Agrarpolitik der Europäischen Union

Agrarpolitik der Europäischen Union

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ist ein Politikbereich der Europäischen Union. Sie beruht auf zwei sogenannten Säulen: den gemeinsamen Marktordnungen und der Entwicklung des ländlichen Raums. Zuständig für die Rechtsetzung im Bereich der GAP ist der Rat für Landwirtschaft und Fischerei, dessen Sitzungen vom Sonderausschuss Landwirtschaft vorbereitet werden. Das Europäische Parlament muss vor Entscheidungen lediglich angehört werden, hat aber keine Mitentscheidungsrechte.

Der Anteil der Agrarausgaben am EU-Budget ist zwar rückläufig, er macht jedoch mit 43 % (ca. 56 Mrd. Euro, Stand: 2009) noch immer den größten Einzeletat aus.[1] 1977 betrug der Anteil noch 76 %. Den größten Teil der Ausgaben verursachen die Marktordnungen und die mit ihnen verbundenen Subventionen für die Landwirtschaft: Den Erzeugern landwirtschaftlicher Produkte werden von der EU Mindestpreise garantiert. Da diese in der Vergangenheit mehrfach abgesenkt wurden, erhalten sie zum Ausgleich Direktzahlungen, die seit der Agenda 2000 weitgehend unabhängig von der produzierten Menge gewährt werden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Unterzeichnung des Vertrages von Rom 1957, welcher die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) begründete, führte zur Entwicklung einer gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Sie wurde 1958 auf der Konferenz von Stresa beschlossen und trat 1962 in Kraft.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs lag die europäische Landwirtschaft am Boden und jene Staaten, die später die EWG gründen sollten, waren zur Ernährung ihrer Bevölkerung auf Nahrungsmittelimporte angewiesen. Im Falle Deutschlands wurden zudem diese Nahrungsmittelimporte bis 1952 überwiegend von den USA finanziert, da Deutschlands im Wiederaufbau begriffene Wirtschaft zunächst noch keine Außenhandelsüberschüsse erzielen konnte.[2] Der Wunsch, Abhängigkeiten auf dem sensiblen Feld der Lebensmittelversorgung durch eine dauerhafte Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktion zu verringern, bildete die zentrale Motivation zur Einführung der GAP.[3]

Seither ist die GAP vielfach reformiert worden. Einige wichtige Meilensteine sind:

Jahr Reform Ziele
1968 Mansholt-Plan Verringerung der landwirtschaftlichen Erwerbsbevölkerung in einem Zehnjahreszeitraum um etwa die Hälfte und Förderung größerer, effizienterer landwirtschaftlicher Betriebe (wurde nicht vollständig umgesetzt)
1972 Strukturmaßnahmen Modernisierung der Landwirtschaft (hiermit wurde die Beschränkung der investiven Förderung auf "entwicklungsfähige" Betriebe vom Jahr 1968 umgesetzt), Bekämpfung der Überproduktion
1985 Grünbuch „Perspektiven der Gemeinsamen Agrarpolitik“ Bekämpfung der Überproduktion, ebenfalls 1985 Erlass einer Verordnung zur Verbesserung der Effizienz der Agrarstruktur (Effizienzverordnung)
1988 „Leitlinie für die Agrarausgaben“ Begrenzung der Agrarausgaben
1992 McSharry-Reform Grundlagenreform mit den Zielen: Senkung der Agrarpreise, Ausgleichszahlungen für die entstandenen Einkommensverluste, Marktmechanismen fördern, Maßnahmen des Umweltschutzes
1999 Agenda 2000 weitere Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch Preissenkungen, Einführung einer Politik für den ländlichen Raum, Weiterentwicklung der Umweltmaßnahmen, Maßnahmen der Lebensmittelsicherheit und Qualität. Hierbei kommt der so genannten "Horizontalen Verordnung" eine grundsätzliche Bedeutung zu. Danach können die Mitgliedstaaten die Einhaltung von Umweltauflagen zur Voraussetzung für Direktzahlungen machen (cross compliance). Sie können diese kürzen oder streichen, wenn Umweltauflagen nicht eingehalten werden. Weiterhin können die Mitgliedstaaten Direktzahlungen kürzen (Modulation), wenn erstens die Anzahl der Arbeitskräfte eines Betriebes unterhalb einer festzulegenden Grenze liegt und/oder zweitens die Gesamterträge des Betriebes über einer festzulegenden Grenze liegen und/oder drittens die Gesamtbeträge der Stützungszahlungen eine festzusetzende Grenze überschreiten. Eine Kürzung im Wege der Modulation darf 20 Prozent der Gesamtzahlungen an den Betriebsinhaber nicht übersteigen.
2003 Mid-term-Review bzw. Halbzeitbewertung Fortsetzung und Beschleunigung der Agenda 2000-Maßnahmen bei gleichzeitiger Begrenzung der EU-Agrarausgaben, Entkopplung der Direktzahlungen von der Produktion und Bindung an die Erfüllung von Umweltauflagen (Cross Compliance)

