Ferdinand von Rothschild

Ferdinand von Rothschild
Stammhaus in der Frankfurter Judengasse

Die Rothschilds waren im 19. Jahrhundert eine Bankiersfamilie jüdischer Herkunft mit Stammsitz in Frankfurt am Main. Sie zählten im 19. Jahrhundert zu den einflussreichsten Bankiers und wichtigsten Finanziers der europäischen Staaten. Noch heute ist das Bankhaus durch seine Nachfolgeinstitute eine international bedeutende, nun hauptsächlich im Investmentbanking tätige Bank.

Inhaltsverzeichnis

Mayer Amschel Rothschild

Mayer Amschel Rothschild (* 23. Februar 1744; † 19. September 1812 in Frankfurt am Main) war der Begründer der Rothschilddynastie. Dessen Vorfahren lebten seit spätestens Mitte des 16. Jahrhunderts im jüdischen Ghetto der Stadt Frankfurt, der Judengasse. Die Häuser in der Judengasse waren nicht durch Hausnummern, sondern durch verschiedenfarbige Schilder oder besondere Warenzeichen gekennzeichnet. Da die Familie über Generationen in dem „Haus zum Roten Schild“ wohnte, etablierte sich bereits im 17. Jahrhundert der Familienname „Rothschild“. Daran änderte sich auch nichts, als man 1664 in das „Haus zur Hinterpfann“ zog. Mayer Amschels Vater, Amschel Moses Rothschild, betrieb in der Judengasse ein Geschäft für den Handel mit Kleinwaren und Geldwechsel.

Sein Sohn Mayer Amschel ging zunächst auf eine jüdische Elementarschule in der Judengasse. Vermutlich in der Absicht Rabbiner zu werden, besuchte er danach eine jüdische Hochschule (eine „Jeschiwa“) in Fürth. Nach dem Tod seines Vaters 1755 musste er aber sein Studium wieder abbrechen. Stattdessen ging er für einige Jahre nach Hannover zu dem angesehenen Bankhaus Oppenheimer, um dort eine eingehende Einführung in die Bankpraxis zu erhalten. Wieder nach Frankfurt zurückgekehrt, machte sich Mayer Amschel um 1764 zwanzigjährig in der Judengasse als Münz- und Wechselhändler selbständig. Begünstigt durch die, aus seiner Zeit bei Oppenheimer stammende Bekanntschaft mit dem Münzsammler General von Estorff, konnte Mayer Amschel in den folgenden Jahren wiederholt wertvolle Münzen an das Münzkabinett des Erbprinzen Wilhelm von Hessen in Hanau verkaufen. Dies eröffnete Mayer Amschel bald die Möglichkeit sich dort erfolgreich um den Titel eines Hoffaktoren zu bewerben. Somit konnte er am 21. September 1769 die Plakette mit dem Wappen von Hessen-Hanau und der Inschrift „M. A. Rothschild, Hoflieferant Seiner Erlauchten Hoheit, Erbprinz Wilhelm von Hessen, Graf von Hanau“ vor seinem Geschäft anbringen. Dieser Titel war zwar nicht mit besonderen Rechten verbunden, erwies sich aber für Mayer Amschel als prestigeträchtige Referenz gegenüber seinen Kunden.

Am 29. August 1770 heiratete Mayer Amschel Gutle Schnapper (* 23. August 1753; † 7. Mai 1849), die eine erhebliche Mitgift in die Ehe einbrachte. Das Paar bekam zwischen 1771 und 1792 fünf Töchter und fünf Söhne. Ein wachsendes Einkommen ermöglichte es der ebenfalls wachsenden Familie 1785 das „Haus zum Grünen Schild“ zu erwerben, einem der größten Häuser in der Judengasse. Es wurde zum Stammhaus der Rothschilddynastie. Der Angriff Österreichs und anderer Staaten auf Frankreich 1792, eröffnet Rothschild neue, interessante Geschäftsfelder. Zum einen wurde er gleich zu Kriegsbeginn ein wichtiger Lieferant des kaiserlich-österreichischen Heeres, zum anderen stieg er 1795 in den Import von Produkten aus England (z. B. Tuche) und dessen Kolonien (z. B. (Indigo, Arrak) ein. Der Krieg erschwerte zwar das Geschäft, versprach aber umso höhere Gewinnspannen.

