Ahaus-Enscheder Eisenbahn

Ahaus-Enscheder Eisenbahn
Ahaus-Enscheder Eisenbahn
Strecke der Ahaus-Enscheder Eisenbahn
Streckennummer: 9204
Legende
Strecke – geradeaus
Bahnstrecke von Coesfeld
Bahnhof, Station
0,0 Ahaus
   
nach Gronau
   
3,4 Wessum
   
9,2 Alstätte
   
Streckenende bis 2007
   
Grenze D / NL
   
Broekheurne
   
Enschede Zuid
   
von Enschede Noord
   
nach Boekelo

Die Ahaus-Enscheder Eisenbahn AG betrieb eine Eisenbahnstrecke im nordwestlichen Münsterland, die grenzüberschreitend Deutschland und die Niederlande miteinander verbunden hat.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Seit 1903 fuhren planmäßig Züge auf der Ahaus-Enscheder Eisenbahn von Ahaus über Alstätte nach Enschede. Das Grenzland westlich von Borken, Ahaus und Gronau galt allgemein als strukturschwach. Lediglich die schon früh von der Eisenbahn erschlossenen Orte Ahaus, Epe und Gronau, sowie das auf niederländischer Seite gelegen Enschede konnten damals eine namhafte Textilindustrie aufweisen.

Hier lag dann auch das eigentliche Verkehrsbedürfnis für die Bahn begründet. Die Webstühle und Spinnmaschinen wurden von Transmissionen angetrieben, die wiederum von Dampfmaschinen angetrieben wurden. Die Dampfkessel wurden mit Kohle befeuert, die über lange Strecken auf Fuhrwerken herangeschafft werden musste. Ab 1875 kam die Kohle mit der Bahn über Gronau nach Enschede. Die Kohle wurde von den Zechen frei Grenze geliefert. So musste nur die geringe Fracht von der Grenze bis zur Fabrik in Enschede gezahlt werden. Um den Weg zwischen Grenze und den Fabriken in Enschede noch kürzer zu gestalten, schlossen sich die ortsansässigen Textilbarone zusammen und trieben den Bau einer Bahn von Ahaus nach Enschede voran. Ziel war es, auf eigener Strecke von den Zechen die Transportkosten bis zur Grenze zu erheben. So fuhr man hinter der Grenze auf eigener Strecke praktisch umsonst.

Nach außen hin gab man vor, der Landbevölkerung die langersehnte Verbindung mit der "großen, weiten Welt" zu verschaffen. Ganz falsch war das sicher nicht, aber in der Hauptsache sollte Kohle transportiert werden. Für den preußischen Teil der Strecke bestanden keine Schwierigkeiten. Das Kleinbahngesetz von 1892 regelte den Bau und Betrieb von privaten Nebenbahnen. Da alle Voraussetzungen für eine Konzessionserteilung bald erfüllt waren, hätte es eigentlich keine Verzögerungen geben dürfen. Doch diese Kleinbahn war keine normale Eisenbahn, da sie doch über die Staatsgrenze hinweg in die Niederlande führte. Eine internationale Kleinbahn also, und das gab es in Preußen nicht oft. So musste erst in Den Haag vorgesprochen werden, um für die Bahn zu werben. Anschließend musste mit der niederländischen Regierung ein Staatsvertrag ausgehandelt werden. In Den Haag stand man dem Bahnprojekt wohlwollend gegenüber und am 27. Juni 1899 wurde der Staatsvertrag zwischen den Niederlanden und dem deutschen Reich abgeschlossen.

Ahaus-Enscheder Eisenbahn AG

Wie es die Konzession vorschreibt gründen die Initiatoren der Bahn eine Aktiengesellschaft, die als Ahaus-Enscheder Eisenbahn AG firmiert. Nun ist eine weitere Schwierigkeit zu überwinden. Da die neue Eisenbahngesellschaft keinen eigenen Fahrzeugpark mit der zugehörigen Infrastruktur beschaffen will; der Bahnbau ist trotz der günstigen Geländeverhältnisse kostspielig genug, sucht sie nach einer geeigneten Betriebsführerin für die Bahn.

Zunächst soll die Dortmund-Gronau-Enscheder Eisenbahn-Gesellschaft (DGEE) die Betriebsführung übernehmen. Diese preußische Privatbahn, die seit 1875 von Dortmund über Coesfeld und Ahaus nach Gronau führt, und von dort mit der Münster-Enscheder Eisenbahngesellschaft gemeinsam die Teilstrecke nach Enschede betreibt, verschleppt aus Angst vor der Konkurrenz die Verhandlungen. Schließlich wendet man sich an die Holländische Eisenbahngesellschaft (HSM), die auch die Betriebsführung für andere Kleinbahnen in Gelderland übernommen hat, und schließt mit ihr einen Betriebsführungsvertrag über 25 Jahre ab.

