Air-New-Zealand-Flug 901

Air-New-Zealand-Flug 901
Air-New-Zealand-Flug 901
Air New Zealand Flight 901.jpg

Wrackteile von Air-New-Zealand 901 am Mount Erebus im Jahr 2004 (25 Jahre nach dem Absturz)

Zusammenfassung
Datum 28. November 1979
Typ Controlled flight into terrain
Ort Mount Erebus, Ross-Insel, Antarktis
77° 25′ 29″ S, 167° 28′ 30″ O-77.424722222222167.475Koordinaten: 77° 25′ 29″ S, 167° 28′ 30″ O
Getötete 257
Flugzeug
Flugzeugtyp McDonnell Douglas DC-10-30
Fluggesellschaft Air New Zealand
Kennzeichen ZK-NZP
Passagiere 237
Besatzung 20
Überlebende 0

Air-New-Zealand-Flug 901 war ein Rundflug über der Antarktis, der am 28. November 1979 aufgrund von Navigationsproblemen mit einem schweren Flugunfall endete. Bei dem „Controlled flight into terrain“ kamen alle 237 Passagiere und die 20 Besatzungsmitglieder ums Leben.

Die Fluggesellschaft Air New Zealand führte mit Flugzeugen vom Typ McDonnell Douglas DC-10-30 ab dem Februar 1977 vom neuseeländischen Flughafen Auckland aus Rundflüge über der Antarktis durch. Beim 14. dieser Flüge stieß das Flugzeug gegen den Mount Erebus, einen Vulkan auf der antarktischen Ross-Insel.

Das Untersuchungsergebnis der Fluggesellschaft wies die alleinige Verantwortung an dem Unglück dem Flugkapitän zu. Er habe sich dazu entschieden, unterhalb der erlaubten Mindesthöhe zu fliegen, obwohl sich das Flugzeug in einer Wolkendecke befunden habe und die Crew die Position des Flugzeugs nicht genau habe bestimmen können. Eine von der neuseeländischen Regierung eingesetzte „Königliche Untersuchungskommission“ sah die Hauptschuld bei der Fluggesellschaft, die es versäumt habe, den Piloten eine entscheidende Änderung der im Navigationscomputer gespeicherten Flugroute mitzuteilen – der neue Kurs führte genau auf den Mount Erebus zu – und es zudem unterlassen habe, die Flugbesatzung angemessen auf Flüge unter antarktischen Bedingungen vorzubereiten.

Nach Ansicht der Kommission habe der Pilot die Maschine bei klarer Sicht unter Einhaltung der Regeln des Sichtfluges auf einen Kollisionskurs mit dem Berg gesteuert, dies aber aufgrund widriger Umstände nicht erkennen können. Die besonderen polaren Lichtverhältnisse hätten in Verbindung mit einer bestimmten Wetterlage ein meteorologisches Phänomen, einen Whiteout, verursacht, und so dazu geführt, dass sich die Konturen des schneebedeckten Vulkans optisch vollkommen auflösten. Zudem sei der Eindruck entstanden, das Flugzeug befände sich über offenem, flachem Gelände, entsprechend der ursprünglichen Flugroute.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Die verunglückte Maschine ZK-NZP auf dem Flughafen London-Heathrow 1977

Der Flug war als eine einzigartige Sightseeing-Gelegenheit beworben worden, bei der ein erfahrener Antarktis-Reisender über die Lautsprecheranlage des Flugzeuges die Reisenden auf die überflogene Landschaft und erkennbare Landmarken hinweisen werde. Der Flug führte in relativ niedriger Höhe über den McMurdo-Sund und kehrte am selben Tag nach Neuseeland zurück.[1] Der Mount Erebus, an dem das Flugzeug verunglückte, befindet sich östlich des Transantarktischen Gebirges, rund 3000 km südlich der Auckland-Inseln.

Personen wie Edmund Hillary, einer der beiden Erstbesteiger des Mount Everests, hatten auf früheren Flügen als Führer fungiert. Hillary war auch für den verunglückten Flug vorgesehen, musste aber wegen anderer Verpflichtungen absagen. Sein langjähriger Freund und Klettergefährte Peter Mulgrew sprang für ihn ein.

