Fahrzeugfabrik Eisenach

Fahrzeugfabrik Eisenach

50.98111111111110.3219444444447Koordinaten: 50° 58′ 52″ N, 10° 19′ 19″ O

Der VEB Automobilwerk Eisenach (kurz AWE) war ein Automobilhersteller im thüringischen Eisenach. Das 1896 als Fahrzeugfabrik Eisenach gegründete Werk wurde 1928 von den Bayerischen Motoren Werken AG übernommen und nach dem Zweiten Weltkrieg verstaatlicht. 1953 erhielt das Werk den endgültigen Namen VEB Automobilwerk Eisenach und produzierte den Wartburg. Das Unternehmen wurde 1991 von der Treuhandanstalt geschlossen. Gleichzeitig eröffnete Opel ein Werk in Eisenach, das die Tradition der Autoindustrie in der Stadt fortführt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Fahrzeugfabrik Eisenach

Wartburg-Motorwagen 1898

Am 3. Dezember 1896 gründete der Industrielle Heinrich Ehrhardt mit Hilfe eines Bankenkonsortiums die Fahrzeugfabrik Eisenach (FFE) als Aktiengesellschaft. Nachdem anfänglich Geschütze und Fahrräder der Marke Wartburg hergestellt wurden, folgte bereits 1898 die Produktion des ersten Wartburg-Motorwagens. Dieser entsprach dem französischen Zweizylinder „Decauville“, für den Heinrich Ehrhardt die Lizenz erworben hatte. Damit war die Fahrzeugfabrik Eisenach nach den Firmen „Daimler-Motoren-Gesellschaft“, „Benz & Cie“ und „Dürkopp & Co.“ das vierte Unternehmen in Deutschland mit einer Automobilproduktion. Ehrhardts Sohn Gustav leitete das Werk in Eisenach, das schon Ende des 19. Jahrhunderts mit 1.300 Arbeitern zu den Großbetrieben in Thüringen gehörte.

1903 trat Gustav Ehrhardt nach finanziellen Verlusten und Meinungsverschiedenheiten mit den Hauptaktionären von der Firmenleitung zurück, 1904 folgte ihm sein Vater, wobei dieser die Rechte an der Decauville-Lizenz mitnahm. Im selben Jahr gab die Fahrzeugfabrik Eisenach den Markennamen Wartburg auf. Die Produkte erhielten den neuen Markennamen Dixi, der aus dem Lateinischen stammt und bedeutet „Ich habe gesprochen“. Für die technische Entwicklung der neuen Modelle Dixi zeichnete jetzt der Chefkonstrukteur Willi Seck verantwortlich.

Dixi-Automobile, wie z. B. das Flaggschiff der Vierzylindertyp Typ „U 35“ von 1907 mit 7.320 cm³ Hubraum, über 65 PS Leistung und 85 km/h Höchstgeschwindigkeit, zählten bald zu den renommiertesten Wagen und schufen sich durch ihre hohen Fahrleistungen und ihre Zuverlässigkeit einen guten Ruf. Das Dixi-Modellprogramm enthielt hauptsächlich mittelstarke und beinahe vorwiegend große, repräsentative Automobile. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges kam die erst in Schwung gekommene Automobilproduktion wieder zum Stehen. Die während des Krieges völlig auf Heereslastwagen, Munitionswagen, Sanitätskraftwagen, Protzen, Feldgeschütze, Lafetten usw. umgestellte Produktpalette endete mit dem Krieg, außerdem wurden Einrichtungen von der Alliierten Kontrollkommission demontiert. Erst Ende 1919 wurde die Automobilproduktion wieder aufgenommen.