Der Aufstieg

Der geschäftlich ganz große Durchbruch erfolgte jedoch auf einem ganz anderen Feld. Im Jahr 1789 gelang Mayer Amschel Rothschild erstmals ein bedeutender Einstieg in das Bankgeschäft, als er mit Wilhelm, der seit 1785 als Landgraf Wilhelms IX. von Hessen-Kassel in Kassel residierte, ein Wechseldiskontgeschäft abschließen konnte. Wilhelm IX. war einer der reichsten Fürsten im Heiligen römischen Reich Deutscher Nation. Die Grundlage dieses Vermögens legte Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel, der Vater Wilhems IX., mit dem Verkauf hessischer Soldaten für den Kampf der englischen Krone gegen die nach Unabhängigkeit strebenden Nordamerikaner. Der Umfang der Finanzgeschäfte mit dem Landgrafen wuchsen zunächst aber nur langsam an. Erst mit der Beteiligung Rothschilds an dem Verkauf einer Geldanleihe an den Landgrafen im Jahr 1800, begannen die Bankgeschäfte erheblich im Umfang zu wachsen. Die Ernennung Mayer Amschel Rothschilds 1801 zum Hoffaktor von Hessen-Kassel unterstrich dessen steigende Bedeutung für die Finanzgeschäfte Wilhelms. 1804 konnte Rothschild erstmals alleine eine Staatsanleihe auflegen und verkaufen. Es handelte sich dabei um eine Anleihe des dänischen Staats, die Rothschild zur Gänze an den 1803 zum Kurfürsten aufgestiegenen Wilhelm vermitteln konnte.

Entscheidend für den wachsenden Erfolg Mayer Amschel Rothschilds bei den Finanzgeschäften mit dem Kurfürsten Wilhelm I. war dessen wichtigster Finanzberater und Vermögensverwalter, Carl Friedrich Buderus. Mit diesem hatte Rothschild bereits in der Zeit als Hoffaktor in Hanau enge Beziehungen geknüpft. Beide Männer verband der Aufstieg aus bescheidenen sozialen Verhältnissen. Je weiter Buderus am Hof Wilhelms aufstieg, desto mehr sorgte er dafür, dass die etablierten Bankiers des Kurfürsten (z. B. Bethmann) zu Gunsten Rothschilds verdrängt wurden.

Als Kassel 1806 von französischen Truppen besetzt wurde und Wilhelm I. sich fluchtartig ins Exil (erst in das Herzogtum Schleswig, damals Teil Dänemarks, dann nach Prag, damals Teil des österreichischen Kaiserreichs) begeben musste, gelang es Buderus unter großen Schwierigkeiten den größten Teil des immensen Geldvermögens des Kurfürsten vor dem französischen Zugriff zu retten. Als nunmehr wichtigster Finanzberater des Kurfürsten, nutzte Buderus ab 1807 ausschließlich die Dienste Mayer Amschel Rothschilds und seiner fünf Söhne Amschel, Salomon, Nathan, Kalman und Jakob. Bis zur Vertreibung der Französischen Armee aus dem Kurfürstentum 1813, wickelten diese in ganz Europa Wilhelms Finanztransaktionen diskret und zuverlässig ab.

Eine zentrale Rolle spiele hierbei Mayer Amschels Sohn, Nathan Mayer Rothschild, der 1798 nach England ausgewandert war. Der größte Teil des kurfürstlichen Vermögens bestand aus englischen Staatsanleihen. Die jährlichen Zinsen hierfür wurden jedoch in London ausgezahlt und konnten infolge von Krieg und Kontinentalsperre nur schwer an den Kurfürsten übermittelt werden. Nathan erhielt daher 1809 den Auftrag für die Dauer des Krieges die anfallenden Zinszahlungen neu anzulegen. Er verfügte somit für einige Jahre über erhebliche Geldsummen, deren Verwendung der Kurfürst kaum kontrollieren konnte.

Der Krieg und das Exil des Kurfürsten wurden so zum Glücksfall für die Rothschilds. Dank Buderus, konnten sie als nunmehr einziges Bankhaus weitgehend frei mit den gewaltigen Geldmitteln Wilhelms I. arbeiten und so die finanzielle Grundlage für den weiteren Aufstieg ihres Hauses legen.

