FORVM (Zeitschrift)

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Die österreichische Zeitschrift FORVM wurde mit dem Untertitel: Österreichische Monatsblätter für kulturelle Freiheit 1954 von Friedrich Hansen-Loeve, Felix Hubalek, Alexander Lernet-Holenia und Friedrich Torberg unter dessen Federführung und mit Mitteln des Kongresses für kulturelle Freiheit gegründet. 1966 wurde Günther Nenning Herausgeber, 1986 Gerhard Oberschlick. 1995 wurde die Print-Version des FORVM eingestellt. Ein Reprint aller 42 Jahrgänge ist 2004 erschienen.[1] Die Zeitschrift war Ausgangspunkt und Meinungsforum für zahlreiche Diskussionen und Auseinandersetzungen in Österreich in den Jahren ihres Bestehens.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Herausgeber Friedrich Torberg (1954–1966)

Dreizehn Jahre nach der Gründung stellte sich heraus, dank Ramparts und Saturday Evening Post, dass es sich beim Geldgeber um eine CIA-Vorfeldorganisation handelte, die den Auftrag ausführte, liberale und linke intellektuelle Strömungen in Europa im Kalten Krieg gegen den Kommunismus einzunehmen. Schwesterzeitschriften und ebenfalls vom Kongress finanziert waren Der Monat in (West-)Berlin, Preuves in Paris, Tempo presente in Italien[2], Cuadernos in Madrid[3], Encounter in London und Freedom First als „Monthly“ des „Indian Committee for Cultural Freedom“ in Bombay. Dennoch war das FORVM nicht durchgehend im Sinne seines Geldgebers unterwegs. Bereits in der ersten Nummer des ersten Jahrgangs kam es zu einer Kontroverse zwischen Friedrich Heer und Herausgeber Friedrich Torberg zum Thema „Gespräch mit dem Feind“, ob es statthaft wäre, mit den Ost-Kommunisten zu reden. Torberg selbst war „hoffnungslos nach Punkten dem Pro-Autor Friedrich Heer unterlegen.“[4] Und es gelang Torberg - mit tatkräftiger Unterstützung von Hans Weigel, gegen Günther Nenning - nur bis 1962, Österreichs Bühnen zum Brecht-Boykott zu verdonnern. Am 23. Februar 1963 spielte das Wiener Volkstheater dann doch Mutter Courage und ihre Kinder. Trotz starker Akzentuierung auf Theater und Literatur setzte das FORVM bereits in den ersten Jahren seines Bestehens wesentliche Impulse im Dialog zwischen Kirchen und Staat, zwischen den Ideologien und betreffend die sozialwissenschaftliche Fundierung der bevorstehenden Revolten. Der rigide und rabiate Antikommunismus Torbergs erschien den Finanziers - nach mehreren Warnungen - schließlich untragbar, weshalb die CIA-Finanzierung 1961 eingeschränkt und 1964 eingestellt wurde. Ab 1958 fungierte Günther Nenning de facto als Blattmacher des FORVM, erst streng kontrolliert von Torberg, ab 1964 jedoch in weitgehender Alleinverantwortung. Nach dem Rückzug des neuen Financiers Hans Deutsch 1965 zog sich auch Torberg zurück und übergab die Zeitschrift an Nenning.

Herausgeber Günther Nenning (1966–1986)

Torberg übergab 1966 Eigentum und Herausgeberschaft des FORVM an Günther Nenning, der das Blatt - als „Christ und Sozialist“ - nach links öffnete, es bis Torbergs Tod in „NEUES FORVM“ umbenennen musste und die Auflage von 2.700 auf fast 30.000 Exemplare steigern konnte. Als das FORVM de Sades Philosophie im Boudoir (mit einem großen Kommentar von Michael Siegert) abdruckte, schritt das Innenministerium mit Beschlagnahme und Aushangverbot für mehrere Folge-Ausgaben ein. Das Aushangverbot wurde später als verfassungswidrige Vorzensur generell aufgehoben, seither gibt es in Österreich keine Zensur mehr. Es wurde eifrig diskutiert und debattiert in diesen Zeiten, über Verfassung, Neutralität und Naturrecht, den Nationalsozialismus und endlich einen Schlussstrich, die sexuelle Revolution, den Aktionismus und den Terrorismus, der sich in Österreich vorrangig durch die (erfolgreiche) Entführung eines Unterwäschefabrikanten - eines älteren Herren namens Palmers - bemerkbar machte. Schon während der konservativen Alleinregierung unter Bundeskanzler Josef Klaus, aber auch in den ersten Jahren von Bruno Kreiskys sozialistischer Regentschaft ab 1970 dominierte das FORVM den gesellschaftspolitischen Diskurs in Österreich.

