Evolutionsfaktoren

Evolutionsfaktoren

Als Evolutionsfaktor bezeichnet man in der Biologie Prozesse, durch die der Genpool – das ist die Gesamtheit aller Erbanlagen in einer Population – verändert wird. Eine exakte Definition des Begriffs liefert die Populationsgenetik: Evolutionsfaktoren sind Prozesse, die zu Veränderungen der Allelfrequenzen im Genpool einer Population führen oder Allele auf den Chromosomen neu kombinieren. Nach der Synthetischen Evolutionstheorie sind diese Prozesse Ursache aller evolutiven Veränderungen.

Die wesentlichen Evolutionsfaktoren sind Rekombination, Mutation, Selektion und Gendrift.

  • Durch Rekombination, die durch die Reduktionsteilung bei der Keimzellenbildung und die Kernverschmelzung bei der Befruchtung erfolgt, werden die Erbanlagen der Eltern neu kombiniert, so dass Nachkommen mit individuellen (einzigartigen) Kombinationen von Erbanlagen entstehen. Bei der Rekombination bleiben die relativen Häufigkeiten der Erbanlagen in einer Population unverändert, aber die Variabilität der Individuen in einer Population wird wirksam erhöht. Rekombination findet nicht statt bei ungeschlechtlicher Fortpflanzung und ist auch nicht wirksam zwischen eineiigen Zwillingen, die aus einer gemeinsamen befruchteten Eizelle entstehen.
  • Durch Mutationen, spontane Veränderungen der Basensequenzen der DNA, entstehen fortwährend neue Erbanlagen. Findet eine Mutation in einer Zelle statt, aus der später Keimzellen hervorgehen, so wird die veränderte Erbanlage über die befruchtete Eizelle auf die Nachkommen übertragen und verändert damit den Genpool der Population. Die neue Erbanlage führt zu Merkmalsausprägungen, die bisher in der Population nicht vorkamen. Ob es zu einer nachhaltigen Veränderung des Genpools kommt, hängt entscheidend davon ab, wie die Selektion auf die neue Merkmalsausprägung wirkt. Erbanlagen, die zu nachteiligen Merkmalsausprägungen führen, verschwinden wieder aus dem Genpool oder bleiben selten.
  • Die Selektion ist die natürliche Auslese durch die Umwelt. Eine Voraussetzung für Selektion ist die durch Rekombination und Mutation verursachte Variabilität in einer Population. In den meisten Populationen werden viel mehr Nachkommen erzeugt, als in ihrem Lebensraum überleben können. So sterben viele Individuen einer Generation, bevor sie sich fortpflanzen können, oder bekommen weniger Nachkommen als andere Individuen mit vorteilhafteren Merkmalsausprägungen. Die Individuen leisten also einen unterschiedlichen Beitrag zum Genpool der Folgegeneration. Die relativen Häufigkeiten der Erbanlagen mit günstigen Merkmalsausprägungen nehmen in der Population zu, während die relativen Häufigkeiten der Erbanlagen mit ungünstigen Merkmalsausprägungen abnehmen.
  • Unter Gendrift versteht man eine zufallsbedingte Änderung des Genpools. Sie ist in kleinen Populationen wirksamer als in großen. So kann zum Beispiel bei einer Naturkatastrophe oder einer Seuche eine Gruppe von Trägern bestimmter Merkmale plötzlich aussterben. Es breitet sich der überlebende Teil der Population mit etwas anderer genetischer Zusammensetzung aus, beim zufälligen Überleben von Individuen mit nachteiligen Erbanlagen breiten sich sogar diese aus. Ein weiteres Beispiel für Gendrift ist die Besiedlung eines neuen Lebensraums durch eine kleine Gründerpopulation. Die neue Population weist die Häufigkeitsverteilung der Erbanlagen der Gründerpopulation auf, die sich zufallsbedingt von der der Stammpopulation unterscheiden.

Evolutionsfaktoren im weiteren Sinne sind auch Migration, Genfluss, Isolation, Horizontaler und Vertikaler Gentransfer und Hybridisierung.

Quellen

  • Herder-Lexikon der Biologie. Spektrum Akademischer Verlag, ISBN 3-86025-156-2
  • Campbell, N. A.: Biologie. Spektrum Akademischer Verlag.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Evolutionsfaktoren — Evolutionsfaktoren, sich gegenseitig ergänzende Prozesse, die den Genpool einer Population verändern und damit Ursachen der Evolution darstellen: ⇒ Mutation, ⇒ Rekombination, Gentransfer z.B. durch ⇒ Transduktion und ⇒ Transformation, ⇒ Selektion …   Deutsch wörterbuch der biologie

  • Deszendenzlehre — Dieser Artikel behandelt die Theorie, die das Entstehen neuer Arten als das Ergebnis von Evolution erklärt. Für den Vorgang der Evolution siehe Evolution, für gesellschaftswissenschaftliche Theorien siehe Soziokulturelle Evolution, für Theorien… …   Deutsch Wikipedia

  • Evolutionsforscher — Dieser Artikel behandelt die Theorie, die das Entstehen neuer Arten als das Ergebnis von Evolution erklärt. Für den Vorgang der Evolution siehe Evolution, für gesellschaftswissenschaftliche Theorien siehe Soziokulturelle Evolution, für Theorien… …   Deutsch Wikipedia

  • Evolutionslehre — Dieser Artikel behandelt die Theorie, die das Entstehen neuer Arten als das Ergebnis von Evolution erklärt. Für den Vorgang der Evolution siehe Evolution, für gesellschaftswissenschaftliche Theorien siehe Soziokulturelle Evolution, für Theorien… …   Deutsch Wikipedia

  • Iwan Iwanowitsch Schmalhausen — Iwan Schmalhausen Iwan Iwanowitsch Schmalhausen (* 23. April 1884 in Kiew; † 7. Oktober 1963 in Leningrad) war ein russischer Zoologe und Evolutionsbiologe. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Biologische Evolution — Stammbaum des Lebens, der das Auszweigen der heutigen Arten von einer urtümlichen Form verdeutlicht.[1] Die drei Domänen sind farblich getrennt (blau: Bakterien; grün: Archaeen; …   Deutsch Wikipedia

  • Evolution (Biologie) — Stammbaum des Lebens, der das Auszweigen der heutigen Arten von einer urtümlichen Form verdeutlicht.[1] Die drei Domänen sind farblich getrennt (blau: Bakterien; grün: Archaeen; …   Deutsch Wikipedia

  • Evolutionsbiologe — Stammbaum des Lebens, der das Auszweigen der heutigen Arten von einer urtümlichen Form verdeutlicht.[1] Die drei Domänen sind farblich getrennt (blau: Bakterien; grün: Archaeen; …   Deutsch Wikipedia

  • Evolutionsbiologie — Stammbaum des Lebens, der das Auszweigen der heutigen Arten von einer urtümlichen Form verdeutlicht.[1] Die drei Domänen sind farblich getrennt (blau: Bakterien; grün: Archaeen; …   Deutsch Wikipedia

  • Evolutionsfaktor — Als Evolutionsfaktor bezeichnet man in der Biologie Prozesse, durch die der Genpool – das ist die Gesamtheit aller Genvariationen in einer Population – verändert wird. Eine exakte Definition des Begriffs liefert die Populationsgenetik:… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”