Erste-Hilfe-Recht

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Gerät ein Mensch in eine Notlage, herrscht bei Ersthelfern oft große Unsicherheit bei Fragen wie der Verpflichtung zur Hilfeleistung, eventueller Haftung bei Schäden oder bei Fehlern bei der Anwendung der ersten Hilfe.

Jeder Mensch ist dazu verpflichtet, einer Person Hilfe zu leisten, wenn die Situation es verlangt, jedoch ohne sich selbst oder andere unzumutbar zu schaden. Zwar kann schon der Notruf bei Polizei, Feuerwehr oder dem Rettungsdienst die Hilfe sein, die dem Patienten das Leben rettet. Häufig treffen die professionellen Helfer zu spät ein, wenn nicht bereits der Ersthelfer lebensrettende Sofortmaßnahmen durchführt. Diese können in einem Erste-Hilfe-Kurs bei Hilfsorganisationen leicht erlernt und geübt werden.

Wenn eine Person in einer Notlage nach ihren Möglichkeiten versucht zu helfen, dann hat dies für sie weder strafrechtlich noch zivilrechtlich negative Konsequenzen, auch wenn die Hilfe nicht in objektivem Sinne optimal verläuft. Erleidet sie selbst bei der Hilfeleistung einen Schaden, so bestehen etliche Möglichkeiten des Schadensausgleichs.

Wird dagegen nicht geholfen, so können sowohl strafrechtlich als auch zivilrechtlich erhebliche Folgen auf den Nichthelfer zukommen; selbst dann, wenn er die Notlage nicht erkennt, allerdings nur, wenn er Anzeichen für solch eine Situation wahrnimmt und sich nicht weiter darum kümmert.

Die rechtlichen Aspekte der ersten Hilfe können in zwei große Bereiche aufgeteilt werden. Dabei geht es zum einen um die strafrechtliche Seite, also um die Frage welches Tun oder Unterlassen der Gesetzgeber für strafwürdig hält. Zum anderen geht es auf der zivilrechtlichen Seite um die Fragen, ob der Helfer evtl. dem Opfer einen Schaden zu ersetzen hat und ob und gegen wen der Helfer Ansprüche auf Erstattung eigener Aufwendungen hat.

Inhaltsverzeichnis

Strafrecht

Im Strafrecht muss unterschieden werden, ob jemand die von ihm geforderte Hilfe nicht erbracht hat (Unterlassen) oder aber im Rahmen seiner Hilfe Schäden verursacht.

Unterlassen

Beim Unterlassen wendet sich das Strafrecht einerseits an die Allgemeinheit, andererseits an bestimmte Personen, für die eine besondere Pflicht besteht einzuschreiten, sogenannte Garanten.

Allgemeine Pflicht, zu helfen

Die allgemeine Hilfeleistungspflicht wendet sich an jedermann, wer nicht hilft kann zur Verantwortung gezogen werden: in Deutschland nach § 323c StGB (Unterlassene Hilfeleistung), in Österreich nach § 95 StGB, in der Schweiz nach Art. 128 (120) Strafgesetzbuch. In Österreich gilt noch zusätzlich eine ausdrückliche Hilfeleistungspflicht für Beteiligte und Zeugen von Verkehrsunfällen, in Deutschland entspricht dem § 34 StVO, der aber nur für Beteiligte gilt.

Situation in Deutschland

Der Gesetzgeber hat in § 323c Strafgesetzbuch (StGB) eindeutig festgelegt:

„Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“

Im Folgenden wird das zu erwartende Strafmaß behandelt; danach alle Merkmale, die bejaht werden müssen, damit jemand bestraft werden kann. Wie bei jedem Delikt muss der objektive und der subjektive Tatbestand der Unterlassenen Hilfeleistung erfüllt sein (Tatbestandsmäßigkeit) und der Täter muss rechtswidrig und schuldhaft handeln. Hier wird aber auf solch eine wissenschaftliche Einordnung der Merkmale verzichtet.

Strafzumessung

Wer die erforderliche und zumutbare Hilfe unterlässt, kann mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft werden. Das festgesetzte Strafmaß wird unterschiedliche Kriterien berücksichtigen. Insbesondere dürfte die Schwere der aus der Notlage drohenden Gefahr, aber auch das Verhalten nach der Tat eine Rolle spielen.

Insgesamt dürfte eine Bestrafung wegen unterlassener Hilfeleistung gem. § 323c StGB eher gering ausfallen. Wenn das Gericht eine Freiheitsstrafe ausspricht, ist es gehalten, sie im Regelfall zur Bewährung auszusetzen.

Bestehen einer Notlage

Grundvoraussetzung für eine Bestrafung gem. § 323c StGB ist eine Notlage. Darunter ist ein Unglücksfall, eine gemeine Gefahr oder gemeine Not zu verstehen.

Ein Unglücksfall ist ein plötzlich eintretendes Ereignis, das erhebliche Gefahren für Menschen oder Sachen hervorruft oder hervorzurufen droht. Es ist nach der Rechtsprechung unerheblich, ob das Opfer den Unglücksfall selbst verschuldet hat.

Ein Unglücksfall wird in folgenden Fällen bejaht: Verkehrsunfälle, sonstige Unfälle; eine Krankheit, die sich plötzlich verschlechtert (z. B. Epilepsieanfall, Herzinfarkt); die drohende Komplikation einer Geburt; ein Selbstmordversuch.

