Etikette

Etikette

Etikette (franz. étiquette) ist ein Verhaltensregelwerk, welches sich auf zeitgenössische traditionelle Normen beruft und das die Erwartungen an das Sozialverhalten innerhalb gewisser sozialer Kreise beschreibt.[1]

Das Wort wird gerne mit den Begriffen: Zeremoniell, diplomatisches Protokoll und Umgangsformen gleich- oder in Verbindung gesetzt. Die Gleichsetzung mit Umgangsformen ist jedoch problematisch. Etikette bezeichnet nämlich im Grunde nur die Umgangsformen, die nur der offiziellen Förmlichkeit willen dargeboten werden.[2]

Inhaltsverzeichnis

Wortherkunft

Das Wort Etikette stammt ursprünglich von angehefteten Zetteln (frz. etiquette): Am französischen Königshof wurden Aufschreibzettel verwendet, auf denen die Rangfolge der am Hofe zugelassenen Personen notiert war, so überträgt sich der Ausdruck ‚Etikette‘ darauf, sich den Regeln am Hofe entsprechend „anständig“ zu betragen. Solche Methoden waren im 18. und 19. Jahrhundert weit verbreitet, und finden sich in der Sitte der obligatorischen schriftlichen Einladung genauso wieder wie im Ballheft (Ballbuch), in dem man sich am Ball bei der Dame zum Tanze anmeldet.

Autoren von Büchern zur Etikette

Die erfolgreichste Benimmbuch-Autorin der Nachkriegszeit war Erica Pappritz (1893-1972). Die Diplomatin hatte unter Bundeskanzler Konrad Adenauer im Bonner Auswärtigen Amt das offizielle Protokoll aufgebaut. Adenauer hatte den im diplomatischen Dienst des Auswärtigen Amtes in Berlin erfahrenen Hans Herwarth von Bittenfeld zum Protokollchef gemacht sowie seine Kollegin Erica Pappritz zur Vizeprotokollchefin und seiner persönlichen Beraterin. Die von ihr festgelegten Grundsätze blieben Elemente der Diplomaten-Ausbildung. Noch während ihrer Amtszeit als offizielle Protokoll-Dame der Bundesrepublik schrieb sie das „Buch der Etikette“, das bereits in der Erstauflage ein Bestseller wurde.[3]

Teilbereiche und Varianten

Für den Golfplatz entstanden im Laufe der Zeit gewisse Verhaltensregeln die gerne präferiert werden und als Golfetikette bezeichnet werden. Mit dem Aufkommen des Internets entstand die Netiquette. Der Begriff ist vom Ausdruck Etikette abgeleitet und bezeichnet ein Modell, bei dem die Anstandsregeln der klassischen Kommunikation (des direkten Kontaktes und der schriftlichen Korrespondenz) auf das neue Medium Internet angewendet werden.

Auch für den Berufs- und geschäftlichen Bereich entstanden spezielle Regeln, beispielsweise für Bewerbungsgespräche. Wer internationale Geschäftsgespräche führen will, muss sich rechtzeitig über die Gepflogenheiten im Gastland informieren. Beispiele: In Südosteuropa, im Orient oder gar in der Volksrepublik China und Japan gilt es als unfein, ein Gespräch zu rasch zum Kern der Sache zu bringen. In großen Teilen Afrikas muss sogar ein richtiggehendes Palaver vorangehen – desto länger, je wichtiger die Angelegenheit und je höhergestellt die Beteiligten sind. Ein Ladenbesitzer in einem Basar ist enttäuscht, wenn ein potenzieller Kunde, der nicht fündig wird, sich zu rasch zum Gehen wendet.

Einzelne Regeln der Etikette

Als „gute Umgangsformen“ (sinn- und sachverwandte Begriffe sind beispielsweise gutes Benehmen, gutes Betragen, gute Manieren, guter Ton, Anstand, Höflichkeit, Fairness, Achtung, Benimm, Schliff sowie Etikette) bezeichnet man die Gesamtheit der Verhaltensweisen und -regeln, die dazu dienen sollen, das menschliche Zusammenleben möglichst reibungslos und angenehm zu machen. Je nach Herkunft, Kulturkreis, sozialem Milieu oder gesellschaftlichem Umfeld können die jeweils als üblich und/oder geboten geltenden Umgangsformen stark voneinander abweichen.