Die zunehmende Größe, Komplexität und Internationalität seiner Geschäfte, veranlassten Mayer Amschel Rothschild 1810 sein Unternehmen auf eine breitere Basis zu stellen. In einem neuen Gesellschaftervertrag nahm er seine Söhne als vollwertige Geschäftspartner in das Unternehmen auf. Der Vater stand zwar weiterhin an der Spitze des Unternehmens, die Last der alltäglichen Arbeit lag aber nun auf den Schultern der Söhne. Als nach Außen sichtbares Zeichen der Neuerungen, hieß die Firma fortan „Mayer Amschel Rothschild und Söhne“.

Mayer Amschel konnte sich nun stärker um ein anderes Anliegen kümmern, der Emanzipation der Frankfurter Juden. Wiederholte schriftliche Interventionen bei dem von Napoleon eingesetzten Großherzog von Frankfurt, Karl Theodor von Dalberg, führten schließlich am 7. Februar 1811 zur Verkündung eines Emanzipationsediktes. Damit wurden die Frankfurter Schutzjuden den übrigen Bürgern rechtlich gleichgestellt. Bevor aber das Edikt Rechtskraft erlangte konnte, musste die jüdische Gemeinde beträchtliche Geldsummen an die Stadt Frankfurt zahlen. Kurz vor seinem Tod am 16. September 1812 wurde Mayer Amschel schließlich noch Mitglied des Wahlkollegiums Frankfurts.

In seinem Testament verfügte Mayer Amschel Rothschild, das Familienunternehmen als Ganzes zu erhalten. Für seine Führung legte er ein strenges Reglement fest:

  • Alle Schlüsselpositionen sind mit Familienmitgliedern zu besetzen.
  • An Geschäften dürfen nur männliche Familienmitglieder teilnehmen.
  • Der älteste Sohn des ältesten Sohnes soll Familienoberhaupt sein, soweit die Mehrheit der Familie nicht anders entscheidet.
  • Es soll keine juristische Bestandsaufnahme und keine Veröffentlichung des Vermögens geben.


Die erste Generation

Nach dem Tod von Mayer Amschel Rothschild stiegen dessen inzwischen geadelten Söhne binnen weniger Jahrzehnte zu den führenden Bankiers Europas auf. Sie finanzierten Staaten, Unternehmen, Eisenbahnen und den Bau des Suezkanals. Die fünf Niederlassungen in Frankfurt, Wien, London, Paris und Neapel operierten zwar unabhängig voneinander, waren jedoch durch einen alle fünf Jahre überarbeiteten und erneuerten Vertrag miteinander verbunden. Geschäftliche Operationen erfolgen meist in enger Zusammenarbeit. Die erzielten Gewinne wurden sowohl nach Leistung und als auch nach familiären Verpflichtungen unter den Brüdern und ihren Nachkommen aufgeteilt. Trotz immer wieder auftretenden Interessenkonflikten, erneuerten die verschiedenen Familienzweige bis 1905 den Partnervertrag stets aufs neue.


Amschel Mayer Rothschild

Amschel Mayer Rothschild (1773–1855) wurde nach dem Tod seines Vaters neues Familienoberhaupt und übernahm die Leitung des Frankfurter Bankhauses "M.A. Rothschild & Söhne". Dieses war zugleich auch das Mutterhaus der Rothschildbanken in London, Paris, Wien und Neapel. Als der vorsichtigste der fünf Söhne Mayer Amschel Rothschilds, war er stets um die Liquidität der Bank besorgt, ging Risiken möglichst aus dem Weg und bevorzugte eher kleinere Geschäfte. Außerdem versuchte er die europaweit stark wachsenden Geschäfte der Familie Rothschild abzubremsen, was wiederholt zu Streitigkeiten zwischen den Brüdern führte. Amschel Mayer Rothschild konzentrierte sich auf die Fortsetzung der Tätigkeit als Hoffaktor verschiedener deutscher Fürsten. Die von seinem Vater mit Hilfe von Carl Friedrich Buderus aufgebauten Beziehung zum Hof von Hessen-Kassel spielten dabei eine besonders wichtige Rolle. Daneben war Amschel Mayer Rothschild auch Schatzmeister und Finanzier des Deutschen Bundestages in Frankfurt. Seine guten Beziehungen zu fast allen deutschen Mittel- und Kleinstaaten halfen M.A. Rothschild & Söhne zwischen 1820 und 1830 das Bankhaus Gebrüder Bethmann als im deutschsprachigen Raum führenden Emittenten von Staatsanleihen zu verdrängen. Trotz dieses Erfolges verlor das Mutterhaus in Frankfurt bereits unter der Leitung Amschel Mayer Rothschilds im Vergleich mit den stark expandierenden Rothschildbanken in London und Paris an Bedeutung. Dennoch blieben Letztere offiziell nur Filialen von M.A. Rothschild & Söhne. Solange Gutle Rothschild (* 23. August 1753; † 7. Mai 1849), die Mutter der fünf Brüder Rothschild, noch lebte, blieb Frankfurt auch der Hauptversammlungsort der stetig anwachsenden Familie Rothschild.


