European Left

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Lothar Bisky, Vorsitzender der EL

Die Europäische Linke (oder kurz EL) ist eine europäische politische Partei, die am 8. Mai 2004 in Rom als Zusammenschluss von fünfzehn europäischen Mitgliedsparteien aus dem linken Spektrum gegründet wurde. Mitglieder im deutschsprachigen Raum sind die deutsche Partei Die Linke, die Kommunistische Partei Österreichs, die Partei der Arbeit der Schweiz sowie die Deutsche Kommunistische Partei als Beobachter.

Im Europäischen Parlament bilden die Abgeordneten der EL-Mitgliedsparteien die Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken (GUE/NGL). Die GUE/NGL ist mit 41 Abgeordneten, wovon 38 der EL angehören, die sechststärkste Fraktion im Europaparlament. Der Fraktion gehören auch unabhängige Mitglieder, insbesondere der Nordischen grün-linken Allianz an. Die EL ist jedoch nicht auf die Mitgliedsländer der Europäischen Union beschränkt, sondern hat auch Mitglieder z. B. in der Schweiz, der Türkei und in Moldawien.

Ziel ist die Entwicklung eines „alternativen sozialen und politisches Modells zum Kapitalismus und Aktivität gegen „wachsende Militarisierung und Krieg sowie Einsatz für Umweltschutz und die Achtung der Menschenrechte.[1]

Vorsitzender der EL ist seit ihrem 2. Kongress am 24. November 2007 Lothar Bisky von der Partei Die Linke. Er löste den Gründungsvorsitzenden Fausto Bertinotti von der italienischen PRC ab.

Inhaltsverzeichnis

Mitgliedschaft

Auf dem Gründungskongress konnte keine vollständige Einigkeit über die statuarische Festlegung der Mitgliedschaft in der EL erzielt werden. Der EL beitreten können Parteien und Einzelpersonen. Letzteres war zunächst umstritten. Die französische PCF plädierte für eine rein korporative Mitgliedschaft, während die PDS in Deutschland die Möglichkeit der Bildung von EL-Gruppen auch mit nicht der PDS angehörenden Mitgliedern befürwortete. Mittlerweile wurde dieser Streit behoben. Die EL-Mitglieder, die keiner der Mitgliedsparteien angehören, zahlen einen erhöhten EL-Beitrag von mindestens 24 Euro jährlich. Ein europäischer Zusammenschluss der Einzelmitglieder strebt an, den Status der Parteienpartei zu überwinden und versteht sich als Netzwerk, welches daran arbeitet den Fokus und die Aktivitäten der Partei und deren Mitgliedsparteien stärker auf die europäische Ebene auszurichten.

Mitgliedsparteien

Mitglieder der EL

Partei Land
Die Linke Deutschland Deutschland
Kommunistische Partei Österreichs  OesterreichÖsterreich Österreich
Partei der Arbeit der Schweiz Schweiz Schweiz
Kommunistische Partei Belgien Belgien
Estnische Linkspartei Estland Estland
Kommunistische Partei Frankreichs Frankreich Frankreich
Koalition der Linken, der Bewegungen und der Ökologie Griechenland Griechenland
Partei der Kommunistischen Neugründung Italien Italien
Die Linke Luxemburg Luxemburg
Kommunistische Partei der Republik Moldau Moldawien Moldawien
Linksblock Portugal Portugal
Sozialistische Allianzpartei Rumänien Rumänien
Partei der Kommunistischen Neugründung San Marino San Marino
Vereinigte Linke Spanien Spanien
Vereinigte Alternative Linke Spanien Spanien
Kommunistische Partei Spaniens Spanien Spanien
Partei des Demokratischen Sozialismus Tschechien Tschechien
Partei der Freiheit und Solidarität  TurkeiTürkei Türkei


Parteien mit Beobachterstatus bei der EL

Partei Land
Deutsche Kommunistische Partei Deutschland Deutschland
Alternative Links Belgien Belgien
Einheitsliste Rot-Grün Dänemark Dänemark
Kommunistische Partei Finnlands Finnland Finnland
Erneuernde Kommunistische und Ökologische Linke Griechenland Griechenland
Partei der italienischen Kommunisten Italien Italien
Młodzi Socjaliści (Junge Sozialisten) Polen Polen
Kommunistische Partei der Slowakei Slowakei Slowakei
Kommunistische Partei Böhmen und Mährens Tschechien Tschechien
Fortschrittspartei des werktätigen Volkes Republik Zypern Zypern