Ein Unglücksfall wird verneint: Chronische Krankheit, Geburt bei einer normal verlaufenden Schwangerschaft (vgl. Rudolphi, mit Verweis auf OLG Düsseldorf NJW 1995, 799); vollkommen frei verantwortlicher Selbstmordversuch.

Gerade bei Selbstgefährdungen wie dem Selbstmord ist der Unglücksfall umstritten. Ein wirklich frei verantwortlicher und als solcher unzweifelhaft erkennbarer Selbstmordversuch wird nicht als Unglücksfall gewertet. Dabei werden aber hohe Hürden aufgestellt: Wer sicher gehen möchte, hilft besser.

Gemeine Gefahr ist eine konkrete Gefahr für Leib und Leben einer größeren Zahl von Menschen oder für erhebliche Sachwerte. Es ist unerheblich, ob die Gefahr plötzlich eintritt. Eine gemeine Gefahr liegt z. B. vor, wenn ein erhebliches Hindernis auf der Fahrbahn liegt oder giftiges Gas bei einem Chemieunfall entweicht.

Unter gemeiner Not sind die Allgemeinheit betreffende Notlagen von einer gewissen Erheblichkeit zu verstehen. Dazu zählt z. B. der plötzliche Ausfall der Strom- und Wasserversorgung in einer Gemeinde oder eine drohende Überschwemmungsgefahr.

Die Notlage muss wirklich vorliegen; es wird also im Nachhinein gefragt, ob tatsächlich ein Notfall bestand (ex post-Betrachtung). Diese Betrachtung muss man von der Frage trennen, welche Maßnahmen zur Abwendung der Gefahr erforderlich waren (s.u.).

Erforderlichkeit der Hilfe

Eine Bestrafung nach § 323c StGB kommt nur in Betracht, wenn die unterlassene Hilfeleistung zur Rettung des bedrohten Rechtsguts (Leib, Leben, Sachwerte) erforderlich ist. Die Erforderlichkeit beurteilt sich nach den Umständen zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme, nicht aber aus einer Rückschau. Man kann nicht mehr von dem Helfer verlangen, als ihm zum Zeitpunkt seiner Entscheidung bekannt war.

Eine Hilfe ist nicht erforderlich, wenn sicher ist, dass anderweitig sofort Hilfe geleistet wird. Wenn mehrere potentielle Helfer am Unfallort anwesend sind, kann sich niemand damit herausreden, dass die anderen ja Hilfe hätten leisten können; jeder Helfer muss vielmehr dafür Sorge tragen, dass Hilfe geleistet wird – entweder in eigener Person oder indem man sich vergewissert, dass ein anderer Hilfe leistet.

Hilfe ist auch nicht erforderlich, wenn die Hilfe von vornherein aussichtslos ist. Dies kann aber nur in wenigen Fällen angenommen werden, z. B. wenn das Opfer bereits offensichtlich tot ist.

Hilfe ist schließlich dann nicht erforderlich, wenn das vermeintliche Opfer wirksam auf Hilfe verzichtet (rechtstechnisch handelt es sich dabei um eine Rechtfertigung für die Unterlassung der Hilfeleistung). Der Verzicht ist aber nicht wirksam, wenn er in einer psychischen Ausnahmesituation erklärt wurde. Wenn bspw. ein dauerhaft Erkrankter bei einer akuten Verschlechterung seiner Situation darum bittet, keinen Arzt zu rufen, kann dem daher nur Folge geleistet werden, wenn sich diese Bitte in einer Linie mit früheren Aussagen des Kranken befindet. Ein Eingreifen des Helfers entgegen einem wirksamen Verzicht kann theoretisch zu einer Bestrafung wegen Nötigung oder Freiheitsberaubung führen; die irrtümliche Annahme der Voraussetzungen einer Hilfeleistungspflicht führt aber zu Straffreiheit.

Zumutbarkeit der Hilfe

Man kann nur für unterlassene Hilfeleistung bestraft werden, wenn die Hilfe dem Nichthelfer auch zumutbar ist. Jede Person ist verpflichtet, die bestmögliche Hilfe zu leisten.

Welche Hilfe zumutbar ist, richtet sich u. a. nach

  • der Persönlichkeit des Helfers,
  • seinen physischen und geistigen Kräften im kritischen Augenblick (von einem Betrunkenen kann keine Hilfstätigkeit bei einer Notoperation, wohl aber bspw. die Absicherung der Unglücksstelle verlangt werden),
  • der Lebenserfahrung und der Vorbildung (Arzt kann meist mehr Hilfe leisten als ein medizinischer Laie).

Zumutbar sind in jedem Fall

  • die Inkaufnahme eines geschäftlichen Nachteils und
  • eine verhältnismäßig geringe eigene Verletzungsmöglichkeit.

Nicht zumutbar ist dagegen

  • die Vernachlässigung eigener wichtiger Pflichten (ein Fluglotse muss am Arbeitsplatz bleiben, aber: Benachrichtigung anderer Helfer zumutbar)
  • die Inkaufnahme einer erheblichen eigenen Gefahr. Wenn allerdings die Gefahr für das Opfer vom potentiellen Helfer verursacht wurde, muss er auch eine erhebliche eigene Gefahr in Kauf nehmen. Umstritten ist in diesem Zusammenhang, inwieweit man Hilfeleistung wegen der möglichen Gefahr einer HIV-Infektion verweigern kann. Dabei dürfte aber diese Gefahr wegen des relativ geringen Risikos einer HIV-Infektion nur in Ausnahmefällen die Unterlassung der Hilfeleistung rechtfertigen.

