Evelyn Hecht-Galinski

Evelyn Hecht-Galinski

Evelyn Hecht-Galinski (* 1949 in Berlin) ist eine deutsche Antizionistin[1] und Gründerin der deutschen Abteilung der Organisation „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“.[2] Sie ist die Tochter des 1992 verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski. Ihre Auseinandersetzungen mit dem Zentralrat und ein Rechtsstreit über Antisemitismusvorwürfe gegen sie fanden vor allem in Deutschland und Israel Beachtung.

Inhaltsverzeichnis

Auseinandersetzungen mit dem Zentralrat der Juden

Evelyn Hecht-Galinski hatte eine Berliner Waldorfschule besucht. Vorwürfen, in diesen würden negative Einstellungen zum Judentum geschürt, trat sie später öffentlich entgegen und äußerte „Verwunderung“ über entsprechende „pauschale und unbewiesene“ Äußerungen von Paul Spiegel. Sie habe wenig Beziehung zur Anthroposophie und bezeichnet sich als „erziehungsmäßig und traditionell mit dem Judentum verbunden, aber nicht im religiösen Sinne“.[3]

In der Debatte um den Rücktritt von Michel Friedman im Jahr 2003 übte Hecht-Galinski Kritik am Zentralrat der Juden. Sie nannte es „unerträglich“, dass Zentralrats-Präsident Paul Spiegel kurz nach dem Strafbefehl gegen Friedman dessen Rückkehr in seine öffentlichen Ämter vorgeschlagen habe, und machte geltend, „weder Paul Spiegel als Präsident noch Charlotte Knobloch als dessen Stellvertreterin sind geeignet, die Interessen der Juden in Deutschland zu vertreten“.[4]

Im Zusammenhang mit der Operation Sommerregen und dem offenen Brief von Rolf Verleger warf Hecht-Galinski 2006 dem Zentralrat der Juden vor, er vertrete nur unzureichend die sozialen Belange der Mitglieder der jüdischen Gemeinden in Deutschland. Stattdessen agiere er als „Sprachrohr der israelischen Regierung und Propagandamaschinerie“ und versuche, jegliche Kritik als Antisemitismus zu deklarieren. Die Politik Israels im Gaza-Streifen sei „durch nichts mehr zu rechtfertigen“. [5][6]

Im Jahr 2007 bezeichnete Hecht-Galinski Vergleiche zwischen den israelisch besetzten Gebieten und dem Warschauer Getto (angestellt von den deutschen Bischöfen Gregor Maria Hanke und Walter Mixa[7]) als „sehr moderat“. Sie verwies in diesem Zusammenhang auf das Lebensmotto ihres Vaters „Ich habe Auschwitz nicht überlebt, um zu neuem Unrecht zu schweigen“.[8] Kritiker warfen Galinski wiederholt jüdischen Selbsthass vor.[8]

Rechtsstreit mit Henryk M. Broder

2008 erklärte Hecht-Galinski in einer Folge der Radiosendung Hallo Ü-Wagen des WDR:

„Ich weiß es auch aus eigener Erfahrung, wenn ich Interviews im Deutschlandfunk hatte, wie dann sofort der Zentralrat oder israelische Botschafter anruft und sich protestiert. Ich weiß, wie, wie verfahren wird von der israelisch-jüdischen Lobby, die es gibt, und da ist gar nichts gegen zu sagen, sie bezeichnet sich inzwischen selbst so. Und was Sie hier gebracht haben, das hört sich son bisschen nach der ‚Broder-Connection‘ an, aber die ist so uninteressant, die ist so unter dem Niveau, aber ansonsten ist ein massiver Druck, und der Druck, der ist auch sehr erfolgreich, und das muss ich sagen. “

Hecht-Galinski: Sendung „Hallo Ü-Wagen“[9]

Daraufhin schrieb der Publizist Henryk M. Broder im Mai 2008 an WDR-Intendantin Monika Piel über Evelyn Hecht-Galinski:

„Jeder kölsche Jeck mit zwei Promille im Blut würde sogar an Weiberfastnacht erkennen, dass Frau EHG eine hysterische, geltungsbedürftige Hausfrau ist, die für niemanden spricht außer für sich selbst und dabei auch nur Unsinn von sich gibt. Ihre Spezialität sind antisemitisch-antizionistische Gedankenlosigkeiten …“

Broder: [10]

Broder stellte den Brief und Piels Antwort darauf auch ins Internet.