Ehemalige Mitgliedsparteien der EL

Partei Land Austritt
Ungarische Kommunistische Arbeiterpartei Ungarn Ungarn 1. Mai 2009

Hintergründe – Kontroversen – Perspektiven

Die Initiative zur Gründung der EL ging in erster Linie von Parteien aus, die in der GUE/NGL im EU-Parlament und im Rahmen des Neuen Europäischen Linken Forums (NELF) seit langem zusammenarbeiten, so etwa von der italienischen Rifondazione Comunista (PRC). Zugrunde lag ihr die Einschätzung, dass eine soziale Opposition nicht mehr im Rahmen der an Souveränität verlierenden Nationalstaaten wirksam werden könne, sondern sich auf europäischer Ebene formieren müsse. Diese Haltung findet allerdings unter den Linkskräften Europas keine ungeteilte Zustimmung, weshalb die Entstehung der EL von zahlreichen Kontroversen begleitet war.

Differenzen in der Europafrage

Die EL agiert, obwohl ihr auch Parteien aus Ländern außerhalb der EU angehören, im rechtlichen Rahmen der EU. Diese faktische Akzeptanz von EU-Institutionen stößt in Teilen der Linken auf scharfe Ablehnung, da die Haltung zur EU generell eine der umstrittensten politischen Fragen innerhalb der Linken darstellt. Die EL befürwortet grundsätzlich ein geeinigtes soziales und demokratisches Europa in Abgrenzung vom – ihrer Meinung nach – Neoliberalismus der Maastricht-Verträge und der EU-Verfassung, wobei es unter den Mitgliedsparteien allerdings unterschiedliche Schattierungen gibt.

Allgemein fällt auf, dass eine „proeuropäische“ Haltung in erster Linie in den offiziellen Positionen der Linksparteien Mitteleuropas anzutreffen ist – in denen es allerdings auch oppositionelle Strömungen gibt –, während eine generelle Europaskepsis hauptsächlich in Parteien an der südlichen und nördlichen Peripherie dominiert, die deshalb der EL nicht beitreten wollen. Das betrifft so unterschiedliche Kräfte wie die sehr traditionell orientierte, am orthodoxen Marxismus-Leninismus festhaltende Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) und die Kommunistische Partei Portugals (PCP) und andererseits beispielsweise die ehemals kommunistische schwedische Linkspartei, die ein modernes linkssozialistisches, ökologisches und feministisches Profil vertritt, aber ebenso wie die altkommunistischen Kräfte anderer Länder auf die Verteidigung nationaler Souveränität gegen die EU setzt. Die Differenzen in der Haltung zur EU erklären sich zum Teil daraus, dass die Leidtragenden der EU-Politik vor allem Landwirte sind, die jedoch in Mitteleuropa keine Rolle mehr spielen.

Darüber hinaus sind aber auch in EL-Parteien wie der PRC, der französischen PCF oder auch der kleinen KPÖ in Österreich starke oppositionelle Stimmen gegen die EL laut geworden. Überdies ist in einigen beteiligten Parteien die EL-Gründung nicht umfassend an der Basis diskutiert worden, sondern sie wurde von den Führungen vollzogen, was Kritik am Vorgehen hervorrief. Aus den Reihen der traditionell-orthodoxen kommunistischen Kräfte der konkurrierenden Europäischen Antikapitalistischen Linken wird daher der Einwand vorgebracht, die EL bewirke eher eine Spaltung als eine Vereinigung der Linken in Europa.

Alte und neue Milieus

Diese Auseinandersetzungen verweisen auf Grundprobleme der heutigen Linken in Europa. Während die konservativen, liberalen und sozialdemokratischen Kräfte in allen Ländern in der Grundtendenz gleiche Positionen mit gleichen sozialen Zielgruppen vertreten, findet die Linke sich in einer Situation wieder, in der sie in den einzelnen Ländern mit unterschiedlichen sozialen Bezugssystemen, historischen und soziokulturellen Rahmenbedingungen konfrontiert ist.