Salomon Rothschild

Salomon Rothschild (1774–1855) war der Begründer der österreichischen Linie. Erste geschäftliche Erfolge erzielte er 1815, ab 1820 (Beteiligung an einer Anleihe des Bankhauses Parish) wuchs er in die Rolle des größten Finanziers des Metternich’schen Regimes und des Deutschen Bundes hinein. Salomon Meyer Rothschild, dem zu Beginn seiner Karriere noch der Besitz von Grund und Boden verboten war, wurde 1822 zum Freiherren geadelt und zu einem der größten Grundbesitzer des Landes. 1835 erhielt er die Konzession für die Errichtung der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn und baute im Zusammenhang auch die Witkowitzer Eisenwerke auf. Die aus seinem Bankhaus 1855 entstandene Creditanstalt stand bis in die 1930er Jahre unter Rothschild’schem Einfluss.

Nathan Rothschild

Nathan Mayer Rothschild (1777–1836) ging zwischen 1790 und 1800 als Textilkaufmann nach Manchester. 1808 gründete er die Bank N.M. Rothschild & Sons in London, die noch heute erfolgreich arbeitet. Nathan investierte Wilhelms Soldatengeld in Gold der Ostindischen Gesellschaft, welches für spätere Feldzüge Wellingtons benötigt wurde. Durch den Kauf und Wiederverkauf von Wellington-Aktien, den Verkauf und Rückkauf des Goldes an Wellington, dessen Versand nach Portugal und den Schmuggel während der Kontinentalsperre erwirtschaftete er ein Vermögen. Er wurde zum einflussreichsten Finanzier der britischen Regierung. Über Nathan Rothschild ist folgende Begebenheit bekannt: Mittels eines effizienten Informationsdienstes wusste er vor dem britischen Premierminister vom Ausgang der Schlacht bei Waterloo, woraufhin er seine Aktien verkaufte. Die Anleger glaubten, so die Geschichte, er sei im Besitz von Information über eine britische Niederlage, weshalb sie ihm beim Verkaufen der Aktien folgten. Nachdem die Kurse der Wertpapiere in den Keller gesunken waren, kaufte er sie wieder auf und nahm den vollen Kursanstieg mit, den die Nachricht vom Sieg der Briten mit sich brachte. Guy de Rothschild, aus der französischen Rothschild-Linie, erklärte in seiner Autobiographie „Geld ist nicht alles” von 1982, dass dieser Mythos frei erfunden sei.


Carl Mayer Rothschild

Kalman Rothschild (1788–1855) ging in Salomons Auftrag 1821 nach Neapel. Dort hatte er die Finanzen der österreichischen Truppen zu überwachen. Er eröffnete die sizilianische Rothschild-Dependance, welche jedoch nur bis 1863 existierte. Kalman nannte sich später Carl Mayer von Rothschild.

Jakob Rothschild

Jakob Rothschild (1792–1868) war der jüngste der Brüder. Er ging 1812 nach Paris und etablierte dort Rothschild Frères zu einer der ersten Bankadressen und nannte sich fortan James de Rothschild. Als Berater von zwei französischen Königen wurde er der einflussreichste Bankier des Landes. In den folgenden Kriegen unter Napoléon III. spielte er eine wichtige Rolle bei der Finanzierung des Eisenbahnbaus und dem Bau von Bergwerken, was Frankreich dabei half, den wirtschaftlichen Rückschlag nach dem verlorenen Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871 zu überwinden und zu einer Industriemacht zu werden. 1982 wurde die Bank zusammen mit anderen Banken durch die Regierung François Mitterrands verstaatlicht. Das Nachfolgeinstitut Rothschild & Cie Banque ist eine Neugründung durch David René de Rothschild, sie stellt heute den französischen Teil der Rothschild Bankgruppe.