Im Mai des Jahres 1921 kam es aufgrund einer wirtschaftlichen Krise zur Fusion der Fahrzeugfabrik Eisenach AG mit der Gothaer Waggonfabrik AG. Das Werk firmierte jetzt unter dem Namen „Fahrzeugfabrik Eisenach, Zweigniederlassung der Gothaer Waggonfabrik AG“. Der Konkurrenzkampf sowie die allgemeine Wirtschaftmisere erforderten die Abkehr von großen Modellen. Die Marke Dixi machte daher im Jahr 1927 einen Wechsel der Modellpolitik hin zum Kleinwagen, in dessen Folge mit dem Kleinwagen vom Typ 3/15 DA 1 auf eine Lizenzproduktion des seit 1922 in England erfolgreich gefertigten zweisitzigen Austin 7 zurückgegriffen wurde; ein einfaches kleines Fahrzeug mit Vierzylindermotor und dem Erscheinungsbild eines richtigen Automobils, eben der Dixi. Der Lizenzvertrag mit der Austin Motor Company galt für Produktion und Vertrieb zwischen dem 1. Januar 1927 und dem 31. Dezember 1932. Im November 1928 erwarb die Bayerische Motoren Werke AG, die damit in die Automobilproduktion einstieg, von der Gothaer Waggonfabrik, welche in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, die Fahrzeugfabrik Eisenach („Dixiwerke“) für 800.000 Reichsmark in BMW-Aktien und 200.000 Reichsmark in bar.

BMW Zweigniederlassung Eisenach

EMW 327 (mit weißrotem Emblem)
Wurde in Eisenach hergestellt: BMW 328

Als „BMW Zweigniederlassung Eisenach“ endete 1928 die Selbstständigkeit und damit später die bekannte Marke „Dixi“. Der populäre neue Dixi 3/15 änderte seinen Namen in BMW 3/15 PS. Der Name erklärt sich durch die Motorleistung von 15 PS. Die drei ergab sich aus einer komplizierten Berechnung der damals üblichen Steuer-PS. Beim 3/15 gab die Berechnung über Hubraum und Zylinderzahl den Wert 2,84 – aufgerundet eben 3. 1931 erfolgte bereits die Produktion des 25.000 Kleinwagens vom Typ BMW 3/15, von dem vier Modelle (DA 1 bis DA 4) gebaut wurden. 1932 ließ BMW den Lizenzvertrag mit Austin wenige Wochen vor Einführung des eigenen 3/20 AM-1 auslaufen. Der wurde in mehreren Stufen weiterentwickelt und bis 1934 als AM-4 gebaut. 1933 wandte man sich bei BMW von der wenig rentablen Kleinwagenproduktion ab und begann die Entwicklung und Produktion neuer Automobiltypen mit 6-Zylinder Motoren zwischen 1,2 und 3,5 Litern Hubraum.

Das erste Fahrzeug dieser Baureihe war das Cabrio BMW 303. In Folge wurden bis zum Jahre 1941 so bekannte Typen wie BMW 315, BMW 319, BMW 326, BMW 327, BMW 335, oder der elegante und erfolgreiche Sportwagen BMW 328 mit einer Gesamtstückzahl von 62.864 in Eisenach hergestellt. Aufgrund des 2. Weltkrieges erfolgte ab 1941 die Einstellung der Automobilfertigung und die Kriegsproduktion von Motorrädern begann. Daneben wurde in Eisenach seit 1937 durch die neu gegründete BMW Flugmotorenfabrik Eisenach GmbH in einem Werksneubau die Fertigung von Flugzeugmotoren durchgeführt. Am Ende des 2. Weltkriegs 1945 war das BMW-Werk in Eisenach zu 60 Prozent zerstört.

Automobilwerk Eisenach

Erste Auslieferung aus dem „volkseigenen Betrieb“ im Dezember 1948, BMW 321
BMW 340 Limousine, 1971 cm³, 55 PS, 120 km/h, mit weiß / blauem BMW-Zeichen
Die vormalige BMW 340 Limousine jetzt mit weiß / rotem Firmenzeichen als EMW 340

