Akne inversa

Akne inversa
Klassifikation nach ICD-10
L73.2 Hidradenitis suppurativa
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Acne inversa ist eine Entzündung der Talgdrüse und äußeren Wurzelscheide der Terminalhaarfollikel. Hauptsächlich betroffen sind der Bereich unter den Achseln, die Perianal- und Perigenitalregion und die Leistengegend.

Inhaltsverzeichnis

Geschichtliches

Erstmals beschrieben wurde die Krankheit 1839 von Velpeau. 1854 veröffentlichte Verneuil, dass die Krankheit eine Entzündung der Schweißdrüsen sei. 70 Jahre später wurden die in der Achsel- und Perianal-Region angesiedelten apokrinen Schweißdrüsen als Ursache vermutet.

Daraufhin wurde unter anderem der Begriff Hidradenitis suppurativa eingeführt. Auch in vielen medizinischen Fachbüchern wird dieser Begriff synonym für die Erkrankung verwendet und ist noch heute unter der ICD-10–Bezeichnung zu finden. Später konnte nachgewiesen werden, dass diese Erkrankung nicht von der Schweißdrüse, sondern von der Talgdrüse und von der äußeren Wurzelscheide der Terminalhaarfollikel ausgeht. Die Entzündung der Schweißdrüsen erfolgt sekundär. Acne inversa ist damit keine Schweißdrüsenentzündung und der Begriff Hidradenitis irreführend.

Auf Grund dieser Erkenntnisse wurde der Begriff Acne inversa eingeführt, der aber bis jetzt noch nicht in den ICD-10 aufgenommen ist.[1][2][3]

Epidemiologie

Acne inversa ist weltweit verbreitet und betrifft beide Geschlechter. Die Erstmanifestation kann von der Pubertät an bis ins hohe Alter erfolgen. Bei Männern tritt die Erkrankung häufiger perianal auf.[2]

Pathogenetische Faktoren

Die Ursachen der Erkrankung sind Gegenstand der Forschung, bis heute nicht vollständig aufgeklärt. Es gibt eine Reihe von Faktoren, welche den Krankheitsverlauf begünstigen oder auch erst zum Ausbruch der Krankheit führen:

  • Rauchen: Statistische Untersuchungen belegen eindeutig, das etwa 80 % bis 95 % der Acne inversa-Patienten rauchen.[4] Rauchen scheint also bei der Entwicklung der Erkrankung eine große Rolle zu spielen. Es hat den Anschein, dass Nikotin die Vermehrung von Staphylococcus aureus begünstigt und als Triggerfaktor fungiert.[5]
  • Übergewicht: Führt zu vermehrter Feuchtigkeit, warmem Milieu und Aufweichen der Haut durch aufeinander liegende Hautschichten.
  • Enge Kleidung: Oberflächliche Beschädigung der Hautzellen durch mechanische Irritation.
  • Zuckerkrankheit: Geschwächte Immunabwehr.
  • Männliche Hormone: Vermehrte Talgproduktion und dadurch schnelleres Verstopfen der Talgdrüsenausführungsgänge.
  • Genetische Faktoren: Meist sind mehrere Personen in der Familie an Acne inversa erkrankt.
  • Bakterien: Sind nicht ursächlich beteiligt, beeinflussen aber die Schwere des Krankheitsverlaufs maßgeblich.[1]

Pathogenese

Durch eine Verhornungsstörung der Talgdrüse kommt es zu einer Verlegung des Ausführungskanals. Die Haarwurzeln und die Talgdrüsen füllen sich immer mehr mit Hornmaterial an. Es kommt zu einer Infektion durch Bakterien (meist Staphylococcus aureus).

Die Talgdrüse entzündet sich und Eiter (Leukozyten, Proteine, Gewebereste, usw.) sammelt sich in der Talgdrüse an. Im weiteren Verlauf kommt es irgendwann zum Zerreißen der Talgdrüsenzyste. Die Entzündung breitet sich im Gewebe aus und die Schweißdrüsen werden in die Entzündung mit einbezogen. Es entstehen schmerzhafte Geschwüre, Abszesse und im späteren Verlauf Fisteln.

In der Achselregion und im Perianal–Bereich findet sich häufig Staphylococcus aureus auf der Haut, welcher sonst nur noch in wenigen Körperbereichen vorkommt. Dieses grampositive Bakterium kann oft im Eiter von Acne inversa-Abszessen nachgewiesen werden. Apokrine Schweißdrüsen sind sogenannte Duftdrüsen, die ebenfalls in den Hautarealen liegen, in denen Acne inversa auftritt. Die von diesen Drüsen produzierten Sekrete haben keinen sauren, sondern einen alkalischen pH-Wert. Dadurch wird neben der Feuchtigkeit an sich und den Hauttemperaturen um 37°C, die Vermehrung von Bakterien besonders begünstigt. Die natürliche Schutzfunktion der Haut liegt bei einem durchschnittlichen pH-Wert von 5,5.