Verwandtschaftsheiraten

Als sich aus den Niederlassungen der fünf Söhne Mayer Amschel Rothschilds eigenständige Familienzweige herauszubilden begannen, stieg in der Familie Rothschild das Bedürfnis den Zusammenhalt auch für die Zukunft zu sichern. Enge Familienbande wurden als Voraussetzung für den Erhalt der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Spitzenposition der Familie betrachtet. Man übernahm daher den in der europäischen Oberschicht bis in das 19. Jahrhundert üblichen Brauch Vettern und Cousinen des ersten und zweiten Grades gezielt miteinander zu verheiraten (siehe Parallelkusinenheirat und Kreuzkusinenheirat. Den Anfang machte James de Rothschild am 11. Juli 1824, als er die Tochter seines Bruders Salomon, Betty von Rothschild, in Frankfurt heiratete. In der Generation der Kinder und Enkel der fünf Brüder wurde die Verwandtschaftsheirat fast zur Regel. So blieb nicht nur der Zusammenhalt gewahrt, auch die beträchtlichen Mitgiften blieben in der Familie. Zudem konnte der Einfluss Fremder auf das Familiengeschäft verhindert und die Beibehaltung des jüdischen Glaubens gesichert werden.

Kommunikation

Im Gegensatz zu heute war es im 19. Jahrhundert sehr schwierig und kostenintensiv schnell und zuverlässig geschäftsrelevante Informationen zu beschaffen. Somit mussten auch die fünf Söhne von Mayer Amschel Rothschild ihr Informationsnetzwerk in demselben Maß entwickeln und ausbauen, wie sie ihre Aktivitäten über ganz Europa ausweiteten. Beginnend in den letzten Jahren der napoleonischen Herrschaft tauschten die fünf Brüder nahezu täglich private und geschäftliche Korrespondenz aus. Schnell erweiterte man das Netzwerk auch auf außerfamiliäre Personen, in der Regel andere Bankiers, zu denen man besonders vertrauensvolle Geschäftsbeziehungen pflegte (z. B. Sal Oppenheim in Köln, Bleichröder in Berlin). Einige dieser so genannten "Agenten" gab es auch außerhalb Europas. Während Briefe der Rothschilds untereinander bis in die 1850er Jahre fast ausschließlich in Jiddisch abgefasst waren, schrieben familienfremde Kontaktpersonen meist auf Deutsch und Französisch und ab den 1830er Jahren auch in Englisch. Um ein möglichst hohes Maß an Schnelligkeit und Geheimhaltung zu gewährleisten, bauten die Rothschilds ein eigenes, effektives, aber auch kostenintensives Kuriersystem auf. Zum Transport wurden Pferde, Kutschen, Brieftauben und Schiffe eingesetzt, die Geheimhaltung sollte durch Codewörter und Verschlüsselungen gewährleistet werden. Sehr schnell wuchs die Größe und Qualität des Nachrichtensystems der Rothschilds, so dass es nicht nur mit demjenigen von Wettbewerbern, sondern auch mit dem ganzer Staaten vergleichbar war. Der Niedergang setzte erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der Einführung von Telegrafendiensten ein, da nun Kuriersysteme einerseits technisch überflüssig waren und andererseits größere Bevölkerungskreise nun günstig, schnell und zuverlässig an Informationen gelangen bzw. diese weiterleiten konnten.

Weitere Rothschilds

nach Geburtsjahr:

  • Mayer Carl von Rothschild (1820–1886) baute in Hüttenfeld im Jahr 1853 das Schloss Rennhof.
  • Ferdinand Rothschild (1839–1899) war einer der Mitbegründer der nach ihm benannten Ferdinand Rothschild Lodge No. 2420 in Waddesdon (Buckinghamshire), England.
  • Nathaniel Charles Rothschild (1877–1923) war ebenfalls britischer Bankier und Zoologe, mit dem Spezialgebiet Insekten
  • Guy de Rothschild (1909–2007), französischer Bankier, Industrieller, Autor und im Pferdesport Engagierter.
  • Philippine de Rothschild-Sereys (* 1935), Eigentümerin des Weingutes Château Mouton-Rothschild und Anteilseignerin der „Baron Philippe de Rothschild S.A.” sowie Grande Dame des Weinbaus.
  • Miguel Rothschild (* 1963), argentinischer Künstler, der heute in Berlin lebt und arbeitet.

