Eremitage (Sankt Petersburg)

Eremitage (Sankt Petersburg)
Winterpalast und Alexandersäule, August 2003

Die im Herzen der Stadt Sankt Petersburg an der Newa gelegene Eremitage (russisch Эрмитаж, Ermitaʒ) ist heute eines der größten und bedeutendsten Kunstmuseen der Welt. In mehr als 350 Sälen unter anderem des Winterpalais sind über 60.000 Exponate ausgestellt, im Archiv befinden sich fast drei Millionen Objekte. Darunter befindet sich neben archäologischen Exponaten auch die neben dem Louvre oder dem Prado bedeutendste Sammlung klassischer europäischer Kunst. Unter den ausgestellten Bildern sind Werke holländischer und französischer Meister wie Rembrandt, Rubens, Matisse und Paul Gauguin. Außerdem sind zwei Gemälde des italienischen Universalgenies Leonardo da Vinci sowie 31 Gemälde des spanischen Malers Pablo Picasso ausgestellt. Das Museum hat etwa 2.500 Mitarbeiter. Die Eremitage ist ein zentraler Bestandteil der zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärten Sankt Petersburger Innenstadt.

Inhaltsverzeichnis

Gebäude

Ursprünglich trug nur die Kleine Eremitage diese Bezeichnung. Heute ist mit Eremitage ein Komplex aus mehreren im 18. und 19. Jahrhundert entstandenen Bauwerken gemeint. Neben der Kleinen Eremitage besteht er noch aus der Alten Eremitage, der Neuen Eremitage, dem Eremitage-Theater und dem dominierenden Teil, dem Winterpalast, der ehemaligen Hauptresidenz der russischen Kaiser. In den letzten Jahren kamen neben dem eigentlichen Eremitage-Komplex noch ein Teil des Generalstabsgebäudes (auf dem Palastplatz gegenüber dem Winterpalast) und des Menschekow-Palais zu den Räumlichkeiten des Museums hinzu.

Der Komplex der Eremitage. Von links nach rechts: Eremitage-Theater – Alte Eremitage – Kleine Eremitage – Winterpalast (die „Neue Eremitage“ liegt nicht sichtbar hinter der Alten Eremitage) (2003)

Der Winterpalast

Winterpalast vom Schlossplatz aus aufgenommen
Jordantreppe im Winterpalast

Der erste Winterpalast wurde 1711 gebaut, 1721 durch einen neuen ersetzt (in dem Peter I. starb), in den folgenden Jahren wieder niedergerissen und durch den Baumeister Domenico Trezzini neu gebaut. Elisabeth ließ diesen aufgrund mangelnder Imposanz erneut niederreißen und ab 1754 durch Bartolomeo Francesco Rastrelli wiederum neuerstellen.

Am 17. Dezemberjul./ 29. Dezember 1837greg. brannte der Winterpalast durch ein 30stündiges Feuer völlig aus. Kaiser Nikolaus I. ordnete eine Wiederherstellung der Residenz nach früherem Zustand an. Zu Ostern 1839 waren die Erneuerungsarbeiten am und im Winterpalast abgeschlossen. Dieser war im Wesentlichen der gleiche wie er heute an dieser Stelle steht. Im Großen Vaterländischen Krieg wurde er bei der Leningrader Blockade beschädigt und dann restauriert. Heute setzen ihm vor allem die großen Besuchermassen, die mangelnde Standfestigkeit auf Sumpfgebiet, sowie die Feuchtigkeit direkt am Fluss zu. Eine Sanierung erfolgte im Jahre 1984 und eine weitere im Jahre 2005.

Der Palast gilt als eines der Prunkstücke des russischen Barock. Der Bau ist rechteckig mit großem Innenhof, jede Seite des Palastes ist anders geschmückt, die Fensterrahmen variieren von Geschoss zu Geschoss und von Seite zu Seite. Auf dem Palast selbst sind etwa 3,50 Meter hohe Statuen angebracht.

Einen tragischen Eintrag in die Geschichtsbücher bekam der Winterpalast am 9. Januarjul./ 22. Januar 1905greg., dem Petersburger Blutsonntag, als bei einem Marsch demonstrierender Arbeiter russische Soldaten vor dem Winterpalast auf die Demonstranten schossen, wobei es Hunderte von Toten gab.