Als Antwort auf Broders Forderung, die Einwanderungspolitik auf wirtschaftliche Interessen zuzuschneiden, bezeichnete Hecht-Galinski ihn auf einer Veranstaltung ihrerseits als „Immigrant, den hier keiner in Deutschland eigentlich haben wollte“, und zudem als „Polarisierer, der alle Kritiker nur mit Beleidigungen und persönlichen Diffamierungen überzieht“.[11]

Es folgte ein Rechtsstreit mit Broder, der zu einer Debatte über das Verhältnis von Antisemitismus und Israelkritik in deutsch- und englischsprachigen Medien führte.[12][13][14][15][16][17][18][19]

Hecht-Galinski erwirkte zunächst eine einstweilige Verfügung, die es Broder bis auf weiteres verbot, in seiner Kritik den Begriff „antisemitisch“ zu verwenden. Die erste gerichtliche Instanz entschied, es handele sich um ein Werturteil, bei dem die Grenze zur Schmähkritik überschritten sei, so dass die Klägerin Unterlassung verlangen könne.[20]

Gegen dieses Urteil legte Broder jedoch erfolgreich Berufung ein. Das Oberlandesgericht Köln hob die einstweilige Verfügung mit der Begründung auf, die Kritik Broders sei zwar überzogen und ausfällig, werde jedoch letztlich vom Grundrecht auf Meinungsäußerung gedeckt, da sie als Beitrag zu einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage verstanden werden könne. Das Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht Köln steht noch aus.[21][22]

2008 hatte Evelyn Hecht-Galinski Henryk M. Broder in einem Artikel „Pornoverfasser“ genannt. Henryk M. Broder hatte sie daraufhin verklagt, verlor diesen Prozess jedoch endgültig am 17. August 2009.[23]

Kontroverse um Felicia Langer

Im Frühjahr 2009 schlug Evelyn Hecht-Galinksi die deutsch-israelische Rechtsanwältin Felicia Langer für das Bundesverdienstkreuz vor. Langer ist in Deutschland als scharfe Kritikerin der Politik Israels gegenüber den Palästinensern bekannt geworden. Im Juli 2009 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, was einen heftigen Streit auslöste.[24] Bereits 2006 hatte Hecht-Galinski für Langer Partei ergriffen und deren Ausladung vom Else-Lasker-Schüler-Forum scharf kritisiert.[11]

Einzelnachweise

  1. „Du darfst das sagen“. Interview Badische Zeitung, 1. September 2007
  2. Verein als Gegengewicht zum Zentralrat gegründet. FAZ, 8. November 2007
  3. "Verbale Diffamierungen". taz, 13. Mai 2000
  4. Salomon Korn begrüßt Friedmans Rücktritt. Netzeitung, 9. Juli 2003
  5. „Sprachrohr der israelischen Regierung“. Interview im Deutschlandradio, 1. September 2009
  6. "Kritik gilt als Antisemitismus". taz, 2. September 2006
  7. „Bischöfe kritisieren Israel wegen Lebensbedingungen der Palästinenser“. ngo-online
  8. a b „Ghetto ist heute ein gebräuchlicher Begriff“. Interview im Deutschlandradio, 9. März 2007
  9. Kommentierte Abschrift der Sendung vom 3. Mai 2008 (vonhaeftens-blog)
  10. Brief an Monika Piel und deren Antwort
  11. a b Streit unter Brüdern - Wie sich unter deutschen Juden ein Zwist entwickelt hat. Bericht des Deutschlandradio, 12. November 2006
  12. John Rosentahl: What is a Jew in Germany Permitted to Say Against a Jew in Germany?. Worldpoliticsreview, 28. August 2008
  13. Tom Segev: Macht der Selbstkritik. In: Der Spiegel. Nr. 37, 2008, S. 164–165 (8. September 2008, online).
  14. Jens Jessen: Israelkritik. Zum Streit zwischen Henryk Broder und Eva Hecht-Galinski. In: Die Zeit. Nr. 37, 4. September 2008
  15. Patrick Bahners: Rechtsstreit. Was darf eine Jüdin in Deutschland gegen Israel sagen?. FAZ
  16. Michal Bodemann: Mit dem Antisemitismus-Vorwurf wird versucht, kritische Juden zu disziplinieren. - Rufmord und rassistische Hetze.
  17. Joachim Güntner: Polemiken bitte begründen. Ein Antisemitismusvorwurf vor Gericht. In: Neue Zürcher Zeitung. 8. September 2008
  18. Court: Journalist can call statements anti-Semitic. Jewish Telegraph Agency, 1. Januar 2009
  19. 'Kosher anti-Semitism' in Germany. Jerusalem Post, 14. August 2008
  20. Das erstinstanzliche Urteil im Wortlaut. Justizportal des Landes Nordrhein-Westfalen
  21. Pascal Beucker: Sieg für Broder im Antisemitismusstreit. In: taz vom 7. Januar 2009, S. 7
  22. Court: Journalist can call statements anti-Semitic.
  23. Landgericht Berlin, Urteil vom 25. November 2008 Der Link zeigt ausschließlich das Urteil des Landgerichts Berlin
  24. Schwäbisches Tagblatt, 22. Juli 2009: Auszeichnung Felicia Langers löst Wirbel aus

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