Akkad

Akkad

Akkad oder Akkade (sumerisch KUR URIKI, A.GA.DEKI) war eine Königsstadt in Mesopotamien, im späten 3. Jahrtausend v. Chr. wurde sie von Sargon von Akkad zum Zentrum seines Reiches erhoben. Man spricht daher vom "Reich von Akkad" bzw. "Akkadischen Großreich" und nennt die entsprechende Periode der mesopotamischen Geschichte die "Akkad-Zeit" (ca. 2340–2200 v. Chr). Außerdem ist die in verschiedenen Sprachstufen und Dialekten bis ins 1. Jahrhundert n. Chr. belegte semitische Sprache Mesopotamiens nach der Stadt benannt: Akkadisch.

Die Lage der Stadt war noch in neubabylonischer und persischer Zeit (6./5. Jh. v. Chr.) bekannt, wurde aber später vergessen und ist auch heute noch nicht bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Zur Lokalisierung von Akkad

Auf Grund der Tradition, dass Sargon von Akkad vor dem Beginn seiner Herrschaft Mundschenk des Königs von Kisch war, wird Akkad bisweilen in der Nähe von Kisch vermutet (so noch H.J. Nissen, wenn auch ohne konkreten Lokalisierungsvorschlag). Die Identifizierung mit der Ortslage Ischan Mizyad bei Kisch ließ sich allerdings durch archäologische Ausgrabungen nicht bestätigen. Unter Berufung darauf, dass Akkad nach antiken Quellen zeitweise zum elamischen Herrschaftsgebiet gehörte, neigt man heute eher zu einer nördlicheren Lokalisierung, und zwar am Tigris oberhalb der Einmündung des Diyala und südlich von Assur. Nachdem eine Lokalisierung im Gebiet des heutigen Bagdad ebenfalls nicht bestätigt werden konnte, nimmt A. Westenholz als einer der besten Kenner der Akkad-Zeit an, dass die Stadt sich unter einem der großen bisher unerforschten Ruinenhügel in der Nähe der Einmündung des Adheim in den Tigris befindet. In dieselbe Richtung weisen auch die Überlegungen von Dietz-Otto Edzard, wonach Akkad im Bereich des "Flaschenhalses" zu suchen ist, d. h. der Gegend, in der Euphrat und Tigris einander am nächsten kommen.

Zur Geschichte von Akkad und des "Akkadischen Großreichs"

Die erste Erwähnung der Stadt stammt aus der Zeit von Enschakuschanna von Uruk, einem Herrscher, der etwa eine Generation älter war als Sargon von Akkad. Enschakuschanna benannte eines seiner Regierungsjahre nach der Plünderung von Akkad. Daraus ergibt sich, dass Sargon entgegen älteren Ansichten die Stadt nicht selbst gegründet hat; vielmehr war Akkad vor Sargon sogar schon so bedeutend, dass seine Plünderung in eine Jahresbezeichnung aufgenommen wurde.

Akkadisches Großreich um 2300 v. Chr.

