Erzeuger (Algebra)

Erzeuger (Algebra)
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Eine in der Mathematik häufig gebrauchte Methode ist die des Erzeugendensystems oder auch erzeugendes System. Dabei wird ein mathematisches Objekt U mit Hilfe eines anderen, meist einfacheren Objekts E beschrieben, so dass mittels wohldefinierter Operationen aus dem einfacheren E das Ursprungsobjekt rekonstruiert werden kann. Üblicherweise ist E eine Teilmenge von U und die Operationen finden dann in U oder einem U enthaltenden Objekt M statt, verlassen U jedoch nicht.

In diesem Fall werden die Elemente eines Erzeugendensystems E sinngemäß als Erzeuger von U bezeichnet. Sie zeichnen sich durch die Eigenschaft aus, dass jedes Element u\in U mittels wiederholter Anwendung von Operationen auf Elemente e\in E erhalten werden kann und E selbst in U enthalten ist.

Diese intuitive Definition ist jedoch problemtatisch. Beispielsweise erklärt sie nicht, welches Objekt U\subseteq M von der leeren Menge E=\emptyset\subseteq M erzeugt wird (d.h. was im Falle keiner Operation passiert).

Daher führt man den Begriff des Erzeugnisses ein. Das Erzeugnis U von E zeichnet sich dadurch aus, dass es E enthält, unter allen erlaubten Operationen abgeschlossen ist, und unter allen Objekten, welche diese beiden Eigenschaften haben minimal ist. Die Existenz eines (eindeutigen) Erzeugnisses ist nicht immer offensichtlich.

Im Allgemeinen ist E durch U nicht eindeutig bestimmt. Die Existenz eines Erzeugendensystems ist meistens leicht zu zeigen, da oft tautologisch E = U gewählt werden kann. Hierdurch ist jedoch nichts gewonnen. Oft wird versucht, E minimal zu wählen. Dies ist jedoch nicht immer möglich und allgemeine Existenzbeweise für minimale Erzeugendensysteme machen nicht selten vom Zornschen Lemma Gebrauch (siehe bspw. Existenz einer Basis in Vektorräumen).

Inhaltsverzeichnis

Beispiele

Ein anschauliches Beispiel ist die Gruppe (\mathbb Z,+). Sie wird als Gruppe von E = {1} erzeugt, d.h. 1 ist ein Erzeuger von \mathbb Z. Die erlaubten Operationen sind hier die Addition und die Subtraktion.

Jede ganze Zahl n\in\mathbb Z ist das Ergebnis von Additionen und Subtraktionen, angewandt auf die Zahl 1. Daher erzeugt {1} die Gruppe \mathbb Z.

In diesem Fall ist E minimal. Im Allgemeinen wird \mathbb Z von einer nicht-leeren Teilmenge E\subseteq \mathbb Z erzeugt, wenn der größte gemeinsame Teiler d aller Elemente aus E den Betrag | d | = 1 hat. Das zeigt der Euklidische Algorithmus, denn dieser produziert als Nebenprodukt eine Darstellung von d als ganze Linearkombination von Elementen aus E (und jede solche Linearkombination wird von d geteilt).

Ergo ist E = {2,3} ebenfalls eine Erzeugendensystem von \mathbb Z. Es ist sogar minimal. Dieses Beispiel zeigt, dass zwar minimale Erzeugendensysteme existieren, die Kardinalität eines solchen jedoch nicht notwendigerweise 1 sein muss.

Die leere Menge E=\emptyset\subseteq\mathbb Z erzeugt die triviale Untergruppe \{0\}\subseteq\mathbb Z (das Ergebnis von 0 Additionen und 0 Subtraktionen ist 0).

Vektorräume

Eine Menge E \subseteq V von Vektoren eines K-Vektorraums V ist ein Erzeugendensystem eines Unterraums W \subseteq V, falls jedes Element w \in W als Linearkombination

w = \lambda_1 e_1 + \ldots + \lambda_n e_n

durch Vektoren e_1,\ldots,e_n aus der Menge E darstellbar und E in W enthalten ist.

Ist nun ein Vektorraum V gegeben, so kann man nach der kleinsten Anzahl von Vektoren fragen, welche V erzeugen. Ein minimales Erzeugendensystem existiert in diesem Fall und heißt Basis des Vektorraums V, die Kardinalität einer Basis gibt die Dimension des Vektorraums V an.