Für das Jahr 2009 ist eine Generalüberprüfung der Gemeinsamen Agrarpolitik geplant. Auch Gesundheitscheck (in den Medien als "Health-Check" bezeichnet) genannt.

Darstellung der EU: [1]

Aufgaben/Ziele

Die Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik wurden im Artikel 39 des Vertrages von Rom festgelegt:

  1. die Produktivität der Landwirtschaft durch Förderung des technischen Fortschritts, Rationalisierung der landwirtschaftlichen Erzeugung und den bestmöglichen Einsatz der Produktionsfaktoren, insbesondere der Arbeitskräfte, zu steigern;
  2. der landwirtschaftlichen Bevölkerung, insbesondere durch Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens der in der Landwirtschaft tätigen Personen, eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten;
  3. die Märkte zu stabilisieren;
  4. die Versorgung sicherzustellen;
  5. für die Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen Sorge zu tragen.

Im Artikel 34 wird entsprechend die Schaffung einer gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte (GMO) festgelegt, die je nach Erzeugnis eine der folgenden Organisationsformen aufweist:

  1. gemeinsame Wettbewerbsregeln;
  2. bindende Koordinierung der verschiedenen einzelstaatlichen Marktordnungen;
  3. eine europäische Marktordnung.

1962 wurde für den gemeinsamen Agrarmarkt und damit die gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte drei Grundsätze festgelegt:

  1. Einheit des Marktes: dies meint den freien Verkehr landwirtschaftlicher Erzeugnisse im Bereich der Mitgliedstaaten; für die Organisation des Binnenmarktes sollten überall in der EU die gleichen Instrumente und Mechanismen angewandt werden;
  2. Gemeinschaftspräferenz: dies bedeutet, dass die Agrarprodukte der EU bei der Vermarktung Vorrang und einen Preisvorteil gegenüber importierten Produkten haben; dies bedeutet auch den Schutz des Binnenmarktes vor Niedrigpreisprodukten aus Drittländern und vor größeren Schwankungen des Weltmarktes;
  3. finanzielle Solidarität: Alle Ausgaben im Rahmen der GAP werden vom Gemeinschaftshaushalt getragen.

Die Gemeinsame Agrarpolitik erkennt die bäuerliche Struktur der Landwirtschaft und die strukturellen und natürlichen Unterschiede zwischen den Regionen an und strebt eine allmähliche Anpassung der Verhältnisse an.

Wichtige Instrumente der europäischen Agrarpolitik

Handel innerhalb der EU (Interventionspreise): Jährlich setzt die EU einen Mindestpreis/Interventionspreise für bestimmte Agrargüter fest. Wenn der Marktpreis unter den Mindestpreis/Interventionspreise fällt, kauft die EU den Erzeugern diese Produkte ab. Dies nennt man Stützungskäufe. Durch diese Stützungskäufe werden einerseits die Erzeugerpreise stabilisiert und andererseits Überschüsse aus dem Markt genommen. Dies verhindert ein weiteres Absacken des Marktpreises. Die angekauften Produkte werden zentral gelagert und, je nach Marktentwicklung, später wieder verkauft. Diese Preis und Abnahmegarantie fördert jedoch die Überproduktion. Durch die GAP-Reformen von 1992 und 2003 sowie der Agenda 2000 wurden die Interventionspreise drastisch gesenkt und durch Einkommensbeihilfen ersetzt.