Die übrigen Gebäude

Ein Salon in der Eremitage
Winterpalast von der Newa aus aufgenommen (2004)
Winterpalast bei Nacht von der Newa aus gesehen

Die im Stil des Klassizismus gehaltene Kleine Eremitage von Jean-Baptiste Vallin de la Mothe wurde von 1764 bis 1775 ursprünglich als Refugium für Katharina II. gebaut und ist das kleinste Gebäude des Ensembles. Hier brachte Katharina die ersten von ihr gekauften Gemälde unter. Die Alte Eremitage, auch als Große Eremitage bezeichnet, wurde 1787 von Georg Friedrich Veldten angeschlossen, um die rasch wachsende Kunstsammlung aufzunehmen. Sie ist das schmuckloseste Gebäude des Komplexes.

Das Eremitage-Theater entstand von 1783 bis 1787. Das ehemalige Theater der Kaisers war damit das erste Theater von Sankt Petersburg. Es wurde bis 1796 und wieder ab 1989 bespielt; im Winter tritt hier unter anderem das Kirow-Ballett auf. Es dient heute vor allem als Verwaltungsgebäude, aber besitzt auch noch eine Bühne und einen Zuschauersaal. Das Theater ist das kleinste der Stadt, da es ursprünglich nur für die Privatvorführungen der Zarenfamilie gedacht war. Das Eremitage-Theater ist das einzige Gebäude der Eremitage, das im Normalfall Besuchern nicht offen steht.

Leo von Klenze errichtete zwischen 1839 und 1852 die Neue Eremitage als letztes Gebäude, es ist vielleicht das einzige seiner Werke, das ohne die restriktiven Stilwünsche Ludwig I. von Bayern und somit ganz und gar nach Klenzes Vorstellungen entstand. Es ist das einzige des Museums, das nicht direkt an der Newa steht. Wiederum war dieser Bau von Anfang an dafür bestimmt, die Kunstschätze der weiter gewachsenen Sammlung aufzunehmen. In der Neuen Eremitage befindet sich unter anderem ein kompletter Nachbau eines eigentlich von Raffael im Vatikan gestalteten Ganges. Die Atlas-Figuren, die an einer Fassadenseite stehen, sind die heute vielleicht berühmtesten dieser Art weltweit.

Sammlung

Bildergalerie

Von den ungefähr 250 Museen der Stadt ist die Eremitage mit 3 bis 4 Millionen Besuchern im Jahr das bestbesuchte und international bedeutendste. Sie ist eines der bedeutendsten Kunstmuseen der Welt. Sie beherbergt eine immens große Sammlung der europäischen Bildenden Kunst bis 1917. Deren besonders enge Reihung bezeichnet man als Petersburger Hängung.

Archäologische Sammlungen

In ihrem Archiv beherbergt sie mehr als 2,7 Millionen Ausstellungsstücke. In den 350 Ausstellungsräumen sind davon 65.000 in sechs Sammlungen ausgestellt. Es sind Sammlungen über Prähistorische Kultur, Kunst und Kultur der Antike, Kunst und Kultur der Völker des Ostens, westeuropäische Kunst und russische Kunst zu sehen. Zu den bedeutenderen Teilen der Sammlung gehören zum Beispiel das Gold der Skythen, umfangreiche Sammlungen römischer und etruskischer Kultur und die größten und besterhaltenen Museumsbestände über die Hunnen. Ebenso ist eine umfangreiche Sammlung zur Geschichte Sibiriens vorhanden, wie Tausende schriftliche Dokumente des vierten und fünften Jahrhunderts aus den chinesischen Mogao-Grotten. Das älteste bekannte Zeugnis mongolischer Schrift, der so genannte Dschingisstein befindet sich ebenso in der Eremitage wie umfangreiche Fundstücke aus der Zeit und Gegend des Kiewer Rus. Ungefähr ein Drittel aller Ausstellungsstücke sind Münzen, alleine 120.000 aus der Antike, 220.000 aus Ostasien und 300.000 Münzen der russischen Geschichte. Die so bezeichnete Schatzkammer zeigt eine Geschichte des Goldschmied- und Juwelierhandwerks seit dem 3. Jahrtausend v. Chr.