Bei diesen Flügen war das Flugzeug in der Regel nur zu 85 % ausgebucht, da die innen liegenden Sitzreihen nicht besetzt wurden.

Am Tag des Unglücks wurde der Flug mit einer DC-10-30 mit der Luftfahrzeug-Kennung ZK-NZP durchgeführt. Das Flugzeug wurde im Dezember 1974 an Air New Zealand ausgeliefert. Das Bordbuch der Maschine, die sonst auf Langstreckenflügen eingesetzt wurde, war bis dahin ohne Beanstandungen gewesen.

Flugunfall

Umstände vor dem Abflug

Flugkapitän Jim Collins und Erster Offizier Greg Cassin waren zuvor nicht in der Antarktis geflogen. Sie waren jedoch erfahrene Piloten und der Flug galt nicht als schwierig. Am 9. November 1979, 19 Tage vor dem Abflug, nahmen beide Piloten an einem Briefing teil, bei dem sie ein Exemplar der Flugpläne früher durchgeführter Flüge auf dieser Strecke erhielten.[1]

Jedoch wusste Flugkapitän Collins zur Zeit des Briefings nicht, dass die in Air New Zealands Zentralcomputer eingegebenen Flugkoordinaten von der Strecke abwichen, die 1977 von der Zivilluftfahrtabteilung des neuseeländischen Verkehrsministeriums genehmigt worden war. Die genehmigte Flugstrecke verlief auf einer Trasse direkt von Cape Hallett zum ungerichteten Funkfeuer (NDB) McMurdo. Zufälligerweise führte diese Trasse tatsächlich fast genau über den 12.448 Fuß (rund 3797 m) hohen Mount Erebus. Der Ausdruck der im Computersystem gespeicherten Flugkoordinaten bei dem Briefing vom 9. November ergab jedoch eine weiter südlich liegende Flugroute, etwa in der Mitte des breiten McMurdo Sunds, wobei der Mount Erebus etwa 27 nautische Meilen weiter östlich blieb. Bei der Mehrheit der zuvor durchgeführten Flüge wurden genau diese Flugkoordinaten in den Navigationscomputer des Flugzeuges (INS) eingegeben und anhand dieser Daten der Flug zum McMurdo Sund durchgeführt, ohne dass man bemerkte, dass diese Route nicht mit der vom Ministerium genehmigten Strecke übereinstimmte.

Schließlich stellte der Pilot eines der früheren Flüge am 14. November fest, dass die Koordinaten des McMurdo-TACAN-Funkfeuers (etwa fünf Kilometer östlich des McMurdo NDBs) und des Wegpunktes, den die Crew in den Bordcomputer eingegeben hatte, überraschend weit auseinander lag. Nach dem Flug meldete der Pilot die Abweichung der Positionen der Navigationsabteilung der Fluglinie und riet zur Korrektur. Aus Gründen, die umstritten sind, führten die Navigatoren der Fluglinie die Korrektur der Daten im Zentralcomputer durch, obwohl diese Koordinaten ebenfalls nicht mit der genehmigten Flugroute übereinstimmten.

Die Änderung der Koordinaten im Zentralcomputer erfolgte etwa um 1:40 Uhr Ortszeit des Tages, an dem der Unglücksflug startete. Es war für die Katastrophe entscheidend, dass die Besatzung von Flug 901 von der Änderung nicht informiert wurde. Der Flugplanausdruck, den die Besatzung vor dem Start erhielt und anhand dessen sie die Eingaben in den Bordcomputer durchführte, stimmte nicht mit dem Flugplandaten überein, den die Besatzung während des Briefings am 9. November erhielt und passte nicht zu den Markierungen, die Kapitän Collins auf einer Karte am Abend vor dem Abflug eingetragen hatte. Der wichtigste Unterschied lag darin, dass die Flugkoordinaten des Briefings dem Mount Erebus eine Lage viel weiter östlich gab und der Kurs, den die Besatzung in den Bordcomputer eingab, direkt über den Berg führte und zur Kollision führen musste, falls man auf diesem Teil des Fluges in einer Flughöhe von weniger als 13.000 Fuß fliegen würde.

