Einphasen-Dreileiternetz

Einphasen-Dreileiternetz
Schaltung eines Ortstransformators in einem Einphasen-Dreileiternetz
Masttransformator (Ortstransformator) im nordamerikanischen Raum. (SWER-System) Erkennbar die von oben kommende einphasige Mittelspannungsanspeisung. Im vorderen Bereich die drei Sekundäranschlüsse (120 V/240 V). Der „windige“ Aufbau der Anlage ist für jene Länder typisch.

Ein Einphasen-Dreileiternetz ist ein Stromversorgungs-System, das üblicherweise in Nordamerika für Einfamilien-Haushalte und Kleinbetriebe (bis etwa 100 kW) verwendet wird. In Deutschland, Österreich und der Schweiz findet es im Bereich von Bahnstromnetzen Anwendung. Es ist die Wechselstrom-Variante von Edisons altem Dreileiter-Gleichspannungs-System. Da auf zwei Leitern Spannung anliegt, wird es oftmals irrtümlich als „Zweiphasenstrom-System“ bezeichnet. Tatsächlich wird auf beiden Leitern jedoch der gleiche einphasige Wechselstrom übertragen.

Inhaltsverzeichnis

Anschlüsse

Ein Transformator, der ein Einphasen-Dreileiternetz speist, hat hochspannungsseitig eine Primärwicklung für die Außenleiterspannung aus dem Mittelspannungsnetz, das beispielsweise mit 10 kV betrieben wird. Bei sternförmigen Mittelspannungsnetzen mit geerdeten Sternpunkt, wie sie im nord- und mittelamerikanischen Raum wie den USA üblich sind, ist die Primärwindung zwischen einem Außenleiter und dem geerdeten Sternpunkt angeschlossen. Bei dreieckförmigen Mittelspannungsnetzen ohne betriebsmäßig geerdeten Sternpunkt, wie sie in Großbritannien üblich sind, ist die Primärseite zwischen zwei Außenleitern angeschlossen.

In ländlichen ausgedehnten Versorgungsgebieten, insbesondere in Australien, Neuseeland und Kanada, werden Einphasen-Dreileiternetze auf der Oberspannungsseite aus Kostengründen auch nur einpolig aus dem Mittelspannungsnetz versorgt. Als betriebsmäßiger Retourleiter dient auf der Hochspannungsseite die Erdung. Diese Systeme werden als Single-Wire Earth Return (SWER) bezeichnet.[1]

Sekundärseitig ist der Transformator so ausgelegt, dass jeweils zwischen dem Neutralleiter (N) und einem beliebigen der beiden anderen Leiter, L1 oder L2, beispielsweise 120 V Wechselspannung erhält. Diese Spannung ist in den USA und Kanada üblich. Zwischen den beiden Leitern L1 und L2 liegt die doppelte Spannung, also 240 V an. Die Mittelanzapfung auf Sekundärseite wird üblicherweise geerdet. Dieses ist auch nötig, um den Betrieb von Fehlerstromschutzschaltern in Einphasen-Dreileiternetzen zu ermöglichen.

In ländlichen Regionen von Großbritannien werden 230 V / 460 V, Einphasen-Dreileiternetze verwendet, um Bauernhöfe und kleine Gruppen von entlegenen Häusern anzuschließen, wo nur zwei Außenleiter des Mittelspannungsnetzes hingeführt sind. Bei diesen Hausanschlüssen steht dann allerdings kein Dreiphasenwechselstrom („Drehstrom“) zur Verfügung – der Betrieb von beispielsweise Drehstrom-Asynchronmaschinen für landwirtschaftliche Maschinen ist nur durch zusätzliche Schaltungen wie der Steinmetzschaltung oder dem Frequenzumrichter möglich.

In Deutschland und in vielen anderen Regionen in Europa, wo seit den 1950er Jahren alle Haushalte standardmäßig durch ein Dreiphasenwechselstrom-Netz versorgt werden, ist die veraltete Einphasen-Dreileiternetzvariante ungebräuchlich und größtenteils unbekannt.

Dreiphasenerweiterung

Sekundärseitige Schaltung des Ortstransformators bei Erweiterung auf drei Außenleiter
Drei einzelne Masttransformatoren.