Am 18. Februar 1903 wird der Betrieb auf der AEE eröffnet. Die Aufnahme des planmäßigen Personenverkehrs, mit fünf Zugpaaren täglich, verzögert sich wegen mangelhafter Bauausführung noch um einige Wochen. Erst als die letzten Baumängel beseitigt sind, kann der volle Betrieb aufgenommen werden. In den folgenden Jahren, bis zum Ausbruch des I. Weltkrieges, entwickelt sich der Verkehr günstig und die Bahngesellschaft kann auf positive Bilanzen verweisen. Mit der Mobilmachung am 4. August 1914 wird der grenzüberschreitende Verkehr für die AEE eingestellt. Der HSM wird untersagt, ihre Betriebsmittel auf deutschem Boden einzusetzen. Da die Niederlande neutral bleiben, kann schon bald ein Notfahrplan eingeführt werden. Auf dem deutschen Streckenteil übernimmt die KED Münster die Zwangsbetriebsführung und stellt den Fahrzeugpark. Die HSM-Züge dürfen nur noch bis Alstätte fahren. Dort müssen die Reisenden nach Ahaus in einen anderen Zug umsteigen. Aus Angst vor Spionage werden die Reisenden und Eisenbahnpersonale aus Schritt und Tritt überwacht.

Nach dem Krieg und den anschließenden Notzeiten schlägt sich die Bahn nur recht und schlecht durch. Nicht zuletzt durch den günstigen Betriebsführungsvertrag mit der HSM wird der Fortbestand gesichert. Als 1928 aber der Vertrag ausläuft, sieht es bitter für die AEE aus. Der niederländische Streckenteil wird verstaatlicht und auch auf deutscher Seite wird eine Verstaatlichung ins Auge gefasst. Mit allen Mitteln versucht die AEE dies abzuwenden. Nur die leeren Kassen der Deutschen Reichsbahn bewahren die Bahn vor der Auflösung. Da nun keine Betriebsführerin mehr vorhanden ist, kommt der deutsche Streckenteil wieder unter Zwangsbetriebsführung. Die Reichsbahn beauftragt die Niederländische Staatsbahn Nederlandse Spoorwegen (NS) als Nachfolgerin der HSM mit dem Fahrdienst. Obwohl sich die rechtlichen Bedingungen erheblich verändert haben, bleibt nach außen hin alles beim Alten.

Erst nach drei Jahren gelingt es die Bentheimer Eisenbahn (BE) als neue Betriebsführerin für die AEE zu verpflichten. Diese Verbindung wird 59 Jahre bestehen und den Betrieb nachhaltig prägen. Nachdem bisher niederländische Fahrzeuge das Bild bestimmten, werden jetzt die Fahrzeuge der BE eingesetzt, die ihren Fahrzeugpark aus preußischen Baureihen bildet. Für den schweren Kohleverkehr nach Holland entsendet die BE sogar ihre schwere Schlepptenderlokomotive der Gattung G 7. Alstätte wird zum Betriebsmittelpunkt. Der Zollschuppen wird zum Lokschuppen umgebaut und die AEE erhält erstmals Fahrzeuge, die ihr nicht nur buchmäßig gehören. Im Namen und Rechnung der AEE beschafft die BE einen Wismarer Schienenbus. Mit ihm soll der Personenverkehr besonders in den Tagesrandlagen günstiger abgewickelt werden.

Mit Ausbruch des II. Weltkrieges wird der Bahnbetrieb wieder eingestellt. Im Mai 1940 fallen die deutschen Truppen auch in die Niederlande ein. Nach der Besetzung wird wieder ein Notverkehr aufgenommen. Diesmal jedoch bleiben die direkten Verbindungen bestehen. Lange Arbeiterzüge mit 11 und mehr Wagen bestimmen das Bild. Als die Wehrmacht sich zurückziehen muss werden noch die "strategisch wichtigen" Brücken der Bahn gesprengt. Die wenige Jahre alte Brücke über den Enscheder Südbahnhof und die Aa-Brücke bei Alstätte fallen den Rückzugsgefechten zum Opfer. Insgesamt kommt die Bahn aber glimpflich davon. Der Kohlebedarf in Enschede ist nach wie vor vorhanden und schon bald rollen wieder die mit Kohlen beladenen Ganzzüge zwischen Ahaus, Alstätte und Enschede Zuid.

Der Aufschwung dauert aber nicht lange an. Mit Gründung der Montanunion und der damit verbundenen Änderung der Tarife für den Transport von Kohlen versetzt der AEE einen schweren Schlag. Fortan wird die Kohle nicht mehr frei Grenze geliefert, stattdessen muss der Abnehmer für jeden Transportkilometer zahlen. Die günstigen Tarife der NS lassen am Ende einen längeren Transport durch die Niederlande billiger sein, als eine insgesamt kürze Strecke, die aber größtenteils über deutsches Tarifgebiet verlaufen. Mit einem Schlag verliert die Bahn ihre Existenzgrundlage. Das Transportaufkommen des Umlandes, welches die Gründerväter erschließen wollten, lässt die Bahn am Hungertuch nagen. Die BE lässt nichts unversucht, um unter diesen schwierigen Bedingungen den Betrieb aufrechtzuerhalten.