Während der Annäherung an den McMurdo-Sund führte das Flugzeug ein achtförmiges Flugmanöver aus, um durch eine Lücke in der Wolkendecke zu sinken und so einerseits Sichtkontakt mit Navigationslandmarken und andererseits den Passagieren eine bessere Sicht zu ermöglichen. Die Wolkenunterdecke wurde später auf eine Höhe von 2000–3000 Fuß (etwa 600–900 m) geschätzt. Es wurde bei der Untersuchung festgestellt, dass die Piloten entweder sich nicht der Tatsache bewusst waren oder diese ignorierten, dass die Sicherheitsflughöhe (MSA) auf der Flugstrecke bei der Annäherung zum Mount Erebus bei 16.000 Fuß lag und im Gebiet südlich des Berges auf 6000 Fuß festgelegt war, falls die Wolkenunterdecke mindestens bei 7000 Fuß lag. Bilder und Presseberichte von früheren Flügen zeigten, dass viele dieser Flüge unterhalb der für die Route festgelegten MSA durchgeführt wurden. Außerdem war in den Briefings zu früheren Flügen ein Sinken in niedrigere Flughöhe autorisiert worden, falls diese von der Flugverkehrskontrolle von McMurdo Station freigegeben wurde. Da die US-amerikanischen Fluglotsen annahmen, Flug 901 werde demselben Kurs folgen wie frühere Flüge über dem McMurdo Sund, gaben die Fluglotsen unter Berücksichtigung der vorher von Air New Zealand eingereichten Flugroute einen Sinkflug auf 1500 Fuß frei.

Die Aufzeichnungen des Cockpit Voice Recorders (CVR) der letzten Minuten vor dem Aufprall auf Mount Erebus deuten darauf hin, dass die Cockpit-Crew glaubte, sie fliege mit deutlichem Abstand westlich des Mount Erebus über dem McMurdo Sund und dass das Ross-Schelfeis am Horizont zu sehen sei. Tatsächlich flogen die Piloten direkt auf den Berg zu. Obwohl die Crew zu dem Zeitpunkt damit beschäftigt war, sichtbare Landmarken zu identifizieren, hat sie zu keiner Zeit bemerkt, dass sich der Berg gerade vor ihnen befand. Ungefähr sechs Minuten nach der Beendigung eines Sinkfluges in guten Sichtverhältnissen mit einer Sichtweite von mindestens 37 km kollidierte Flug 901 in einer Höhe von etwa 1500 Fuß (460 m) mit dem Mount Erebus.

Änderungen der Koordinaten und Abflug

Collins und Cassin gaben die Reisekoordinaten in den Bordcomputer des Flugzeuges ein, bevor sie mit dem Flugzeug um 8:21 Uhr Ortszeit in Neuseeland (19:21 Uhr UTC) am 27. November vom Flughafen Auckland abhoben. Die errechnete Ankunftszeit für die Rückkehr war 18:09 Uhr Ortszeit.[2] Da ohne Kenntnis der Piloten die Koordinaten einige Stunden vor dem Abflug geändert wurden, um den Fehler zu korrigieren, der sich einige Jahre zuvor eingeschlichen hatte, verlief der Flug etwa 45 km weiter östlich, als die Piloten eigentlich fliegen wollten.[1]

Etwa vier Stunden nach dem Start war das Flugzeug etwa 70 km von McMurdo Station entfernt. Die dortige Funkzentrale genehmigte den Piloten ein Sinken auf 10.000 Fuß (3050 m) und die Fortsetzung des Fluges nach Sichtflugregeln. Die Flugsicherheitsbestimmungen erlaubten damals Passagierflügen nicht, in einer Flughöhe von weniger als 6000 Fuß (1830 m) zu fliegen, auch unter guten Wetterbedingungen.[1]

