Ferdinand von Wintzingerode

Ferdinand von Wintzingerode
Ferdinand Frhr. v. Wintzingerode

Ferdinand Freiherr von Wintzingerode (* 15. Februar 1770 in Allendorf an der Werra; † 16. Juni 1818 in Wiesbaden) war ein deutscher Adliger und Offizier in verschiedenen Heeren, zuletzt General der russischen Armee.

Leben

Ferdinands Familie stammt aus dem heute thüringischen Eichsfeld. Sein Vater, Wilhelm Levin Ernst Freiherr von Wintzingerode (1738–1781), besaß das Rittergut Unterhof in Kirchohmfeld und war königlich-preußischer und hessen-kasselscher Oberst, Flügeladjudant des Königs Friedrich II. von Preußen und braunschweigischer Oberstallmeister. Ferdinands Mutter, die er im Alter von 12 Jahren verlor, war Eleonore Ernestine von Wintzingerode (1747–1782).

Seine militärische Karriere begann Ferdinand als achtjähriger Knabe im Kadettenkorps zu Kassel. Fünfzehnjährig wurde er Fähnrich in der landgräflichen Fußgarde. Als er wegen einer angeblichen Subordinationsverletzung strafversetzt wurde, quittierte er den Dienst und ließ sich als Gemeiner von der k.u.k. Armee anwerben. Auf dem Marsch des Rekrutenkontingents durch Coburg fiel er dem Prinzen Josias von Coburg auf, der sich seine Geschichte erzählen ließ und ihm sogleich ein coburgisches Leutnants-Patent verlieh. 1790 nahm er als Freiwilliger mit den österreichischen Truppen an der Bekämpfung des Aufstandes in den Niederlanden teil. Wegen seines ausgezeichneten Verhaltens in diesem Feldzug nahm ihn der Landgraf von Hessen-Kassel wieder in seinen Dienst. Als Leutnant im hessischen Feldjägerkorps machte er 1792/93 die Feldzüge gegen die Franzosen mit. Dann verließ er abermals den hessischen Dienst, um Kammerherr des Prinzen Ferdinand von Preußen zu werden.

General Baron v. Wintzingerode

Doch seinem unruhigen Charakter behagte das Hofleben nicht und er trat nach wenigen Monaten wieder als Leutnant in österreichische Dienste. Er machte den Krieg von 1795/96 auf dem Kriegsschauplatz in Deutschland mit und zeichnete sich vor allem bei Amberg aus. Nach dem Frieden von Campoformio (17. Oktober 1797) nahm er eine ihm angebotene Majorsstelle in der russischen Armee an. Dort gewann er bald als Adjutant eines Großfürsten das Vertrauen der Zarenfamilie. Im Jahre 1800 erhielt er die Erlaubnis, mit dem österreichischen Heer am Krieg in Italien teilzunehmen. Mit hohen Auszeichnungen, aber auch mit einer schwer verletzten Hand kehrte er zu Kriegsende nach Russland zurück. Als Generaladjutant des Zaren Alexander I. führte er in den folgenden Jahren diplomatische und militärische Aufträge durch.

So ging er 1805 als Gesandter nach Berlin, um Preußen zur Allianz mit Österreich und England gegen Frankreich zu bewegen, sodann nach Wien, um das Traktat mit den verbündeten Mächten abzuschließen, und befand sich während des Kriegs in der Begleitung des Kaisers.

1805 mit russischen Truppen in Österreich kämpfend, erwarb er am 11. November in der Schlacht von Dürnstein den St. Georgsorden. In der "Dreikaiserschlacht" bei Austerlitz, die in dem Roman "Krieg und Frieden" von Leo Tolstoi thematisiert wird, befand er sich im Gefolge des Zaren. Den Oberbefehl über die russischen Truppen hatte Fürst Kutusow. 1809 wechselte er – nunmehr bereits Generalmajor – abermals den Dienst und trat wieder in das österreichische Heer ein. Bei Aspern führte er am 20. Mai die Vorhutbrigade des I. Armeekorps des Generals Bellegarde. Beim Sturm auf die französische Stellung zerschmettete ihm eine Kartätschenkugel das rechte Bein. Noch auf dem Schlachtfeld beförderte ihn Erzherzog Carl zum Feldmarschallleutnant. Mit dem Maria-Theresien-Orden ausgezeichnet, kehrte er 1812 nach Russland zurück.