Kultur und Kunst

Neben der weltbekannten Sammlung westeuropäischer Kunst besitzt die Eremitage auch zahlreiche weitere Ausstellungsstücke. Dazu gehört eine Sammlung russischer Ikonen seit dem 12. Jahrhundert, unter anderem aus Kiew, Nowgorod und Moskau, Juwelen aus der Fabergé-Werkstatt und eine große Zahl historischer Kostüme. Daneben sammelten vor allem die Kaiser angewandte russische Kunst wie Teppiche und Porzellan, vor allem aber die Sammlung an russischen Gewändern des 18. bis 20. Jahrhunderts ist beeindruckend. Unter den Gewändern befinden sich unter anderem über 300 Zarengewänder von Peter dem Großen.

Mittel- und westeuropäische Kunst

Michelangelo: Statue eines kauernden Knaben

Von Beginn an, jedoch vor allem durch die Sammeltätigkeit im 18. Jahrhundert, lag der Schwerpunkt der Eremitage auf der mittel- und westeuropäischen Kunst. In ganz Europa entstanden in dieser Zeit umfangreiche Sammlungen von bedeutenden Kunstwerken – der russische Kaiserhof genoss in dieser Zeit einen besonderen Ruf als einer der größten Aufkäufer von wertvollen Sammlungen. 1772 ging eine der berühmtesten Kollektionen der Zeit, die Sammlung Crozat, in russischen Besitz über. Darunter waren Tizians Danaë, Raffaels Heilige Familie, Rubens Bildnis einer Kammerfrau und viele andere.

Da der größte Teil der russischen Kunst mittlerweile in das Russische Museum ausgelagert wurde, ist auch heute die mittel- und westeuropäische Kunst und Kultur wieder der bedeutsamste Teil der Sammlung. Während die Malerei der Kern der Sammlung ist, beherbergt die Eremitage auch Zeichnungen, über 50.000 Druckgraphiken (Holzschnitte, Lithographien, Radierungen) verschiedener Genres und Epochen, und umfangreiche Sammlungen angewandter Kunst. Dazu gehören insbesondere Kirchengerät des 11. bis 15. Jahrhunderts, Emailarbeiten und Elfenbeinschnitzereien des 15. bis 18. Jahrhunderts. In der Eremitage stehen umfangreiche Sammlungen an venezianischem, deutschem und spanischem Glas des 15. bis 20. Jahrhunderts, Majolika und Fayenceen. Ebenfalls gehören 14.000 Stück Porzellan aus allen großen Manufakturen, darunter besonders Meißen und Sèvres. Ebenfalls zur angewandten Kunst zählen große und bedeutende Sammlungen an Teppichen, Gobelins und Möbelkunst. Die Sammlung der Plastiken ist mit über 2.000 Objekten eine der größten der Welt und sie enthält unter anderem Werke von Michelangelo und Rodin.

In 120 Räumen befinden sich vor allem Werke italienischer, französischer, niederländischer, und flämischer Maler, ebenso gibt es die Themenbereiche englische und deutsche Kunst. Zu den bekanntesten Stücken gehören (die Einordnung folgt im Wesentlichen der der Eremitage selbst):

Italienische Malerei

Raffael-Loggia in der Neuen Eremitage

Die italienische Malerei bildet im Bereich der klassischen europäischen Kunst wahrscheinlich den wichtigsten Teil der Sammlung. Berühmt und meist von Besuchern umlagert sind zwei der weltweit bekannten zwölf Originale von Leonardo da Vinci, die Madonna mit einer Blume (1478) und die Madonna Litta (1490/91). Einen ebenso hohen Status genießen die Madonna Conestabila (1502/03) und Die Heilige Familie (1506) von Raffael. Zudem befindet sich ein, allerdings wesentlich späterer, Nachbau der vatikanischen Raffael-Loggias im Museum. Das Museum beherbergt weitere Werke von Tizian, vor allem aus seiner späteren Phase, Giorgiones Judith sowie Bilder von Michelangelo, Paolo Veronese, Caravaggio, Annibale Carracci, Luca Giordano, Salvator Rosa, Giuseppe Maria Crespi, Tiepolo, Stefano Torelli und Francesco Guardi.