Import (Abschöpfung): Die Erzeugerkosten für fast alle Agrarprodukte, die in der Europäischen Gemeinschaft erzeugt werden, liegen weit über dem Niveau der Weltmarktpreise. Deshalb sind diese nicht konkurrenzfähig. Um eine Überflutung des europäischen Marktes mit Importen aus anderen Ländern zu verhindern, hat die EU den Schwellenpreis eingeführt. Ein Lieferant aus einem Nicht-EU-Land muss die Differenz zwischen dem Weltmarktpreis und dem Schwellenpreis als eine Art Zoll an die EU abführen. Diese Regelung wird als Abschöpfung bezeichnet. Nicht-EU-Ländern erschwert dies den Zugang zum europäischen Markt. Vor allem Entwicklungsländer sind von der Regelung betroffen. Auch die Verbraucher der EU-Länder sind betroffen, da sie höhere Preise als die des Weltmarktes bezahlen müssen.

Export: Um auf dem internationalen Markt wettbewerbsfähig zu sein, können die Erzeuger sich die Differenz zwischen dem Weltmarktpreis und dem Schwellenpreis von der EU auszahlen lassen. Dies bedeutet, dass ein Landwirt seine Produkte zum niedrigen Weltmarktpreis verkaufen kann und trotzdem Gewinn macht.

Datei:Marktordnungspreissystem_GAP.png

Weiterführende Links

Diskussion

Ziele dieser Politik

  • Sicherung des Einkommens der Landwirte
  • Verhinderung von Landflucht
  • Unabhängigkeit der EU von Nahrungsimporten
  • Pflege der Kulturlandschaft und Tradition
  • Sicherung der Nahrungsmittelversorgung der EU-Bürger

Probleme-Nachteile

  • enorme Kosten für die EU durch Aufkauf, Lagerung und Transport
  • Überproduktion, Agrardumping: Zerstörung der kleinbäuerlichen Existenzgrundlage nicht-subventionierter Länder
  • kein Konkurrenzkampf
  • daraus resultierende Effizienzprobleme
  • Qualitätsverlust der Produkte

Ergebnisse

Die Ergebnisse der EU-Agrarpolitik sind zwiespältig. Es gibt zahlreiche Strukturprobleme:

  • Die Versorgungssicherheit der Industrieländer ist sehr hoch.
  • Die Kosten für die Agrarpolitik der reichen Länder sind umstritten.
  • Das Einkommen der Landwirte hat teilweise abgenommen.
  • Die Menge und der Absatz von teuer produzierten Überschüssen ist problematisch.
  • Die ökologischen Folgeprobleme und die Welternährungssituation sind ungelöste Herausforderungen.
  • Die Dumpingpreise europäischer Agrarproduktion zerstören lokale Märkte in armen Ländern.
  • Der EU-Markt bleibt weitgehend abgeschottet von Agrarprodukten aus nicht-EU-Staaten.
  • Die Garantie der Abnahme der Produkte zu Mindestpreisen schafft ein falsches Anreizsystem.
  • Die Landwirte werden zu nicht marktgerechter Produktion verführt. Daraus resultiert ein Produktionsüberschuss.
  • Der Agrarprotektionismus ist in den Außenbeziehungen (insb. USA, Kanada; auch Entwicklungsländer) ein ständiger Streitpunkt.

Die aktuelle Reform der EU-Agrarpolitik (2003)

Die EU-Agrarminister haben sich am 26. Juni 2003 in Luxemburg auf eine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik geeinigt (sog. Luxemburger Beschlüsse). Mit der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003[2] des Rates vom 29. September 2003 wurden die Richtlinien für den Zeitraum von 2007 bis 2013 festgelegt. Die EU-Mitgliedstaaten setzen diese Richtlinien ab 2005 in nationale Regelungen um. Die Agrarreform erfolgt zu einer Zeit, in der sich im Rahmen von WTO-Verhandlungen Entwicklungsländer bemühen, Zugang zum EU-Binnenmarkt zu erhalten.

Hauptziele

  • Eine Erhöhung der Ausgaben für agrarpolitische Maßnahmen nach der EU-Osterweiterung von 2004 soll begrenzt werden. Derzeit werden mehr als 40% aller EU-Ausgaben für die Gemeinsame Agrarpolitik aufgebracht.
  • Maßnahmen zur Wahrung des Umwelt- und Verbraucherschutzes sollen verstärkt werden