Nun kämpfte er als russischer General gegen Napoleon. Während der französischen Besetzung Moskaus geriet er kurzfristig in französische Gefangenschaft. Napoléon Bonaparte wollte ihn als vermeintlichen Untertan eines Rheinbundfürsten erschießen lassen. Schon am 20. November wurde er zwischen Minsk und Vilnius von General Tschernyschew befreit, worauf er das Kommando des 2. Korps der russischen Hauptarmee erhielt.

1813 befehligte er in der Schlacht bei Großgörschen den linken Flügel der Verbündeten. Nach dem Waffenstillstand stieß er mit seinem Korps zur Nordarmee und hatte Anteil an den Siegen von Großbeeren und Dennewitz. Bei der Völkerschlacht bei Leipzig erwarb er sich den Rang eines russischen Generals der Kavallerie. Auch im späteren Verlauf des Feldzugs blieb er der Nordarmee zugeteilt, ging mit dieser nach Holland, vereinigte sich später bei Laon mit Blücher, befehligte dann die Avantgarde, nahm Reims und mit Soissons die letzte französische Festung vor Paris und stellte die Verbindung des Blücherschen Heers mit dem Schwarzenbergschen her.

Nach der Schlacht von Arcis sur Aube folgte er dem Heer Napoleons nach Osten, wodurch er denselben in der Meinung zu erhalten wusste, dass ihm die ganze Hauptarmee folge. Am 26. März 1814 wendete sich aber der Kaiser gegen den Verfolger, und Wintzingerode wurde bei Saint-Dizier geschlagen, während die Alliierte Hauptarmee drei Tage Zeit gewann, um nach Paris zu gelangen.

Von preußischer Seite wurde ihm Unentschlossenheit vorgeworfen. So urteilte August Neidhardt von Gneisenau über ihn: "Es geht nicht an, Bülow unter Wintzingerode zu stellen, einen General von so wenig Entschlossenheit und selbst vielleicht wenig gutem Willen." Zar Alexander I. äußerte dagegen nach der Einnahme von Paris, diese danke er dem General Wintzingerode und verlieh ihm zum Dank einen brillantbesetzten Ehrendegen.

Im Feldzug von 1815 befehligte er ein russisches Korps gegen Frankreich. Nach Kriegsende war er kommandierender General in Wolhynien und Weißrussland.

Während eines Aufenthalts in Wiesbaden erlag er mit noch nicht 50 Jahren am 16. Juni 1818 einem Schlaganfall. Sein von Alexander I. gestiftetes Grabmal steht als letztes des alten Friedhofs am Römertor noch heute und trägt die Inschrift: "Sein Leben liegt faltenlos und leuchtend ausgebreitet, kein dunkler Flecken blieb darin zurück."

In Wien ist die Wintzingerodestraße im 22. Bezirk und im Leipzig der Wintzingerodeweg, eine Anliegerstraße im Stadtteil Meusdorf, nach ihm benannt. Außerdem gibt es in Hannover den Winzingerodeweg (ohne "t").

Wintzingerode war seit dem 19. September 1801 mit der polnischen Gräfin Helene Rostworowska (1783-1829) verheiratet. Sein gleichnamiger Sohn (1809−1886) trat ebenfalls in russische Militärdienste und avancierte bis zum Generalleutnant.