Begrüßung und Verabschiedung

Zu den global gültigen Umgangsformen zählt das Grüßen beim Kommen und Gehen. Während in Mitteleuropa meist kurze Grüße bevorzugt werden, begrüßt und verabschiedet man sich im Süden, im Osten und im Orient körperbetonter. Wenn beispielsweise ein Deutscher jemandem die Hand reicht und er sie zu lange nicht loslässt, empfindet dieser es gewöhnlich als zu aufdringlich. In Italien und noch mehr aber in Nahost kann ein zu kurzer Händedruck als gezwungene, nur kühle Begrüßung gedeutet werden. Es wird jeweils die rechte Hand geschüttelt. Im Übrigen steht man zumindest in Mitteleuropa gewöhnlich auf, wenn eine Person einem die Hand schüttelt.

Was die Körpersprache beim Grüßen betrifft, ist derzeit ein gewisser Wandel im Gange. Vor relativ kurzer Zeit betrachtete man in Mitteleuropa eine Umarmung oder einen Begrüßungskuss als Privileg unter Russen oder Franzosen. In Jugendkreisen ist es inzwischen teilweise üblich; es täuscht eine Vertrautheit vor, die oft (noch) nicht vorhanden ist.

Schon zwischen Süden und Norden im deutschen Sprachraum können Abschiedsworte wie „Tschüss“, „Moin“, „Ciao“, „Baba“ oder „Grüezi“ Erstaunen hervorrufen. Wer ein bayerisches „Grüß Gott“ mit einem lakonischen „Tach“ beantwortet, begeht fast einen Fauxpas und lässt es am gebotenen Taktgefühl fehlen. Auch wer darauf leutselig „Servus!“ erwidert, wird oft Zurückhaltung auslösen. Verballhornende Antworten wie „Gern, wenn ich ihn seh“ können als beleidigend (oder als alter Witz) empfunden werden.

Bekleidung und äußere Erscheinung

Unsere die Kleidung betreffenden Gebräuche haben sich in den letzten zweihundert Jahren stark gelockert. Verordnete Kleiderordnungen existieren in den meisten Lebensbereichen nicht mehr (Ausnahmen: Zwang zu Badebekleidung in Schwimmbädern oder Zwang zu Nacktheit an FKK-Stränden, Dresscodes in manchen Golfclubs oder Diskotheken). Gleichwohl gibt es gesellschaftliche Erwartungshaltungen bezüglich angemessener äußerer Erscheinung, ohne explizite Vorschrift. Das Erfüllen dieser Rollenerwartungen wird als Bestandteil guter Umgangsformen angesehen, bei sexuell freizügiger Kleidung eventuell auch als Frage des Anstands. Das betrifft Rollenerwartungen im Berufsleben, bei gesellschaftlichen Anlässen und im Alltag, in denen eine gewisse äußere Erscheinungsform erwartet wird. Dazu gehören Geschäftskleidung bei Bankangestellten und hygienisch einwandfreie Kleidung bei Ärzten und Pflegepersonal sowie beispielsweise die Erwartungshaltung, auf der Straße nicht mit Badebekleidung zu flanieren. Diese Regeln gelten zumeist als ungeschriebene Gesetze und sind regional und kulturell verschieden und unterliegen manchmal relativ kurzfristigen Veränderungen (z. B. waren weiße Tennissocken in den 1980er-Jahren eine Weile „in“, ehe sie „out“ bzw. geradezu verpönt wurden).

Siehe auch

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Siehe: Oxford English Dictionary, unter: Etiquette
  2. VGL. Zwahr, A: Meyers Großes Taschenwörterbuch. Mannheim 2004, unter: Etikette und Duden: Das Fremdwörterbuch. Mannheim 2007, unter: Etikette
  3. VGL. Karlheinz Graudenz und Erica Pappritz: Etikette neu, 12., völlig neu bearb. Aufl., München: Südwest-Verlag, 1971, ISBN 3-517-00026-4. und Erica Pappritz und Karlheinz Graudenz: "Etikette neu – Der Knigge aus den Wirtschaftswunderjahren", aktuelle Aufl., Verlagsanstalt Handwerk Düsseldorf 2008 /Pappritz-Archiv Bonn, ISBN 978-3-87864-919-9

Literatur

Weblinks

Wikibooks Wikibooks: Umgangsformen – Lern- und Lehrmaterialien
Wikibooks Wikibooks: Austauschschüler-Knigge für die USA – Lern- und Lehrmaterialien

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