Ernst Hartwig Kantorowicz

Ernst Hartwig Kantorowicz

Ernst Hartwig Kantorowicz (* 3. Mai 1895 in Posen; † 9. September 1963 in Princeton, New Jersey) war ein deutsch-jüdischer Historiker und Mediävist.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kantorowicz kämpfte, nationalistisch eingestellt, als Freiwilliger im Ersten Weltkrieg. Nach Kriegsende kämpfte er in einem Freikorps in Posen, später in Berlin. Von 1918 bis 1921 studierte er in Berlin, München und Heidelberg Philosophie, Geschichte und Nationalökonomie. Er stieß in seiner Zeit in Heidelberg zum Kreis um Stefan George und war mit den Brüdern Claus und Berthold Schenk Graf von Stauffenberg befreundet.

1921 folgte seine Promotion, 1922 die Habilitation. Bis 1930 unterrichtete er dann als Privatdozent an der Universität Heidelberg. Von 1930 bis 1932 war er als Honorarprofessor an der Universität in Frankfurt/M. tätig, bevor er von 1932 bis 1934 an gleicher Stelle Ordentlicher Professor wurde. Nach der „MachtergreifungHitlers 1933 noch von Verfolgungen aufgrund seiner Kriegsteilnahme verschont, stellte er im Sommersemester 1933 ein Beurlaubungsgesuch, „solange die Benachteiligung der national eingestellten Juden dauere“.

1939 emigrierte Kantorowicz über England in die USA, wo er 1939 in Berkeley einen Lehrauftrag für mittelalterliche Geschichte erhielt. Dort verlangte die Universität 1949 von ihren Angehörigen den von Senator Joseph McCarthy geforderten antikommunistischen Loyalitätseid (→ McCarthy-Ära). Als Kantorowicz sich –- „die deutschen Erfahrungen vor Augen“ -- weigerte, diesen zu unterschreiben, wurde er mit 21 weiteren Fakultätsmitgliedern entlassen.

Daraufhin wurde ihm auf Veranlassung von Harold Cherniss eine Professur am renommierten, von Robert Oppenheimer geleiteten Institute for Advanced Study in Princeton (New Jersey) angeboten, wo er bis zu seinem Tod blieb.

Forschung

Kantorowicz ist vor allem durch seine beiden Hauptwerke ins Blickfeld der Öffentlichkeit geraten. Noch relativ jung, machte ihn die Veröffentlichung von „Kaiser Friedrich der Zweite“ 1927 schlagartig berühmt. Das Werk ist heute teilweise überholt, gilt aber immer noch als lesenswert. Die oft als „romantisch“ beschriebene Diktion und die Überhöhung der Persönlichkeit Friedrichs sind nur aus der Zeit der Abfassung heraus zu verstehen. Auch aufgrund des Fehlens von Anmerkungen und Nachweisen löste die Arbeit unter Historikern eine lebhafte Diskussion aus. Kantorowicz lieferte daraufhin einige Jahre später einen Ergänzungsband mit ausführlichen Literaturhinweisen.

The King's Two Bodies“ (dt. „Die zwei Körper des Königs“) ist eine umfangreiche „Studie zur politischen Theologie des Mittelalters“, so der Untertitel des zweiten Hauptwerkes von Kantorowicz. Er entwirft darin aus der mittelalterlichen Vorstellung eines natürlichen, also sterblichen Körpers und eines übernatürlichen, also unsterblichen Körpers des Königs die Entstehungsgeschichte des modernen Staates, der zwischen der öffentlichen Funktion und der Person, die diese ausübt, unterscheidet.

Werke (Auswahl)

  • Kaiser Friedrich der Zweite. 1927 (Ergänzungsband „Quellen und Nachweise.“ Berlin 1931)
  • Laudes regiae. A Study in Liturgical Acclamations and Medieval Ruler Worship. Berkeley/Los Angeles 1946
  • The King's Two Bodies. A Study in Mediaeval Political Theology. Princeton 1957 (dt.: Die zwei Körper des Königs. Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters)

Literatur

  • Friedrich Baethgen: Ernst Kantorowicz 3.5.1895-9.9.1963, in: Deutsches Archiv für die Erforschung des Mittelalters 21 (1965), S. 1-17.
  • Robert L. Benson, Johannes Fried (Hg.): Ernst Kantorowicz. Erträge der Doppeltagung Institute for Advanced Study, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, Frankfurt. (Frankfurter historische Abhandlungen 39) Steiner, Stuttgart 1997, ISBN 3-515-06959-3.
  • Alain Boureau: Kantorowicz. Geschichten eines Historikers. Klett-Cotta, Stuttgart 1992, ISBN 3-608-91363-7.
  • Wolfgang Ernst, Cornelia Vissmann (Hg.): Geschichtskörper. Zur Aktualität von Ernst H. Kantorowicz. Fink, München 1997, ISBN 3-7705-3176-0.
  • Horst Fuhrmann: Ernst H. Kantorowicz: der gedeutete Geschichtsdeuter, in: Überall ist Mittelalter. Von der Gegenwart einer vergangenen Zeit. C.H.Beck, München 1996; 2. Auflage 2003, ISBN 3-406-47613-9.
  • Eckhart Grünewald: Ernst Kantorowicz und Stefan George. Beiträge zur Biographie des Historikers bis zum Jahre 1938 und seinem Jugendwerk "Kaiser Friedrich der Zweite". Steiner, Wiesbaden 1982, ISBN 3-515-03669-5.
  • Dietrich Kuhlgatz: Verehrung und Isolation. Zur Rezeptionsgeschichte der Biographie Friedrichs II. von Ernst Kantorowicz, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 43 (1995), S. 736-746.
  • Edgar Salin: Ernst H. Kantorowicz. 1895-1963, in: Historische Zeitschrift (HZ) 199 (1964), S. 551-557.
  • Jerzy Strzelczyk (Hrsg.): Ernst Kantorowicz (1895-1963). Soziales Milieu und wissenschaftliche Relevanz. Vorträge des Symposiums am Institut für Geschichte der Adam-Mickiewicz-Universität Poznan, 23.-24. November 1995. Poznan 1996; 2. Auflage 2000, ISBN 83-86650-23-0.
  • Roberto Delle Donne: ‘Historisches Bild’ e signoria del presente. Il ‘Federico II imperatore’ di Ernst Kantorowicz, in: Roberto Delle Donne, Andrea Zorzi (Hg.): Le storie e la memoria. In onore di Arnold Esch, Firenze, FUP, 2003, S. 295-352, ISBN 88-8453-045-8 <http://www.rm.unina.it/ebook/estratti/delledonne.zip>.
  • Wittebur, Klemens: Die Deutsche Soziologie im Exil. 1933 - 1945, Münster; Hamburg: Lit., 1991 (Dissertationsschrift von 1989), S. 64.

Weblinks


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