Kollision mit dem Mount Erebus

Collins teilte McMurdo Station mit, dass er auf 2000 Fuß (610 m) sank, wo er von Handsteuerung auf automatische Steuerung umschaltete. Zu dem Zeitpunkt befand sich am McMurdo-Sund eine Wolkenschicht, deren Farbe mit dem schneebedeckten Weiß des Vulkans verschmolz, sodass ein sogenannter sector whiteout entstand – es gab keinen Kontrast zwischen den Wolken und dem Berg, der die Piloten hätte warnen können. Der Effekt führte die Besatzung in die Irre; diese glaubte, dass das Weiß der Bergflanke das entfernt liegende Ross-Eisschelf sei, das sich vor der Küste der Antarktis in dieser Gegend befindet. Dieser Effekt war damals wenig verstanden, selbst unter erfahrenen Polarfliegern. Air New Zealand hatte kein Training für Piloten durchgeführt, das sich mit diesem Phänomen befasste. Folglich glaubte die Crew, sie fliege über dem McMurdo-Sund, obwohl sie tatsächlich über der Lewis Bay direkt auf Mt Erebus zuflog.

Um 12:49 Uhr gab das Ground Proximity Warning System Alarm, weil sich das Flugzeug gefährlich nahe am Boden befand und Kapitän Collins reagierte sofort,[3] aber es war nicht mehr genügend Zeit, das Flugzeug um den Berg herum zu lenken, sodass das Flugzeug sechs Sekunden später an der Flanke des Berges zerschellte, wodurch alle an Bord sofort getötet wurden. Der Pilot zog nicht extrem am Steuerhorn, um die Maschine, den Tod vor Augen habend, nach oben zu ziehen, sondern hob die Nase des Flugzeuges um 15°, wie er es im Training geübt hatte. Dies deutet darauf hin, dass die Besatzung selbst unmittelbar vor dem Aufprall das perfekte Weiß des Berges nicht als Hindernis erkannte. Der größte Teil des Flugzeuges wurde in viele kleine Stücke zerrissen, mit Ausnahme des Leitwerks. Das vom sich entzündenden Treibstoff Kerosin ausgebrannte Trümmerfeld war 600 Meter lang. Wrackteile versanken im schmelzenden Eis, das später wieder gefror.

McMurdo Station versuchte nach dem Crash, mit dem Flugzeug Kontakt aufzunehmen und informierte die Zentrale von Air New Zealand in Auckland, dass die Kommunikation mit dem Flugzeug verloren gegangen war. Such- und Rettungsmannschaften wurden in Bereitschaft versetzt.[1]

Suche und Entdeckung des Wracks

Nationalitäten der Passagiere
und der Besatzung[1]
NeuseelandNeuseeland Neuseeland: 200
JapanJapan Japan: 24
Vereinigte StaatenVereinigte Staaten Vereinigte Staaten: 22
Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich Vereinigtes Königreich: 6
KanadaKanada Kanada: 2
AustralienAustralien Australien: 1
FrankreichFrankreich Frankreich: 1
SchweizSchweiz Schweiz: 1

Um 13:00 Uhr veröffentlichte die United States Navy einen Situationsbericht, in dem festgestellt wurde:

„Air-New-Zealand-Flug 901 hat Funkübertragungen nicht bestätigt. … Ein LC-130-Starrflügelflugzeug und zwei UH-1N-Drehflügelflugzeuge bereiten sich zum Abheben zu SAR-Bemühungen vor.[4]

U.S. Situation Report

Um 15:43 Uhr wurden Wetterdaten zum Situationsbericht hinzugefügt. Demnach betrug die Sicht rund 65 km. Inzwischen waren sechs Flugzeuge gestartet, um den vermissten Flug 901 zu suchen.[5]

Um 22:00  – etwa eine halbe Stunde, nachdem Flug 901 der Treibstoff ausgegangen wäre – teilte Air New Zealand der Presse mit, dass das Flugzeug vermutlich verunglückt sei. Rettungsmannschaften suchten entlang der angenommen Flugroute. Um 0:55 Uhr fand die Besatzung eines Flugzeuges der United States Navy zunächst nicht identifizierte Trümmerteile an der Flanke des Mount Erebus.[6] Überlebende wurden nicht ausgemacht. Zwanzig Stunden nach dem Aufprall gelang es Hubschraubern mit Rettungsmannschaften an der Seite des Berges zu landen. Es wurde bestätigt, dass keiner der 257 Personen an Bord von Flug 901 überlebt hatte. Die Fundstelle des Flugzeuges lag in etwa 445 m Höhe.

