Emanuel Geibel

Emanuel Geibel
Emanuel Geibel, ca. 1860
Geibel-Denkmal am Koberg, einst Geibel-Platz, im Juli 1998 (erschaffen von Hermann Volz)
Das Geburtshaus in der Fischstraße Nr. 25 zu Lübeck, im Bilde zweites Haus von rechts nach links, 25 Jahre nach dessen Tod.
Gedenktafel in Bad Schwartau (Foto: August 2009)
Aufschrift: Emanuel Geibel 1880-1984; †6. IV. 84 (Foto: September 1998)
Grabmal auf dem Burgtorfriedhof in Lübeck (Foto: August 2009)

Franz Emanuel August Geibel (* 17. Oktober 1815 in Lübeck; † 6. April 1884 ebenda) war ein deutscher Lyriker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Franz Emanuel Geibel wurde als siebtes von acht Kindern in der Fischstraße 25 in Lübeck geboren. Der Sohn des reformierten Pfarrers Johannes Geibel und der Kaufmannstochter Elisabeth Louise Ganslandt (1778–1841), der Schwester von Röttger Ganslandt, besuchte das Katharineum zu Lübeck, bis er ab 1835 in Bonn anfangs Theologie und dann ausschließlich Klassische Philologie studierte. Hier schloss er sich 1834 der Burschenschaft Ruländer Bonn an[1].

Danach ging er nach Berlin, wo er 1836 während seiner Studien mit Chamisso, Arnim und Eichendorff Freundschaft schloss. 1838 erhielt er durch seine Beziehungen gemeinsam mit Ernst Curtius eine Anstellung als Hauslehrer beim russischen Gesandten in Athen, die bestimmend für seine klassische Dichtung war. Nach seiner Rückkehr weilte er 1841 und 1842 einige Zeit auf Schloss Escheberg bei Zierenberg und veröffentlichte die ersten Gedichte; insbesondere die patriotisch-preußenfreundlichen fanden beim preußischen König Friedrich Wilhelm IV. großen Anklang. 1842 erhielt Geibel von ihm eine – die bisherigen kärglichen und unsteten Einkunftsverhältnisse behebende – lebenslange Pension von 300 Talern. Die Pension ermöglichte ihm, sich in Abkehr von der ungeliebten Hauslehrertätigkeit nur noch seiner dichterischen Neigung und ausgedehnten Reisen zu widmen. Im Forsthaus Waldhusen im Lübecker Stadtteil Kücknitz verbrachte Geibel mehrmals seine Sommerfrische und schuf dort 1847 das Gedicht Aus dem Walde. Er war ein aktives Mitglied der Jung-Lübeck genannten Erneuerungsbewegung.

1851 verliebte er sich in die erst 17 Jahre alte Amanda ("Ada") Trummer (* 15. August 1834 in Lübeck), die er 1852 heiratete. Die Hochzeit wurde im Lübecker Gartenrestaurant Lachswehr gefeiert, dessen „stillen Garten mit dem schattigen Ulmengang“ er dichterisch besang. 1852 erhielt er eine Ehrenprofessur für deutsche Literatur und Poetik von seinem Bewunderer, Maximilian II.. Geibel zog nach München und unterrichtete dort bis 1868. 1853 wurde die Tochter Ada Marie Caroline (1853-1906) geboren, die spätere erste Frau von Emil Ferdinand Fehling, und schon zwei Jahre später starb seine Frau Amanda hier am 21. November 1855 und wurde auf dem Alten Südfriedhof beigesetzt. Hier förderte er auch den über Lübeck nach München gekommenen Wilhelm Jensen. Nach dem Tode Maximilians II. 1864 wurde Geibel wegen seiner preußenfreundlichen Gesinnung angefeindet; er verlor 1868 seine – vom bayerischen Königshaus zugewandte – lebenslange Pension. Geibel entfernte sich vom Münchner Dichterkreis Die Krokodile und der königlichen Tafelrunde, denen er 1852 beigetreten war.

In den Jahren 1873 bis 1875 verbrachte er die Sommer in Schwartau, wo er in der näheren Umgebung wanderte.

Emanuel Geibel starb am 6. April 1884 in Lübeck, wo er als Stadtdichter verehrt und zum Ehrenbürger ernannt worden war. Seine Grabstelle befindet sich auf dem Burgtorfriedhof. Den meisten heutigen Lübeckern ist er durch sein Gedicht Zu Lübeck auf der Brücken bekannt. Dieses dreht sich um den Gott Merkur, der auf der Puppenbrücke steht.

Die 1918 gegründete Dritte Mädchenschule Lübecks wurde 1934 in Emanuel-Geibel-Mittelschule umbenannt; seit 1960 heißt sie Emanuel-Geibel-Realschule. 1894 wurde in Wien Rudolfsheim-Fünfhaus (15. Bezirk) die Geibelgasse nach ihm benannt.

Künstlerisches Schaffen

Geibel war ein Spätromantiker, dessen Werke einem klassizistischen Schönheitskult folgen. Seine Gedichte sollten formvollendet und einzig auf die Ästhetik reduziert sein. Sie waren noch vom Stil der Romantik beeinflusst, als diese längst verstrichen war. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war er einer der bekanntesten deutschen Dichter. Seine patriotischen Gedichte bildeten einen scharfen Kontrast zu den Jungdeutschen und den Naturalisten, von denen er heftig angegriffen wurde.

Sein wohl bekanntestes Werk ist das Gedicht Wanderlied, auch bekannt als Der Mai ist gekommen, das er 1841 auf dem Weg nach Schloss Escheberg zu verfassen begann. In der Vertonung von Justus Wilhelm Lyra aus Osnabrück wird Der Mai ist gekommen am Vorabend des 1. Mai in Osnabrück, Lübeck und anderen Orten bis heute öffentlich gesungen.

