Einigungsvertrag

Einigungsvertrag
Basisdaten
Titel: Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands
Kurztitel: Einigungsvertrag
Abkürzung: EinigVtr, EVertr, EV, EiV
Art: Staatsvertrag[1]
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie: Völkerrecht
Fundstellennachweis: 105-3
Datum des Gesetzes: 31. August 1990 (BGBl. 1990 II S. 885, 1055)
Inkrafttreten am: 29. September 1990
Letzte Änderung durch: Art. 109 G vom 8. Dezember 2010
(BGBl. I S. 1864, 1880 ff.)
Inkrafttreten der
letzten Änderung:
15. Dezember 2010
(Art. 112 G vom 8. Dezember 2010)
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.
Beide Exemplare des Einigungsvertrages vereinigt im Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin

Der Einigungsvertrag ist der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die DDR-Staatsauflösung, ihren Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Einheit.

Im Jahre 1990 wurde der Vertrag zwischen beiden deutschen Staaten (→ Deutsche Teilung) ausgehandelt. Verhandlungsführer auf der Seite der Bundesrepublik war Wolfgang Schäuble, auf der Seite der Deutschen Demokratischen Republik Günther Krause.

Inhaltsverzeichnis

Überblick

Der Einigungsvertrag regelte den Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland zum 3. Oktober 1990 (Tag der Deutschen Einheit). Mit dem Wirksamwerden des Beitritts wurden die Länder Ostdeutschlands Länder der Bundesrepublik Deutschland.

Er beinhaltet folgende Punkte:

Voraussetzung für das völkerrechtliche Inkrafttreten des Einigungsvertrages war der Abschluss des Vertrags über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland, kurz Zwei-plus-Vier-Vertrag, in dem die Vier Mächte auf ihr Vorbehaltsrecht verzichteten. Beide Vertragsparteien waren sich daher einig, dass die Festlegungen zur Herstellung der Einheit Deutschlands unbeschadet der zum Zeitpunkt der Unterzeichnung noch bestehenden alliierten Rechte und Verantwortlichkeiten in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes sowie der noch ausstehenden Ergebnisse der Gespräche über die äußeren Aspekte der Herstellung der deutschen Einheit getroffen wurden.[2]

„Der Einigungsvertrag ist zugleich aber auch Verfassungsvertrag […]; denn durch Art. 3 wurde das gesamte (teilweise geänderte) Grundgesetz für den beigetretenen Teil als Verfassung eingeführt. Das alte Verfassungsrecht der DDR wurde beseitigt und durch das Grundgesetz als Verfassung ersetzt mit allen Konsequenzen, die in einer solchen Verfassungsübernahme liegen.“

Klaus Stern: Die geschichtlichen Grundlagen des deutschen Staatsrechts: Die Verfassungsentwicklung vom Alten Deutschen Reich zur wiedervereinigten Bundesrepublik Deutschland, S. 1977[3]

In den Anlagen zum Einigungsvertrag wurde das Inkrafttreten von Rechtsnormen aus der Bundesrepublik im Beitrittsgebiet geregelt. Diese wurden mit wenigen Ausnahmen im Gebiet der ehemaligen DDR unverzüglich mit dem Beitritt in Kraft gesetzt. Bisheriges DDR-Recht trat grundsätzlich gleichzeitig außer Kraft (z. B. das Zivilgesetzbuch und das Familiengesetzbuch der DDR). Ausnahmen hiervon waren einzelne Bestimmungen, die aufgrund der Anlage zum Einigungsvertrag in den neuen Bundesländern als Landesrecht weitergalten, etwa im Bestattungsrecht.

Inzwischen sind solche weiter geltenden Bestimmungen durch neue Landesgesetzgebung ebenfalls weitgehend außer Kraft gesetzt worden.

Verwirklichung der Wiedervereinigung

Für die Herstellung der Deutschen Einheit bot das Grundgesetz zwei verschiedene mögliche Wege: Der Artikel 23 alter Fassung sah vor, dass unter Fortgeltung des Grundgesetzes weitere Teile Deutschlands dem Bundesgebiet beitreten konnten, wie dies 1957 mit dem Saarland geschehen war, während Artikel 146 den gemeinsamen Beschluss einer neuen Verfassung ermöglichte.