Kernpunkte

die jedoch national unterschiedlich umgesetzt werden können, sind

Entkopplung der produktionsgebundenen Direktzahlungen

Das bis 2004 angewandte komplexe System produktionsgebundener Direktzahlungen (z.B. Ackerprämie, Stärkekartoffelprämie, Saatgutbeihilfe, Schlachtprämie, Mutterkuhprämie, Sonderprämie für männliche Rinder, Milchprämie, Mutterschafprämie, nationale Ergänzungsbeträge und Extensivierungszuschläge für Rinder, Trockenfutterbeihilfe, Tabakprämie etc.) wird schrittweise bis 2013 auf betriebsbezogene entkoppelte, d.h. produktionsunabhängige Direktzahlungen ("Betriebsprämien") umgestellt. Dies soll zu regional einheitlichen Hektarprämien und zu mehr Marktorientierung führen: die Wahl, welches Produkt ein Landwirt zukünftig erzeugt, soll nicht mehr überwiegend von der Höhe der produktbezogenen Zahlungen bestimmt sein, sondern von den Marktbedingungen abhängen.

Nach Angaben des deutschen Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz würden dadurch extensiv und ökologisch arbeitende Betriebe gestärkt und bestehende Ungleichgewichte in der bisherigen Förderung - wie etwa die Benachteiligung von Grünland-Standorten - beseitigt. Schließlich würde damit ein transparenteres und von den Verbrauchern eher akzeptiertes System der Direktzahlungen geschaffen als das bisherige und der Verwaltungsaufwand vermindert.

In Deutschland werden die Eckpunkte des Entkopplungsmodells in dem als Artikel 1 im Gesetz zur Umsetzung der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik enthaltenen Betriebsprämiendurchführungsgesetz geregelt. Die Entkopplung beginnt am 1. Januar 2005.

Der Prozess der Entkopplung umfasst 3 Schritte:

Zuteilung
Die Zuteilung der Zahlungsansprüche im deutschen Kombimodell

Die entkoppelten Prämien werden den Betrieben in Form so genannter Zahlungsansprüche je Hektar zugeteilt. Für diese Neuzuteilung der entkoppelten Prämien an die Betriebe sieht die grundlegende Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 [3] zwei Möglichkeiten vor: Den Betrieben können Zahlungsansprüche zugeteilt werden, die sich aus ihrem historischen Prämienvolumen im Referenzzeitraum 2000 bis 2002 geteilt durch die seinerzeit bewirtschaftete Fläche ergeben. Diesem so genannten Betriebsmodell steht das Regionalmodell gegenüber, das eine Ermittlung regional einheitlicher Zahlungsansprüche je Hektar vorsieht. Deutschland hat sich für eine Kombination aus beiden Modellen entschieden (sog.Kombi-Modell):

Die Anzahl der Zahlungsansprüche, die ein Betriebsinhaber auf Antrag zugewiesen bekommt, richtet sich grundsätzlich nach der Hektarzahl der beihilfefähigen Flächen des Jahres 2005 (Stichtag 17. Mai 2005).

Der Wert der Zahlungsansprüche setzt sich aus einem flächenbezogenen Betrag und einem betriebsindividuellen Betrag zusammen. Der betriebsindividuelle Betrag (BIB) ergibt sich aus bestimmten tierbezogenen Prämienzahlungen bzw. Beihilfen, die der jeweilige Betriebsinhaber im Referenzzeitraum erhalten hat, aus der Milchprämie, die dem Betriebsinhaber aufgrund seiner Milchreferenzmenge des Jahres 2005/2006 zu steht, aus Teilen der bisherigen Tabakprämie (2006 ff.) sowie aus Beträgen, die dem Betriebsinhaber im Zusammenhang mit der Reform der Zuckermarktordnung und der Gemeinsamen Marktordnung für Obst und Gemüse (ab 2008) zu stehen. Der flächenbezogene Betrag ergibt sich vereinfacht ausgedrückt aus dem bisherigen regionalen Beihilfevolumen für bestimmte Ackerkulturen und einem Teil der Tierprämien des Referenzzeitraums. In Deutschland wurde dieses regionale Prämievolumen auf die beantragten beihilfefähigen Flächen des Jahres 2005 (s.o.) aufgeteilt. Dabei wurde für Flächen, die am 15. Mai 2003 Dauergrünland waren niedrigere flächenbezogene Beträge festgesetzt ("ZA DGL") als für andere beihilfefähige Flächen ("ZA AL"). Zur Zuteilung im deutschen Kombimodell siehe die nebenstehende Skizze.