Sargon von Akkad war nach alten Traditionen "Mundschenk" (hoher Beamtentitel, nicht Diener bei Tisch) des Königs von Kisch, bevor er selbst - wahrscheinlich durch den Sturz seines ehemaligen Herrn - König wurde. Indem er siegreiche Kriege gegen Lugalzagisi von Uruk führte, der eine Art Oberherrschaft über das südliche Mesopotamien, darunter auch über Kisch, innehatte, unterwarf er sich ein größeres Herrschaftsgebiet, das er zu einem zentral verwalteten Staat zusammenfasste. Dass er das außerhalb der alten Kulturzentren liegende Akkad zum Mittelpunkt dieses Reiches machte, also nicht eine der alten sumerischen Königsstädte, hängt damit zusammen, dass sein Zentralstaat gegenüber den älteren sumerischen Stadtstaaten etwas Neues sein sollte. Daher empfahl sich eine Residenz, in der keine älteren stadtstaatlichen Traditionen lebendig waren. Zugleich ist wohl davon auszugehen, dass Sargon selbst in Akkad bzw. seiner Umgebung familiär verwurzelt war. Von dort aus konnte er sich gestützt auf Verwandte und andere Vertrauensleute, etwa Befreundete seines Stammes, eine Hausmacht aufbauen. Die aus Sargons Königsinschriften bekannte Nachricht, dass er in seinem gesamten Herrschaftsgebiet "Söhne von Akkad" zu Statthaltern einsetzte, ist aus solchen Erwägungen verständlich. Indem er Vertrauensleute über die unterworfenen Gebiete einsetzte, schuf er eine enge Verbindung zwischen dem Herrschaftszentrum und den einzelnen zum Reich gehörigen Gebieten. Dass Sargon Akkad zur zentralen Hauptstadt ausbaute, geht auch aus der Mitteilung hervor, dass er Schiffe, die Waren aus fernen Ländern herbeibrachten, in Akkad vor Anker gehen ließ. Offensichtlich hat er in Akkad, das selbst bei der südlicheren Lokalisierung in der Nähe von Kisch hunderte von Kilometern vom Meer entfernt lag, einen Hafen angelegt, um das "Einfuhrmonopol" (H.J. Nissen) der neuen Hauptstadt gegenüber den älteren sumerischen Städten des Südens zu sichern. Die damit verbundene Bedeutung der Hauptstadt ergibt sich, wenn man bedenkt, wie wichtig der Fernhandel für das rohstoffarme Mesopotamien gewesen ist.

Sargons Staatsgründung war erfolgreich: Sein Reich wurde nach ihm noch von vier seiner Nachkommen in drei Generationen regiert: Es folgten ihm seine Söhne Rimusch und Maništušu, sein Enkel Naram-Sin, der nach Sargon selbst der bedeutendste König des Reiches von Akkad war, sowie dessen Sohn Šar-kali-šarri, der bis ca. 2200 v. Chr. herrschte (siehe auch Liste der Könige von Akkad). Die zentralstaatliche Ordnung hat zweifellos zum Erfolg des Reiches beigetragen, allerdings haben alle akkadischen Könige gegen den Widerstand regionaler Kräfte kämpfen müssen. Bekannt ist etwa die große Revolte gegen Naram-Sin, die von den alten Königsstädten Ur und Kisch angeführt wurde, und die dieser offenbar mit äußerster Kraftanstrengung niederkämpfte. Sein Sieg machte einen solchen Eindruck, dass der König noch zu Lebzeiten göttliche Ehren als Stadtgott von Akkad zugesprochen bekam. Unter Naram-Sins Sohn Šar-kali-šarri zerfiel die Zentralgewalt aber immer mehr, nach seinem Tode kämpften verschiedene Kandidaten um die Königsherrschaft, und die innere Anomie ermöglichte es den Gutäern, die aus dem Zagros-Gebirge ins mesopotamische Flachland einfielen, das Reich zu vernichten. Sie errichteten daraufhin eine Herrschaft, die sich in der Tradition der Könige von Akkad sah. Jedenfalls bezeichnet der Gutäerkönig Erridu-pizir in einer Inschrift den Familiengott der altakkadischen Dynastie als seinen Gott.

Das Reich von Akkad lebte in der geschichtlichen Erinnerung des Alten Orients fort. Als prominentestes Beispiel ist wohl eine biblische Notiz (Gen 10,10f. GNB) über Nimrod zu nennen:

„Kerngebiet (eigentl. "Ursprung") seines Reiches war Babel, Erech, Akkad und Kalne im Land Schinar (d.h. Sumer). „Von diesem Land zog er nach Assur aus“ (d. h. Assyrien).