Man kann den Begriff Erzeugendensystem auch umgekehrt anwenden, indem man von einer gegebenen Teilmenge E\subseteq V ausgeht und nach dem von E erzeugten Unterraum W fragt. Dabei ist also der Unterraum W \subseteq V gesucht, der E enthält und minimal mit dieser Eigenschaft ist.

Da der Durchschnitt einer nichtleeren Menge von Unterräumen wiederum Unterraum von V ist, und V einen Unterraum (sich selbst) besitzt, der E enthält, kann man den Durchschnitt aller Unterräume von V betrachten, die E enthalten. Dieser ist offenbar der kleinste Unterraum im Sinne der Inklusion, welcher die Eigenschaft besitzt, E als Teilmenge zu enthalten. Es ist nicht schwer, zu zeigen, dass dieser Unterraum genau der von E im Sinne der vorherigen Definition erzeugte ist (d. h. W besteht als allen möglichen Linearkombinationen aus Element aus E).

Gruppen

Im Falle einer Gruppe G wird die von einer Teilmenge E \subseteq G erzeugte Untergruppe oft mit \langle E \rangle bezeichnet. Gilt \langle E \rangle = G, so sagt man, dass G von der Menge E erzeugt wird. Besitzt die Gruppe G ein endliches Erzeugendensystem so heißt die Gruppe endlich erzeugt.

Anschaulich enthält \langle E\rangle das neutrale Element von G sowie alle endlichen Produkte a_1a_2\cdots a_n für die für 1\leq i\leq n jeweils a_i\in E oder a_i^{-1}\in E gilt.

Ist insbesondere E einelementig, d. h. E = {g}, so schreibt man statt \langle\{g\}\rangle auch \langle g \rangle und nennt \langle g \rangle zyklisch mit Erzeuger g. Hier gilt \langle g\rangle =\{ g^z \mid z \in \mathbb{Z}\}, d. h. das Erzeugnis besteht aus den ganzzahligen Potenzen des Erzeuger g.

Allgemein ist das Erzeugnis \langle E\rangle das Bild unter der kanonischen Abbildung h:F(E)\to G der freien Gruppe F(E) über der Menge E, wobei h die Inklusion f:E\to G fortsetzt. Dies erklärt die obige explizite Beschreibung des Erzeugnisses. Weiterhin findet diese Interpretation wichtige Anwendungen in der Gruppentheorie. Wir nehmen an, dass f surjektiv ist, d. h. dass G von E erzeugt wird. Die Kenntnis des Kernes N von h bestimmt dann G bis auf Isomorphie eindeutig. In günstigen Fällen lässt sich der Kern selbst wiederum durch Erzeuger M\subseteq N einfach beschreiben. Das Datum (E,M) legt dann G bis auf Isomorphie eindeutig fest.

Topologische Gruppen

Das Erzeugnis einer Teilmenge E\subseteq G einer topologischen Gruppe G ist der Abschluss des Gruppenerzeugnisses \langle E\rangle. Da die Verknüpfung stetig ist, ist \overline{\langle E\rangle} tatsächlich eine Untergruppe von G.

Besitzt G als topologische Gruppe ein endliches Erzeugendensystem, so wird G auch als topologisch endlich erzeugt bezeichnet.

Da \mathbb Z in den ganzen p-adischen Zahlen \mathbb Z_p dicht ist, wird \mathbb Z_p als topologische Gruppe von 1 erzeugt. Es ist also topologisch endlich erzeugt. Aus der Terminologie der proendlichen Gruppen leitet sich ab, dass \mathbb Z_p prozyklisch ist.

Ringe

Als Ring mit Eins wird (\mathbb Z,+,\cdot) von der leeren Menge erzeugt. Dies spiegelt die Tatsache wider, dass \mathbb Z das Initalobjekt in der Kategorie der Ringe mit Eins ist.

Äquivalenzrelationen

Äquivalenzrelationen sind manchmal schwierig explizit zu beschreiben. Oftmals möchte man eine Äquivalenzrelation konstruieren, die gewisse vorgegebene Elemente miteinander identifiziert und zugleich gewisse Eigenschaften erhält, bspw. mit vorgegebenen Verknüpfungen verträglich ist (d.h. eine Kongruenzrelation ist).

