Ernst Siehr

Ernst Siehr
Ernst Siehr

Ernst Siehr (* 5. Oktober 1869 in Heinrichswalde/Ostpreußen; † 14. November 1945 in Bergen auf Rügen) war ein deutscher Politiker (Fortschrittliche Volkspartei, DDP).

Inhaltsverzeichnis

Leben und Beruf

Nach dem Abitur auf dem Gymnasium in Insterburg studierte Siehr, der evangelischen Glaubens war, von 1886 bis 1889 in Königsberg, München und Berlin Rechtswissenschaften. Während seines Studiums schloss er sich der Königsberger Landsmannschaft Littuania an. Mit 19 Jahren Referendar geworden, bestand er 1894 das Assessorexamen mit „gut“ und ließ sich 1895 als Rechtsanwalt in Insterburg nieder. Bis 1911 war er nebenamtlich Syndikus der Handelskammer Insterburg. In jenem Jahr erhielt er zusätzlich die Zulassung als Notar. Im Ersten Weltkrieg war er beim mobilen Landsturm-Bataillon Insterburg im Range eines Leutnants eingesetzt. Er wurde mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet.

Siehr war Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft und des Ostpreußischen Provinzial-Vereins zur Hebung der Fluß- und Kanalschiffahrt. 1929 wurden ihm die Ehrendoktorwürde der Universität Königsberg und die Ehrenbürgerschaft der Stadt Insterburg verliehen. Am 3. Februar 1940 erhielt er das Band des Corps Littuania.[1]

Partei

Siehr war zunächst Mitglied der Fortschrittlichen Volkspartei und leitete dort die Parteigliederung für Ostpreußen. 1918 beteiligte er sich an der Gründung der DDP, in der er ebenfalls Vorsitzender für Ostpreußen war.

Abgeordneter

Siehr gehörte der Stadtverordnetenversammlung von Insterburg an und war deren stellvertretender Vorsteher. 1919 wurde er auch Vizepräsident des ostpreußischen Provinziallandtags.

Er war von 1912 bis 1918 Reichstagsabgeordneter für den Wahlkreis Gumbinnen 3 (Gumbinnen-Insterburg).[2] 1919 wurde er in die Weimarer Nationalversammlung gewählt. Anschließend war er bis zur Neuwahl der Ostpreußischen Abgeordneten am 20. Februar 1921 Reichstagsabgeordneter.

Öffentliche Ämter

Für Siehr war der Versailler Vertrag ein „Dokument wahnwitziger Zerstörungssucht, blinden Siegesrausches und politischer Kurzsichtigkeit.“ Nach dem Kapp-Putsch wurde Siehr am 16. April 1920 zum Oberpräsidenten der preußischen Provinz Ostpreußen ernannt, weil sich sein Vorgänger August Winnig (SPD) auf die Seite der Putschisten gestellt hatte. In Siehrs Amtszeit fielen die Volksabstimmungen in Masuren und Westpreußen am 11. Juli 1920 über die Zugehörigkeit zu Ostpreußen oder zu Polen. Segensreich war Siehrs eigenmächtige Verordnung einer vollen dreijährigen Schonzeit für Elche. Er setzte 1922 das Ostpreußenprogramm und 1928/29 die Ostpreußenhilfe durch, mit der das Reich und Preußen versuchten, die Strukturnachteile der Provinz zu mildern, die durch die räumliche Trennung vom Reich entstanden waren.[3] Auf eigenen Antrag quittierte Ernst Siehr 1932 das Amt als Oberpräsident, wegen Differenzen mit der durch Reichskanzler v. Papen beim Preußenschlag eingesetzten reaktionären Regierung. Sein Nachfolger wurde Wilhelm Kutscher.

Veröffentlichungen

  • Ostpreußen. Zentralverlag, Berlin 1928.

Einzelnachweise

  1. Kösener Corpslisten 1960, 86, 969
  2. Kaiserliches Statistisches Amt (Hrsg.): Die Reichstagswahlen von 1912. Heft 2. Berlin: Verlag von Puttkammer & Mühlbrecht, 1913, S. 83 (Statistik des Deutschen Reichs, Bd. 250)
  3. Gerd Brausch: Blieb seiner Heimat im Herzen verbunden. Vor 125 Jahren wurde Oberpräsident Dr. Ernst Siehr in Heinrichswalde geboren. Ostpreußenblatt, Folge 41, 15. Oktober 1994, S. 12 f.

Literatur

  • Martin Schumacher, Katharina Lübbe, Wilhelm Heinz Schröder: M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung, 1933–1945. Eine biographische Dokumentation. 3. Auflage. Droste, Düsseldorf 1994, ISBN 3-7700-5183-1. 

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