Siehe auch

Weingüter

Die Weingüter der Familie genießen bis heute Weltruf. Nathaniel de Rothschild, dritter Sohn Nathans, erwarb 1853 Château Brane-Mouton. James erwarb 1868, kurz vor seinem Ableben, das renommierte Château Lafite-Rothschild. Edmond Rothschild wiederum wurde 1873 Eigentümer des Château Clarke. Eine Sammlung von über 15.000 Flaschen an Rothschild-Weinen findet sich im englischen Waddesdon Manor, einem in seiner Architektur, Gartenanlage und Kunstsammlung einmaligen Familiensitz der Rothschilds, 1874 errichtet von Ferdinand von Rothschild.

Schlösser

James de Rothschild baute zwischen 1855 und 1859 das Schloss Ferrières.

Nathaniel Meyer von Rothschild ließ Ende des 19. Jahrhunderts das Schloss Rothschild in Reichenau an der Rax (Niederösterreich) errichten, auch bekannt als Schloss Hinterleiten.

Schloss Rennhof in Hüttenfeld wurde von Mayer Carl von Rothschild im Jahr 1853 erbaut. Heute beherbergt es das Litauische Gymnasium Hüttenfeld.

Albert Salomon Anselm von Rothschild ließ 1879–1884 nach den Plänen von Gabriel-Hippolyte Destailleur sein Palais Albert Rothschild in der Wiener Prinz-Eugen-Straße errichten.

Das Rothschildschloss in Waidhofen an der Ybbs in Niederösterreich beherbergte im Jahr 2007 die Niederösterreichische Landesausstellungen.

Verschwörungstheorien

Die Familie Rothschild war und ist bis heute Gegenstand mehr oder weniger verdeckt antisemitischer Verschwörungstheorien. In unterschiedlichen Versionen wird behauptet, die Rothschilds leiteten oder beteiligten sich an einer entweder jüdischen, freimaurerischen, illuminatischen oder außerirdischen Verschwörung, häufig mit den in diesem Umfeld üblichen Ähnlichkeiten oder unkritischen Bezugnahmen auf die längst als Fälschung entlarvten Protokolle der Weisen von Zion. Ebenfalls als Quelle für derartige Theorien werden die allgemein nicht als authentisch angesehenen so genannten Rakowski-Protokolle genannt.

Das Bankhaus Rothschild heute

Logo

Durch die Fusion der Bankaktivitäten des britischen und französischen Zweiges der Familie Rothschild im Januar 2008 wurde die Gesellschaft „Paris Orléans SA.“ zur zentralen Holdinggesellschaft für die Geschäfte der Familie in den vier Bereichen: Investment-Banking, Corporate-Banking, Private-Banking (Vermögensverwaltung) und Private-Equity (Unternehmensbeteiligungen). Das Unternehmen wurde 1838 gegründet und war ursprünglich eine Eisenbahngesellschaft. Es ist an der Börse Euronext in Paris notiert (ISIN FR0000031684). Das Aktienkapital wird zu 61,1 % von der Familie Rothschild kontrolliert (Stand Ende März 2008). Der Rest der Aktien ist über die Börse breit gestreut. Während David de Rothschild dem Vorstand angehört, steht sein Vetter Eric de Rothschild dem Aufsichtsrat vor. Die wichtigsten Tochtergesellschaften im Bankbereich sind:

  • NM Rothschild & Sons Ltd, London
  • Rothschild & Cie. Banque, Paris
  • Rothschild Bank AG, Zürich

Die Bankgruppe hat insgesamt fast 50 Büros in mehr als 30 Ländern auf fünf Kontinenten und beschäftigt mehr als 2.000 Angestellte weltweit. Im Bereich Investment-Banking hat sich Rothschild besonders auf die M&A-Beratung spezialisiert. Bis zum Jahr 2000 hat Rothschild u. a. fast 40 Regierungen im Rahmen von Privatisierungen beraten. Unter anderem wurden folgende Geschäfte durch Rothschild in den vergangenen Jahren beraten:

  • 7 Milliarden € Verkauf von Viterra durch E.ON
  • 6,6 Milliarden € Verkauf von Wella an Procter & Gamble
  • 3 Milliarden € Aufkauf der Dial Corp. durch Henkel
  • 469 Millionen € Aufkauf von König und Licher Brauereien der Holsten AG durch Bitburger
  • 180 Millionen € Aufkauf von Scout24 AG (Schweiz) durch T-Online
  • Berater Deutsche Bahn (Verkauf von Mitropa AG-Anteilen an Compass Grp. plc.)