Nimrod war der erste "Gewaltige" auf der Erde, also der erste Großkönig. Dass hinter der Nimrod-Figur Erinnerungen an einen mesopotamischen Gott oder König stehen, wird allgemein zugegeben, wobei umstritten ist, an welche konkrete Gestalt zu denken ist. Die plausibelste These sieht darin eine Erinnerung an Naram-Sin von Akkad, dessen Name vielleicht zu "Nimrod" verballhornt wurde. Einer der wichtigsten Könige des ersten mesopotamischen Großreiches wäre damit in der geschichtlichen Erinnerung zum ersten Großkönig überhaupt geworden, und diese Erinnerung hätte sich noch nach vielen Jahrhunderten bei den Nachbarvölkern der Mesopotamier erhalten. Andere Beispiele für das historische Nachleben des Reiches von Akkad sind spätere Erzählungen über Sargon von Akkad und Naram-Sin, die in Mesopotamien, aber auch bei den Hethitern entstanden bzw. überliefert wurden.

Was die Geschichte der Stadt nach dem Ende des Akkadischen Großreichs angeht, so zeigen Inschriften aus der Zeit der dritten Dynastie von Ur, dass Akkad immer noch Sitz eines Provinz-Gouverneurs war. Im Prolog des Codex Hammurabi erscheint es als Kultzentrum der altbabylonischen Zeit. König Nabonid von Babylon (555-539 v. Chr.) ließ Ausgrabungen in der Gegend des alten Akkad vornehmen, bei denen u. a. eine Inschrift des altakkadischen Königs Naram-Sin zu Tage kam. Die letzte antike Erwähnung der Stadt findet sich in einem Dokument aus der Zeit des Perserkönigs Dareios I. (522-486 v. Chr.).

Zur Archäologie der Akkad-Zeit

Die bisher wichtigsten Fundorte der Akkad-Zeit sind die Provinzresidenz in Tell Brak, der alte Palast in Assur, eine komplexere Siedlungsstruktur in Tell Asmar, die Städte Susa und Ninive. Die gefundenen Tontafeln geben Aufschluss über die Herrscher Akkads und ihre Regierungszeiten. In Niniveh wurde die Bronzeplastik des Kopfes eines unbekannten akkadischen Herrschers gefunden, die Aufschluss auf die künstlerischen Fertigkeiten jener Zeit gibt. In Susa wurde unter anderem die Siegesstele des Naram-Sin gefunden, die wie der Bronzekopf und verschiedene Rollsiegel von der Kunstfertigkeit der Akkad-Zeit zeugen. Kunst und Handwerk der Akkad-Zeit unterscheiden sich stark von den vorhergehenden und den nachfolgenden Dynastien. Rollsiegel tragen detailliertere, individuellere und anatomisch korrektere Darstellungen. Das vorher verbreitete Kleidungsstück, der Zottenrock, wurde mehr und mehr zur Bekleidung der Götter, die menschlichen Figuren trugen nun einfache glatte Gewänder.

Bisher liegen kaum Funde aus der Akkad-Zeit vor, die Aufschlüsse über Architektur oder Lebensweise geben. Versuche, die Geschichte der Epoche auf verschiedenen Ebenen (politisch, sozial ...) zu rekonstruieren, muss sich daher weitgehend auf Textquellen stützen. Ein weiteres Problem liegt darin, dass die meisten bisher entdeckten Fundstücke im 2. Jahrtausend v. Chr. als Beutestücke nach Susa verschleppt wurden und daher nicht mehr in ihrem ursprünglichen Kontext stehen.

