Eisenoxidierende Bakterien

Eisenoxidierende Bakterien
Rusticle am Bug der Titanic

Die Bezeichnung Eisenbakterien oder Eisenoxidierende Bakterien umfasst Bakterien, die im Energiestoffwechsel zweiwertiges zu dreiwertigem Eisen oxidieren. Diese Bakterien stellen jedoch keine phylogenetische Einheit dar. Als Oxidationsmittel dient überwiegend Sauerstoff. Anaerob kann zweiwertiges Eisen mit Nitrat oder Perchlorat oxidiert werden oder durch anoxygene Photosynthese.

Inhaltsverzeichnis

Milieubedingungen

Die Oxidation von Fe(II) wird stark vom pH-Wert und der Sauerstoffkonzentration im Milieu beeinflusst. Unter neutralen pH-Bedingungen (pH 7) und atmosphärischer Sauerstoffkonzentration, erfolgt eine rein chemische Oxidation (ohne Beteiligung von Mikroorganismen) so schnell, dass zweiwertiges Eisen nur für wenige Minuten vorliegt (die Halbwertzeit beträgt etwa 6-7 Minuten).[1] Da unter diesen Bedingungen die Reaktionsgeschwindigkeit zu hoch für die Mikroorganismen ist, um damit konkurrieren zu können, haben sich zwei verschiedene Strategien entwickelt. Durch entsprechende Umweltbedingungen und einer damit einhergehende Herabsetzung der Reaktionsgeschwindigkeit, wird es den Bakterien ermöglicht Fe(II) zu oxidieren und dabei Energie für ihren Stoffwechsel zu gewinnen.

Acidophilie Fe(II)-Oxidierer

Alle Vertreter in der Gruppe der acidophilen Fe(II)-Oxidierer oxidieren Fe(II) unter sauren Bedingungen(< pH 4). Bei diesen Bedingungen spielt die chemische Oxidation von Eisen mit Sauerstoff nur noch eine untergeordnete Rolle, Die derzeit am besten beschriebenen Organismen aus den Acidophilen sind Acidithiobacillus ferrooxidans und Leptospirillum ferrooxidans. Neben diesen zwei gibt es noch weitere acidophile Fe(II)-Oxidierer[2] Während Acidithiobacillus- und Leptothrix-Arten häufig in sauren Minenabwässern (Río_Tinto, Acid_Mine_Drainage) zu finden sind, bevorzugen Arten der Gattung Sulfolobus heiße und saure Quellen. Die Temperaturen dieser Quellen (Solfatare) erreichen dabei oftmals Siedetemperatur. Die Energie für die Bildung von ATP und NADPH wird bei den acidophilen Fe(II)-Oxidierern ausschließlich aus der Oxidation von Fe(II) mit Sauerstoff gewonnen. Bei pH 2 lassen sich aus dieser Reaktion 33kJ mol-1 gewinnen. Dieser Energiebetrag liegt nur unwesentlich über der Energiemenge von 31.8 kJ mol-1, welche für die Bildung von 1 mol ATP benötigt wird.

Neutrophile Fe(II)-Oxidierer

Neutrophile Fe(II)-Oxidierer bevorzugen, bei neutralem pH, Umgebungen mit herabgesetzter Sauerstoffkonzentration (<1mg pro Liter) und einem Redox-Potential zwischen 200 und 300 mV.

Aerobe Fe(II)-Oxidierer

Phototrophe Fe(II)-Oxidierer

Mit der Entdeckung von phototrophen Fe(II)-oxidierenden Mikroorganismen[3] gelang erstmals der Nachweis einer biologischen Fe(II)-Oxidation in sauerstofffreien Ökosystemen. Diese Entdeckung warf ein neues Licht auf die Entwicklung der Erdgeschichte, speziell auf die Entstehungsbedingungen von Bändereisenerz in geologischer Zeit. War es bis dahin Konsens in der Geologie, das zur Entstehung von Bändereisenerzen molekularer Sauerstoff für die Oxidation von Fe(II) vorhanden sein musste, somit mussten auch die dafür verantwortlichen Cyanobakterien bereits existiert haben, so bestand nun erstmals die Möglichkeit einer Entstehung von Bändereisenerzen, ohne das molekularer Sauerstoff zwingend vorhanden sein musste. Damit kamen begründete Zweifel darüber auf, ob das erste Auftreten von Bändereisenerze ein zuverlässiges Signal für die Existenz von molekularem Sauerstoff und dem Vorhandensein von oxygen phototrophen Organismen wie den Cyanobakterien ist. Aus Süßwasser und marinen Habitaten wurden bisher Chlorobium ferrooxidans,[4] Rhodovulum robiginosum,[5] Rhodomicrobium vannielii,[6] Thiodictyon sp.,[7] Rhodopseudomonas palustris[8] und Rhodovulum spp.[9] isoliert und eingehender beschrieben. Bis auf Rhodomicrobium vannielii können alle bisher bekannten Arten das Fe(II) mit Licht komplett zu Fe(III) oxidieren. Bei Rhodomicrobium vannielii kommt es hingegen zu einer Einkrustung der Zellen mit Fe(III), wodurch jegliche weitere metabolische Aktivität unterbunden wird. Wie die Einkrustung bei den anderen Arten vermieden wird, ist nicht bekannt. Vermutet wird, das hier kleine lösliche Verbindungen die sich bildene Fe(III)-Kruste um die Zellen auflösen.[10] Allerdings konnte diese These bisher nicht bestätigt werden.