Aus Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen wird eine 600 PS starke MaK-Diesellokomotive vom Typ 600 D gekauft, um die unwirtschaftlichen Dampflokomotiven ersetzen zu können. Selbst der betagte Schienenbus erhält einen Nachfolger. Das dritte AEE-Fahrzeug ist ein umgebauter Schienenbus der Bauart Gotha, der gebraucht von der Ankum-Bersenbrücker Eisenbahn gekauft werden kann. Gegen die aufkommende Konkurrenz durch das Auto lässt sich aber ein wirtschaftlicher Bahnbetrieb nicht mehr durchführen.

Daher ließ sich die AEE von der Personenbeförderungspflicht entbinden. Dann bewirkt sie die Entbindung von der Betriebspflicht auf dem niederländischen Streckenteil, der auch kurz nach der Stilllegung vollständig abgebaut wird. Der Verkauf der Triebfahrzeuge senkt die Kosten weiter. Zur Durchführung der Restbetriebes vergibt die BE den Fahrdienst an die Deutsche Bundesbahn, die zunächst ihre Ahauser Bahnhofs-Kleinlokomotive ("Köf") einsetzt. Die Lok wird stundenweise angemietet, der Rangierer wird von der AEE gestellt. Später nach Abzug der Lok, werden die Leistungen von Coesfelder und Münsteraner Maschinen übernommen. Das Transportaufkommen stabilisiert sich auf niedrigem Niveau und die AEE fährt keine Gewinne mehr ein. Daher beantragt die Gesellschaft Ende 1987 beim Land Nordrhein-Westfalen die Entbindung von der Betriebspflicht auf der Reststrecke. In der Zwischenzeit werden Überlegungen angestellt, wie der Betrieb weitergeführt werden könnte.

Ahaus-Alstätter Eisenbahn GmbH

Am 24. Februar 1989 wurde die Ahaus-Alstätter Eisenbahn GmbH (AAE) gegründet. Sie übernahm die Rechte und Pflichten aus der Konzessionsurkunde von 1899. Die Ahaus-Enscheder Eisenbahn AG wurde aber nicht aufgelöst. Sie besteht als Vermögensverwaltungsgesellschaft weiter. Der neue Konzessionär änderte zunächst nichts an den bestehenden Betriebsverhältnissen. Aber schon im Sommer 1990 wurde der Betriebsführungsvertrag mit der BE von 1931 aufgelöst und die Deutsche Eisenbahn-Gesellschaft (DEG) mit der Betriebsführung betraut.

Ab 1991 betrieb die Euregio Eisenbahn Ahaus-Alstätte e.V. auf der Strecke der Ahaus-Alstätter Eisenbahn den Museumszug "Pengel-Anton". Der Museumsbetrieb musste jedoch im Oktober 2006 eingestellt werden. Grund hierfür ist die Entscheidung der Ahaus-Alstätter Eisenbahn, die weitestgehend nur noch für den Eigenbedarf (insbesondere Ersatzteiltransporte) genutzte Strecke endgültig stillzulegen. Die Ersatzteile werden nunmehr auf dem Straßenweg per LKW befördert. Da die Stadt Ahaus aus finanziellen Gründen die Betriebskosten der Strecke nicht übernehmen wollte und der Euregio Eisenbahn Ahaus-Alstätte e.V. nicht über ausreichende Mittel verfügt, wurde die Streckenschließung unabwendbar. "Nikolausfahrten" des Pengel-Anton am 2. und 3. Dezember 2006 sowie der Einsatz moderner Triebwagen am 24. März 2007 waren die letzten regulären Zugbewegungen auf der traditionsreichen Strecke. Im September 2007 wurde mit dem Abbau der Gleisanlagen begonnen.

AAE Ahaus Alstätter Eisenbahn AG

Die AAE hat 2002 ihren Unternehmenssitz nach Baar (Schweiz) verlegt und dort die beiden Aktiengesellschaften AAE Ahaus Alstätter Eisenbahn AG und AAE Ahaus Alstätter Eisenbahn Cargo AG gegründet.[1] Der Schwerpunkt liegt im Erwerb und in der Vermietung von Güterwagen. Mit über 24.000 Güterwagen ist sie einer der größten privatwirtschaftlichen Güterwagenvermieter in Europa.[2] Niederlassungen bestehen in allen größeren europäischen Ländern. Instandsetzungen und Hauptuntersuchungen der Güterwagen werden europaweit durchgeführt. Zur Organisation des operativen Geschäfts wurden drei Gesellschaften nach luxemburgischen Recht gegründet (AAE Railcar S.à.r.l., AAE RaiLease S.à r.l., AAE Wagon Finance S.A.).[3] Die AAE ist auch Mitglied im internationalen Eisenbahnverband UIC.

Einzelnachweise

  1. Vgl. Schweizerisches Handelsamtblatt, Bern, Jahrgang 120, Nummer 137, S.18. 18. Juli 2002, abgerufen am 20. Dezember 2009 (PDF).
  2. Vgl. Produkte der AAE. Abgerufen am 20. Dezember 2009.
  3. Vgl. Amtsblatt des Großherzogtums Luxemburg, Nummer 2205. 9. November 2009, abgerufen am 20. Dezember 2009 (PDF).

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