Spanische Malerei

Bekannteste Namen der Sammlung spanischer Malerei sind El Greco (Die Apostel Petrus und Paulus), Jusepe de Ribera (Christus am Kreuz – das erste datierte Bild der realistischen Schule der spanischen Malerei), Francisco de Goya (Porträt von Antonia Zarate, etwa 1811, nur ein Gemälde in der Eremitage) und Velazquez. Weiterhin hängen dort Werke von Murillo, Zurbaran und Juan Pantoja de la Cruz.

Flämische Malerei

Die Eremitage beherbergt etwa 500 Gemälde von über 140 Künstlern aus der bedeutendsten Phase der flämischen Schule. Insbesondere hat sie eine bedeutende Sammlung der Werke von Jacob Jordaens sowie von Peter Paul Rubens und seiner Schüler Anthonis van Dyck, und Frans Snyders. Allein von Rubens befinden sich 22 Gemälde (unter anderem Perseus und Andromeda und Bacchus) und 19 Zeichnungen in der Sammlung. Begründet wurde dieser Teil der Sammlung 1769, als der russische Staat von den Erben Heinrich von Brühls 600 flämische, holländische und französische Gemälde kaufte. Darunter waren Rembrandts Bildnis eines Gelehrten und Bildnis eines alten Mannes in Rot sowie vier Landschaftsgemälde von Jacob Izaaksoon van Ruisdael.

Niederländische Malerei

Neben der Malerei des frühen zwanzigsten Jahrhunderts ist wahrscheinlich die Ausstellung der Bilder Rembrandts der bekannteste Teil der Kunstsammlung. Das Museum beherbergt mit über 20 Gemälden die größte Sammlung außerhalb der Niederlande; bedeutende Gemälde sind beispielsweise Saskia als Flora (1634), Danae (1630er/40er) und Die Rückkehr des verlorenen Sohnes (1668/69). Daneben sind weitere 1000 Stücke niederländischer Maler ausgestellt. Vertretene Künstler sind Lucas van Leyden, Rogier van der Weyden, Jacob van Utrecht, Jan van Goyen, Jacob van Ruisdael, Jan Steen, Gerard ter Borch, Pieter de Hooch, Adriaen van Ostade, Isaac van Ostade, Paulus Potter, Willem Claesz Heda, Willem Kalf und von Frans Hals.

Französische Malerei

Das weiße Haus bei Nacht
Eines der letzten Gemälde des niederländischen Malers Vincent van Gogh, erstellt 1890 im französischen Auvers-sur-Oise

Die Eremitage beherbergt eine große Auswahl klassischer französischer Maler. Dazu gehören Nicolas Poussin, Claude Gellée, Gemälde der Brüder Le Nain, von Antoine Watteau, François Boucher, Jean-Honoré Fragonard, Hubert Robert, Jean Baptiste Greuze und Jean Siméon Chardin. Besonders bekannt ist sie aber für ihre große Sammlung früher moderner Malerei, die – bis zum historischen Bruch 1917 – einen umfassenden Einblick in die Entwicklung der Malerei erlaubt. Dazu gehören sieben Bilder von Claude Monet, weitere von Édouard Manet, Pierre-Auguste Renoir, Alfred Sisley, Paul Cézanne, Paul Gauguin, 37 Bilder von Henri Matisse und 31 Bilder von Pablo Picasso.

Andere vertretene Maler sind Lucas Cranach der Ältere, Johann Friedrich Tischbein, Caspar David Friedrich, Vincent van Gogh, Joshua Reynolds, Thomas Gainsborough, sowie Bilder von Wassily Kandinsky und Kasimir Malewitschs Schwarzes Quadrat.