Folgen und Komplikationen

Entzündliche Effloreszenzen, die im Rahmen der Acne inversa auftreten, sind in der Regel schmerzhaft. Bei größeren Entzündungen drohen zusätzlich Lymphknotenschwellungen, Kopfschmerz und Fieber. Nach entzündungsbedingter Zerstörung von Blutgefäßen kann es zu Einblutungen kommen. Falls Bakterien in die Blutgefäße der Unterhaut gelangen, besteht die Gefahr einer Sepsis mit hoher Letalität.

Als nicht selten chronisch-rezidivierende Erkrankung kann die Acne inversa auch eine erhebliche psychische Belastung für den Betroffenen darstellen. Die entzündlichen Effloreszenzen und Vernarbungen werden als stigmatisierend empfunden, eine chirurgische Sanierung (vgl. Therapie) ist mit Fehlzeiten am Arbeitsplatz verbunden. In Folge können zum Beispiel der Verlust des Arbeitsplatzes mit anschließender Erwerbslosigkeit, sozialer Rückzug und Depressionen auftreten.

Therapie

Narbe einer Acne-inversa-Operation am Hinterkopf mit anschließender Haartransplantation

Ein frühzeitiges Erkennen der Erkrankung und der Reduzierung der Faktoren wie zum Beispiel Einstellung des Rauchens, können möglicherweise zu wesentlicher Verbesserung der Symptome führen.

Die Behandlung erfolgt mit lokaler Anwendung von antimikrobiellen Lösungen oder Ammoniumbituminosulfonat, mittels lokaler chirurgischer Therapie wie Stichinzisionen sowie systemisch mit Antibiotika. Antibiotische Monotherapie kann bei Abszessen, die mit Staphylococcus aureus besiedelt sind, versagen.[6]

Ergänzend kann mit Isotretinoin behandelt werden.[7] Die systemische Isotretinoin-Monotherapie gilt bei Acne inversa dagegen als wenig effektiv.[8]

Auf Grund der Symptomatik und der nicht geklärten Ursache bleibt die Operation, also die vollständige Entfernung der von Acne inversa befallenen Hautbereiche die Behandlungsmethode der Wahl.[7] Dies kann im späteren Krankheitsstadium zu Wundgrößen von bis zu 400 cm² oder gar darüber hinaus führen.[2]

Einzelnachweise

  1. a b http://www.acne-inversa-charite.de
  2. a b c Breuninger H., Wienert V.: Acne inversa. In: Dt. Ärztebl. 2001; 98: A 2889–2892 (Heft 44) Volltext
  3. V. Wienert, V. Breuninger H., RPA Müller: AWMF-Leitlinien-Register Nr. 013/012 http://www.uni-duesseldorf.de/awmf/ll/013-012.htm
  4. König A, Lehmann C, Rompel R, Happle R.: Cigarette smoking as a triggering factor of hidradenitis suppurativa. Dermatology. 1999;198(3):261-4 PMID 10393449
  5. Hana A. Frongia G. Gratchev A. Kurzen H. Neue Erkenntnisse zur Pathogenese der Acne inversa http://www.viavital.net/media/leitartikel/67/04_158-160_Kurzen_Uebersicht_neu.B.pdf
  6. Nolte O.: Entstehung von Abszessen und Furunkel. In: Therapeutische Autovakzination (homologe Autovakzine) zur Beeinflussung chronischer, bakterieller Infektionskrankheiten. Webseite
  7. a b H. Hofmann: Bakterielle Erkrankungen. In: Ernst G. Jung (Hrsg.) Dermatologie. Stuttgart 1991 ISBN 3-7773-1021-2
  8. jne: Bei intertriginösen Entzündungen an Acne inversa denken. In: Dtsch Arztebl 1999; 96(16): A-1061 / B-883 / C-827 Volltext

Literatur

  • Peters C., Pulverer G. Die Familie der Micrococcaceae in Brandis H., Pulverer G.: Lehrbuch der Medizinischen Mikrobiologie. 6. Auflage. Gustav Fischer-Verlag. 1988
  • Peters G., Schuhmacher-Perdreau F. Micrococcaceae in Burkhardt F.: Mikrobiologische Diagnostik. Thieme-Verlag. Stuttgart. 1992 [1]

Weblinks

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