Elisabeth Noelle

Elisabeth Noelle
Elisabeth Noelle-Neumann 1991 im Gespräch mit Staatssekretär Otto Schlecht

Elisabeth Noelle-Neumann (* 19. Dezember 1916 in Berlin) ist emeritierte Professorin für Publizistik an der Universität Mainz und Gründerin des Instituts für Demoskopie (IfD) in Allensbach. Sie gilt als Pionierin der Demoskopie in Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Elisabeth Noelle wurde in Berlin als zweites von vier Kindern des Ehepaares Eva und Ernst Noelle geboren. Ihr Vater war promovierter Jurist und gründete die Tobis-Filmgesellschaft. Bei ihren Großvätern handelte es sich um den Fabrikanten Ernst Noelle und den Bildhauer Fritz Schaper.

Sie legte 1935 in Göttingen das Abitur ab und studierte anschließend Philosophie, Geschichte, Zeitungswissenschaft und Amerikanistik an der Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin, der Albertina in Königsberg und der University of Missouri-Columbia in den USA. Während ihrer Studentenzeit war Noelle-Neumann Zellenleiterin einer ANST-Gruppe (Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen), einer Unterorganisation des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB). Während eines Aufenthalts in Obersalzberg lernte sie - nach eigenem Bekunden - zufällig Adolf Hitler kennen, der sie auf dem Obersalzberg willkommen hieß.

1937/38 verbrachte sie als Stipendiatin des DAAD ein Austauschjahr in den USA und lernte dort neueste Demoskopie-Methoden kennen. 1940 wurde sie bei Emil Dovifat, dem Nestor der deutschen Zeitungswissenschaft, in Berlin über Meinungs- und Massenforschung in den USA promoviert. Anschließend absolvierte sie ein Volontariat bei der Deutschen Allgemeinen Zeitung. Ab 1940 schrieb sie für die von Joseph Goebbels herausgegebene Wochenzeitung Das Reich. Danach kam sie bei der Frankfurter Zeitung unter.

In Noelle-Neumanns berühmter Dissertation mit dem Titel „Meinungs- und Massenforschung in USA“ beschrieb sie u. a. Deutschlands schlechtes Ansehen in der Welt vor allem aus der verzerrten Darstellung der Medien in den USA: „Seit 1933 konzentrieren die Juden, die einen großen Teil von Amerikas geistigem Leben monopolisiert haben, ihre demagogischen Fähigkeiten auf die Deutschlandhetze“. Goebbels berief sie auf Grund ihrer Arbeiten zur Meinungsforschung in den USA 1942 zur Adjutantin. Eine längere Erkrankung hinderte sie jedoch daran, dieses Amt anzutreten.

Seit 1946 war sie mit dem Journalisten Erich Peter Neumann verheiratet, der 1973 starb. 1979 heiratete sie in zweiter Ehe den Physiker Heinz Maier-Leibnitz. Nach dessen Tod im Jahr 2000 nahm Elisabeth Noelle-Neumann-Maier-Leibnitz ihren Geburtsnamen Elisabeth Noelle wieder an, publizierte aber weiter unter dem Namen Noelle-Neumann.

Berufliche Karriere

1947 gründete sie gemeinsam mit ihrem Mann Erich Peter Neumann das Institut für Demoskopie Allensbach als erstes deutsches Meinungsforschungsinstitut. Unter ihrer Leitung entwickelte sich das Institut zu einem Begriff für Wirtschaft, Politik und Publizistik - vor allem durch die in Deutschland neue Methode der Repräsentativumfragen. Seit 1989 teilt Elisabeth Noelle-Neumann die Leitung des IfD mit der Diplom-Volkswirtin Renate Köcher.

Von 1961 bis 1964 war Noelle-Neumann wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Freien Universität Berlin. 1964 wurde sie als Professorin an die Universität Mainz berufen, wo sie das Institut für Publizistik aufbaute, das sie bis zu ihrer Emeritierung 1983 als Direktorin leitete.

Von 1968 bis 1970 war sie Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, von 1978 bis 1980 Präsidentin der World Association for Public Opinion Research (WAPOR), und von 1980 bis 1991 war sie Kuratoriumsmitglied der Studienstiftung des deutschen Volkes. 1978 bis 1991 las sie als Gastprofessorin an der Universität von Chicago, 1993/94 an der Universität München. Seit 1989 ist sie Mitherausgeberin des International Journal of Public Opinion Research (IJPOR), das von der WAPOR herausgegeben wird.