Das bei der phototrophen Fe(II)-Oxidation gebildete Fe(III) bildet ein schwachkristallines Mineral aus, welches sich mit der Zeit in die stärkerkristallinen Minerale Goethit oder Lepidocrokit umwandelt.[11] Phototrophe Fe(II)-Oxidation spielt wahrscheinlich nur lokal, nicht aber global eine wichtige Rolle für die Ökosysteme. Dies liegt an zwei wesentlichen Gründen. Zum Einen beträgt die Eindringtiefe von Licht in Böden oder Sedimenten nur etwa 200 µm,[12] zum Anderen können sie Fe(II)-haltige Eisenminerale nicht aktive auflösen und sind deshalb ausschließlich auf deren Löslichkeit angewiesen.[13]

Anaerobe Fe(II)-Oxidierer

Während die aeroben und phototrophen Fe(II)-Oxidierer fast ausschließlich autotrophe Organismen sind, kommen bei den anaeroben nicht-phototrophen Fe(II)-Oxidierern autotrophe und heterotrophe Organismen vor.

Diese Reaktion und die dafür verantwortlichen Organismen wurden bisher in einer großen Bandbreite von unterschiedlichen Ökosystemen wie marine Sedimente, Brackwasserlagunen, Tiefseesedimente oder Flüssen nachgewiesen.[14][15][16][17] Diese Bandbreite and Ökosystemen und die große phylogenetische Variabilität der daran beteiligten Mikroorganismen lässt den Schluss zu, dass die an die Nitratreduktion gekoppelte Fe(II)-Oxidation eine wichtige Rolle im Eisen- und Stickstoffkreislauf auf globaler Ebene spielt.

Bedeutung in der Geochemie

Die mikrobielle Eisenoxidation spielt im geochemischen Kreislauf von Eisen eine bedeutende Rolle, da die dafür verantwortlichen Eisenoxidierer ubiquitär vertreten sind. Sie lassen sich in einer Vielzahl von unterschiedlichen Fe-haltigen Habitaten auffinden. Durch die mikrobielle Aktivität werden die Habitate zum Teil erheblich beeinflusst. Ein sehr eindrucksvolls Beispiel ist die Bildung der Rusticle an Schiffswracks, beispielsweise der Titanic. Bisher nachgewiesen wurden Eisenbakterien z.B. im marinen Bereich in küstennahen Sedimenten, Brachwasserbereichen[18] oder in der Nähe von hydrothermalen Quellen.[19][20] Sie lassen sich aber auch in Süßwassersedimenten von Seen und Flüssen[21][22][23][24] oder in eisenhaltigen Grundwasserquellen[25][26] finden. Am auffälligsten beeinflussen die Eisenoxidieren die Habitate in den sauren Minenabwässern[27] oder in der unmittelbaren Nähe von Pflanzenwurzeln in Feuchtgebieten.[28][29]