Eine vor allem im nordamerikanischen Raum übliche Erweiterung des Einphasen-Dreileiternetzes für den Dreiphasenwechselstrom ist das Delta 4-Wire, High Leg Delta oder auch Red-Leg Delta System. In Europa ist diese Art der Niederspannungsversorgung gänzlich unüblich.

Diese Erweiterung bietet den Vorteil, dass es keiner Änderung für die im amerikanischen Raum üblichen Einphasen-Dreileiteranschlüsse im Bereich der 120 V/240 V bedarf. Zur Versorgung der Ortstransformatoren ist eine Dreiphasenanspeisung aus dem Mittelspannungsnetz nötig.

Sekundärseitig wird der als Drehstromtransformator und im Dreieck geschaltete Ortstransformator, in ländlichen Gebieten meistens in Form dreier einzelner Masttransformatoren, wie in nebenstehender Skizze verschaltet. Die Anschlüsse L1 und L2 und der geerdete Neutralleiter N sind die dem Einphasen-Dreileitersystem entsprechenden Anschlüsse und werden von einem Außenleiter versorgt. Der zusätzliche, vierte Anschluss L3 wird als „High Leg“ bezeichnet und von den restlichen beiden Außenleitern versorgt. Somit ergibt sich zwischen L1, L2 und L3 ein Drehstrom mit 240 V der beispielsweise für Drehstrom-Asynchronmaschinen verwendet werden kann.

Da der geerdete Neutralleiter im Gegensatz zu den in Europa gebräuchlichen Systemen wie dem TT-System nicht im Sternpunkt liegt, sondern an einer Mittelpunktanzapfung einer Wicklung im Dreieck, ergeben sich verschieden hohe Spannungen zwischen den drei Außenleitern L1, L2 und L3 zu dem geerdeten Neutralleiter N:

L1 zu N = 120 V,
L2 zu N = 120 V
L3 zu N ≈ 208 V = 120 V · √3

Aus der höheren Spannung von L3 gegenüber Erde bzw. N leitet sich die Bezeichnungen High Leg ab. Zur Vermeidung von Anschlussfehlern und gemäß Artikel 110.15 in der NFPA 70 ist dieser Anschluss in den Farben Orange oder Rot zu markieren. Die US-amerikanische NFPA 70, auch als „National Electrical Code“ (NEC) bekannt, ist in etwa vergleichbar mit der vor allem in Deutschland üblichen DIN Norm VDE 0100.

Ein Nachteil des High-Leg-Delta-Systems, wie auch bei dem Einphasen-Dreileiternetz, besteht darin, dass die Außenleiter im Mittelspannungsnetz sehr ungleichmäßig belastet werden und es dadurch verstärkt zu Schieflasten kommen kann. Eine Verteilung der einphasigen Verbraucher auf alle drei Außenleiter ist in diesem System nicht möglich und eine Schieflast kann nur über mehrere Ortstransformatorstationen hinweg kompensiert werden. Wegen der Schieflast werden die Transformatoren im nordamerikanischen Raum auch meistens als drei einzelne Einphasentransformatoren, mit ggf. unterschiedlicher Leistung, ausgeführt und nicht zu einem einzelnen Drehstromtransformator mit bei gleicher Leistung kleinerem Kernquerschnitt zusammengefasst.

Weitere Anwendungen

Auch bipolare HGÜ-Anlagen stellen eine Form des Einphasen-Dreileitersystems dar. Allerdings ist hierbei der Neutralleiter im Regelfall nur von der Stromrichterstation zur Erdungselektrode ausgeführt. Die Bahnstromleitung entsprechen ebenfalls einem Einphasen-Dreileiternetz. So beträgt bei den Bahnstromleitungen in Deutschland und Österreich die Spannung zwischen den Leitern 110 kV und zwischen Leiter und Erde 55 kV. Im Unterschied zu Niederspannungsnetzen existiert kein Mittelpunktsleiter. Vielmehr erfolgt eine Erdung des Mittelpunktleiters zwecks Erdschlusskompensation über die Petersenspule in manchen Bahnstrom-Schaltanlagen.

Literatur

  • Terrell Croft, Wilford Summers (ed): American Electricians' Handbook. 11. Auflage. McGraw Hill, New York 1987, ISBN 0070139326, S. 3-10, 3-14 bis 3-22.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. SWER, How does it work?, RuralPower.org, (engl.)

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