Siehe auch

Literatur

  • Dietz-Otto Edzard: Geschichte Mesopotamiens. Von den Sumerern bis zu Alexander dem Großen, München 2004, 76-95. ISBN 3-406-51664-5
  • Hans J. Nissen: Grundzüge einer Geschichte der Frühzeit des Vorderen Orients. Wiss. Buchgesellschaft, Darmstadt 1995 (3. Aufl.), 183-213. ISBN 3-534-08643-0
  • Gebhard J. Selz: Sumerer und Akkader. Geschichte, Gesellschaft, Kultur. C.H.Beck Wissen. Beck, München 2005, v. a. 63-75. ISBN 3-406-50874-X
  • H. Weiss: Akkade. Art. in: The Oxford Encyclopedia of Archaeology in the Ancient Near East. Bd I. Oxford University Press, New York 1997, 41-44. ISBN 0-19-511215-6
  • Rainer Michael Boehmer: Die Entwicklung der Glyptik während der Akkad - Zeit. de Gruyter, Berlin 1965.
  • A. Westenholz: The Old Akkadian Period: History and Culture. In: W. Sallaberger, A. Westenholz: Mesopotamien. Akkade-Zeit und Ur III-Zeit. Orbis biblicus et orientalis. 160/3. Universitätsverlag, Freiburg Schw 1999, 15-117, (zur Stadt Akkad vgl. S. 30-34). ISBN 3-525-53325-X

Weblinks

 Commons: Akkadian Empire – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • AKKAD — (du sémitique Akkadû, forme à laquelle le scribe préférait Agadé) désigne à la fois une «ville de royauté» du IIIe millénaire avant J. C. et la partie nord de la Babylonie. Du nom de la cité dérive le terme akkadien , qui sert à qualifier la… …   Encyclopédie Universelle

  • AKKAD — (Heb. אַכַּד), one of the capital cities of nimrod in Shinar (Sumer), according to the table of nations (Gen. 10:9–10). In the cuneiform sources, Akkad (Sumerian Agade or Aggide) refers to both a city and a country in northern Babylonia which… …   Encyclopedia of Judaism

  • Akkad — [ak′ad΄, äk′äd΄] 1. ancient region in N Babylonia (fl. c. 2300 2100 B.C. ) 2. its chief city, for a time the capital of Babylonia …   English World dictionary

  • Akkad — /ak ad, ah kahd/, n. Also, Accad. 1. one of the ancient kingdoms of Mesopotamia, the northern division of Babylonia. 2. Also called Agade. a city in and the capital of this kingdom, one of the three cities of Nimrod s kingdom. Gen. 10:10. adj. 3 …   Universalium

  • Akkad — Cette page d’homonymie répertorie les différents sujets et articles partageant un même nom. Le terme Akkad, ou Agadé, peut avoir plusieurs sens : Akkad ou Agadé est une ville de l ancienne Mésopotamie. L empire d Akkad est un État qui domina …   Wikipédia en Français

  • Akkad — I Ạkkad,   Ạkkade, ehemalige altorientalische Stadt in der Nähe von Babylon, genaue Lage unbekannt, wurde um 2235 v. Chr. von Sargon, dem Begründer der Akkad Dynastie, als Hauptstadt des ersten semitischen Großreichs auf mesopotamischem Boden… …   Universal-Lexikon

  • Akkad —    In general regional terms, the northern portion of Babylonia, as opposed to the southern portion, called Sumer. In a more specific way, the term Akkad (or Agade)is used to designate the local homeland and home city of the great Akkadian… …   Ancient Mesopotamia dictioary

  • AKKAD — (also read AGADE)    1. As a toponym, this refers to the yet undiscovered city in northern Babylonia, said to have been founded by Sargon of Akkad, who made it the capital of the Akkadian Dynasty. The city’s rise and downfall were the subject of… …   Historical Dictionary of Mesopotamia

  • Akkad — n. ancient Mesopotamian Kingdom, northern part of Babylonia; capital city of the kingdom of Akkad …   English contemporary dictionary

  • Akkad (Ville) — Pour les articles homonymes, voir Akkad. Akkad ou Agade (parfois appelée Dūr Sharrukīn à partir de la seconde moitié du IIe millénaire av. J. C.) est une ville antique de Basse Mésopotamie, ancienne capitale de l Empire d Akkad, fondé par Sargon… …   Wikipédia en Français

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”