Unterlassen der Hilfe

Die erforderliche und zumutbare Hilfe ist zu leisten, nicht nur irgendeine Hilfe. Z. B. dürfte regelmäßig der Handyanruf im Vorbeifahren nicht ausreichen, um die Bestrafung wegen unterlassener Hilfeleistung zu vermeiden.

Andererseits kommt es nicht darauf an, ob der drohende Schaden sich auch tatsächlich verwirklicht hat. Wer die Hilfe unterlässt, bleibt daher nach § 323c StGB auch dann strafbar, wenn zufällig ein anderer das Opfer aus seiner Notlage befreit.

Subjektiver Tatbestand (Vorsatz)

Eine Bestrafung nach § 323c StGB kann nur erfolgen, wenn nicht nur objektiv die Voraussetzungen vorliegen, sondern diese Voraussetzungen vom Vorsatz des Täters, also seinem Wissen und Wollen, erfasst werden. D.h. der Täter muss zumindest in Kauf nehmen, dass eine Notlage vorliegt und er Hilfe hätte leisten können, es aber aus persönlichen Gründen unterlässt, die gebotene Hilfe zu leisten.

Wenn sich der Täter nur vorstellt, die objektiven Voraussetzungen lägen vor und keine Hilfe leistet, ist er nicht strafbar, da hier zwar der Vorsatz vorhanden wäre, nicht aber der objektive Tatbestand des § 323c. Hier liegt nur ein Versuch der unterlassenen Hilfeleistung vor. Der Versuch der unterlassenen Hilfeleistung ist aber nicht strafbar, vgl. §§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB.

Pflicht als Garant

Einem wesentlich höheren Strafmaß setzt sich eine Person aus, die die gebotene Hilfe unterlässt, obwohl sie in einer „Garantenstellung“ eine besondere Verantwortung für den Schutz eines Rechtsguts bzw. die Überwachung einer Gefahrenquelle trägt (vgl. § 13 StGB für Deutschland). Man wird aus anderen Tatbeständen bestraft, weil man den Eintritt eines Schadens nicht verhindert hat: daher kann eine Körperverletzung oder ein Totschlag erfüllt sein. In einem solchen Fall ist die Person also genauso strafbar, wie sie es wäre, wenn sie den Schaden durch (positives) Tun herbeigeführt hätte.

In der Fachsprache bezeichnet man dies als unechtes Unterlassungsdelikt, weil der Tatbestand eigentlich auf ein Handeln ausgelegt ist und nur durch eine Generalklausel auch auf das Unterlassen ausgedehnt wird.

Garantenstellung

Wer wann für den Schutz eines Rechtsgutes besonders verantwortlich ist, wurde im Strafrecht nicht gesetzlich geregelt, sondern durch die Rechtsprechung und Wissenschaft entwickelt.

Solch eine Pflicht umfasst bei Beschützergaranten, Gefahren für bestimmte andere Personen abzuwehren. Diese Pflicht besteht in folgenden Beziehungen:

  • in engen familienrechtliche Beziehungen (gegenüber Kindern, (Groß-)Eltern, Ehepartnern, eingetragenen Lebenspartnern)
  • andere Lebens- und Gefahrengemeinschaften (z. B. Bergsteigergruppe, aber nicht in einer gewöhnlichen WG)
  • freiwillige Übernahme der Beschützerfunktion (z. B. Notarzt, Babysitter)

Überwachungsgaranten wird dagegen eine Gefahrenquelle zugeordnet; sie müssen Sorge tragen, dass aus dieser Gefahr keine Schäden für andere entstehen:

  • Verkehrssicherungspflichten (z. B. Hauseigentümer für Räumung und Streuung der Zufahrt)
  • Pflichten zur Beaufsichtigung Dritter (z. B. Aufsichtspflicht von Eltern über ihre eigenen Kinder oder von Erziehern für anvertraute Kinder),
  • Pflichten aus Ingerenz, also aus gefährdendem Vorverhalten (fahrlässige Verursachung eines Unfalls, Vernachlässigung einer Verkehrssicherungspflicht).

Weitere Tatmerkmale bei vorsätzlichen Tatbeständen

Die weiteren Tatmerkmale werden hier am Beispiel der Körperverletzung behandelt, sind aber entsprechend auf den Totschlag und die Sachbeschädigung übertragbar.

Tatsächliche Verletzung

Wenn eine tatsächliche Verletzung eintritt, ist man wegen vollendeter Körperverletzung strafbar. Ansonsten ist eine Bestrafung wegen versuchter Körperverletzung denkbar: Wer billigend in Kauf nimmt, dass eine Verletzung eintritt und zu einem Zeitpunkt keine Gegenmaßnahmen ergreift, wenn ihm diese geboten erscheinen, macht sich strafbar. Wer allerdings später nun doch noch rechtzeitig handelt, um die Verletzung abzuwenden, tritt vom Versuch zurück, er hebt also im Nachhinein die Strafbarkeit seines Handelns wieder auf (§ 24 StGB).

Zurechenbarkeit der Verletzung

Die Verletzung muss gerade auf das Unterlassen zurückzuführen sein: Denkt man die gebotene Handlung hinzu, dürfte die Verletzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten sein. Im Zweifel ist die Strafbarkeit zu verneinen.

