Enfantin

Enfantin

Barthélemy Prosper Enfantin (* 8. Februar 1796 in Paris; † 1864) war ein französischer Philosoph und Sozialist.

Barthélemy Prosper Enfantin (1796–1864)

Barthélemy Prosper Enfantin (spr. angfangtang), der Lieblingsschüler des Sozialisten Saint-Simon und einer der Begründer des Saint-Simonismus, wurde in einem Lyceum, später (1813) in der polytechnischen Schule gebildet und besuchte dann als Weinreisender Belgien, Deutschland und Russland. 1821 trat er in ein Bankhaus zu St. Petersburg, kehrte jedoch schon 1823 nach Paris zurück, wo er Kassierer bei der Hypothekenbank wurde.

Ein enges Freundschaftsbündnis mit Olinde Rodrigues führte ihn zum Studium der Schriften Saint-Simons, dessen eifrige Schüler beide wurden. Sie gründeten 1825 eine Kommanditgesellschaft zur Unterhaltung des Journals Le Protecteur, in dem Enfantin. Saint-Simons Ideen entwickelte.

Nach und nach bildete sich um ihn und Saint-Amand Bazard, namentlich seit den öffentlichen Vorlesungen des letztern (1829), ein Kreis von Anhängern, die Schule der Saint-Simonisten wurde begründet, und in dem Collège, der Vereinigung der Eingeweihten, wurden Enfantin und Bazard zu hohen Vätern (pères suprèmes) geweiht.

Jeder von ihnen zog aber aus den Lehren ihres toten Meisters andre Folgerungen. Bazard hielt sich an die philosophisch-politische Seite derselben, während Enfantin die philosophisch-soziale Richtung weiter verfolgte.

Er verwandelte die Prinzipien in Dogmen, die Schule in eine Kirche und das Lehrerkorps in einen Priesterstand, eine Hierarchie. Die Menschheit teilte er in zwei Klassen, die philosophische oder die ruhige und die sensitive oder bewegliche; er erklärte die von der Gesellschaft aufgestellten Gesetze für ungerecht gegen die letztere, namentlich in Bezug auf die Ehe.

Er forderte die Emanzipation der Frauen, die völlige Gleichheit des Weibes mit dem Mann und verteidigte auch in der Entwickelung der cynischen Theorie von einem Doppelpriester die Freiheit des geschlechtlichen Verkehrs.

Über diesen Punkt brach 1831 Zwist unter den Häuptern der Schule aus, und der politische Teil der Sekte mit Bazard trennte sich von dem Mann des Fleisches, während die soziale Fraktion mit Enfantin zusammenhielt, der von nun an Le Père hieß und sich von seinen Predigern für das lebendige Gesetz, eine Art Messias, erklären ließ.

Als die Gesellschaft sich mit Ekel von seinen neuen Lehren abwandte, zog sich Enfantin mit einigen 40 ihm treu gebliebenen Anhängern auf seine Besitzung in Ménilmontant zurück und organisierte dort eine patriarchalisch-sozialistische Gesellschaft nach seinen neuen Lehren.

Die Staatsgewalt sah in der Verbindung eine Verletzung des Vereinsgesetzes, zugleich aber auch der öffentlichen Moral und guten Sitten und stellte Enfantin mit seinen Genossen (darunter Rodrigues, Michel Chevalier, Duveyrier, Barrault etc.) vor die Assisen. Enfantin wurde zu einem Jahr Gefängnis und 100 Frank Geldstrafe verurteilt. Die Verbindung wurde aufgelöst, der Saint-Simonismus war damit vernichtet. Enfantin ging, nach einigen Monaten seiner Haft wieder entlassen, mit mehreren seiner Anhänger nach Ägypten und wurde dort als Ingenieur des Paschas an den Nildämmen beschäftigt.

Wieder nach Frankreich zurückgekehrt, erhielt er eine Anstellung als Postmeister und ging dann als Mitglied der wissenschaftlichen Kommission, welche mit der Untersuchung der Kolonisationsfrage beauftragt war, nach Algerien. In seiner Schrift Colonisation de l'Algérie (Paris 1843) gab er eine klare Erörterung der Frage.

Nach der Februarrevolution redigierte er wieder ein Journal, Le Crédit public, das viel von dem alten Saint-Simonistischen Geist in sich hatte, aber bald aus Geldmangel einging. Später ward er bei der Verwaltung der Lyoner Bahn angestellt.

Seine Werke erschienen gesammelt mit denen von Saint-Simon in 17 Bänden (Paris 1865 ff.). Enfantin ist auf dem Friedhof Père Lachaise begraben.

Werke (Auswahl)

  • Économie politique et Politique Saint-Simonienne (1831)
  • Morale (1832)
  • Le livre nouveau (1832)
  • La religion Saint-Simonienne (1831)

Weblinks

Dieser Artikel basiert auf einem gemeinfreien Text („public domain“) aus Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage von 1888–1890. Bitte entferne diesen Hinweis nur, wenn Du den Artikel so weit überarbeitet oder neu geschrieben hast, dass der Text den aktuellen Wissensstand zu diesem Thema widerspiegelt und dies mit Quellen belegt ist, wenn der Artikel heutigen sprachlichen Anforderungen genügt und wenn er keine Wertungen enthält, die den Wikipedia-Grundsatz des neutralen Standpunkts verletzen.

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