Die Bemühungen zur Bergung der Leichen waren umfangreich, was teilweise auf japanischen Druck erfolgte, da 24 Fluggäste japanische Staatsbürger waren. Die Operation zur Bergung dauerte bis zum 9. Dezember 1979. Teilweise waren am Unglücksort bis zu 60 Personen eingesetzt. Das Seitenleitwerk des Flugzeuges mit dem Koru war nach dem Aufprall weitgehend intakt geblieben.[7] Die Leichen und einzelne Teile des Flugzeuges wurden auf dem Luftweg nach Auckland gebracht.[8] Die sterblichen Überreste von 44 der Opfer konnten nicht identifiziert werden; für sie fand am 22. Februar 1980 ein gemeinschaftliches Begräbnis statt.

Operation Overdue 1979

Ein Team neuseeländischer Polizisten und ein Team der Bergwacht wurde mit einer C-130 Hercules der No 40 Squadron zur Scott Base im McMurdo-Sund geflogen.

Die Identifizierung der sterblichen Überreste der Passagiere dauerte etliche Wochen und wurde von 60 Gerichtsmedizinern, Zahnärzten und Polizisten durchgeführt. Das Team zur Bergung der Leichen wurde von Jim Morgan geleitet, der die Daten sammelte und später einen Bericht über die Bergungsaktion verfasste. 213 (rund 83 Prozent) der Leichen konnten identifiziert werden, manchmal nur durch einen Fingerabdruck oder durch einen Schlüsselbund in einer Kleidungstasche.

„Die Tatsache, dass wir alle etwa eine Woche in polartüchtigen Zelten kampierten, inmitten von Wrackteilen und Leichen und dabei rund um die Uhr arbeiteten, sagt eigentlich alles. Wir teilten die Männer in zwei Schichten ein (12 Stunden Dienst, 12 Stunden Pause) und bargen mit großen Anstrengungen alle menschlichen Überreste an der Absturzstelle. Manche Leichen waren unter tonnenschweren Rumpfteilen und den Flügeln eingezwängt und viele Kraftanstrengungen waren notwendig, diese freizugraben und herauszuziehen. (…) Alle Leichen und Körperteile wurden vor Ort von Fotografen des U.S. Navy fotografiert, die mit uns zusammenarbeiteten. Das Personal der U.S. Navy half uns auch, die Leichen zu sammeln und in Leichensäcke zu verpacken, was eine sehr erschöpfende Arbeit war. Später fraßen Raubmöwen die Leichen vor unseren Augen und verursachten dadurch ebenso mentalen Frust, wie sie die Chancen auf eine Identifizierung der Leichen zerstörten. Wir versuchten sie zu verscheuchen, wir schossen dann Leuchtsignale ab, ebenfalls ergebnislos. Deswegen waren wir gezwungen, alle Leichen und Körperteile, die in Leichensäcke getütet waren, auf einen von elf großen Haufen menschlicher Überreste (…) zu legen und sie unter Schnee zu begraben, um die Vögel von ihnen abzuhalten. Um dies zu tun, mussten wir die oberste Schicht des Schnees an der Absturzstelle aufbrechen (…), nur um sie später wieder freizulegen, sobald das Wetter aufklaren würde und die Helikopter in der Lage dazu waren, wieder zur Absturzstelle zurück zu kehren. Es war eine immens erschöpfende Arbeit. Nachdem wir die Mission schon fast abgeschlossen hatten, schnitt uns schlechtes Wetter ab. Zu dem Zeitpunkt genehmigten NZPO2 und ich die Ausgabe des Schnapses, der den Absturz überstanden hatte, und wir feierten eine Party (makaber, aber wir mussten Dampf ablassen). Uns gingen die Zigaretten aus, eine Katastrophe, die alle Personen, Zivilisten und Polizisten, vor Ort dazu brachte, ihre persönlichen Vorräte abzuliefern, sodass wir diese gerecht verteilen konnten und den Vorrat, den wir hatten, ausnutzen konnten. Als das Wetter aufklärte, konnten die Hubschrauber zurückkehren und wir waren in der Lage dazu, die Leichenhaufen in Frachtnetze zu packen, die unter die Helikopter gehakt nach McMurdo gebracht wurden. Es war doppelt erschöpfend, weil wir die Zahl der Einsatzkräfte mit jedem Hubschrauberflug reduzieren mussten und die verbliebenen Männer um so mehr Arbeit machen mussten. Es war erschöpfend, die Leichen auszugraben und zu verladen und auch gefährlich, weil Trümmer von der Absturzstelle durch die Hubschrauberrotoren aufgewirbelt wurden. Alle, die an diesem Einsatz beteiligt waren, gingen Risiken ein. Die Zivilisten von McDonnell Douglas, MOT und das Personal der US Navy waren die ersten, die die Stelle verließen und der Polizei mit dem DSIR folgten. Ich bin stolz auf meinen Dienst und auf den meiner Kollegen am Mount Erebus.[9]