Vorsatz

Der Täter muss billigend in Kauf nehmen, dass eine Verletzung eintritt. Außerdem muss er die Umstände kennen, die zu seiner Garantenstellung führen: Er muss also z. B. wissen, dass es sich um sein Kind handelt (oder bei der versuchten Körperverletzung denken, es sei sein Kind). Ob er daraus auch den Schluss zieht Garant zu ein, ist eine Frage der Schuld: Wer hier denkt, er müsse nicht handeln, unterliegt einem Gebotsirrtum; nur wenn dieser Fehlschluss nicht vermeidbar war, was aber in der Regel zu verneinen ist, besteht keine Strafbarkeit.

Sonstige Merkmale

Wie bei der Unterlassenen Hilfeleistung muss dem Täter ein Handeln überhaupt möglich und zumutbar sein.

Strafzumessung bei vorsätzlichen Tatbeständen

Der Strafrahmen wird den Begehungsdelikten entnommen, allerdings kann die Strafe gem. §§ 49 Abs. 1, 13 Abs. 2 StGB gemindert werden (hier in Klammern vermerkt):

  • § 212 StGB (Totschlag): mindestens Freiheitsstrafe von fünf Jahren (mindestens zwei Jahre)
  • § 223 StGB (Körperverletzung): höchstens fünf Jahre (drei Jahre neun Monate)
  • § 303 StGB (Sachbeschädigung): höchstens zwei Jahre (ein Jahr sechs Monate)

Weiter Tatmerkmale bei fahrlässigen Tatbeständen

Bisher wurde nur die Strafbarkeit behandelt, wenn der Täter erkennt, dass er eigentlich helfen müsste oder davon ausgeht. Erkennt er dies nicht, kann er – allerdings nur als Garant – wegen fahrlässiger Tötung gem. § 222 StGB oder fahrlässige Körperverletzung gem. § 229 StGB bestraft werden, jeweils in Verbindung mit § 13 StGB.

Es muss eine Verletzung des Rechtsgutes eingetreten sein, es gibt keinen „fahrlässigen Versuch“. Abgesehen vom Vorsatz, müssen alle Merkmale der vorsätzlichen Delikte objektiv erfüllt sein. Zudem muss der Täter sorgfaltswidrig verkennen, dass er eigentlich hätte helfen müssen.

Diese Sorgfaltspflichtverletzung kann sich auf unterschiedliches Fehlverhalten beziehen: Der Täter erkennt nicht, dass eine Notlage besteht oder dass weitere Hilfsmaßnahmen notwendig sind. Er kann sich auch über das Vorliegen einer Garantenstellung täuschen. Je nach Person muss unterschieden werden, welcher Grad an Sorgfalt angebracht ist, um zur richtigen Erkenntnis zu gelangen: Von einem Arzt wird dabei mehr verlangt als von einem Laien. Wer trotz der nötigen Sorgfalt aber einem Irrtum unterliegt, ist nicht strafbar.

Strafzumessung bei fahrlässigen Tatbeständen

Auch hier kann die Strafe wie bei den Vorsatzdelikten gemildert werden:

  • § 222 StGB (fahrlässige Tötung): höchstens fünf Jahre (drei Jahre neun Monate)
  • § 229 StGB (fahrlässiger Körperverletzung): höchstens drei Jahre (zwei Jahre drei Monate)

Schäden durch die Hilfeleistung

Wenn Hilfe geleistet wird, ist es natürlich möglich, dass diese nicht optimal geleistet wird. Es können durch die Hilfeleistung evtl. Schäden hervorgerufen werden, die sogar die Gefahr übersteigen, die zu der Hilfeleistung Anlass gegeben hat.

Vorsatztaten

Wenn der Helfer einen potentiellen Schaden bei Aufnahme seiner Handlung kennt und sein Eintreten in Kauf nimmt, ist eine Strafbarkeit nach einer Vorsatztat zu prüfen. Der Laie wird auch dann nicht bestraft, wenn die von ihm ergriffenen Maßnahmen sich im Nachhinein als falsch erweisen.

Auch können Helfer für notwendige Kollateralschäden ihrer Hilfeleistungen nicht bestraft werden. Beispiele dafür wären Rippenbrüche bei der Reanimation oder Zerreißen von Kleidung.

Zwar kann eine solche Handlung den Tatbestand einer Vorsatztat wie z. B. Körperverletzung oder Tötung erfüllen. Im Regelfall ist die Tat aber nicht rechtswidrig und damit nicht strafbar.

Als Rechtfertigungsgründe kommen dabei in Betracht

  • eine wirksame Einwilligung des Opfers:
    • Die Einwilligung kann ausdrücklich erfolgen oder aber stillschweigend, bspw. durch einen Fingerzeig oder ein Nicken.
    • Die Wirksamkeit der Einwilligung kann aber entfallen, wenn das Opfer sich in einem psychischen Ausnahmezustand befindet.
    • Sofern ein Arzt Ersthelfer ist und es die Zeit zulässt, sollte über die Folgen der Hilfsmaßnahme vor Ergreifen der Maßnahme aufgeklärt werden. Ansonsten fehlt es ebenfalls an der Wirksamkeit der Einwilligung, weil das Opfer nicht weiß, in was es einwilligt.
  • die mutmaßliche Einwilligung des Opfers:
    • Eine solche mutmaßliche Einwilligung des Opfers kann eine Tat nur dann rechtfertigen, wenn nicht eine wirksame Willensäußerung des Opfers vorliegt; wenn es (wirksam) jede Hilfe ablehnt, kann diese Willensäußerung nicht durch einen irgendwie „gemutmaßten“ Willen ersetzt werden.
    • Bei der mutmaßlichen Einwilligung muss der konkrete, individuelle Willen des Opfers ermittelt werden. Dazu können und sollen auch frühere Äußerungen des Opfers genutzt werden (z. B. von Angehörigen erfragen).
    • Wenn andere Informationsmittel nicht vorhanden sind, kann und muss davon ausgegangen werden, dass das Opfer wie ein vernünftiger Mensch handelt. Dies dürfte den Regelfall bei Erste-Hilfe-Leistungen darstellen.
  • der rechtfertigende Notstand:
    • „Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden“ (§ 34 StGB).
    • Nach dieser Vorschrift ist also beispielsweise der oben genannte Rippenbruch anlässlich einer Reanimation gerechtfertigt.