Geschichte

Katharina II.: Gründung und erster Ausbau

Russischer Kaiserthron vor dem Familienwappen der Romanow – ausgestellt in der Eremitage

Die Eremitage sowohl als Gebäudekomplex als auch als eigenständige Kunstsammlung wurde von der russischen Kaiserin Katharina der Großen begründet. Sie kaufte im Jahre 1764 225 Gemälde von dem Berliner Kunsthändler Johann Ernst Gotzkowsky; dieser hatte sie ursprünglich für den preußischen König Friedrich II. erworben, der jedoch aufgrund der leeren Staatskassen nach dem Siebenjährigen Krieg verzichten musste. 1765 kaufte sie für 80.000 Taler fast 1.000 Bilder aus der Gemäldesammlung des Grafen Brühl, deren Wert in dessen Nachlassverzeichnis auf 105.329 Taler geschätzt worden war.

Die Bilder wurden im Winterpalast ausgestellt. Katharina erwarb weiterhin bedeutende Gemälde, teilweise ganze Sammlungen, sowohl um ihren Anspruch als Sammlerin zu befriedigen, teilweise auch um die Aufgeklärtheit und den hohen kulturellen Stand Russlands und Sankt Petersburgs gegenüber dem westlichen Europa hervorzuheben. Als ihre Berater beim Erwerb von Kunstwerken fungierten unter anderen die Enzyklopädisten Melchior Grimm, Denis Diderot und russische Diplomaten wie Dmitri Golizyn und Alexander Stroganow. 1775 ließ Katharina im Stil der damaligen Mode von dem Architekten J. B. Vallin de la Mothe eine kleine Eremitage (Einsiedelei) neben den eigentlichen Palast bauen, um sich hier privat oder in kleinen Gruppen zurückzuziehen – die spätere Kleine Eremitage. Bald musste ein zweites größeres Gebäude hinzugebaut werden, um die Sammlung zu beherbergen; die heutige Alte Eremitage wurde 1784 vom Architekten Veldten entworfen. In der Kleinen Eremitage wurden zu dieser Zeit auch schon Theaterstücke aufgeführt; ab 1783 ließ Katharina zu diesem Zweck ein eigenes Gebäude, das Eremitage-Theater, bauen. Fast zeitgleich zu diesen Gebäuden entstanden am Quai des Winterkanals die Rafael-Loggien, die eine genaue Nachbildung des Vatikanpalastes in Rom sind. Im Jahr 1797 umfasste die schnell wachsende Sammlung 3.996 Gemälde.

Alexander I. bis Nikolaus II.: Weiterer Ausbau und Anfang des Museums

Der Winterpalast, 1906

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die verschiedenen Sammlungen geordnet und durch den Zustrom orientalischer Kunstwerke und archäologischer Fundstücke erweitert. Neu war die Anordnung der Gemälde in nationale Schulen; 1825 kamen erstmals auch Säle mit russischer Kunst des 18. Jahrhunderts dazu.

War die Gemäldesammlung bis zu dieser Zeit nur Mitgliedern des engen höfischen Kreises zugänglich, so markierte der 5. Februarjul./ 17. Februar 1852greg. einen Wendepunkt: Der Zar trennte organisatorisch die Zarenresidenz und die Eremitage-Sammlung. Damit wurde das Museum erstmals, wenn auch unter starken Einschränkungen, öffentlich zugänglich. Nikolaus I. eröffnete die Neue Eremitage, die sich baulich zwar an den alten Gebäudekomplex anschloss, jedoch einen eigenen Eingang erhielt und als öffentliches Museum zugänglich war. Das neue Gebäude war in den Jahren 1839 bis 1851 unter der Leitung der Architekten Wassili Petrowitsch Stassow und Jefimow nach Plänen von Leo von Klenze erbaut worden.

Zar Nikolaus II. verliest die Thronrede im Georgsaal des Winterpalastes, 1906

Nikolaus I. kümmerte sich auch weiter um den Aufbau der Sammlung, unter anderem kaufte er von den Erben Joséphines, der Gattin Napoleons, deren während der Napoleonischen Kriege entstandene Sammlung. Nach der Oktoberrevolution wurden zahlreiche Privatsammlungen enteigneter russischer Adliger, so etwa der Familien Stroganow, Scheremetjew, Jussupow und Schuwalow, in die Eremitage überführt.

Während des Ersten Weltkrieges dienten Teile des Winterpalastes als Hospital. Später war er Sitz der provisorischen Regierung. Die Oktoberrevolution erlebte hier einen entscheidenden Moment, als die Kerenski-Regierung im Winterpalast von den Bolschewiki inhaftiert wurde.