Sei eine Menge X gegeben und eine beliebige Relation R\subseteq X\times X. Dann kann die durch R erzeugte Äquivalenzrelation R auch dadurch beschrieben werden, dass aRb genau dann gilt, wenn

  • a = b oder
  • es gibt endlich viele Elemente c_0, c_1, \ldots, c_n mit c0 = a, cn = b und für 0\leq i<n jeweils ciRci + 1 oder ci + 1Rci.

Die explizite Angabe ist hier also relativ kompliziert.

Kongruenzrelationen

Obiges Konzept wird insbesondere zur Konstruktion von Normalteilern und Idealen oder allgemeiner Kongruenzrelationen angewandt.

Der von einer Teilmenge E einer Gruppe G erzeugte Normalteiler N (d.h. der kleinste Normalteiler, welcher E enthält) ist nichts anderes als die feinste Äquivalenzrelation \equiv_E auf G, welche alle Elemente in E miteinander identifizert und zugleich mit der Gruppenverknüpfung verträglich ist (d.h. eine Kongruenzrelation ist). Genauso wie N der Durchschnitt aller E enthaltenden Normalteiler ist, ist \equiv_E\subseteq G\times G der Durchschnitt aller Äquivalenzrelationen auf G, welche E\times E enthalten und welche die Gruppenverknüpfung respektieren.

Analoges gilt mutatis mutandis für die Konstruktion von Idealen und entsprechenden Kongruenzrelationen auf Ringen.

Topologien

In der Topologie werden Erzeugendensysteme oft als Basis oder Subbasis bezeichnet. Hierbei handelt es sich um Mengen E\subseteq\mathcal{T} offener Teilmengen eines topologischen Raumes (X,\mathcal{T}) mit der Eigenschaft, dass sie die Topologie \mathcal{T} erzeugen.

Letzteres bedeutet anschaulich, dass durch die beiden mengentheoretischen Operationen endliche Durchschnitte und beliebigen Vereinigungen jede offene Menge O\subseteq X erzeugt werden kann.

Formal betrachtet ist \mathcal{T} die gröbste Topologie auf X, bezüglich welcher die Mengen in E offen sind. Mithin ist \mathcal{T} der Durchschnitt aller Topologien auf X, welche E enthalten.

σ-Algebren

In der Maß- und Integrationstheorie untersucht man sogenannte σ-Algebren. Man betrachtet zum Beispiel einen topologischen Raum T und sucht in diesem eine kleinste σ-Algebra, die alle offenen Mengen enthält. Die dadurch eindeutig bestimmte σ-Algebra heißt die σ-Algebra der Borel-Mengen. Diese ist in der Integrationstheorie von zentraler Bedeutung. Hier steht die zweite Form des besagten Prinzips im Vordergrund, da das Objekt als solches nur schwer explizit angegeben werden kann.

Mengentheoretische Formulierung

Es sei eine Grundmenge X und ein System \mathfrak{B} \subseteq \operatorname{Pot}(X) von Teilmengen von X gegeben. Diese Teilmengen entsprechen dabei den mathematischen Objekten, die im Folgenden betrachtet werden. Im obigen Beispiel von Vektorräumen ist also X = V und \mathfrak{B} die Menge der Unterräume von V. Sei weiter eine Menge E \subseteq X gegeben. Dann wird nach der kleinsten Menge A \in \mathfrak{B} gefragt, so dass E \subseteq A gilt. Die Menge E ist also das Erzeugendensystem, im obigen Beispiel gilt also E = \mathfrak{E}. Ein solches Element A existiert und ist eindeutig bestimmt, sofern gilt

  1. \mathfrak{B} ist stabil unter beliebigen Durchschnitten, d. h. ist S \subseteq \mathfrak{B} nichtleere Teilmenge, so ist auch der Durchschnitt \bigcap S Element des Mengensystems \mathfrak{B}
  2. Es gibt mindestens ein Element A aus \mathfrak{B} mit der Eigenschaft E \subseteq A (meist gilt X\in\mathfrak B).

Und zwar gilt dann

A = \bigcap \{ B \in \mathfrak{B} \mid E \subseteq B\}.

Dies trifft auf alle obigen Beispiele zu. Im Falle von Gruppen ist das betrachtete Mengensystem \mathfrak{B} die Menge der Untergruppen einer Gruppe G und die Grundmenge ist X = G. Im Falle der σ-Algebren entspricht dem System \mathfrak{B} die Menge der σ-Algebren auf T und die Grundmenge X analog die Potenzmenge \mathcal{P}(T). Dies gilt mutatis mutandis auch für alle anderen genannten Beispiele.

Siehe auch


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