Jim Morgan

Die posttraumatische Belastungsstörung, die die Mitglieder des Bergungsteams erlitten, wurde bereits 1979 erkannt; einige der Beamten waren unter dem Druck des Dienstes zusammengebrochen. Es dauerte allerdings noch einige weitere Jahre, bis psychologische Unterstützung für Beamte zum Standard in der neuseeländischen Polizei wurden.

Die Anstrengungen der Polizei bei der Bergung der Leichen wurden nicht offiziell gewürdigt, allerdings haben R. S. Mitchell und J. Morgan für ihren Dienst im Zusammenhang mit dem Unglück den Order of the British Empire erhalten.

Im Jahr 2006 wurde den Teilnehmern an der Bergungsaktion aus den Vereinigten Staaten, Neuseeland und anderen Staaten durch Neuseeland eine Medaille verliehen.

Untersuchungen des Flugunfalls

Offizieller Bericht

Der Unfallbericht des neuseeländischen Chefermittlers für Flugunfälle Ron Chippindale wurde am 12. Juni 1980 veröffentlicht. Er nannte einen Pilotenfehler als die Hauptursache des kontrollierten Fluges in den Boden und wies die Schuld Collins zu, der entschieden hatte, unter die übliche minimale Flughöhe zu sinken und in dieser Höhe den Flug fortzusetzen, ohne die genau Position des Flugzeuges zu kennen. Die Flugvorschriften untersagten einen Passagierflug unter einer Flughöhe von 6000 Fuß (rund 1830 m) auch unter guten Sichtflugverhältnissen, doch das Zusammenwirken verschiedener Faktoren veranlasste den Kapitän zur Annahme, das Flugzeuge befände sich über dem Meer in der Mitte des McMurdo-Sund, wo sich nur wenige flache Inseln befinden. Dazu kam, dass frühere Flug-901-Piloten regelmäßig in geringer Höhe flogen, um den Passagieren einen guten Blick zu ermöglichen. Dies wurde durch Fotos in Air New Zealands eigenem Flugmagazin und durch Aussagen von Personal in der Basis in Neuseeland bestätigt.

Mahon-Untersuchung

Als Reaktion auf das öffentliche Verlangen setzte die neuseeländische Regierung eine weitere Untersuchung an, die durch den später für seine Verdienste geehrten Richter Peter Mahon[10] durchgeführt wurde.

Mahons Bericht wurde am 27. April 1981 veröffentlicht. Mahon sprach die Besatzung von der Schuld frei und stellte fest, dass der einzige und wesentliche Grund für die Katastrophe die Änderung der Flugplankoordinaten im Bodennavigationscomputer war, von der Air New Zealand die Piloten nicht unterrichtet hatte. Der neue Flugplan lenkte das Flugzeug direkt in den Berg, statt an dessen Flanke entlang zu führen. Aufgrund der Whiteout-Bedingungen, „einem böswilligen Trick des polaren Lichts“, war die Crew nicht dazu in der Lage, den Berg direkt voraus visuell zu erfassen. Außerdem sind die Piloten möglicherweise einem seltenen meteorologischen Phänomen aufgesessen, das man sector whiteout nennt und die Illusion eines flachen, weit entfernten Horizontes schafft, im konkreten Fall offenbar der Blick durch eine Wolkenlücke auf das entfernt liegende Ross-Schelfeis und die Gegend dahinter. Mahon stellte fest, dass die Flugzeugbesatzung mit ihren vielen Tausend Flugstunden Erfahrung ausreichend vertraut war mit der Genauigkeit des inertialen Navigationssystems des Flugzeuges. Mahon stellte auch fest, dass die Funkzentrale in McMurdo Station Flugkapitän Collins genehmigt hatte, auf eine Flughöhe von 1500 Fuß (rund 450 m) zu sinken, unter die Sicherheitsgrenze.