Ein besonders plastisches Beispiel dafür stellt Griechenland dar. Dort hat die bedeutsame kommunistische KKE sich mit einer sehr „orthodoxen“ Linie nach 1990 überraschend gut behaupten können. Ihre Stimmenanteile bei Wahlen liegen über fünf Prozent mit in den letzten Jahren wieder steigender Tendenz. Ihre Politik verbindet sozialen Protest mit einer stark antiimperialistischen Orientierung. Dabei kann sie sich einerseits auf dort noch relativ intakte alte Traditionsmilieus in der Arbeiterschaft und im landwirtschaftlichen Sektor stützen. Andrerseits hat die Präsenz der KKE den Organisierungsgrad und die radikale Politisierung großer Teile der Arbeiterschaft in den letzten Jahren erst bewirkt. Ihr Ziel besteht im Austritt Griechenlands aus der EU, in der Errichtung einer partizipativ-demokratischen Regierungsform und sozialistischen „Volks-Ökonomie“ und in der Schaffung neuer geopolitischer Allianzen als Gegenpol zum US- und EU-Imperialismus sowie den Durchmarsch der multinationalen Konzerne. Als Rahmen dient diesem Projekt die Formierung einer „Antiimperialistischen Antimonopolistischen Demokratischen Front“, in die verschiedene fortschrittliche Kräfte eingebunden werden sollen. Die KKE bezog eine Position kritischer Solidarität gegenüber dem ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević und Serbien während der Jugoslawienkriege. Die eine patriotischere marxistische Orientierung vertretende Jougnalistin Liana Kanelli ist auf der Liste der KKE zu einem Parlamentssitz gekommen. Themen wie Migration, Rassismus usw. spielen für die Partei jedoch, vor allem in den letzten Jahren, eine sehr große Rolle und werden in zahlreichen Publikationen, meistens in der Parteizeitung „Rizospastis“ (der Radikale) behandelt. Ihr steht die etwas kleinere, zur EL gehörende Linkspartei Synaspismos gegenüber, in der sich ehemalige KKE-Mitglieder und Personen aus anderen linken Strömungen zusammengefunden haben. SYN hat in den letzten Jahren ein ambivalentes Profil entwickelt, das eine Perspektive sozialistischer Demokratie mit Themen wie Ökologie, Feminismus, Minderheitenfragen, Menschenrechte verbindet. Andrerseits ist der SYN anders als die weiter links stehende KKE der EU gegenüber durchaus positiv eingestellt. Von Seiten der KKE wurde dem SYN auch immer wieder nationalistisches Verhalten in Bezug auf die Frage nach der Namensgebung Mazedoniens vorgeworfen. Die Anhängerschaft von SYN ist eher unter gebildeteren Schichten im städtischen Milieu zu finden. Ähnlich stellt sich die Situation in Portugal dar. Auch dort bezieht die traditionskommunistische PCP das Gros ihrer Wählerstimmen aus dem alten Industriegürtel um Lissabon und dem ländlichen Alentejo (wobei allerdings die Tendenz zur Auflösung dieser alten Sozialstrukturen zu spürbaren Einbrüchen führt), während der neue Bloco de Esquerda (BE) aus undogmatischen Kräften teils trotzkistischer, teils maoistischer und teils reformkommunistischer Herkunft hauptsächlich Unterstützung in der urbanen und „zivilgesellschaftlichen“, vielfach in Bewegungen engagierten Linken findet. Der BE ist im Parlament vor allem mit Initiativen in den Bereichen Drogenpolitik und Abtreibung hervorgetreten – eher „grüne“ Themen, die die Altkommunisten und ihre Klientel nicht oder nur am Rande interessieren.