(Die Beträge stellen das Geschäftsvolumen der Übernahmen dar, nicht die Honorare für die Finanzberatung)

Ferner war Rothschild Berater bei der Übernahme der Mannesmann AG durch Vodafone, bei dem Börsengang und An- und Verkauf des Kabelnetzes der Deutschen Telekom und T-Online, Deutsche Post, E.ON und bei der Bildung der ProSiebenSat.1 Media AG durch KirchMedia sowie Beratung von Saban Capital Group (2003). Außerdem waren sie Insolvenzberater der PFAFF Industrie Maschinen AG beim Verkauf an Viking Sewing Machines AB und Berater des Flugzeug- und Rüstungskonzerns EADS.

Neben den Bankaktivitäten, hält die Firma Paris-Orleans SA noch eine Reihe von Unternehmensbeteiligungen in anderen Wirtschaftsbereichen. Dazu zählen u. a. (Stand Ende März 2008):

  • Les Domaines Barons de Rothschild, Paris: Besitzt verschiedene führende Weingüter und verwaltet das Weingut Château Lafite-Rothschild;
  • SIACI Saint Honore, Paris: Führender französischer Versicherungsmakler;
  • Alexa Einkaufszentrum, Berlin Alexanderplatz: Immobiliengesellschaft;
  • LOOP5 Einkaufszentrum, Weiterstadt (südlich von Frankfurt a. M.): Immobiliengesellschaft.

Literatur

  • Lothar Buderus von Carlshausen, "Das Leben eines kurhessischen Beamten in schwerer Zeit", in: Hessenland. Monatsschrift für Landes- und Volkskunde, Kunst Literatus Hessens, 42. Jg., 1931;
  • Egon Caesar Conte Corti: Das Haus Rothschild. 2 Bde. Insel-Verlag, Leipzig 1927.
  • Niall Ferguson: Die Geschichte der Rothschilds. Propheten des Geldes. Aus dem Engl. 2 Bde. DVA, München-Stuttgart 2002. ISBN 3-421-05354-5
  • Georg Heuberger (Hrsg.): Die Rothschilds. Eine europäische Familie. Jan Thorbecke Verlag, Sigmaringen 1995, ISBN 3-7995-1201-2;
  • Georg Heuberger (Hrsg.): Die Rothschilds. Beiträge zur Geschichte einer europäischen Familie. Jan Thorbecke Verlag, Sigmaringen 1995, ISBN 3-7995-1202-0;
  • Joachim Kurz: Die Rothschilds und der Wein. Eine Erfolgsgeschichte aus Bordeaux. Econ Verlag, Berlin 2006. ISBN 3-430-30005-3
  • Thomas Lau (Hrsg.): Österreichische Familien. Machthaber, Mimen und Magnaten. Böhlau, Wien 2006. ISBN 978-3-205-77543-0 (Enthält ein Kapitel über die Familie Rothschild)
  • Rainer Liedtke, NM Rothschild & Sons - Kommunikationswege im europäischen Bankenwesen im 19. Jahrhundert, Böhlau Verlag 2006, ISBN 3-412-36905-5
  • Frederic Morton: Die Rothschilds. Ein Portrait der Dynastie. Aus dem Amerikanischen von Hans Lamm und Paul Stein. Aktualisiert von Michael Freund. Franz Deuticke, Wien 1992. ISBN 3-216-07896-5
  • Bernhard Schmidt: Rothschild. In: Frankreich-Lexikon. Hrsg. v. B. S., Jürgen Doll, Walther Fekl, Siegfried Loewe, Fritz Taubert. Erich Schmidt, Berlin 2005. ISBN 3-503-06184-3
  • Derek Wilson: Die Rothschilds. Eine Geschichte von Ruhm und Macht bis in die unmittelbare Gegenwart. Aus dem Englischen von Gunther Martin. Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG., München 1994, ISBN 3-453-07326-6.

Weblinks


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