Nach dem Zweiten Weltkrieg ging die Leitung an die SMAD über, welche das Werk enteignet hatte, und die Fahrzeugfabrik Eisenach wurde ab dem 15. September 1946 als sowjetische Aktiengesellschaft AWTOWELO weitergeführt. Da sich praktisch noch niemand ein Auto leisten konnte, wurden zuerst Leiterwagen mit Stahlspeichen-Rädern sowie aus Heeresbeständen Aluminiumgeschirr angefertigt. Danach wurde eine Reihe der alten BMW-Modelle praktisch unverändert oder überarbeitet weitergebaut. Zwischen 1945 und Produktionsende 1950 baute das Werk fast 9.000 BMW 321

So wurde bereits 1948 der EMW 340 als erste deutsche Nachkriegskonstruktion entwickelt. Dabei handelte es sich um einen weiterentwickelten BMW 326, der mit einem überarbeiteten Front- und Heckbereich versehen wurde. Dieser wurde in den folgenden Jahren noch weiterentwickelt als EMW 340-2 und auch als Kombi-Version in kleinen Stückzahlen gebaut. Von 1949 bis zum Produktionsende 1955 produzierte das Werk mehr als 21.200 Stück vom Typ 340 und 340-2. Nachfolgemodelle des EMW 340, die auch einen 6-Zylinder Viertaktmotor gehabt hätten und schon als Prototypen gebaut worden waren, sowie teilweise schon auf der Leipziger Automobilausstellung gezeigt wurden, gingen nicht mehr in Serie (zu kapitalistisch und technisch zu aufwendig).

Auch vom EMW 327, der dem BMW 327 entsprach, wurden nur etwas mehr als 400 Stück zwischen 1949 und 1955 gefertigt. 1952 kam es zu 161 Stück einer Kübelwagen-Kleinserie, dem EMW 325/2 (P1) [1].

Insgesamt wurden von 1945 bis 1955 etwas mehr als 30.800 Viertaktautos in dem Eisenacher Werk produziert.

BMW/EMW 327 auf dem alten AWE-Werksgelände
BMW/EMW 327
BMW/EMW 327
EMW-Emblem auf einer 340er Radkappe

1951 wurde den Eisenachern das Führen des Namens BMW durch die Münchener Bayerische Motoren Werke AG gerichtlich untersagt. Nach der Rückgabe aus der sowjetischen Verwaltung wurde das Werk 1952 von der DDR verstaatlicht und zunächst in Eisenacher Motorenwerk (EMW) umbenannt. 1953 erhielt das Werk den endgültigen Namen VEB Automobilwerk Eisenach mit dem bekannten Kürzel AWE. Zunächst wurde 1953 ein altes DKW-Modell mit Dreizylinder-Zweitaktmotor produziert, der IFA F9. Parallel liefen noch einige Zeit die alten BMW-Modelle weiter. 1955 kam dann der erste „Wartburg“ (Typ 311 und später der 312) auf den Markt, der auf dem gleichen Motor und weitestgehend der gleichen Technik des F9 basierte. Auch das Nachfolgemodell Wartburg 353, das seit 1966 in Serie vom Band lief, hatte diesen – ständig in Details weiterentwickelten – Motor. Viele von den Konstrukteuren entwickelte Verbesserungen, wie z. B. 4-Takt-Motoren oder neue Fahrzeugmodelle durften auf staatliche Anordnung hin nie in Serie gehen. Erst ab 1988 wurden in das äußerlich nur wenig veränderte Modell in Lizenz gefertigte Viertaktmotoren von VW eingesetzt.

Außerdem baute der Betrieb das Motorrad EMW R 35. Zunächst in der Starr-Rahmenversion R 35/2, dann später leicht weiterentwickelt als R 35/3 mit Geradeweg Hinterradfederung. Zwischen 1945 und Produktionsende 1955 baut der Werk 83.000 Stück der R35, R35/2 und R35/3.

Das Ende vom AWE und was danach kam

Als nach der Wiedervereinigung die ostdeutsche Industrie zusammengebrochen war, kam auch das Aus für das AWE mit ihren technisch überholten Produktionsmethoden und Produkten. Das Unternehmen wurde 1991 von der Treuhandanstalt geschlossen.