Dieser soziokulturelle Bruch zwischen den alten und den neuen Milieus mit gegen den neoliberalen Kapitalismus gerichteten Interessen, der an der südeuropäischen Peripherie besonders deutlich wird, spielt aber auch in Frankreich eine Rolle und prägt dort die Auseinandersetzungen sowohl innerhalb der PCF als auch zwischen den mit ihr konkurrierenden Parteien trotzkistischer Provenienz. Der Niedergang der einst stärksten Arbeiterpartei PCF setzte um 1980 ein, als der soziale Strukturwandel zu einer fortschreitenden Erosion der alten Industriemilieus führte (in denen Teile sich dann auch als anfällig für die rassistische Propaganda des Neofaschisten Jean-Marie Le Pen erwiesen, worauf die PCF zeitweilig damit zu reagieren versuchte, dass sie ihrerseits populistische Kampagnen gegen marokkanische „Drogenhändler“ usw. durchführte). Der dadurch ausgelösten und durch den Zusammenbruch des Ostblocks verschärften Talfahrt versuchte die PCF Mitte der 1990er Jahre durch die mutation, die Wandlung und Erneuerung zu begegnen, in der sie sich neuen Themenbereichen und Konfliktfeldern wie Ökologie, Feminismus, Antirassismus zuwandte und diese in ein reformerisches Profil zu integrieren versuchte. Allerdings verhalten sich die in diesen „alternativen“ Politikfeldern engagierten Bevölkerungsteile meist generell sehr skeptisch gegenüber Parteien, vor allem dann, wenn solche Parteien so wie die PCF Ende der 1990er Jahre Regierungen unterstützen, die keine grundlegenden Alternativen zum neoliberalen Mainstream darstellen, sondern diese Tendenz höchstens abmildern. Ihre besten Wahlergebnisse erzielt die PCF heute noch in den alten Industrieregionen. Darauf beruft sich die traditionalistische und nostalgische Opposition in der Partei, die die Rückkehr zum Profil einer kämpferischen Arbeiterpartei alten Stils mit vor allem betrieblich-gewerkschaftlicher Verankerung verlangt, während auf der anderen Seite die Minderheitsströmung der refondateurs eine konsequentere, radikalere Hinwendung zur neuen Bewegungslinken fordert. Auch zwischen den mit einigen spektakulären Wahlerfolgen hervorgetretenen Konkurrenzparteien trotzkistischen Ursprungs, Lutte Ouvrière (LO) und Ligue communiste révolutionnaire (LCR) klafft ein solcher Gegensatz. Die streng trotzkistische LO agiert fast ausschließlich im alten Industriemilieu unter deutlicher (in letzter Zeit etwas gemilderter) Abgrenzung von „kleinbürgerlichen“ Kräften, während die eher bunt-alternative LCR Zulauf vor allem unter Lohnabhängigen im öffentlichen Dienst (z. B. Post, Transportwesen), im Bildungs- und Gesundheitswesen findet, im Bereich der Mittelschichten mit höherem Bildungsniveau und starkem sozialen Engagement. (Die LCR gehört, ebenso wie der portugiesische BE, zu den Gründern der Europäischen Antikapitalistischen Linken (EAL), die sich, in Abgrenzung von der EL, als Koordination der „alternativen Linken“ in Europa versteht.)

Globalisierung und Nationalstaat

In Italien hat die PRC die verschiedenen Milieus bislang besser integrieren können, aber auch hier werden Spannungen sichtbar zwischen Teilen, die sich vorwiegend auf die neuen sozialen Bewegungen im Strom der Globalisierungskritik beziehen, dabei allerdings wiederum mit deren radikalen Teilen in Konflikt geraten, weil sie wahlpolitisch auf Belange von Bevölkerungsschichten mit stärker „realpolitischen“ Interessen eingehen müssen, und der vor allem im traditionellen Milieu der früheren kommunistischen Partei PCI verankerten, eher orthodoxen „Ernesto-Strömung“", die in einer milderen Form eine ähnliche Grundtendenz vertritt wie die griechischen Kommunisten. Die die Mehrheit der Partei stellende erstgenannte Richtung setzt primär an den neuen Ausformungen der sozialen Konflikte im globalisierten neoliberalen Kapitalismus und den in sie involvierten Milieus an. Die neokommunistischen Erneuerer setzen auf die länderübergreifenden netzwerkförmigen, vielstimmigen, in sich pluralistischen, eine Vielfalt von Individuen und Gruppen mit mannigfaltigen Interessen und Bedürfnissen umfassenden Bewegungen gegen die kapitalistische „Globalisierung“, die sie als eine Art Laboratorium für die experimentelle Herausbildung neuer Formen kooperativer Gesellschaftlichkeit auffassen. Die Traditionalisten dagegen halten eher an einem „Blockdenken“ mit klar konturierten Kollektividentitäten fest. Exemplarisch steht in der inhaltlichen Auseinandersetzung dafür der Streit um die Interpretation der „Globalisierung“. Die Erneuerer um Fausto Bertinotti betrachten die Globalisierung als ein qualitativ neues Phänomen, das mit grundlegenden Veränderungen des Kapitalismus einhergeht: Neue Technologien, Schrumpfen der alten Industrien, globale Mobilität des transnational verflochtenen Kapitals, Schwinden der regulierenden Funktion der Nationalstaaten, allgemeine Prekarisierung der Arbeit und des Lebens – Sachverhalte, die sich weltweit im Inneren aller Gesellschaften auswirken. Die KP-Traditionalisten interpretieren dagegen die Globalisierung nur als verschärfte Form des Imperialismus, d. h. sie sehen mächtige und miteinander konkurrierende Nationalstaaten, die als politisches Instrument der Interessen ihrer Großkonzerne wirken, als treibende Kraft der schrankenlosen globalen Durchsetzung von Kapitalinteressen. Sie gehen also eher von einem äußeren Machtverhältnis aus und setzen folglich auf Gegenwehr durch Verteidigung der nationalstaatlichen Souveränität von „Völkern“, weil sie im Nationalstaat den einzig verlässlichen Schutz gegen den Raubzug der Konzerne sehen.