Sollte einmal eine konkrete Hilfeleistung doch nicht gerechtfertigt sein, so bestehen noch weitere Hürden, die einer Bestrafung für eine fehlgeschlagene Hilfeleistung entgegenstehen. Dem Helfer muss die Tat persönlich vorwerfbar, er muss schuldhaft gehandelt haben (keine Strafe ohne Schuld). Bei einer einfachen Körperverletzung ist ein Strafantrag des Opfers erforderlich oder es muss ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bestehen, was regelmäßig wegen der beabsichtigten Hilfeleistung nicht vorliegen wird.

Im Ergebnis ist das Risiko einer Strafbarkeit im Rahmen der Leistung von Erste Hilfe eher geringer als bei irgendeiner anderen fehleranfälligen Handlung.

Fahrlässigkeitstaten

Vertraut der Ersthelfer darauf, dass durch seine Hilfeleistung kein weiterer Schaden entsteht und entsteht doch ein solcher, so kommt ein Fahrlässigkeitsdelikt in Betracht. Zu nennen ist hier insbesondere die fahrlässige Körperverletzung gem. § 229 StGB und die fahrlässige Tötung gem. § 222 StGB.

Fahrlässig handelt, wer einen Straftatbestand (z. B. fahrlässige Körperverletzung gem. § 229 StGB) rechtswidrig und vorwerfbar verwirklicht, ohne die Verwirklichung zu erkennen und zu wollen.

Damit kommen auch hier die oben genannten Rechtfertigungsgründe in Betracht. So ist eine Hilfeleistung beispielsweise auch grundsätzlich in dem Fall gerechtfertigt, in dem ein Helfer eine Umlagerung des Opfers vornimmt, um es vor dem Ersticken zu bewahren, ohne vorher die Wirbelsäule auf mögliche Schäden zu überprüfen, und es infolge der Umlagerung zu einer Querschnittslähmung kommt. Hier ist sowohl eine Rechtfertigung aus einer (ausdrücklichen oder mutmaßlichen) Einwilligung als auch aus dem rechtfertigenden Notstand möglich.

Ein Sonderproblem stellt die Helmabnahme bei einem Motorradunfall dar. Aufgrund der befürchteten Beschädigung der Wirbelsäule wurden früher Helmaufkleber verteilt, die dem Ersthelfer verboten, den Helm abzunehmen. Klebt ein solcher Aufkleber auf dem Helm eines Opfers, kann von einer mutmaßlichen Einwilligung des Opfers nicht ausgegangen werden, denn dessen ausdrücklich geäußerter Willen hat Vorrang vor dem mutmaßlichen Willen eines „vernünftigen“ Opfers. Allerdings kann die Helmabnahme trotzdem durch den rechtfertigenden Notstand gerechtfertigt werden. Bei der Interessenabwägung zwischen den zu schützenden Rechtsgütern Leben und Leib muss aber auch die vom Opfer als Rechtsgutsinhaber geäußerte Privilegierung des Leibes berücksichtigt werden. Eine endgültige Aussage kann nur im Einzelfall bei Abwägung aller Umstände getroffen werden. Ein Ersthelfer, der den Helm trotz Aufkleber abnimmt und dadurch eine Querschnittslähmung verursacht, dürfte aber jedenfalls wegen eines unvermeidbaren Verbotsirrtums gem. § 17 StGB nicht bestraft werden, da die Hilfsorganisationen einhellig lehren, man müsse den Helm in jedem Fall wegen der Erstickungsgefahr abnehmen.

„Das einzige Mittel anzuwenden, das Hoffnung gewährt, ist, wo der Tod droht, immer noch richtiger als nichts zu tun. Dieses ex ante (vorher) richtig erscheinende Urteil bleibt unerschüttert, auch wenn sich ex post (nachträglich) ergibt, dass der Gebrauch des Mittels statt einer Verzögerung die Beschleunigung des Endes zur Folge gehabt hat. Die Rechtsordnung verlangt nicht, dass die letzte Chance deshalb versäumt wird, weil der Versuch, sie zu nutzen, scheitern kann. Sie erwartet im Gegenteil, dass sie genutzt wird.“ (Bockelmann)


Rechtliche Vertiefung: Unterlassene Hilfeleistung gem. § 323c StGB

Es handelt sich hierbei um ein echtes Unterlassungsdelikt.

Objektiver Tatbestand

Notlage

Der Tatbestand unterscheidet in verschiedene Notlagen: in den Unglücksfall, die gemeine Gefahr und die gemeine Not.