Zahlungsansprüche wurden grundsätzlich entsprechend der Antragsstellung für das Jahr 2005 - abgesehen von Dauerkulturen - für alle landwirtschaftlichen Flächen zugeteilt, auch für solche, die bisher keine Zuwendungen erhalten haben (etwa Obst, Gemüse oder Speisekartoffeln sowie Flächen von Pferdehaltern). Da die absolute Höhe der Direktzahlungen einschließlich des Budgets für die Modulation (s. u.) nicht verändert wird, gehen die Erweiterungen zu Lasten der bisherigen Prämienempfänger. Im Jahr 2008 werden auf Antrag Zahlungsansprüche auch für Obstplantagen (Dauerkulturen) sowie Rebschul- und Baumschulflächen zugewiesen.

Im Beispiel für Schleswig-Holstein ergibt sich für ZA AL (einschließlich ZA-Stilllegung) eine Wert von rund € 290 (vorher € 429) und für ZA DGL von rund € 75 (vorher € 0) je Hektar. Die Milchbetriebe erhalten für die Jahre 2005 und 2006 eine Quotenprämie von 2,365 Cent/kg bzw. 3,55 Cent/kg, so dass ein Milchbetrieb je Hektar auf eine Beihilfe von rund € 620 je Hektar ab 2006 kommt (Quelle: Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein).

Die Zahlungsansprüche sind mit einer eindeutigen Kennzeichnung versehen und in einer Datenbank (Zentrale InVeKoS Datenbank ZID) erfasst. Jeder Zahlungsanspruch ist ab Erstzuweisung frei handelbar. Eine Ausnahme davon gilt für Zahlungsansprüche, die aus Vertrauensschutzgründen zugeteilt oder um wenigstens 20% im Wert erhöht wurden. Die Zahlungsansprüche sind - mit Ausnahme der Zahlungsansprüche bei Stilllegung - mit jeder beihilfefähigen Fläche jährlich aktivierbar. Zahlungsansprüche bei Stilllegung konnten bis einschl. 2007 nur mit Flächen aktiviert werden, die stillgelegt waren.

Angleichung

Die vorgenannten Zahlungsansprüche bleiben bis 2009 unverändert. 2008 findet eine sogenannte Gesundheitsprüfung ("Health-Check") der Agrarreform statt, bei der die Auswirkungen der jetzigen Reform überprüft werden sollen. Insofern ist es fraglich, ob die nachfolgenden weiteren Umsetzungsschritte der Agrarreform tatsächlich so umgesetzt werden.

In der Phase der Angleichung sollen die unterschiedlich wertigen Zahlungsansprüche bis 2013 einen einheitlichen Zahlungsanspruchswert erhalten (€ 360 je ZA (Schleswig-Holstein). Dazu werden Zahlungsansprüche, die im Jahr 2009 über dem Zielwert (Z, ~regionaler ZA-Durschnittswert) liegen, schrittweise im Wert erniedrigt, Zahlungsansprüche, die unter dem Zielwert (Z) liegen schrittweise erhöht. Für einen Zahlungsanspruch mit Wert S im Jahr 2009 ergibt sich nach folgender Formel im jeweiligen Jahr (Y) 2010 -2013 folgender Wert Yt = Z + [xt * (S – Z)], wobei für den Faktor x gilt: 2010 = 0,9; 2011 = 0,7; 2012 = 0,4 und 2013 = 0,0.

Einheitliche Zahlungsansprüche ab 2013

Ab 2013 haben alle Zahlungsansprüche einer Region aufgrund der Angleichung eine einheitliche Höhe (z.B. in Schleswig-Holstein und Hamburg von € 360, in Bayern 340 €).

Cross Compliance

Um Fördermittel zu erhalten, müssen die Landwirte bei der Produktion bestimmte Grundanforderungen erfüllen. Dazu gehören Umwelt- und Tierschutz sowie Lebens- und Futtermittelsicherheit. Neu ist, dass bei Nichteinhaltung dieser auf EU-Ebene bereits existierenden Standards die Direktzahlungen gekürzt (bei erstmaligen Verstößen insgesamt maximal 5 %) oder bei vorsätzlichen Verstößen im Extremfall vollständig einbehalten werden. Daneben müssen Regelungen zum Bodenschutz und zur Mindestinstandhaltung von Flächen getroffen werden. Des Weiteren müssen die EU-Mitgliedstaaten sicherstellen, dass der Anteil des Dauergrünlands an der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche gegenüber dem Verhältnis, das im Jahr 2003 festgestellt wurde, nicht erheblich abnimmt.

