Eisenbahnsiedlung

Eisenbahnsiedlung

Eisenbahnsiedlungen (auch Eisenbahnersiedlungen oder Eisenbahnerkolonien) entstanden in der letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis in die 1930er Jahre. Ursache hierfür war vorerst das Vorhandensein eines wichtigen Eisenbahnknotenpunktes mit einem oder mehreren Bahnhöfen, gegebenenfalls einem Rangierbahnhof und/oder eines Ausbesserungswerkes. Sie ist eine Sonderform der zeitgenössischen Arbeitersiedlung.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung und Entwicklung

Der Eisenbahnbetrieb erforderte in seiner Anfangszeit viel Personal, das rund um die Uhr verfügbar sein musste. Die Eisenbahnverwaltungen erwarben aus diesem Grunde preiswerten Grund und Boden und errichteten Wohngebäude für ihre Angestellten und Arbeiter sowie deren Familien. Die im 20. Jahrhundert einsetzende Stadtflucht führte dazu, dass in der Nähe von Großstädten und Verdichtungsgebieten an den diese verlassenden Eisenbahnlinien bahnhofsnahe Siedlungen auf preiswertem Grund und Boden entstanden. In dieser Zeit waren Personenkraftwagen noch kein Massenverkehrsmittel, so dass die Bediensteten die Möglichkeit hatten, mit der Eisenbahn zwischen Arbeitsplatz und Wohnort zu pendeln. Einige Eisenbahnsiedlungen konnten kommunale Eigenständigkeit erreichen.

Hauptzufahrt zur Eisenbahnersiedlung in Frankfurt a.M.-Nied

Oftmals sind Eisenbahnsiedlungen nicht allein auf Grund des Eisenbahnanschlusses entstanden, sondern sie sind mit historisch früher entstandenen Dorf- und Kleinstadtkernen zusammengewachsen und dominierten diese aber bald hinsichtlich der Einwohnerzahl, da sich Industrie und Gewerbe wegen der Lage am Verkehrsnetz ansiedelten. Andere Eisenbahnersiedlungen sind am Rande bestehender Mittel- und Großstädte angesiedelt worden. Der hier abgebildete Eingang zur Eisenbahnersiedlung in Frankfurt-Nied lag dort nur einen Steinwurf vom Arbeitsplatz entfernt. Gleich gegenüber lagen das (Dampf-)Lok-Ausbesserungswerk und eine Signalmeisterei. Die Siedlung selbst hatte eine ausgedehnte Innenhofbebauung, besaß bahneigene Läden, und jeder Mietwohnung war ein kleiner Garten zugeteilt.

Streng genommen zählen auch Bahnwärterhäuser, Weichenwärterhäuser sowie Bahnhofsvorstädte zu den Eisenbahnsiedlungen. Erstere blieben jedoch meist nur Wohnplätze.

Beispiele

Bekannte und große Eisenbahnsiedlungen in Deutschland sind etwa Lehrte bei Hannover, die Namensgeberin des ehemaligen Lehrter Bahnhofs in Berlin und Schnittpunkt wichtiger Ost-West- und Nord-Süd-Verbindungen; oder die Rangierbahnhof-Siedlung in Nürnberg. Aber auch die Entwicklung von Groß-Berlin und des dazu gehörigen Berliner Ballungsraumes ist unter Anderem auch über das Verständnis der Entwicklung der Eisenbahnsiedlungen zu erklären. Bekannte Beispiele außerhalb Deutschlands sind Chiasso in der Schweiz oder die gartenstadtartige Eisenbahnersiedlung im nordfranzösischen Eisenbahnknotenpunkt Tergnier.

Andere durch die Eisenbahn geprägte Orte

Darüber hinaus gibt es historisch gewachsene oder im Rahmen der Industrialisierung neu gegründete kleinere oder mittelgroße Städte, die infolge der Errichtung wichtiger Eisenbahnbetriebsanlagen wesentlich größer wurden. Dort hat die Eisenbahn eine im Vergleich zur Ortsgröße überragende Bedeutung im Stadtbild und im Wirtschaftsleben mit überdurchschnittlichem Anteil von Eisenbahnbediensteten an der Einwohnerzahl bekommen, ohne dass diese jedoch schon allein von ihren eigentlichen, von der bestehenden Ortschaft abzugrenzenden Eisenbahnersiedlungen dominiert werden. Eine genaue Bezeichnung für solche von der Eisenbahn beherrschte Orte als Ganzes analog etwa zu Industrie-, Hafen- oder Universitätsstädten mit ihren dort ebenfalls dominierenden entsprechenden Einrichtungen ist jedoch in der deutschen Sprache nicht möglich, da die hierfür gelegentlich zu lesenden Begriffe Eisenbahnstadt oder Eisenbahnerstadt weder im Duden verzeichnet noch in wissenschaftlicher Literatur nachgewiesen sind.

Beispiele hierfür sind Eisenbahnknotenpunkte wie Hamm, Wanne-Eickel, Bebra, Treuchtlingen, Offenburg, Olten oder Miramas (Frankreich); und Standorte von Bahnbetriebswerken für Schublokomotiven am Fuße von Steigungsstrecken wie z. B. Altenhundem oder Erstfeld.

Auch wuchsen bestimmte Dörfer erst durch ihre dort angelegten Eisenbahnanlagen zur Stadt heran und erhielten erst infolgedessen die Stadtrechte, zum Beispiel Betzdorf, Entroncamento (Portugal) oder Simeria (Rumänien). Andere derartige Orte blieben gleichwohl ein Dorf wie etwa Altenbeken oder Montzen (Ort des belgischen Güterverkehrs-Grenzbahnhofes nach Deutschland).

Durch Stilllegung von Eisenbahneinrichtungen ist in manchen dieser Ortschaften infolge der einseitigen Wirtschaftsstruktur eine hohe Arbeitslosigkeit entstanden.

Die Bedeutung der Bahn für manche von der Eisenbahn dominierte Orte schlug sich auch in der Aufnahme von Eisenbahnsymbolen wie etwa dem Flügelrad in das jeweilige Gemeindewappen nieder.

Siehe auch


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