Literatur

  • Bernhard von Poten: Wintzingerode, Ferdinand Freiherr von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 43, Duncker & Humblot, Leipzig 1898, S. 503–505.
  • Hans Demme / Karl-Heinz Kabisch, Ferdinand Freiherr von Wintzingerode, russischer General und deutscher Patriot (Sonderausgabe der Eichsfelder Heimathefte), Worbis 1986.
  • Walter Prochaska, Ferdinand, Freiherr von Wintzingerode. Ein General der Befreiungskriege, ISBN 3-929413-35-3
  • Wilhelm Clothar Freiherr von Wintzingerode, General der Kavallerie Ferdinand Freiherr v. Wintzingerode, Ein Lebensbild aus den napoleonischen Kriegen, Arolsen 1902.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Ferdinand von Wintzingerode — Naissance 15 février 1770 Allendorf Décès 16 juin 1818 …   Wikipédia en Français

  • Ferdinand von Wintzingerode — Ferdinand, Freiherr of Wintzingerode (15 February 1770, Allendorf 16 June 1818, Wiesbaden) was a German nobleman and officer in several different armies of the Napoleonic Wars, finally ending up as a general in the Imperial Russian army and… …   Wikipedia

  • Ferdinand Carl Freiherr von Wintzingerode-Kirchohmfeld — Ferdinand Frhr. v. Wintzingerode Ferdinand Freiherr von Wintzingerode (* 15. Februar 1770 in Allendorf an der Werra; † 16. Juni 1818 in Wiesbaden) war ein deutscher Adliger und Offizier in verschiedenen Heeren, zuletzt General der russischen… …   Deutsch Wikipedia

  • Ferdinand Carl von Wintzingerode-Kirchohmfeld — Ferdinand Frhr. v. Wintzingerode Ferdinand Freiherr von Wintzingerode (* 15. Februar 1770 in Allendorf an der Werra; † 16. Juni 1818 in Wiesbaden) war ein deutscher Adliger und Offizier in verschiedenen Heeren, zuletzt General der russischen… …   Deutsch Wikipedia

  • Grafen von Wintzingerode — Wappen der von Wintzingerode Wintzingerode ist ein deutsches Uradelsgeschlecht, das sich nach der Gemeinde Wintzingerode (jetzt ein Ortsteil der Stadt Leinefelde Worbis) im Eichsfeld benannte und seit 1668 in zwei Linien unterteilt ist.… …   Deutsch Wikipedia

  • Adolph von Wintzingerode — Adolph Ferdinand Karl Freiherr von Wintzingerode (* 16. Februar 1801 in Hanau; † 18. März 1874 in Bonn) war ein königlich preußischer Generalleutnant. Seine Familie stammte aus dem heute thüringischen Eichsfeld. Er war der zweitälteste Sohn des… …   Deutsch Wikipedia

  • Carl Friedrich Heinrich Levin von Wintzingerode — Carl Friedrich Heinrich Levin Graf von Wintzingerode[1] (fälschlich auch Heinrich Karl Friedrich Levin von Wintzingerode[2], * 16. Oktober 1778 in Kassel; † 15. September 1856 in Bodenstein) war ein württembergischer Staatsminister, Erb und… …   Deutsch Wikipedia

  • Heinrich Karl Friedrich Levin Graf von Wintzingerode — Carl Friedrich Heinrich Levin Graf von Wintzingerode (* 16. Oktober 1778 in Kassel; † 15. September 1856 in Bodenstein) war ein württembergischer Staatsminister, Erb und Gerichtsherr zu Bodenstein. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Siehe auch 3… …   Deutsch Wikipedia

  • Heinrich Karl Friedrich Levin von Wintzingerode — Carl Friedrich Heinrich Levin Graf von Wintzingerode (* 16. Oktober 1778 in Kassel; † 15. September 1856 in Bodenstein) war ein württembergischer Staatsminister, Erb und Gerichtsherr zu Bodenstein. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Siehe auch 3… …   Deutsch Wikipedia

  • Wintzingerode (Adelsgeschlecht) — Wappen der von Wintzingerode Wintzingerode ist ein deutsches Uradelsgeschlecht, das sich nach der Gemeinde Wintzingerode (jetzt ein Ortsteil der Stadt Leinefelde Worbis) im Eichsfeld benannte und seit 1668 in zwei Linien unterteilt ist.… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”