Modulation

Neben der Produktion ("erste Säule") sollen Maßnahmen der ländlichen Entwicklung ("zweite Säule") finanziell stärker unterstützt werden. Bisher wird in Deutschland eine freiwillige Modulation angewandt. Dabei werden die Direktzahlungen jährlich um 2 % gekürzt. Die ab 2005 obligatorischen Modulationssätze betragen 3 % 2005, 4 % 2006 und jeweils 5 % 2007 bis 2012. Dabei gilt ein Freibetrag von 5.000 Euro je Betrieb. Die Modulationsmittel stehen erstmals im Jahre 2006 zur Verfügung und werden im Rahmen der Entwicklungspläne der Länder zur Verstärkung der Maßnahmen der 2. Säule eingesetzt. Über die endgültige Verwendung der Mittel entscheiden die Länder im Rahmen ihrer jeweiligen Programme.

Kritische Punkte

Entkopplung

Die Entkopplung führt zu einer Reihe von Problemen:

  • Beispiel Prämienrecht: Die bisherigen Vorstellungen siedeln das Prämienrecht ausschließlich beim wirtschaftenden Betrieb an. Ob dieses Prämienrecht bei Ablauf eines Pachtvertrages an den Verpächter übertragen werden muss, ist rechtlich für alle Pachtverträge zwischen 1992 und 2000 unklar. Selbst wenn das Prämienrecht an den Verpächter zurückgehen würde, kommt es zu einem Problem, wenn ein reiner Ackerbaubetrieb eine Fläche an einen Milchbetrieb verpachtet hatte: Durch die Unumkehrbarkeit der Entkoppelung würde der Ackerbaubetrieb zunächst mit über € 600 je Hektar mehr als das Doppelte der eigentlich ihm zustehenden Prämie erhalten.
  • Beispiel Modulation: Die EU hat die Vorstellung, dass die Kürzungen der Prämien zur Finanzierung der Modulation, die als ordnungspolitische Maßnahme zu werten ist, durch die Modulation der Landwirtschaft erhalten bleibt, sofern die Landwirte die Vorgaben annehmen. In Schleswig-Holstein werden die Gelder jedoch in die Projekte der Dorferneuerung umgeleitet und gehen damit dem landwirtschaftlichen Sektor verloren. Es besteht die Gefahr, dass durch diese Fehlallokation der Mittel der landwirtschaftliche Sektor vor unüberbrückbare wirtschaftliche Hürden gestellt wird.

Erwartete Auswirkungen

Durch die Entkopplung der Direktzahlung vom erzeugten Produkt sind die landwirtschaftlichen Betriebe freier in der Entscheidung des Anbaus und können lukrativere Produkte erzeugen, ohne auf bestehende Transferleistungen Rücksicht nehmen zu müssen. Durch diese Änderung sollen sich die Betriebe vom "Subventionsoptimierer" zum marktwirtschaftlichen Unternehmen entwickeln, was in der Konsequenz den Abbau der heutigen Überproduktion zu Folge haben soll. Diese theoretischen Vorteile der Entkopplung werden durch das Festhalten an einer obligatorischen Stilllegung sowie weitergehende Vorschriften in der Fruchtfolge möglicherweise wieder kompensiert. In manchen Fällen wird die beschlossene Reform für Betroffene zu erheblichen Prämienkürzungen führen (z.B. bei intensiven Bullenmastbetrieben oder Milchviehbetrieben, die vorwiegend auf Ackerland wirtschaften und/oder hohe durchschnittliche Milchleistungen aufweisen).

Das EU-Recht sieht vor, dass bestimmte Härtefälle und Betriebsinhaber in besonderer Lage besonders zu berücksichtigen sind. Allerdings ist der Katalog der Härtefälle derart eingeschränkt, dass diese Regelung an der grundsätzlichen Reform nichts ändert.

Von einigen Vertretern bäuerlicher Interessen wird aber befürchtet, dass der mit der Entkopplung einhergehende Strukturwandel insbesondere kleine und mittlere sowie finanzschwache landwirtschaftliche Betriebe vor existenzbedrohende Situationen stellen wird. In der Konsequenz werde der Konzentrationsprozess weiter zunehmen und die traditionelle, bäuerliche Landwirtschaft verdrängen.

