Expressionistisch

Expressionistisch
Macke: Russisches Ballett 1 (1912)

Der Expressionismus (lat. expressio = Ausdruck) war eine Stilrichtung in der Kunst am Anfang des 20. Jahrhunderts. Wie der Impressionismus, der Symbolismus und der Fauvismus ist der Expressionismus eine Bewegung gegen die Tendenzen des Naturalismus. Hierbei überwiegt die expressive Ebene gegenüber der ästhetischen, appellativen und sachlichen Ebene, was sich dadurch ausdrückt, dass der Künstler versucht, sein Erlebnis für den Betrachter darzustellen.

Inhaltsverzeichnis

Expressionismus in der Bildenden Kunst

Der Expressionismus ist eine Stilrichtung in der Bildenden Kunst, die als künstlerische Bewegung im frühen 20. Jahrhundert (1905-1925) besonders in Deutschland, aber auch in anderen europäischen Ländern, wie der Fauvismus in Frankreich, als Kunst des seelischen Ausdrucks dem Impressionismus (Darstellung der äußeren Erscheinung der Dinge) entgegentrat und diesem somit diametral gegenüberstand. Sehr bald nach dem Ersten Weltkrieg und unter dessen Einfluss auf die Expressionisten wurde der Expressionismus von neuen Stilrichtungen teils überlagert und teils abgelöst (z. B. Konstruktivismus, Neue Sachlichkeit, Informel, später Die Neuen Wilden, Fotorealismus).

Die Elemente Farbe, Dynamik und Gefühl lassen sich in nahezu jedem expressionistischen Kunstwerk finden. Der freie Umgang mit Farbe und Form in der expressionistischen Malweise äußerte sich besonders deutlich in der häufigen Verwendung von ungemischten Farben, in holzschnittartigen Formen, einer Motivreduzierung aufs Wesentlichste und der Auflösung der traditionellen Perspektive.

Den Malern dieser Epoche waren nicht die wirklichkeitsgetreue Weitergabe von Eindrücken und schöne Formen wichtig; im Gegensatz zu den impressionistischen Malern drückten die Expressionisten ihre eigenen Regungen aus, sie gaben direkt und spontan ein „durchfühltes“ und interpretiertes Motiv weiter.

Franz Marc: Die großen blauen Pferde (1911)

Künstlervereinigungen wie die „Brücke“ (Dresden) oder „Der Blaue Reiter“ (München), der unter anderem die bekannten Künstler Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner und Karl Schmidt-Rottluff (Brücke) sowie August Macke, Paul Klee, Wassily Kandinsky und Franz Marc (Blauer Reiter) angehörten, führten diesen Malstil weiter bis hin zur Abstraktion. Kandinsky und Marc waren die Gründer und Namensgeber des Blauen Reiters. Beide liebten sie Blau, Marc mochte Pferde und Kandinsky Reiter.

Programm der Brücke, 1906, Holzschnitt von Ernst Ludwig Kirchner

Der Expressionismus richtete sich als Protest gegen die damals bestehende Ordnung und somit vielfach gegen das Bürgertum. Seine Entstehung muss in engem Zusammenhang mit der Lebensreformbewegung gesehen werden. Expressionistische Künstler beriefen sich auf Friedrich Nietzsche als Vordenker. Die Zeitschrift „Der Sturm“ (herausgegeben von Herwarth Walden) und andere neu gegründete künstlerisch-literarische Zeitschriften dienten den Protagonisten als Diskussionsforum. Überkommene künstlerische Formen wurden aufgegeben ("Formzertrümmerung"); der Expressionismus stand so auch in Opposition zum Naturalismus.

Da das Programm des Expressionismus weitgehend negativ definiert war (nicht naturgetreu, nicht bürgerlich, nicht konventionell), ergab sich daraus im Gegensatz zum Impressionismus nicht eine Kunst, die ohne weiteres an Stilmerkmalen zu erkennen ist. Es war mehr die geistige Haltung, die den Expressionismus ausmachte. So formulierte Ernst Ludwig Kirchner 1906 das Programm der "Brücke" in dem gleich betitelten Holzschnitt wie folgt:

„Mit dem Glauben an Entwicklung an eine neue Generation der Schaffenden rufen wir alle Jugend zusammen und als Jugend, die die Zukunft trägt, wollen wir uns Arm- und Lebensfreiheit verschaffen gegenüber den wohlangesessenen älteren Kräften. Jeder gehört zu uns, der unmittelbar und unverfälscht das wiedergiebt, was ihn zum Schaffen draengt.“

Charakteristisch ist, dass wichtige Vertreter des Expressionismus sich vehement dagegen wehrten, als Expressionisten bezeichnet zu werden, so Ernst Ludwig Kirchner und Otto Mueller, weil diese Bezeichnung ihrem Stil und ihrer Originalität nicht gerecht wurde.