Ein Unglücksfall ist ein plötzlich eintretendes Ereignis, das erhebliche Gefahren für Menschen oder Sachen hervorruft oder hervorzurufen droht. Damit stellen insbesondere Verkehrsunfälle oder sonstige Unfälle einen Unglücksfall dar. Erkrankungen treten normalerweise nicht plötzlich auf; sie können aber eine plötzliche Verschlechterung erfahren, womit sie zum Unglücksfall werden können (z. B. Epilepsieanfall, Herzinfarkt). Auch die drohende Komplikation einer Geburt kann ein Unglücksfall sein. Dagegen liegt bei einer normal verlaufenden Schwangerschaft kein Unglücksfall vor (vgl. Rudolphi, mit Verweis auf OLG Düsseldorf NJW 1995, 799).

Es ist nach der Rechtsprechung unerheblich, ob das Opfer den Unglücksfall selbst verschuldet hat. Daher ist auch bei einem Selbstmordversuch das gefährdete Leben durch § 323c StGB geschützt. Anders könnte dies bei einem Hungerstreik zu beurteilen sein, wenn das Opfer sich im vollen Bewusstsein der Folgen freiverantwortlich in diesen Hungerstreik begibt (vgl. für den Strafvollzug § 101 Abs. 1 S. 2 StVollzG).

Ob ein Unglücksfall vorliegt, muss aus der Sicht eines verständigen Beobachters in der Situation des (Nicht-)Helfers ex post (also aufgrund der zum Entscheidungszeitpunkt bekannten Umstände) beurteilt werden. Einem Auto, das an einem Graben steht und dessen Fahrer regungslos darin verharrt, muss also Hilfe geleistet werden, auch wenn sich herausstellt, dass der Fahrer nur ein Nickerchen an einer ungeeigneten Stelle gemacht hat. Diese Ansicht ist aber nicht unumstritten; es gibt auch ausreichend Argumente für die Ansicht, die nur eine Strafbarkeit gem. § 323c StGB annehmen, wenn tatsächlich (also objektiv) ein Unglücksfall vorliegt.

Gemeine Gefahr oder Not

Gemeine Gefahr ist eine konkrete Gefahr für Leib und Leben einer größeren Zahl von Menschen oder für erhebliche Sachwerte. Es ist unerheblich, ob die Gefahr plötzlich eintritt. Eine gemeine Gefahr liegt z. B. vor, wenn ein erhebliches Hindernis auf der Fahrbahn liegt oder giftiges Gas bei einem Chemieunfall entweicht.

Unter gemeiner Not sind die Allgemeinheit betreffende Notlagen von einer gewissen Erheblichkeit zu verstehen. Dazu zählt z. B. der plötzliche Ausfall der Strom- und Wasserversorgung in einer Gemeinde oder eine drohende Überschwemmungsgefahr.

Erforderlichkeit der Hilfe

Eine Bestrafung nach § 323c StGB kommt nur in Betracht, wenn die unterlassene Hilfeleistung zur Rettung des bedrohten Rechtsguts (Leib, Leben, Sachwerte) erforderlich ist. Die Erforderlichkeit beurteilt sich nach den Umständen zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme, nicht aber aus einer Rückschau. Man kann nicht mehr von dem Helfer verlangen, als ihm zum Zeitpunkt seiner Entscheidung bekannt war.

Eine Hilfe ist nicht erforderlich, wenn sicher ist, dass anderweitig sofort Hilfe geleistet wird. Wenn mehrere potentielle Helfer am Unfallort anwesend sind, kann sich niemand damit herausreden, dass die anderen ja Hilfe hätten leisten können; jeder Helfer muss vielmehr dafür Sorge tragen, dass Hilfe geleistet wird – entweder in eigener Person oder indem man sich vergewissert, dass ein anderer Hilfe leistet.

Hilfe ist auch nicht erforderlich, wenn die Hilfe von vornherein aussichtslos ist. Dies kann aber nur in wenigen Fällen angenommen werden, z. B. wenn das Opfer bereits offensichtlich tot ist (Totenstarre, Totenflecken, Zersetzung, sowie mit dem Leben nicht vereinbare Verletzungen).

Hilfe ist schließlich dann nicht erforderlich, wenn das vermeintliche Opfer wirksam auf Hilfe verzichtet (rechtstechnisch handelt es sich dabei um eine Rechtfertigung für die Unterlassung der Hilfeleistung). Der Verzicht ist aber nicht wirksam, wenn er in einer psychischen Ausnahmesituation erklärt wurde. Wenn bspw. ein dauerhaft Erkrankter bei einer akuten Verschlechterung seiner Situation darum bittet, keinen Arzt zu rufen, kann dem daher nur Folge geleistet werden, wenn sich diese Bitte in einer Linie mit früheren Aussagen des Kranken befindet. Ein Eingreifen des Helfers entgegen einem wirksamen Verzicht kann theoretisch zu einer Bestrafung wegen Nötigung oder Freiheitsberaubung führen; die irrtümliche Annahme der Voraussetzungen einer Hilfeleistungspflicht führt aber zu Straffreiheit.

Zumutbarkeit der Hilfe

Man kann nur für unterlassene Hilfeleistung bestraft werden, wenn die Hilfe dem Nichthelfer auch zumutbar ist. Jede Person ist verpflichtet, die ihr bestmögliche Hilfe zu leisten.

Welche Hilfe zumutbar ist, richtet sich u. a. nach

  • der Persönlichkeit des Helfers,
  • seinen physischen und geistigen Kräften im kritischen Augenblick (von einem Betrunkenen kann keine Hilfstätigkeit bei einer Notoperation, wohl aber bspw. die Absicherung der Unglücksstelle verlangt werden),
  • der Lebenserfahrung und der Vorbildung (Arzt kann meist mehr Hilfe leisten als ein medizinischer Laie).