Bürokratieverschärfung statt Bürokratieabbau

Die EU hatte ursprünglich als ein Ziel der Agrarreform die Verwaltungsvereinfachung genannt. An diesem Ziel wird durch die Agrarreform nach Einschätzung fast aller Fachleute nicht nur verfehlt, sondern es wird im Gegenteil ein erheblicher zusätzlicher Aufwand erzeugt - sowohl für Landwirte als auch für die Verwaltungen. Die Ursache liegt in der Gestaltung der Durchführungsverordnungen der EG-Kommission aber auch in der Form der nationalen Umsetzung z.B. in Deutschland.

Beispiel dafür war bis zum Jahr 2007 u.a. die Ausnahmeregelung für den Bereich Obst, Gemüse und Speisekartoffeln (sogenannte OGS-Kulturen). Für Flächen mit diesen Kulturen wurden im Jahr 2005 in Deutschland zwar Zahlungsansprüche zugewiesen; mit diesen Flächen konnten Zahlungsansprüche jedoch nur aktiviert werden, wenn diese Zahlungsansprüche mit einer sog. OGS-Genehmigung versehen waren. Zahlungsansprüche mit OGS-Genehmigung konnten Antragstellern zugewiesen werden, die in den Jahren 2003 bis 2005 die genannten Kulturen angebaut hatten - allerdings nur im Rahmen einer regional festgesetzten Obergrenze. Ab dem Jahr 2008 können mit den genannten Flächen grundsätzlich alle normalen Zahlungsansprüche aktiviert werden und zwar unabhängig von einer etwaigen OGS-Genehmigung.

Ein weiteres Beispiel sind die komplizierten Vorschriften, nach denen die zugeteilten Zahlungsansprüche zwischen den Landwirten gehandelt oder übertragen werden dürfen, wobei es Unterschiede gibt, je nachdem ob gleichzeitig Land mit übertragen wird oder nicht, ob die entsprechenden Zahlungsansprüche bereits genutzt sind oder nicht oder ob sie etwa im Rahmen der Genehmigung eines Sonderfalls zuerkannt wurden.

Die Verknüpfung mit den Cross Compliance - Bedingungen hat schließlich in vielen Ländern zum Aufbau neuer und umfassender Kontrollsysteme geführt, die insbesondere vom landwirtschaftlichen Berufsstand als erhebliche zusätzliche Belastung kritisiert werden.

Beschlüsse der EU-Landwirtschaftsminister im November 2008

Im November 2008 einigten sich die EU-Landwirtschaftsminister darauf, dass ab 2013 Landwirte 10 Prozent weniger Direktzahlungen erhalten sollen. Massivere Kürzungen bei den Direktzahlungen konnte die EU-Kommission nicht durchsetzen. Landwirte, die mehr als 300.000 Euro Subventionen pro Jahr erhalten, müssen sich auf einen weiteren Abschlag von vier Prozent einstellen. Die betroffenen Betriebe erhalten somit mittelfristig 14 Prozent weniger Direktbeihilfen. Des Weiteren wurde vereinbart, dass die Milchquote zwischen 2009 und 2013 um jährlich ein Prozent erhöht wird. [4]

Quellen

  1. http://ec.europa.eu/budget/budget_detail/current_year_de.htm, http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Europa/Aufgaben/Landwirtschaft.html, Tagesschau:EU einigt sich auf Neuverteilung der Agrarsubventionen.
  2. Grundlagen der Agrarpolitik Vorlesung, Universität Hohenheim, 2005.
  3. Die gemeinsame Agrarpolitik erklärt (Publikation der Europäischen Kommission, 2007)
  4. Tagesschau:Zehn Prozent weniger für die Bauern


Literatur

  • Ulrich Kluge: Vierzig Jahre Agrarpolitik in der Bundesrepublik Deutschland. 2 Bde., Hamburg 1989
  • Ulrich Kluge: Ökowende - Agrarpolitik zwischen Reform und Rinderwahnsinn. Siedler Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-88680-736-3
  • Günter Rohrmoser: Landwirtschaft in der Ökologie- und Kulturkrise mit Krisenbericht Agrarpolitik von Hermann Priebe. Gesellschaft für Kulturwissenschaft, Bietigheim/Baden 1996, ISBN 3-930218-25-9 [4]
  • Winfried von Urff (2004) Agrarmarkt und Struktur des ländlichen Raumes in der Europäischen Union in: Europa-Handbuch Band I Die Europäische Union-Politisches System und Politikbereiche, 3. Auflage, ISBN 3-89204-769-3

Siehe auch

Weblinks


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