Europäischen Fernsprechnetzes. Sonderhefte des "Europäischer Fernsprechdienst", hg.v. P. Craemer und A. Franke. Berlin: Europäischer Fernsprechdienst, 1928 ff. (mit eigenen Netzkarten für alle Länder)
  • Thomas, Frank: Telefonieren in Deutschland. organisatorische, technische und räumliche Entwicklung eines großtechnischen Systems. Frankfurt a.M.: Campus 1995, S.228 - 252.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Deutsche Fernkabel Gesellschaft — Die Deutsche Fernkabel Gesellschaft mbH (DFKG) war ein deutsches Telekommunikationsunternehmen. Inhaltsverzeichnis 1 Gründung 2 Entwicklung 3 Quelle 4 Weblinks …   Deutsch Wikipedia

  • Phantomkreis — Fernkabel Phantomschaltung Unter Phantomschaltung versteht man in der Nachrichtentechnik ein Verfahren zur Erhöhung der Anzahl von Sprechkanälen in Fernkabeln. Hierzu werden die Sprechströme der Phantomkreise zusätzlich in den Doppeladern, den so …   Deutsch Wikipedia

  • Phantomschaltung — Fernkabel – Phantomschaltung Unter Phantomschaltung versteht man in der Nachrichtentechnik ein Verfahren zur Erhöhung der Anzahl von Sprechkanälen in Fernkabeln. Hierzu werden die Sprechströme der Phantomkreise zusätzlich in den Doppeladern, den… …   Deutsch Wikipedia

  • FkVL — Fernkabel Verlängerungsleitung EN long distance cable extension line …   Abkürzungen und Akronyme in der deutschsprachigen Presse Gebrauchtwagen

  • 1. Königlich Sächsisches Ulanenregiment Nr. 17 „Kaiser Franz Josef von Österreich, König von Ungarn“ — Das Ulanen Regiment „Kaiser Franz Josef von Österreich, König von Ungarn“ (1. Königlich Sächsisches) Nr. 17 war ein Ulanenregiment in der 1. Königlich Sächsischen Division. Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Die Errichtung des Oschatzer Ulanen… …   Deutsch Wikipedia

  • Anpassungsübertrager — Übertrager, auch als Impulstransformator oder Pulstransformator bezeichnet, wird ein Transformator genannt, der nicht primär zur Energie bzw. Leistungsübertragung, sondern zur Informationsübertragung von Analogsignalen oder Digitalsignalen dient …   Deutsch Wikipedia

  • Brummdrossel — Übertrager, auch als Impulstransformator oder Pulstransformator bezeichnet, wird ein Transformator genannt, der nicht primär zur Energie bzw. Leistungsübertragung, sondern zur Informationsübertragung von Analogsignalen oder Digitalsignalen dient …   Deutsch Wikipedia

  • FeAp — Modernes Telefon Modernes Schnurlostelefon Ein Telefon oder Telephon (v. griech …   Deutsch Wikipedia

  • FeWAp — Modernes Telefon Modernes Schnurlostelefon Ein Telefon oder Telephon (v. griech …   Deutsch Wikipedia

  • Felten & Guilleaume — Felten Guilleaume, allgemein abgekürzt als F G bekannt, ist seit 2004 eine Marke der Ormazabal Anlagentechnik GmbH. Es war lange Zeit ein eigenständiges Unternehmen der Draht , Drahtseil , Kabelfertigung und Elektrotechnik mit Sitz in Köln.… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”