Seit der Oktoberrevolution

Das Kaiserliche Museum wurde kurz darauf in Staatliches Museum umbenannt und das Gebäude des Winterpalastes als Ausstellungsraum für die Öffentlichkeit geöffnet. Die ersten Jahre nach der Oktoberrevolution waren kulturell insbesondere im damaligen Petrograd von einer westeuropäischen und an den Idealen der Aufklärung geprägten Kunst geprägt. Das erste Ministerium für Bildung nach der Oktoberrevolution nannte sich „Volkskommissariat für Aufklärung“ – ein Geist der sich in den ersten Jahren auch in der Eremitage niederschlug. Kurz nach der Revolution wurde der Winterpalast für Lesungen, Vorträge und Filmvorführungen geöffnet. Die erste Ausstellung über das antike Ägypten wurde 1920 eröffnet, ab 1922 war die Eremitage in Gänze für das Publikum geöffnet, in den ersten fünf Jahren noch ohne Eintrittsgeld. Bis in die Mitte der 1930er Jahre war im Winterpalast neben dem Eremitage-Museum noch ein Museum der Oktoberrevolution eingerichtet.

Dezimierung der Sammlungen

In den 1920er Jahren fanden langwierige Verhandlungen mit dem heutigen Moskauer Puschkin-Museum über die Abtretung von Museumsbeständen statt. Am 28. Januar 1927 wurde eine Vereinbarung getroffen 700 Gemälde aus dem Depot der Eremitage dem Moskauer Museum zu überlassen. Später kamen 70 Spitzenwerke aus den Ausstellungsräumen ebenfalls ins Puschkin-Museum. Hierzu gehörten Veroneses Minerva und Poussins Die Schlacht von Josef gegen die Amoriter. Weitere Werke mussten an verschiedene Provinzmuseen abgegeben werden.

Zur Umsetzung des ersten Fünfjahrplanes der UdSSR beschloss das Außenhandelsministerium, über die 1925 gegründete Organisation Antiquriat Kunstwerke der staatlichen Museen gegen Devisen in den Westen zu verkaufen. Zwischen 1928 und 1933 gelangten über die Kunsthändler Matthiesen (Berlin), Colnaghi (London) und Knoedler (New York) 2.880 Gemälde der Eremitage ins Ausland. Hierunter waren 250 Hauptwerke und 50 Gemälde von Weltgeltung. Darüber hinaus hatten verschiedene mit der Sowjetunion geschäftlich verbundene Persönlichkeiten die Möglichkeit, direkt vor Ort aus den Beständen der Eremitage Kunstwerke auszuwählen.

Der armenische Ölmilliardär Calouste Gulbenkian wählte für seine Sammlung Bouts Verkündigung, Rubens Porträt der Helena Fourment, eine Büste der Diana von Houdon, Rembrandts Pallas Athene, Porträt des Titus, Porträt eines alten Mannes, Watteaus Mezzetin, Terborchs Musikstunde und Lancrets Badende aus und zahlte hierfür 325.000 britische Pfund. Der amerikanische Bankier und Finanzminister Andrew Mellon kaufte für seine Sammlung Jan van Eycks Verkündigung, Botticellis Anbetung der Könige, Peruginos Kreuzigung, Raffaels Georg mit dem Drachen und die Madonna Alba, Tizians Venus mit dem Spiegel, Van Dycks Porträt der Isabella Brant, Susanna Fourment und ihre Tochter und das Porträt des Lord Philip Wharton, Rembrandts Polnischer Edelmann, Mädchen mit Besen und das Porträt einer Dame mit Nelke, sowie Frans Hals Porträt eines jungen Mannes und bezahlte hierfür 6.654.033 Dollar. Auch der amerikanische Ölhändler Armand Hammer konnte in kleinerem Umfang von diesem Ausverkauf profitieren. Hammer gründete später ein eigenes Museum in Los Angeles, während die Sammlung Gulbenkian in einem eigenen Museum in Lissabon zu besichtigen ist. Die umfangreiche Sammlung Mellon war 1941 ein wesentlicher Grundstock bei der Gründung der National Gallery in Washington D.C.