Zu ihren Schülern gehören die Professoren Wolfgang Donsbach, Hans Mathias Kepplinger, Klaus Schönbach, Winfried Schulz und Jürgen Wilke.

Wissenschaftliche Leistungen

In der wissenschaftlichen Arbeit wurde Noelle-Neumann unter anderem durch das Theorem von der Schweigespirale (1980) bekannt: Die Vertreter der jeweils vermeintlich herrschenden Meinung verträten diese offensiv; die Vertreter der vermeintlichen Minderheitsmeinung verstummten desto mehr, je mehr sie sich in der Minderheit glaubten.

Das Konzept der Schweigespirale reserviert die Möglichkeit, die gesellschaftlich vorherrschende Meinung zu ändern, dem, der Isolationsfurcht nicht kennt oder sie überwindet. Diese Theorie der öffentlichen Meinung ist eine auch international breit rezipierte Arbeit der deutschsprachigen Kommunikationsforschung. Bis heute ist das Buch über die Schweigespirale in über zwei Dutzend Sprachen übersetzt worden. Allerdings wurde - vor allem in Deutschland - Noelle-Neumanns Theorem kontrovers diskutiert. Einer der Hauptkritikpunkte ist die mangelnde empirische Fundierung der Theorie.

Kritisch vorgehalten werden Noelle-Neumann einige als antisemitisch wahrgenommene Passagen aus ihrer Doktorarbeit von 1940.

Sonstiges

Pythia vom Bodensee gilt als Spitzname Elisabeth Noelle-Neumanns; die Umfrage-Forscherin hat die Bedeutung der Intuition auch in der Wissenschaft nie gering geschätzt.

Die Gemeinde Allensbach und die Bezirkssparkasse Reichenau haben zum 90. Geburtstag von Elisabeth Noelle-Neumann 2006 den Prof.-Dr.-Elisabeth-Noelle-Preis gestiftet. Er ist mit 5000 Euro dotiert und wird alle drei Jahre an Nachwuchswissenschaftler der Universität Konstanz vergeben in Anerkennung herausragender Leistungen auf dem Gebiet der Sozialwissenschaften.

Ehrungen

Kritik

  • Richard Albrecht: Die Schweigespirale Rezension. In: Publizistik, 29 (1984) 3-4, S. 617-621;
  • Richard Albrecht: Demoskopie als Demagogie SDR 2 Hörfunk, 7. Januar 1987 und Medien Journal, 12 (1988) 1, S. 41-48,
  • Richard Albrecht: Hinweise zu einer Karriere. In: medium, 18 (1988) 2, S. 49-50
  • Richard Albrecht: Demoskopie als Demagogie: Kritisches aus den achtziger Jahren. (Broschüre mit CD-Rom). Shaker, Aachen 2007, ISBN 978-3-8322-6324-9
  • Jörg Becker: Zu den Memoiren von Elisabeth Noelle-Neumann. In: vorgänge, 180/2007, S. 124-144
  • Manfred Güllner: Elisabeth Noelle-Neumanns Erinnerungen. In: Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, 4/2007, S.77-79

Schriften

  • Die Schweigespirale. Öffentliche Meinung - unsere soziale Haut. 6. Auflage. Langen Müller, München 2001, ISBN 3-7844-2835-5
  • Die Erinnerungen. Herbig, München, 2006, ISBN 3-7766-2485-X

Literatur

  • (mit Strümpel, Burkhard): Macht Arbeit krank? Macht Arbeit glücklich? Eine aktuelle Kontroverse. Piper, München/Zürich 1984.
  • Eine Vision in Berlin. In: Michael Meyen/Maria Löblich: Klassiker der Kommunikationswissenschaft. Fach- und Theoriegeschichte in Deutschland. UVK, Konstanz 2006, ISBN 3-89669-456-1, S. 255–276
  • Noelle-Neumann, Elisabeth u. a. (Hrsg.): Das Fischer Lexikon. Publizistik, Massenkommunikation. Frankfurt am Main 2003, S. 392-406, ISBN 3-596-15495-2

Quellen

  1. Staatsministerium Baden-Württemberg: Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg. Liste der Ordensträger 1975–2008. Seite 33 - abgerufen am 18. April 2009
  2. Gerhard-Löwenthal-Preis

Weblinks


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