Ektomykorrhiza

Ektomykorrhiza
Wurzelspitzen mit Ektomykorrhiza mit einer Amanita-Pilzart

Als Mykorrhiza (vom altgriechischen μυκης (mykes) = Pilz und ριζα (rhiza) = Wurzel; Mehrzahl Mykorrhizae oder Mykorrhizen) bezeichnet man eine Form der Symbiose von Pilzen und Pflanzen, in der ein Pilz mit dem Feinwurzelsystem einer Pflanze in Kontakt ist.

Inhaltsverzeichnis

Grundlagen

Die Mykorrhizapilze liefern der Pflanze Nährsalze und Wasser und erhalten ihrerseits einen Teil der durch die Photosynthese der (grünen) Pflanzen erzeugten Assimilate. Der Anteil der Primärproduktion, der an den Pilz weitergegeben wird, kann bis zu 25 % betragen. Im Gegensatz zu anderen Bodenpilzen fehlen vielen Mykorrhizapilzen Enzyme, welche nötig wären, um komplexe Kohlenhydrate abzubauen. Darum sind diese auf die Versorgung durch die Pflanze angewiesen. Die Mykorrhizapilze verfügen über ein im Vergleich zur Pflanze erheblich größeres Vermögen, Mineralstoffe und Wasser aus dem Boden zu lösen. Häufig wird die Wasser-, Stickstoff- und Phosphat-Versorgung der „infizierten“ Pflanzen verbessert, weiterhin bietet die Mykorrhizierung einen gewissen Schutz vor Wurzelpathogenen und erhöht allgemein die Trockenresistenz der Pflanzen, was vor allem an extremen Standorten von Vorteil sein kann.

Zum optimalen Wachstum sind viele Pflanzenarten auf spezifische Mykorrhizapilze angewiesen. Aus evolutionsbiologischer Sicht ist jedoch weitgehend unklar, warum der Mykorrhizapartner immer als Mutualist auftreten sollte. Symbiosen sind generell anfällig für Ausbeuter und Täuscher (engl. „cheater“), denn es ist immer kostengünstiger für den täuschenden Partner, die Vorteile der Partnerschaft zu nutzen (z.B. leicht verdauliche Nährstoffe von der Pflanze), ohne eine Gegenleistung (z.B. Mineralstoffe) zu liefern. Neuere Konzepte in der Mykorrhiza-Pflanzen-Symbiose gehen daher von einem Gradienten der Beziehungen aus, der von Mutualismus bis zu striktem Parasitismus reicht. Auch Pflanzen versuchen, von Mykorrhizapilzen zu profitieren, ohne Gegenleistungen zu erbringen. Mykorrhiza-Parasiten unter Pflanzen findet man unter Orchideen (z. B. Korallenwurz und Vogel-Nestwurz) und chlorophyllfreien Schmarotzerpflanzen (z.B. Corsia). Die Erforschung der Mechanismen der gegenseitigen Manipulation und Täuschung zwischen Symbiosepartnern ist ein Forschungsgebiet der modernen Ökologie.

Mykorrhizapilze sind ein wesentlicher Bestandteil des Ökosystems des Tropischen Regenwaldes.

Es wird vermutet, dass die arbuskuläre Mykorrhiza (AM) überhaupt erst die Landbesiedelung durch die ersten terrestrischen Pflanzen ermöglichte. Weltweit sind ca. 200 Arten von VA-Mykorrhizapilzen (siehe unten) beschrieben, die mit ca. 80 % aller Landpflanzenarten in Symbiose stehen. Eine solche unspezifische Symbiose kann sich wohl nur schwer nachträglich entwickelt haben.

Begon, Harper und Townsend schreiben in ihrem „Lehrbuch der Ökologie“ (1986) sogar: „Die meisten höheren Pflanzen haben keine Wurzeln, sie haben Mykorrhizen.“ (im engl. Original: „Most higher plants do not have roots, they have mycorrhizae.“) Das Zitat stammt vom amerikanischen Pflanzenpathologen Stephen William und lautet im Original: ‚...in agricultural field conditions, plants do not, strictly speaking, have roots, they have mycorrhizas.‘

Einteilung

Aufgrund spezifischer Eigenschaften werden die Mykorrhizen traditionell in drei verschiedene Gruppen eingeteilt. Eine andere Einteilung unterscheidet zwischen fünf mutualistischen (Ekto-, Ekt-Endo-, arbutoider, ericoider und VA-) und zwei antagonistischen (Orchideen- und monotropoider) Mykorrhizen (nach Smith & Read 1997, verändert).

Gemeinsam ist allen Formen, dass pilzliche Hyphen den Boden durchziehen und Nährstoffe zu den Pflanzen transportieren.