Einzelnachweise

  1. P. C. Singer und W. Stumm: Acidic mine drainage. Rate-determining step. In: Science. Band 167, 1970, S. 1121–1123.
  2. R. Blake und D. B. Johnson. Phylogeneic and biochemical diversity among acidophilic bacteria that respire on iron. In: Lovley, D. R. (ed.), Environmental Microbe-Metal Interactions. ASM Press, Washington, DC, 2000:53-78.
  3. Widdel, F., S. Schnell, S. Heising, A. Ehrenreich, B. Assmus, and B. Schink. 1993. Ferrous iron oxidation by anoxygenic phototrophic bacteria. Nature (London) 362:834–835.
  4. Heising, S., Richter, L., Ludwig, W. & Schink, B. Chlorobium ferrooxidans sp. nov., a phototrophic green sulfur bacterium that oxidizes iron in coculture with a ‘Geospirillum’ sp. strain. Arch. Microbiol. 172, 116–124 (1999).
  5. Straub, K. L., Rainey, F. A. & Widdel, F. Rhodovulum iodosum sp. nov, and Rhodovulum robiginosum sp. nov., two new marine phototrophic ferrous-ironoxidizing purple bacteria. Int. J. Syst. Bacteriol. 49, 729–735 (1999).
  6. Heising, S. & Schink, B. Phototrophic oxidation of ferrous iron by a Rhodomicrobium vannielii strain. Microbiology 144, 2263–2269 (1998).
  7. Kappler, A. & Newman, D. K. Formation of Fe(III)-minerals by Fe(II)-oxidizing photoautotrophic bacteria. Geochim. Cosmochim. Acta 68, 1217–1226 (2004).
  8. Jiao, Y., Kappler, A., Croal, L. R. & Newman, D. K. Isolation and characterization of a genetically tractable photoautotrophic Fe(II)-oxidizing bacterium, Rhodopseudomonas palustris strain TIE-1. Appl. Environ. Microbiol. 71 4487–4496 (2005).
  9. Straub, K. L., Rainey, F. A. & Widdel, F. Rhodovulum iodosum sp. nov, and Rhodovulum robiginosum sp. nov., two new marine phototrophic ferrous-ironoxidizing purple bacteria. Int. J. Syst. Bacteriol. 49, 729–735 (1999).
  10. Straub, K. L., Benz, M. & Schink, B. Iron metabolism in anoxic environments at near neutral pH. FEMS Microbiol. Ecol. 34, 181–186 (2001).
  11. Kappler, A. & Newman, D. K. Formation of Fe(III)-minerals by Fe(II)-oxidizing photoautotrophic bacteria. Geochim. Cosmochim. Acta 68, 1217–1226 (2004).
  12. Ciania, A., Gossa, K.-U. & Schwarzenbach, R. P. Light penetration in soil and particulate minerals. Eur. J. Soil Sci. 53, 561–574 (2005).
  13. Kappler, A. & Newman, D. K. Formation of Fe(III)-minerals by Fe(II)-oxidizing photoautotrophic bacteria. Geochim. Cosmochim. Acta 68, 1217–1226 (2004).
  14. Edwards, K. J., Rogers, D. R., Wirsen, C. O. & McCollom, T. M. Isolation and characterization of novel psychrophilic, neutrophilic, Fe-oxidizing, chemolithoautotrophic alpha- and gamma-Proteobacteria from the deep sea. Appl. Environ. Microbiol. 69, 2906–2913 (2003).
  15. Straub, K. L., Benz, M., Schink, B. & Widdel, F. Anaerobic, nitrate-dependent microbial oxidation of ferrous iron. Appl. Environ. Microbiol. 62, 1458–1460 (1996).
  16. Shelobolina, E. S., VanPraagy, C. G. & Lovley, D. R. Use of ferric and ferrous iron containing minerals for respiration by Desulfitobacterium frappieri. Geomicrobiol. J. 20, 143–156 (2003).
  17. Ratering, S. & Schnell, S. Nitrate-dependent iron(II) oxidation in paddy soil. Environ. Microbiol. 3, 100–109 (2001).
  18. Straub K. L., Rainey F. A., Widdel F. 1999. Rhodovulum iodosum sp. nov. and Rhodovulum robiginosum sp. nov., two new marine phototrophic ferrous-ironoxidizing purple bacteria. Int. J. Syst. Bacteriol. 49:729–35.
  19. Edwards K. J., Rogers D. R., Wirsen C. O., McCollom T. M. 2003. Isolation and characterization of novel psychrophilic, neutrophilic, Fe-oxidizing, chemolithoautotrophic alpha- and gamma-proteobacteria from the deep sea. Appl. Environ. Microbiol. 69:2906–13.
  20. Emerson D., Moyer C. L. 2002. Neutrophilic Fe-oxidizing bacteria are abundant at the Loihi Seamount hydrothermal vents and play a major role in Fe oxide deposition. Appl. Environ. Microbiol. 68:3085–93.
  21. Hauck S., Benz M., Brune A., Schink B. 2001. Ferrous iron oxidation by denitrifying bacteria in profundal sediments of a deep lake (Lake Constance). FEMS Microbiol. Ecol. 37:127–34
  22. Heising S., Richter L., Ludwig W., Schink B. 1999. Chlorobium ferrooxidans sp. nov., a phototrophic green sulfur bacterium that oxidizes ferrous iron incoculture with a Geospirillum sp. strain. Arch. Microbiol. 172:116–24.
  23. Heising S., Schink B. 1998. Phototrophic oxidation of ferrous iron by a Rhodomicrobium vannielii strain. Microbiology 144:2263–69
  24. Widdel F., Schnell S., Heising S., Ehrenreich A., Assmus B., Schink B. 1993. Ferrous iron oxidation by anoxygenic phototrophic bacteria. Nature 362:834–36.
  25. Emerson D., Moyer C. 1997. Isolation and characterization of novel iron-oxidizing bacteria that grow at circumneutral pH. Appl. Environ. Microbiol. 63:4784–92.
  26. Blöthe M. and Roden E. E. Microbial iron redox cycling in a circumneutral-ph groundwater seep. Applied and Environmental Microbiology, 75(2):468–473, 2009.
  27. Colmer A. R., Temple K. L., Hinkle M. E. 1949. An iron-oxidizing bacterium from the drainage of some bituminous coal mines. J. Bacteriol. 59:317–28.
  28. Emerson D., Weiss J. V., Megonigal J. P. 1999. Iron-oxidizing bacteria are associated with ferric hydroxide precipitates (Fe-plaque) on the roots of wetland plants. Appl. Environ. Microbiol. 65:2758–61.
  29. Sobolev D., Roden E. E. 2001. Suboxic deposition of ferric iron by bacteria in opposing gradients of Fe(II) and oxygen at circumneutral pH. Appl. Environ. Microbiol. 67:1328–34

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