Viele Werke deutscher Expressionisten sind heute im Norton Simon Museum of Art in Pasadena ausgestellt.

Bekannte Maler

Einflussreiche Vorläufer der Expressionisten des 20. Jahrhunderts waren Paul Gauguin (wurde der Wegbereiter des expressionistischen Malstils), Vincent van Gogh und Edvard Munch. Interessante Bezüge lassen sich auch zu Mathias Grünewald und El Greco herstellen.

Marianne von Werefkin: Rote Stadt, 1909
Ernst Ludwig Kirchner: Die Zirkusreiterin, 1913, Pinakothek der Moderne, München
August Macke: Im Basar, Aquarell (1914)
Carl Eugen Keel: Gandria, kolorierter Linolschnitt
Otto Mueller: Zwei Mädchen im Grünen

Künstler, die aufgrund ihrer Stilistik dem Expressionismus nahe standen:

Einfluss afrikanischer Kunst

Wie die etwas späteren kubistischen Werke beispielsweise von Pablo Picasso oder Georges Braque wurden auch die Werke der Expressionisten, insbesondere die der Künstler der Brücke, später auch die Werke des US-Amerikaners Jean-Michel Basquiat im Bereich des Neo-Expressionismus, stark von den Objekten ozeanischer und afrikanischer Kunst beeinflusst. Anfang des 20. Jahrhunderts füllten sich Europas Völkerkundemuseen mit Objekten aus Afrika und Ozeanien. Die schlichte und ausdrucksstarke Gestaltung der Masken und Figuren, allesamt mystische Sinnbilder fremder Kulturen, erfüllten die Sehnsucht der hiesigen Künstler nach einer „neuen Natürlichkeit“.

Expressionismus in der Literatur

Hauptartikel: Expressionismus (Literatur)

Ähnlich dem Expressionismus in der bildenden Kunst befasste sich der Expressionismus in der Literatur in erster Linie mit den Themen Krieg, Großstadt, Zerfall, Angst, Ich-Verlust und Weltuntergang (Apokalypse). Des Weiteren auch mit Wahnsinn, Liebe und Rausch sowie der Natur. Die bürgerliche Ästhetik wird durch eine 'Ästhetik des Hässlichen' zurückgewiesen; wie keine andere literarische Bewegung zuvor machen die Expressionisten das Hässliche, Kranke, Wahnsinnige zum Gegenstand ihrer Darstellungen. Obwohl auch diese Epoche – wie jede andere – fließende Übergänge besitzt und ihre Eingrenzung natürlich stark definitionsabhängig ist, hat sich in der Literaturwissenschaft das Schlagwort des 'Expressionistischen Jahrzehnts' für die Hochzeit des Expressionismus zwischen 1910 und 1920 eingebürgert. Hierbei stellt der Beginn des Ersten Weltkriegs eine starke Zäsur für die Tenor und Topos insbesondere der Expressionistischen Lyrik dar; während viele Autoren zunächst noch den Krieg als eine die überkommene bürgerliche Gesellschaft hinwegfegende, erneuernde Kraft herbeigesehnt und verherrlicht hatten (vgl. auch Futurismus), ändert sich das Kriegsbild bald durch die Schreckenseindrücke vieler Dichter, die selbst das Ausmaß der Vernichtung und des Elends als Soldaten an der Front erleben müssen.

Weitere Felder

Expressionismus ...

Kunstgeschichtliche Rezeption

Die Neubewertung der romanischen Skulptur und der gotischen Architektur sowie El Grecos und die Diskussion der Farbigkeit spielten in den Forschungen einiger Kunsthistoriker anfangs des 20. Jahrhunderts eine zentrale Rolle. Einige von ihnen, wie Fritz Burger, hatten engen Kontakt zu zeitgenössischen Künstlern.