Zumutbar sind in jedem Fall

  • die Inkaufnahme eines geschäftlichen Nachteils und
  • eine verhältnismäßig geringe eigene Verletzungsmöglichkeit.

Nicht zumutbar ist dagegen

  • die Vernachlässigung eigener wichtiger Pflichten (ein Fluglotse muss am Arbeitsplatz bleiben, aber: Benachrichtigung anderer Helfer zumutbar)
  • die Inkaufnahme einer erheblichen eigenen Gefahr. Wenn allerdings die Gefahr für das Opfer vom potentiellen Helfer verursacht wurde, muss er auch eine erhebliche eigene Gefahr in Kauf nehmen. Umstritten ist in diesem Zusammenhang, inwieweit man Hilfeleistung wegen der möglichen Gefahr einer HIV-Infektion verweigern kann. Dabei dürfte aber diese Gefahr wegen des relativ geringen Risikos einer HIV-Infektion nur in Ausnahmefällen die Unterlassung der Hilfeleistung rechtfertigen.

Unterlassen der Hilfe

Die erforderliche und zumutbare Hilfe ist zu leisten, nicht nur irgendeine Hilfe. Z. B. dürfte regelmäßig der Handyanruf im Vorbeifahren nicht ausreichen, um die Bestrafung wegen unterlassener Hilfeleistung zu vermeiden.

Andererseits kommt es nicht darauf an, ob der drohende Schaden sich auch tatsächlich verwirklicht hat. Wer die Hilfe unterlässt, bleibt daher nach § 323c StGB auch dann strafbar, wenn zufällig ein anderer das Opfer aus seiner Notlage befreit.

Subjektiver Tatbestand (Vorsatz)

Eine Bestrafung nach § 323c StGB kann nur erfolgen, wenn nicht nur objektiv die Voraussetzungen vorliegen, sondern diese Voraussetzungen vom Vorsatz des Täters, also seinem Wissen und Wollen, erfasst werden. D.h. der Täter muss zumindest in Kauf nehmen, dass eine Notlage vorliegt und er Hilfe hätte leisten können, es aber aus persönlichen Gründen unterlässt, die gebotene Hilfe zu leisten.

Wenn sich der Täter nur vorstellt, die objektiven Voraussetzungen lägen vor und keine Hilfe leistet, ist er nicht strafbar, da hier zwar der Vorsatz vorhanden wäre, nicht aber der objektive Tatbestand des § 323c. Hier liegt nur ein Versuch der unterlassenen Hilfeleistung vor. Der Versuch der unterlassenen Hilfeleistung ist aber nicht strafbar, vgl. §§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB.

Strafzumessung

Wer die erforderliche und zumutbare Hilfe unterlässt, kann mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft werden. Das festgesetzte Strafmaß wird unterschiedliche Kriterien berücksichtigen. Insbesondere dürfte die Schwere der aus der Notlage drohenden Gefahr, aber auch das Verhalten nach der Tat eine Rolle spielen.

Insgesamt dürfte eine Bestrafung wegen unterlassener Hilfeleistung gem. § 323c StGB eher gering ausfallen. Wenn das Gericht eine Freiheitsstrafe ausspricht, ist es gehalten, sie im Regelfall zur Bewährung auszusetzen.

Zivilrecht

Ersthelfer können nur in extremen Ausnahmefällen vom Opfer wegen eines durch die Hilfeleistung entstandenen Schadens in Anspruch genommen werden. Anders sieht es bei unterlassener Hilfeleistung aus.

Für den Ersatz des Schadens, den der Ersthelfer aufgrund der Hilfeleistung erleidet, kann der Helfer sich dagegen an mehrere Anspruchsgegner wenden.

Ansprüche des Opfers gegen den Nichthelfer

Geschäftsführung ohne Auftrag

Im Regelfall haftet der Helfer dem Opfer nur für Schäden, die er grob fahrlässig verursacht hat. Der Helfer handelt nämlich regelmäßig zum einen im Rahmen einer sog. Geschäftsführung ohne Auftrag gem. § 677 BGB, da er regelmäßig nicht vom Opfer zu seiner Hilfeleistung beauftragt werden kann. Zum anderen wird mit der Hilfeleistung die Abwendung einer „drohenden dringlichen Gefahr“ gem. § 680 BGB bezweckt.

Grobe Fahrlässigkeit liegt nur dann vor, wenn die nach der allgemeinen Verkehrsanschauung erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten müsste. Dabei sind auch individuelle Umstände zu berücksichtigen, wie dass der Helfer ungeübt ist, keine oder nur geringe Kenntnisse in Erster Hilfe hat oder zumindest keine fachliche Ausbildung genossen hat.

Die Haftungsreduzierung gilt auch für Ansprüche des Opfers, die es aus einem anderen Rechtsgrund gegen den Helfer hat. Dies ist insbesondere für die Haftung aus Delikt gem. § 823 BGB der Fall.

Auftrag

Ist das Opfer ansprechbar und kann seinen Willen äußern, handelt es sich bei der Ersten Hilfe nicht um eine Geschäftsführung ohne Auftrag. Wegen der Bedeutung des bedrohten Rechtsguts handelt es sich häufig nicht um ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis, sondern um einen Auftrag gem. § 662 BGB. In diesem Fall gilt die Haftungsreduzierung auf grobe Fahrlässigkeit gem. § 680 BGB nicht unmittelbar. Allerdings dürfte unter der in § 680 BGB genannten Voraussetzung (Zweck der Hilfe ist die Abwendung einer drohenden dringenden Gefahr) eine „ergänzende Vertragsauslegung“ auch zu dem Ergebnis führen, dass der Helfer nur für grobe Fahrlässigkeit haftet.