Wieder anders verhält es sich in den skandinavischen Ländern, wo in breiten Bevölkerungskreisen aller sozialen Schichten eine stark ablehnende Haltung gegen die EU und ein energischer Wille zur Verteidigung der sozialstaatlichen und demokratischen Errungenschaften dieser Länder anzutreffen ist. Deshalb misst im Allgemeinen dort auch die „alternative“ Linke der Beibehaltung oder Wiedergewinnung nationaler Souveränität hohe Bedeutung bei. Daraus erklärt sich, dass etwa die schwedische Vänsterpartiet, obwohl ihre politische Ausrichtung im Hinblick auf das Themenspektrum insgesamt eher der italienischen Rifondazione nahe kommt, in der EU-Frage eine ähnliche Haltung einnimmt wie die ansonsten ideologisch völlig anders geartete griechische KKE.

Problem Osteuropa

Die EL hat ein starkes Interesse daran, auch in den neuen EU-Ländern Osteuropas Fuß zu fassen, gerade weil diese Länder als Billiglohn-Standorte eine wichtige Rolle spielen. In den meisten dieser ehemals „realsozialistischen“ Länder haben links von der Sozialdemokratie stehende Kräfte keine Bedeutung. Wenn doch, dann repräsentieren sie wiederum andere soziale Konstellationen als die westlichen Parteien.

Die stärkste Linkspartei in den östlichen EU-Ländern ist die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens (KSČM) in der Tschechischen Republik, in der starke Spannungen zu beobachten sind und gerade die bis heute nicht entschiedene Frage eines EL-Beitritts – wie auch schon die Diskussion über die Position der Partei zum Referendum über den EU-Beitritt Tschechiens – für Turbulenzen sorgte. Die Basis, der die KSČM ihre Wahlerfolge verdankt, besteht vor allem aus „Wendeverlierern“: Rentner, Arbeitslose, Teile der Landbevölkerung. Bei ihnen bedient sie nostalgische Stimmungen, die die zentristische Parteiführung um den Vorsitzenden Miroslav Grebenicek mit dem Anspruch, als moderne demokratische Partei anerkannt zu werden, auszubalancieren versucht. Im Januar 2004 wurde der damalige stellvertretende Parteivorsitzende und heutige Europaabgeordnete Miloslav Ransdorf zum Treffen zur Vorbereitung der EL-Gründung nach Berlin geschickt. Ransdorf, führender Kopf des proeuropäischen Modernisiererflügels, unterzeichnete dort den EL-Gründungsaufruf. Anschließend wurde ihm vorgeworfen, er habe eigenmächtig und ohne Mandat gehandelt. Dennoch nahm eine KSČM-Delegation im Mai 2004 am EL-Gründungskongress teil, den sie allerdings mit einem Eklat verließ: Sie erklärte sich nicht einverstanden mit der Verurteilung des Stalinismus im Gründungsdokument. Anschließend führte die Partei auf ihrer Homepage eine Online-Umfrage über die betreffende Formulierung durch, in der siebzig Prozent der Teilnehmer sich für den EL-Wortlaut aussprachen. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass die typische KSČM-Klientel keinen Internetzugang hat. Der Vorgang lässt allerdings erkennen, wie schwer es der zwischen nostalgischen Traditionsbezügen auf den untergegangenen Realsozialismus und der Suche nach einer realitätstauglichen Neuorientierung hin- und herpendelnden Partei fällt, zu einer verbindlichen Position zur EL zu gelangen. In letzter Zeit waren Signale zu vernehmen, dass die KSČM ihre Zusammenarbeit mit der EL intensivieren will und langfristig eine Vollmitgliedschaft ins Auge fasst.