Im Bereich der Kunstgeschichte sind die wichtigsten Vertreter:

Siehe auch

Literatur

  • Literatur über Expressionismus in Bibliothekskatalogen: DNB, GBV
  • Kai Buchholz et.al. (Hg.), Die Lebensreform, Entwürfe zur Neugestaltung von Leben und Kunst um 1900, Darmstadt 2001, ISBN 3-89552-077-2
  • Thomas Anz: Literatur des Expressionismus. Stuttgart: Sammlung Metzler, 2002. ISBN 3-476-10329-3.
  • Ralf Georg Bogner: Einführung in die Literatur des Expressionismus. 1. Aufl. – Darmstadt : Wiss. Buchges., 2005. ISBN 3-534-16901-8.
  • Kasimir Edschmid: Lebendiger Expressionismus. Auseinandersetzungen, Gestalten, Erinnerungen (mit 31 Dichterportraits von Künstlern der Zeit), Wien & München: Verlag Kurt Desch 1961.
  • Ernst Fischer & Wilhelm Haefs (Hg.): Hirnwelten Funkeln. Literatur des Expressionismus in Wien, Salzburg: Otto Müller Verlag 1988, ISBN 3-7013-0745-8.
  • Heinrich Eduard Jacob (Hg.): Verse der Lebenden. Deutsche Lyrik seit 1910, Berlin: Propyläen Verlag 1924; 2. ergänzte Aufl. 1927; 3. ergänzte Aufl. 1932. Dieser nach der von Kurt Pinthus herausgegebenen Menschheitsdämmerung wichtigsten erpressionistischen Anthologie hat Jacob eine umfangreiche Einleitung vorangestellt.
  • Heinrich Eduard Jacob: Berlin, Vorkriegsdichtung und Lebensgefühl; in: „Imprimatur – Jahrbuch für Bücherfreunde“, Band III, Frankfurt am Main: Gesellschaft der Bibliophilen, 1961/62; S. 186–189. Erneut abgedruckt in: Paul Raabe (Hg.): Expressionismus. Aufzeichnungen und Erinnerungen der Zeitgenossen, Freiburg i. Br. 1965; S. 15–19.
  • Jonah F. Mitchell: Expressionism between Western modernism and Teutonic Sonderweg. - Berlin : Der Dissertationsschrift befindet sich im Besitz des Autors, 2003.
  • Ursula Peters: Moderne Zeiten. Die Sammlung zum 20. Jahrhundert, in Zusammenarbeit mit Andrea Legde, Nürnberg 2000 (Kulturgeschichtliche Spaziergänge im Germanischen Nationalmuseum, Bd.3), insb. S.11–120.
  • Kurt Pinthus (Hg.): Menschheitsdämmerung. Symphonie jüngster Dichtung, 1920 – die wichtigste Anthologie expressionistischer Lyrik.
  • Paul Raabe & H.L. Greve: Expressionismus. Literatur und Kunst 1910. Eine Ausstellung des Deutschen Literaturarchivs im Schiller-Nationalmuseum Marbach a.N., vom 8. Mai bis 31. Oktober 1960. Katalog Nr. 7, Marbach a.N. 1960 (wird im DLA laufend neu aufgelegt).
  • Paul Raabe: Die Autoren und Bücher des literarischen Expressionismus. Ein bibliographisches Handbuch in Zusammenarbeit mit Ingrid Hannich-Bode, Stuttgart: J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung 1992, ISBN 3-476-00756-1.
  • Theodor Sapper: Alle Glocken dieser Erde. Expressionistische Dichtung aus dem Donauraum, Wien: Europaverlag Wissenschaft 1974, ISBN 3-203-50494-4.
  • Die expressive Geste. Deutsche Expressionisten und afrikanische Kunst, Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2007, ISBN 978-3-7757-1918-6
  • Nicole Leonhardt: Die Farbmetaphorik in der Lyrik des Expressionismus. Eine Untersuchung an Benn, Trakl und Heym. Ubooks Verlag, 2004.
  • Silvio Vietta u. Hans-Georg Kemper: Expressionismus. München 1975. (= UTB. 362.) – 6. Aufl. Ebd. 1994. ISBN 3-825-20362-X
  • Karl-Heinz Morscheck: Expressionismus. Stil und Umsetzung. Englisch Verlag. Wiesbaden 2005 ISBN 978-3-8241-1334-7
  • Walter Fähnders (Hrsg.): Expressionistische Prosa. Ein Studienbuch. Bielefeld: Aisthesis, 2001, ISBN 3-89528-283-9
  • Für eine erste Übersicht: Ralf Georg Bogner: Einführung in die Literatur des Expressionismus. Darmstadt, 2005. [WBG]
  • Für Lehrer, Schüler, und andere: Peter Bekes: Arbeitstexte für den Unterricht. Gedichte des Expressionismus. Stuttgart, 1991. [Reclam]

Weblinks


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