Ektomykorrhiza

Diese Verbindung stellt die in mitteleuropäischen Wäldern am häufigsten vorkommende Wurzelsymbiose dar. Das Mycel (Gesamtheit der sich verzweigenden Hyphen) bilden einen dichten Mantel (Scheide) auf der Wurzeloberfläche. Die Pilzhyphen wachsen auch in die Wurzelrinde hinein, dringen aber nicht in die Wurzelzellen ein sondern bilden in den Extrazellularräumen ein Netzwerk, das den Nährstoffaustausch zwischen Pilz und Pflanze erleichtert (Hartigsches Netz). Die Hyphen des Pilzes reichen bis weit in die Bodenmatrix hinein, sodass eine gute und umfangreiche Nährstoff- und Wasseraufnahme sichergestellt ist. Zudem schützen die Mykorrhizen die Baumwurzel vor Infektionen durch das Eindringen anderer Bakterien oder Pilze. Diese Form der Mykorrhiza ist typisch für Bäume aus den Familien der Birken-, Buchen-, Kiefern-, Weiden- und Rosengewächse. Pilzpartner sind meist Ständerpilze aus den Ordnungen Boletales und Agaricales, in seltenen Fällen Schlauchpilze wie die Trüffel und spezielle Becherlinge wie der Zedern-Sandborstling. Während die meisten Pflanzenpartner an geeigneten Standorten auch ohne Pilz gedeihen können, gibt es unter letzteren einige, die obligat auf Pflanzen als Partner angewiesen sind. Es wird angenommen, dass sehr viele Großpilze zur Ektomykorrhiza fähig sind - bei uns in Mitteleuropa über 1.000 Arten aus den Gattungen Schleierlinge, Täublinge & Milchlinge, Ritterlinge, Schnecklinge, Wulstlinge & Knollenblätterpilze, Pfifferlinge.

Endomykorrhiza

Hier dringt ein Teil der Hyphen des Pilzes in die Zellen der Wurzelrinde des Pflanzenpartners ein. Letztere sind überwiegend krautige Pflanzen, nur in seltenen Fällen Bäume. Das Hyphennetz, das bei der Ektomykorrhiza die Wurzel umgibt, fehlt hier. Innerhalb der Zelle bilden die Pilze eine Art Haustorium aus. Dadurch können Nährstoffe und Wasser abgegeben und Kohlenhydrate aufgenommen werden. Pflanzenarten folgender Familien stehen fast immer mit einem Pilzpartner in Symbiose: Heidekraut-, Wintergrüngewächse und Orchideen. Die symbiotischen Pilze sind zumeist Ständerpilze aus der Ordnung Tulasnellales, sowie deren anamorphe Formen Rhizoctonia und Orcheomyces. Zumindest bei Orchideen ist diese Form der Endomykorrhiza obligatorisch für ihre Entwicklung.

Arbuskuläre Mykorrhiza

Arbuskuläre oder veraltet auch vesikulär-arbusculäre Mykorrhiza ist eine besondere Form der Endomykorrhiza: typisch für diese häufigste Art von Mykorrhiza sind die Bildung von Arbuskeln – das sind verzweigte, zarte Hyphen in Bäumchenform innerhalb der Wurzelzellen. Manche Taxa bilden auch Vesikeln – im Wurzelgewebe der Pflanze bilden sich dickwandige Pilzzellen. Die Zahl der Pflanzen, die von der AM profitieren können, ist sehr groß. Darunter sind viele Nutzpflanzen, deren durch AM gesteigerte Phosphat-Versorgung sich steigernd auf ihren Ertrag auswirken kann. Die beteiligten Pilze ordnet man den Arbuskulären Mykorrhizapilzen in der neu geschaffenen Abteilung (Phylum) Glomeromycota zu.[1]

Geschichte

Die Entdeckung der Mykorrhiza war ein mehrstufiger Prozess. In den Jahren 1840-1880 erschienen verschiedene Einzelbeobachtungen, die mit dem Phänomen zu tun hatten. Erst Franz Kamieński (1881) und Albert Bernhard Frank (1885) erkannten das Gesamtbild korrekt und veröffentlichten Arbeiten mit eindeutig verlaufenden Experimenten. Das Wort Mykorrhiza wurde erstmals von Frank verwendet.[2][3]

Literatur

  • Agerer, Reinhard: Colour Atlas of Ectomycorrhizae, 12 Teillieferungen. Einhorn-Verlag, Schwäbisch-Gmünd, 1985–2002
  • Hans Joachim Fröhlich (Hrsg.): Vitalisierung von Bäumen. Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Monumente Publikationen, Bonn, 2005. ISBN 978-3-936942-49-1

Weblinks

Quellen

  1. Institut für Pflanzenbiochemie, Halle
  2. Berch, S.M., H.B. Massicotte und L.E. Tackaberry: Re-publication of a translation of “The vegetative organs of Monotropa hypopitys L.” published by F. Kamienski in 1882, with an update on Monotropa mycorrhizas. Mycorrhiza 15/-/2005. S. 323-332. Online-PDF
  3. M. C. Rayner: Mycorrhiza. (continued) New Phytologist, 25/1/1926. S. 1-50. Abstract

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