In Abschnitt 377 seines Berichtes stellt Mahon die kontroverse These auf, dass die Geschäftsleitung der Fluggesellschaft und Chefpiloten gemeinsam in einer Verschwörung versuchten, das Ergebnis der Untersuchung reinzuwaschen und warf ihnen „an orchestrated litany of lies“ (Übersetzungsvorschlag: „abgesprochene Litanei von Lügen“) vor, indem Beweise zurückgehalten und die Ermittler belogen wurden. Mahon stellte fest, dass in dem ursprünglichen Bericht Chippindale ein schlechtes Verständnis von der Fliegerei bei Passagierfluggesellschaften zeigt, da er und die Flugsicherheitsbehörden Neuseelands insgesamt normalerweise nur bei Flugunfällen mit kleinen Luftfahrzeugen ermittelten. Chippindales Ermittlungstechniken wurden darin als mangelhaft an Gründlichkeit beurteilt, da Irrtümer und ausschließbare Ermittlungslücken in den Berichten in Kauf genommen wurden. Mahon wies darauf hin, dass Chippindale konsequent die Wichtigkeit der Flugplanänderung und die besonderen meteorologischen Bedingungen in der Antarktis versäumte . Hätten die Piloten Kenntnis von der Flugplanänderung erlangt, wäre nach Mahons Erkenntnissen der Unfall vermieden worden.

Gerichtsverfahren

Air New Zealand klagte gegen die von Mahon niedergeschriebenen Erkenntnisse vor dem Court of Appeal, der die Kostenfestsetzung gegen die Fluglinie aufhob. Mahon wiederum legte Berufung zum Privy Council in London ein. Seine Feststellung zur Ursache des Unfalls, vor allem bezüglich der nächtlichen Neuprogrammierung des Flugplans, von dem die Crew nicht unterrichtet wurde, waren nicht Gegenstand der Klage vor dem neuseeländischen Court of Appeal und wurden deswegen auch nicht vor dem Berufungsgericht in London verhandelt. Seine Feststellung, dass der Absturz das Ergebnis der Irreführung der Piloten war und kein Pilotenfehler, blieb daher bestehen. Die Direktoren der Fluggesellschaft waren jedoch der Meinung, dass Mahon seine Kompetenzen überschritten hat, als er in seinem Bericht feststellte, es gäbe eine Konspiration, mit der Air New Zealand die Fehler des Bodenpersonals vertuschen wolle. Die Richter in London wiesen am 20. Oktober 1982 Mahons Berufungsantrag zurück und bestätigten die Entscheidung des Court of Appeal. Der Sachbuchschriftsteller John King schrieb in seinem Werk New Zealand Tragedies, Aviation:

„Sie zerstörten seinen Fall Punkt für Punkt, einschließlich Beweisstück 164, von dem sie sagten, es könne von 'keinem erfahrenen Piloten als zu Navigationszwecken beabsichtigt verstanden werden' und gingen noch weiter, indem sie sagten, dass es keinen klaren Beweis gab, worauf man Ergebnisse stützen könne, nach denen es jemals einen Plan der Vertuschung durch die Firmenleitung gegeben habe.“[11]

„Exhibit 164“ war ein fotokopiertes Diagramm des McMurdo-Sunds, auf dem eine südwärts gerichtete Flugroute westlich an der Ross-Insel vorbeiführte und der nordwärts gerichtete Pfad im Osten. Das Diagramm reichte nicht weit genug nach Süden, um zu zeigen wo beide Routen sich trafen, wenn überhaupt. Es wurde allerdings bewiesen, dass das Diagramm Bestandteil der Unterlagen war, die die Crew bei dem Briefing vom 9. November erhalten hatte.