Dagegen trat die Ungarische Kommunistische Arbeiterpartei, die 2004 ebenfalls die Verurteilung des osteuropäischen Realsozialismus kritisiert hatte, aber zunächst an der EL teilgenommen hatte, mit Wirkung zum 1. Mai 2009 aus der europäischen Partei aus.

Zivilgesellschaftliche und etatistische Linke

Sie besteht aus Parteien von historisch überwiegend kommunistischer Herkunft, die sich modernisiert und transformiert haben. Gemeinsam ist ihnen ein pluralistisches Selbstverständnis, die Anerkennung der fundamentalen Bedeutung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Bürgerrechten, eine Programmatik des demokratischen Sozialismus, der neben der Theorie von Karl Marx auch andere Zugänge und Begründungszusammenhänge in ethischen und religiösen Wertorientierungen einbezieht, eine Bezugnahme sowohl auf Traditionen und Zielsetzungen der Arbeiterbewegung als auch Themengebiete wie Ökologie, Feminismus, migrations- und minderheitenpolitische Fragen. Sie distanzieren sich grundlegend von den im „realen Sozialismus“ unternommenen Versuchen, über die Diktatur einer privilegierten Partei eine sozialistische Gesellschaft herbeizuzwingen und sehen den Niedergang und Zusammenbruch dieser Gesellschaften als Folge des Fehlens von Demokratie und Strukturen zivilgesellschaftlicher Partizipation. Sie betrachten die „Zivilgesellschaft“ als entscheidendes Handlungsfeld zur Austragung von Konflikten und Transformation der Gesellschaft. Innerparteilich besteht ein Konflikt zwischen eher parlamentarisch orientierten Kräften und einem stärker „bewegungsorientierten“ Flügel aus Parteien wie Rifondazione und Synaspismos, die die Haupttriebkraft gesellschaftlicher Veränderung in unabhängigen sozialen Bewegungen sehen und der Parteipolitik in erster Linie eine dienende Rolle gegenüber den Bewegungen zumessen.

Auf der anderen Seite stehen die politischen Kräfte, die stärker traditionellen Modellen der Interpretation sozialer Konflikte verhaftet bleiben, wobei sie dem „Hauptwiderspruch“ zwischen Lohnarbeit und Kapital die absolute Priorität gegenüber Konflikten um Geschlechterverhältnisse, Ökologie, Migration usw. zumessen und die Macht des (National-)Staates als wesentlichen Hebel ansehen, um die Interessen der arbeitenden Bevölkerung gegen das Kapital durchzusetzen. Ihre politische Strategie bleibt in diesem Sinne etatistisch, sie verteidigen den „realen Sozialismus“ als Garanten sozialer Sicherheit und führen als Erklärung für dessen Untergang neben politischen und ökonomischen Fehlern vor allem den Druck des Imperialismus und „Verrat“ durch die ideologisch aufgeweichten Führungseliten an. Sie beziehen sich primär auf traditionelle Arbeiter- und Bauernmilieus, wobei sie bisweilen auch Bereitschaft zeigen, zur Verteidigung nationalstaatlicher Souveränität Bündnisse mit „patriotisch“-konservativen bürgerlichen Kreisen zu bilden. Die in dieser Hinsicht am radikalsten auftretende Kommunistische Partei Griechenlands hat eine Beteiligung an einer europäischen Linkspartei von Anfang an energisch abgelehnt, weil sie in ihr zum einen eine Unterwerfung unter die EU und andererseits eine ihre „marxistisch-leninistischen“ ideologischen Grundprinzipien zersetzende Anordnung sieht.

Die weitere Entwicklung der Linken in Europa wird von ihrer Fähigkeit abhängen, Antworten auf die Diversifizierung der durch den neoliberalen Kapitalismus benachteiligten und geschädigten Bevölkerungsschichten zu finden und handlungsfähige Einheiten in der Vielfalt herzustellen.

Siehe auch

Weblinks

Quellen

  1. http://euroleft.org/docs/el-manifesto.de.html

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