Der Automobilbau am Fuße der Wartburg war damit nicht zu Ende. Bereits 1992 nahm eines der damals modernsten Autowerke des Opel-Konzerns seine Arbeit in Eisenach auf und griff, wie auch zahlreiche Zulieferfirmen, auf die gut ausgebildeten Fachkräfte des früheren AWE zurück. Unter anderem wurden Typen wie der Opel Vectra A, sowie der bis heute gefertigte Corsa (Baureihen B, C und D) in Eisenach hergestellt.

Inzwischen ist das Werk zum größten Teil abgerissen worden. Allerdings wurde in einem der übriggebliebenen, denkmalgeschützten Gebäude (O2) am 4. Juni 2005 die Automobile Welt Eisenach eröffnet. Das authentische Werksgebäude O2 an der Friedrich-Naumann-Straße 10 beherbergt die Fahrzeuge und Motorräder der über hundertjährigen Autoproduktion in Eisenach. In dem Museum sind der Wartburg-Motorwagen von 1899, ein Doppelphaeton von 1910, ein Dixi von 1928, ein Wartburg Sport von 1958 und viele andere zu besichtigen.

Produktionsstatistik

Die Automobilproduktion des VEB Automobilwerk Eisenach und seiner Vorgänger von 1898 bis 1991

Zeitraum Typ Produktion (Fahrzeuge)
1898–1903 Wartburg-Motorwagen ca. 250
1904–1927 Dixi-PKW 6.090
1907–1927 Dixi-LKW 2.622
1907–1928 Dixi-Kleinwagen Dixi 3/15 9.308
1929–1942 BMW 3/15, 303, 309, 315, 319, 319/1, 329, 320, 321, 325, 326, 327, 328, 335 78.768
1945–1950 Nachkriegs-BMW 321 8.996
1946–1947 Nachkriegs-BMW 326 16
1952–1955 BMW / EMW 327-1, 327-2, 327-3 505
1949–1955 BMW / EMW 340, 340-1, 340-2 21.083
1952 Kübelwagen IFA EMW 325-3 166
1953–1956 IFA F9 38.782
1955–1965 Wartburg 311/312 258.928
1957–1960 Wartburg-Sport 313-1 469
1965–1966 Wartburg 312-1 33.759
1966–1975 Wartburg 353 356.330
1975–1988 Wartburg 353 W 868.860
1988–1991 Wartburg 1.3 152.775
Gesamtproduktion 1.837.708

Aufschlüsselung der Produktion von Wartburg-Fahrzeugen von 1955 bis 1991

Herstellungsorte: Werk Eisenach und die Karosseriewerke Halle und Dresden

Baumuster Modelljahr Anzahl
311 1955 162
1956 14.223
311 und 313-1 1957 23.285
1958 24.326
1959 29.020
1960 28.801
311 1961 30.232
311 - 1000 1962 26.209
1963 30.003
1964 31.998
1965 20.669
312 1965 11.035
1966 18.570
1967 4.142
353 1966 14.005
1967 30.438
1968 34.873
1969 37.447
1970 40.411
1971 43.200
1972 45.676
1973 48.470
1974 51.813
1975 9.997
353 W 1975 44.043
1976 55.510
1977 57.565
1978 58.732
1979 56.318
1980 58.325
1981 60.133
1982 61.300
1983 64.000
1984 72.000
1985 74.000
1986 74.231
1987 71.520
1988 59.992
1989 1.191
1,3 1988 12.303
1989 70.204
1990 63.068
1991 7.200

Die Motorradproduktion des VEB Automobilwerk Eisenach und seiner Vorgänger von 1930 bis 1955

Für die ersten Produktionsjahre sind (dem Autor) keine Zahlen bekannt.

Produktionsjahre 1942–1955
Modell Anzahl
Schweres Seitenwagenkrad BMW R 75 18.440
BMW/EMW R 35 ca. 83.000

Quellen

  1. Das wohl letzte Exemplar des P1 (EMW 325/3)

Weblinks


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