Mahons Bericht wurde schließlich 1999 durch den damaligen Verkehrsminister Maurice Williamson dem neuseeländischen Parlament vorgelegt.

Vermächtnis der Katastrophe

Der Absturz von Flug 901 ist eine der beiden Katastrophen in der Geschichte Neuseelands mit den meisten Opfern (die andere ist das Hawke’s-Bay-Erdbeben von 1931). Ein hölzernes Kreuz wurde oberhalb von Scott Base errichtet, um an die Opfer zu erinnern. Es wurde 1986 durch ein Kreuz aus Aluminium ersetzt, da das Original durch die Kälte, Wind und Feuchtigkeit vermoderte.

Das Wrack des Flugzeuges liegt noch fast vollständig an der Unfallstelle an der Flanke von Mount Erebus und ist üblicherweise von Schnee und Eis bedeckt. Wenn der Schnee im antarktischen Sommer manchmal taut, ist es aus der Luft sichtbar. Die Flugzeug-Kennung der verunglückten Maschine, ZK-NZP, wurde nicht wieder ausgegeben.

Eine Fernsehserie mit dem Titel Erebus: The Aftermath, die die Untersuchung des Unglücks und der Royal Commission of Inquiry aufarbeitete, wurde 1988 in Neuseeland und Australien ausgestrahlt.

Die Redewendung an orchestrated litany of lies hat den Weg in die populäre Kultur Neuseelands gefunden.[12][13]

Anlässlich des Geburtstages von Königin Elisabeth II. wurde Gordon Vette im Juni 2007 zum Officer of the New Zealand Order of Merit ernannt, womit man seine Dienste bei der Unterstützung Richter Mahons während der Untersuchung der Katastrophe am Mount Erebus ehrte. Vettes Buch, „Impact Erebus“, kommentiert den Flugverlauf, den Absturz und die nachfolgende Untersuchung.

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. a b c d e f Christchurch City Libraries: New Zealand Disasters: Aircraft Accident: DC. 10 ZK-NZP Flight 901 (Englisch). Abgerufen am 11. Juli 2006.
  2. US Navy SITREP [SITuation REPort] from 28 November 1979 (page 5) (en). Archives New Zealand. Abgerufen am 8. Oktober 2010.
  3. CVR transcript Air New Zealand Flight 901 - 28 NOV 1979 (en). Aviation Safety Network. Abgerufen am 10. November 2010.
  4. US Navy SITREP [SITuation REPort] from 28 November 1979 (page 1) (Englisch). Archives New Zealand. Abgerufen am 17. Mai 2009. „Air New Zealand Flight 901 has failed to acknowledge radio transmissions. … One LC-130 fixed wing aircraft and two UH-1N rotary wing aircraft are preparing to launch for SAR effort.
  5. US Navy SITREP [SITuation REPort] from 28 November 1979 (page 2) (Englisch). Archives New Zealand. Abgerufen am 17. Mai 2009.
  6. U.S. Navy SITREP [SITuation REPort] from 28 November 1979 (page 4) (Englisch). Archives New Zealand. Abgerufen am 17. Mai 2009.
  7. NZ History: Tail of Air New Zealand plane at Mt Erebus
  8. Bill Spindler: Air New Zealand DC-10 crash into Mt. Erebus. Abgerufen am 17. Mai 2009.
  9. NZPO1 NZAVA, siehe Bibliographie.
  10. Mahon posthumously awarded - stuff.co.nz - (abgerufen am 1. November 2010)
  11. „They demolished his case item by item, including Exhibit 164 which they said could not "be understood by any experienced pilot to be intended for the purposes of navigation" and went even further, saying there was no clear proof on which to base a finding that a plan of deception, led by the company's chief executive, had ever existed.“
  12. BREAKING NEWS - FEBRUARY 2004 (Englisch). Citizens for Health Choices (February 2004). Abgerufen am 19. November 2007. „To quote a well-known phrase, there has been 'An orchestrated litany of lies'
  13. Background Comments on the Stent Report (Englisch) (DOC). PSA (April 1998). Abgerufen am 19. November 2007. „...a phrase that is likely to resound as did 'an orchestrated litany of lies' in another investigation

Weblinks


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