Aus dem ehemaligen Besitz der Eremitage gelangten weitere Spitzenwerke in folgende Museen: Tiepolos Fest der Kleopatra in die National Gallery of Victoria nach Melbourne, Poussins Triumph des Neptun und der Aphrodite ins Philadelphia Museum of Art, Rembrandts Petrus verleugnet Christus und Antonio Moros Porträts Sir Thomas Gresham und Anne Fernley ins Amsterdamer Rijksmuseum sowie Jan van Eycks Kreuzigung und Jüngstes Gericht ins New Yorker Metropolitan Museum.

Während der Belagerung von Leningrad

Die Eremitage war eines der Ziele der Belagerung Leningrads durch die deutsche Wehrmacht. Die Stadt, an deren Bestehen laut einem Wehrmachtsbefehl kein Interesse bestünde und die mit konstantem Artilleriefeuer und Luftbombardements dem Erdboden gleichgemacht werden sollte, litt in den Jahren schwer. Die Gebäude der Eremitage wurden insgesamt von 17 Artilleriegeschossen und zwei Fliegerbomben schwer getroffen. Die Bestände der Sammlung wurden teilweise im Keller des Museums gelagert; über eine Million Stücke wurden nach Jekaterinburg in Sicherheit gebracht. 12.000 Menschen lebten zu dieser Zeit in der Eremitage, um die Ausstellungsstücke zu retten und die Schäden der Sammlung durch Kälte und Bomben möglichst gering zu halten. Die erste Ausstellung mit in der Eremitage verbliebenen Stücken wurde kurz nach Ende der Belagerung bereits am 7. November 1944 eröffnet; die offizielle Wiedereröffnung des Museums fand mit allen Ausstellungsstücken am 5. November 1945 statt. Die Renovierung des Gebäudes zog sich aber noch über mehrere Jahre hin.

Nachkriegszeit bis 1990

Sanierung – Übergang von alter Eremitage und Eremitage-Theater

1948 wurden die Kunstbestände aufgestockt durch einen großen Teil der Sammlung des Museums für neue westliche Kultur in Moskau. Besonders bedeutend waren davon die Sammlungen der beiden Kunstmäzene des Zarenreichs, Sergei Iwanowitsch Schtschukin und Iwan Abramowitsch Morosow. Aus diesen Sammlungen kamen die meisten der sich heute in der Eremitage befindlichen Kunstwerke des 20. Jahrhunderts, unter anderem alle in der Eremitage ausgestellten Bilder von Pablo Picasso. Öffentlich ausgestellt werden konnten diese Werke, die zum größten Teil nach sowjetischer Diktion des Formalismus schuldig waren, erst nach dem Tod Stalins. Sowjetische Bestände, die im Zweiten Weltkrieg von der Wehrmacht entwendet und von der Roten Armee wieder sichergestellt wurden, landeten ebenso im Museum wie deutsche Beutekunst. Seit 1990 wurden Teile davon wieder zurückgegeben, andere Teile befinden sich in einer Sonderausstellung im Museum.

Am 15. Juni 1985 verübte ein Verrückter ein Attentat auf das Gemälde Danae von Rembrandt van Rijn. Er begoss es mit Schwefelsäure und stach zweimal mit seinem Messer auf das Bild ein. Die notwendige Restaurierung übernahmen hauseigene Experten. Seit 1997 ist es wieder für die Öffentlichkeit ausgestellt.[1]

Nach der Auflösung der Sowjetunion

Besucherschlange vor dem Museum an einem normalen Dienstag (August 2004)