1973 bis 1982 redigierte Michael Siegert die Zeitschrift und seine Handschrift war unverkennbar. Er griff - stärker noch als vor ihm Torberg oder Nenning - in die Texte von Autoren ein, wollte das Profil des FORVM schärfen. Nenning blieb zwar faktischer Eigentümer, Herausgeber, Chefredakteur, aber formell stand das FORVM ab 1973 (in der Folge der 68er Stilistik) im Eigentum eines Vereins „der Redakteure und Angestellten des FORVM“. 1982 übernahm Gerhard Oberschlick die Funktion des Blattmachers, wurde jedoch von Nenning Anfang 1984 wegen Unbotmäßigkeit entlassen. Wesentliche Streitpunkte waren Nennings Kooperation mit dem damaligen profil-Herausgeber Peter Michael Lingens und dem Wiener Stadtrat Jörg Mauthe sowie die heimliche Finanzierung des so genannten Konrad Lorenz-Volksbegehrens durch Hans Dichand und dessen Kronen Zeitung, mit denen Nenning auch publizistisch kooperierte. Nenning trimmte das FORVM auf eine fundamentalistisch-grüne Linie, die Auflage sank dramatisch, auf 1.700 Stück, das Blatt stand vor dem Konkurs. 1985 wurde Nenning aus Gewerkschaft und SPÖ ausgeschlossen; im folgenden Jahr verkaufte er die Zeitschrift an Gerhard Oberschlick.

Herausgeber Gerhard Oberschlick (1986–1995)

Knapp vor Kurt Waldheims Wahl zum Bundespräsidenten und Jörg Haiders Wahl zum Parteichef positionierte Oberschlick das FORVM neu - als Zentralorgan des aufrechten Antifaschismus. Die Zeitschrift erholte sich und konnte bis zu 25.000 Stück Auflage erreichen. Günther Anders wurde zum zentralen Autor, Rechtsstaat und Menschenrechte wurden die zentralen Themen. Heftig debattiert wurde auch, am Rande, ob ein geistiger Anschluss der früheren Ostmark an ein neues Großdeutschland wünschenswert oder zu bekämpfen sei. Eine späte Sternstunde des FORVM war die eindeutig antifaschistische Rede von Hans Lebert, der als Empfänger des Alfred C. Toepfer'schen Grillparzer-Preises diesen zwar annahm, zugleich aber den Stifter und alle Anschlussbemühungen heftig kritisierte und seine Landsleute aufrief: „Rettet Euer Land selbst!“ Oberschlick, in Kenntnis der Absicht des Dichters, druckte die Rede und ließ sie, unmittelbar nach ihrer Verlesung durch den Heldenplatz-Darsteller Wolfgang Gasser, im Großen Festsaal der Universität Wien als Sonderausgabe des FORVM verteilen. Der deutsche Botschafter Philipp Jenninger, der seinerseits als Bundestagspräsident wegen einer missglückten Rede zum Nationalsozialismus hatte zurücktreten müssen, verließ empört vorzeitig den Saal.

1995 wurde die Druckversion der Zeitschrift eingestellt. Seit 2000 besteht eine karge Internet-Version.

Literatur

Wissenschaft und Freiheit. Hrsg. Der Kongress für die Freiheit der Kultur. Internationale Tagung Hamburg, 23.−26. Juli 1953, veranstaltet vom Kongress f.d.F.d.K. und der Universität Hamburg. Grunewald, Berlin 1954.

Einzelnachweise

  1. Reprint FORVM 1954-1995. Ueberreuter, Wien 2004, ISBN 3-8000-3963-X.
  2. 1954 verzeichnet das Buch über die Hamburger Tagung von 1953 in einer Liste der „Zeitschriften des Kongresses“ für Italien noch den Titel Liberta della Cultura mit Sitz in Rom.
  3. Als Zweimonatsschrift zunächst mit Sitz an der Adresse von Preuves in Paris.
  4. FORVM, Sondernummer im Frühjahr 1994

Weblinks


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