Sonderproblem: Professionelle Helfer

Für professionell Handelnde, wie z. B. den Notarzt oder das Rettungsdienstpersonal, soll nach einer umstrittenen Auffassung in der Rechtswissenschaft die Haftungsreduzierung des § 680 BGB nicht gelten. Das würde bedeuten, dass die genannten Personen bereits bei leichter Fahrlässigkeit haften.

Für die oben genannten Rippenbrüche ist diese Frage aber unerheblich, denn diese können auch bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt entstehen. Denn danach geht im Fall der Reanimation die Schnelligkeit verhältnismäßig kleineren Kollateralschäden vor.

Professionelle Helfer (auch ehrenamtliche) müssen die ärztliche Schweigepflicht beachten. Verletzungen dieser Pflicht können Schadensersatzansprüche auslösen.

Ansprüche des Helfers

Dem Helfer stehen mehrere Anspruchsgegner für die anlässlich der Leistung von Erster Hilfe von ihm getätigten Aufwendungen und erlittenen Schäden. In Betracht kommen insbesondere das Opfer, der Unglücksverursacher und die gesetzliche Unfallversicherung.

Ansprüche gegen das Opfer

Gegen das Opfer hat der Helfer einen Aufwandsersatzanspruch gem. § 670 BGB gegebenenfalls in Verbindung mit § 683 BGB. Das Opfer hat dem Helfer danach dasjenige zu ersetzen, was er „den Umständen nach für erforderlich halten darf“. Dabei muss der Rechtsgedanke der Haftungserleichterung auf grobe Fahrlässigkeit (s.o. Ansprüche des Opfers gegen den Helfer) beachtet werden. Grundsätzlich dürfte daher der volle Schaden zu ersetzen sein, auch wenn der Helfer nicht die größtmögliche Sorgfalt angewandt hatte.

Ansprüche gegen Unfallverursacher

Gegen den Unfallverursacher kommt zunächst ebenfalls ein Aufwendungsersatzanspruch aus Auftrag (wenn er konkludent zustimmt) oder Geschäftsführung ohne Auftrag (wenn seine Zustimmung nicht eingeholt werden kann oder er trotz entgegenstehender Pflicht die Zustimmung verweigert) in Betracht. Denn der Ersthelfer handelt im Interesse des Unfallverursachers, indem er dessen Schaden mindert.

Weiter kommen Ansprüche aus Delikt gem. § 823 BGB in Betracht. Dieser hat durch den Unfall einen zusätzlichen Gefährdungsbereich geschaffen. Er provoziert damit die Handlungen des Ersthelfers. Sofern er den Gefährdungsbereich zu verantworten hat, hat er die Schäden des Ersthelfers zu ersetzen. Dies dürfte im Regelfall auch dann gelten, wenn der Ersthelfer leicht fahrlässig selbst zur Schadensentstehung beiträgt.

Ansprüche gegen gesetzliche Unfallversicherung

Auch wenn evtl. Ansprüche gegen das Opfer oder den Unfallverursacher nicht bestehen oder nicht geltend gemacht werden (können), bleibt der Ersthelfer nicht auf seinen Schäden sitzen. In solchen Fällen springt die gesetzliche Unfallversicherung ein. Ersthelfer sind beim jeweiligen Unfallversicherungsträger gem. § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII versichert. Für die Ersthelfer sind gem. § 128 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII die Unfallversicherungsträger für den Landesbereich zuständig. Im Einzelfall kann die Zuständigkeit aber auf den Unfallversicherungsträger für den kommunalen Bereich (Gemeindeunfallversicherungsverband) übertragen worden sein (§ 128 Abs. 2 SGB VII).

Die gesetzliche Unfallversicherung leistet an den Ersthelfer insbesondere in folgenden Bereichen:

  • Heilbehandlung,
  • Pflege,
  • Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft,
  • Geldleistungen (Verletztengeld),
  • Mehrleistungen,
  • Renten bei Erwerbsminderung und
  • Hinterbliebenenrenten bei Tod des Ersthelfers.

Weiterhin sieht § 13 SGB VII den Ersatz von Sachschäden, die durch die Hilfeleistung an den im Besitz des Hilfeleistenden befindlichen Gegenständen entstanden sind (z. B. zerstörte Kleidung, beschädigtes Kfz), auf Antrag an den zuständigen Unfallversicherungsträger vor.

Quellen

zitierte Gesetze:

Literatur

  • Buchfelder/Buchfelder, Handbuch der Ersten Hilfe, 3. Aufl., 1999, S. 269 ff.
  • Gorgaß/Ahnefeld/Rossi/Lippert, Rettungsassistent und Rettungssanitäter, 6. Aufl., 2001, S. 742 ff.
  • Kühn/Luxem/Runggaldier, Rettungsdienst, 3. Aufl., 2004, S. 770 ff.
  • Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch
  • Rudolphi, in: Rudolphi/Horn/Günther, Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Lfg. Okt. 1999, § 323c
  • Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., 2001

Weblinks

Siehe auch: Portal:Erste Hilfe

Bitte beachte den Hinweis zu Rechtsthemen!

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