Die Eremitage galt als eines der Aushängeschilder der Sowjetunion, war allerdings im Westen kaum bekannt. Die Verwaltung und alle Entscheidungen oblagen faktisch dem Politbüro der KPdSU. Seit 1996 befindet sich die Eremitage offiziell direkt unter der Patronage des russischen Präsidenten. Seit 1990 besitzt das Museum eine größere Autonomie, leidet aber unter Finanzierungsmängeln. Beispielsweise beantragte das Museum 1996 beim russischen Staat 60 Millionen US-Dollar, der Staat versprach 40 Millionen zu finanzieren und zahlte letztlich 18 Millionen. Die Zahlen für 1997 (90 Mio. / 30 Mio. / 12 Mio.) und 1998 (7,4 Mio / 5,4 Mio / 2,7 Mio) waren noch niedriger. Zusammen mit dem Bolschoi-Theater und der Lenin-Bibliothek bezeichnet die UNESCO die Eremitage als ihr wichtigstes Projekt in Russland. Betrug das Budget des Museums Anfang der neunziger Jahre gerade einmal 1 % von dem des Metropolitan Museums, ist die Zahl mittlerweile auf 10 % gestiegen. Ungefähr 60 % der Kosten werden vom russischen Staat bezahlt. Viele der 2.500 Angestellten müssen abends und nachts in weiteren Jobs arbeiten, da die Entlohnung des Museums nicht ausreicht.

Seit der Öffnung des Landes ist die Eremitage von den vielen Touristenzielen der Stadt wahrscheinlich das bedeutendste. Es besteht eine langfristige Zusammenarbeit mit der Solomon R. Guggenheim Foundation. Die Niederlande haben das Museum ebenfalls seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion finanziell und technisch unterstützt. Am 24. Februar 2004 eröffnete mit der Hermitage Amsterdam ein Ableger in Amsterdam und in Verbindung mit dem Solomon R. Guggenheim Museum das Guggenheim Hermitage Museum in Las Vegas. Ein ähnliches Projekt in London sind die Hermitage Rooms im Courtauld Institute of Art. Das Museum arbeitet derzeit an einer Digitalisierung der Bestände. Im Gegensatz zu vielen anderen Museen sind selbst die vom Museum gemachten Aufnahmen für private, nichtkommerzielle und bildende Zwecke frei verwendbar.

Eremitage im Film

Für große internationale Resonanz sorgte der deutsch-russische Film Russian Ark (2002). Der im Winterpalast in einer einzigen Einstellung gedrehte Film gibt interessante Einblicke in das Museum selbst und in dreihundert Jahre russische Geschichte. Weniger die Schauräume, sondern die Keller und andere dem Publikum nicht zugänglichen Räume der Eremitage, stehen im Mittelpunkt der Dokumentation „Eremitage – Palast der Katzen“. Der Film von Jan Hinrik Drevs stellt die in der Eremitage lebenden Katzen und das sie versorgende Wachpersonal vor.

Sonstiges

Dem Komplex der Eremitage wurden mehrere russische Münzen aus Silber und Gold gewidmet. Die meisten Münzen, die Teile der Eremitage oder besondere Kunstobjekte abbilden, wurden im Jahr 2002 zum 150-jährigen Jubiläum der Neuen Eremitage geprägt.[2]

Die Eremitage auf der russischen Münze aus Silber

Literatur

Geschichte

  • Geraldine Norman: The Hermitage. London 1997, ISBN 0-224-04312-9 (Geschichte des Museums)
  • Sergei Varshavsky: The ordeal of the Hermitage, the siege of Leningrad, 1941–1944. Leningrad 1986.
  • Marianna Butenschön: Ein Zaubertempel für die Musen. Die Ermitage in St. Petersburg, Köln 2008, ISBN 978-3-412-20102-9.

Sammlungen

  • B. B. Piotrovsky (Hrsg.): The Hermitage catalogue of Western European painting. Gosudarstvennyj Ermitaz, Leningrad/St. Petersburg 1983ff. (Offizieller Katalog in 15 Bänden.)
  • Witali Suslow (Hrsg.): Die Ermitage: Westeuropäische und russische Kunst. Leipzig 1988.
  • Witali Suslow (Hrsg.): Die Ermitage. Frühgeschichtliche Kunst, Antike Kunst, Kunst des Orients, Numismatik. Leipzig 1990, ISBN 3-363-00412-5

Weblinks

 Commons: Hermitage Museum – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Zum Kunstraub 2006

Einzelnachweise

  1. The State Hermitage Museum: Hermitage History – 1997 (englisch), abgefragt am 14. Juni 2010
  2. Bank Rossii online. Abgerufen am 12. Februar 2011.
59.94055555555630.313611111111
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