Teile seiner Gedichte wurden auch im Nationalsozialismus verwendet. Das Schlagwort „Am deutschen Wesen mag die Welt genesen"[2] wurde seinem Gedicht Deutschlands Beruf von 1861 entnommen. Geibel versuchte sich auch als Dramatiker, zum Beispiel beim Opernlibretto Loreley, jedoch ohne großen Erfolg. Bedeutender sind seine Übersetzungen französischer, spanischer, griechischer und lateinischer Lyrik.

Theodor Fontane setzte Geibel ein literarisches Denkmal in der Prägung „Geibelei“, unter der er schöne, aber formal stereotype Lyrik verstand, die sich mit beliebigen Inhalten füllen ließe. Theodor Storm echauffierte sich noch beim Mahl, das im Rahmen der Ehren der Verleihung der Ehrenbürgerwürde der Stadt Husum für ihn abgehalten wurde, darüber, dass sein Werk Zeit seines Lebens hinter das von Geibel zurückgestellt wurde.[3]

Thomas Mann verewigte Geibel in den Buddenbrooks in der Figur des Jean-Jaques Hoffstede, des „Dichters der Stadt“, der beim großen Familienfest im Hause Buddenbrook am Anfang des Buches ein paar Zeilen, die er eigens zu diesem Anlass zu Papier gebracht hatte, zum Besten gibt. Allerdings gilt auch Wilhelm Buschs Bildergeschichte von Balduin Bählamm, der verhinderte Dichter als spöttischer Kommentar zu Emanuel Geibel und den Kreisen, in denen er sich bewegte.

Werke

  • Jugendbriefe 1835-1840[4]
  • Gedichte (1840)
  • Zeitstimmen (1841)
  • An Georg Herwegh (1842)
  • König Roderich (1844)
  • Zwölf Sonette für Schleswig-Holstein (1846)
  • Juniuslieder (1848)
  • Spanisches Liederbuch (1852)
  • Meister Andrea (1855)
  • Neue Gedichte (1856)
  • Brunhild (1857)
  • Fünf Bücher französischer Lyrik (1862)
  • Gedichte und Gedenkblätter (1864)
  • Sophonisbe (1868)
  • Heroldsrufe (1871)
  • Spätherbstblätter (1877)
  • Morgenwanderung (1878)

Literatur

  • Karl Theodor Gaedertz: Emanuel Geibel: Sänger der Liebe, Herold des Reiches. Ein deutsches Dichterleben. Leipzig: Wigand 1897.
  • Dr. Wilhelm Deecke: Aus meinen Erinnerungen an Emanuel Geibel Verlag Herman Böhlau, Weimar 1885
  • Johannes Weigle: Emanuel Geibels Jugendlyrik. Marburg: Univ. Diss. 1910.
  • Max Koch: Geibel, Emanuel von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 49, Duncker & Humblot, Leipzig 1904, S. 265–274.
  • Adolph Kohut: Emanuel Geibel als Mensch und Dichter. Berlin: Verl. d. Vereins d. Bücherfreunde 1915.
  • Der Briefwechsel von Emanuel Geibel und Paul Heyse. Hg. v. Erich Petzet. München: Lehmann 1922.
  • Heinrich Schneider: Die freundschaftliche Begegnung Heinrich Leutholds und Emanuel Geibels im Münchener Dichterkreis. Ein literaturgeschichtlicher und psychologischer Bericht mit bisher ungedruckten Briefen und Dokumenten. Lübeck: Schmidt-Römhild 1961. (= Veröffentlichungen der Stadtbibliothek Lübeck; Neue Reihe; 4)
  • Beatriz Brinkmann Scheihing: Spanische Romanzen in der Übersetzung von Diez, Geibel und von Schack. Analyse und Vergleich. Marburg: Elwert 1975. (= Marburger Beiträge zur Germanistik; 51) ISBN 3-7708-0542-9
  • Christine Göhler: Emanuel Geibel. Ein Lebensbild in Selbstzeugnissen und Berichten seiner Freunde. Schellhorn: Sventana 1992. ISBN 3-927653-05-5
  • Silja Geisler-Baum: Die Loreley in Finnland. Zur Entstehung, Aufführung und Rezeption der Oper von Fredrik Pacius und Emanuel Geibel. Mainz: Are Ed. 2004. (= Schriften zur Musikwissenschaft; 11) ISBN 3-924522-19-7
  • Uwe Bremse – Emanuel Geibel in Schwartau; in: Jahrbuch für Heimatkunde – Eutin (Heimatverband Eutin); Eutin 1982 (Seite 100-104)

Verweise

  1. Horst Grimm/Leo Besser-Walzel, Die Corporationen, Frankfurt am Main, 1986
  2. Zitat: „Macht und Freiheit, Recht und Sitte, // Klarer Geist und scharfer Hieb, // Zügeln dann aus starker Mitte // Jeder Selbstsucht wilden Trieb, // und es mag am deutschen Wesen // Einmal noch die Welt genesen.“ in Deutschlands Beruf, 1861. Entnommen aus: Werke, Band 4. Stuttgart: Cotta, 1883. S. 215.
  3. Fasold, R.: Theodor Storm. Stuttgart u. Weimar. 1997. S. 64 f.
  4. Emanuel Geibels Jugendbriefe, Berlin 1909,Verlag von Karl Curtius

Weblinks

 Wikisource: Emanuel Geibel – Quellen und Volltexte
 Commons: Emanuel Geibel – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

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