Der Einigungsvertrag basiert auf der ersten Möglichkeit: er sieht den Beitritt „der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes am 3. Oktober 1990“ vor und bestimmt, dass mit diesem Zeitpunkt die Länder der DDR Länder der Bundesrepublik Deutschland werden (Art. 1 EV). Zugleich trat für diese das Grundgesetz in Kraft (Art. 3 EV). Es ist offenkundig, dass nicht die neuen Bundesländer dem Geltungsbereich des Grundgesetzes beigetreten sind, da sich diese erst in der Gründung befanden und noch nicht über gewählte Volksvertretungen verfügten (deren Wahl erfolgte erst am 14. Oktober 1990) und die Volkskammer über den Beitritt abstimmte. Demzufolge sollte die DDR als „anderer Teil Deutschlands“ – dass es sich bei der DDR um einen solchen handelte, war nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht zweifelhaft[4] – beitreten. Unbeschadet des Nichtvorhandenseins von Volksvertretungen in den neuen Bundesländern wurden die Länder zeitgleich mit dem Beitritt gegründet.

Beitrittsbedingt ändert Art. 4 EV das Grundgesetz, nämlich insbesondere:

  1. Die neugefasste Präambel verweist anstelle des bisherigen Wiedervereinigungsgebots auf die nun erfolgte Wiedervereinigung: „Die Deutschen in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet. Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk.“
  2. Der damalige Art. 23 GG wird aufgehoben, nachdem es keine deutschen Gebiete mehr gibt, die zum Geltungsbereich des Grundgesetzes beitreten könnten.[5]
  3. Art. 146 GG, der zuvor auf die erwartete Wiedervereinigung verwies und darauf, dass das Grundgesetz bei Beschluss einer neuen Verfassung zu gelten aufhöre, wird neu gefasst: „Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“

Art. 5 des Einigungsvertrages schließlich empfiehlt „den gesetzgebenden Körperschaften des vereinten Deutschlands, sich innerhalb von zwei Jahren mit den im Zusammenhang mit der deutschen Einigung aufgeworfenen Fragen zur Änderung oder Ergänzung des Grundgesetzes zu befassen“.

In weiteren Artikeln werden Fragen des Völkerrechts und der Fortgeltung von DDR-Recht behandelt, des Vermögensübergangs usw. geregelt.

Siehe auch

Fußnoten

  1. Art. 45 Abs. 2 EV bestimmt ausdrücklich, dass der Einigungsvertrag nach Wirksamwerden des Beitritts als Bundesrecht der Bundesrepublik Deutschland fortgilt. Der Einigungsvertrag besteht als Staatsvertrag zwischen dem Bund auf der einen und den neuen Bundesländern sowie dem Land Berlin auf der anderen Seite (s. Andreas Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge, Springer, Berlin 2000, S. 297 f.) bzw. innerstaatlich als staatsrechtlicher Vertrag zwischen der Bundesrepublik und der fiktiven DDR und als Bundesgesetz fort (vgl. Heiko Wagner, Der Einigungsvertrag nach dem Beitritt: Fortgeltung, Bestandssicherheit und Rechtswahrung vor dem Bundesverfassungsgericht (= Schriften zum Öffentlichen Recht; Bd. 657), Duncker und Humblot, Berlin 1994, S. 109, 296).
  2. II. Protokollerklärung zum Vertrag
  3. Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. V: Die geschichtlichen Grundlagen des deutschen Staatsrechts. Die Verfassungsentwicklung vom Alten Deutschen Reich zur wiedervereinigten Bundesrepublik Deutschland, C.H. Beck, München 2000, ISBN 3-406-07021-3, S. 1977.
  4. BVerfGE 36,1 (29). – Die in den Monaten vor dem Beitritt verschiedentlich diskutierte Frage, ob auch die Länder der DDR (oder gar unterhalb der Länderebene angesiedelte Gebietskörperschaften) ein Beitrittsrecht hätten, erledigte sich; hierzu etwa Wolfgang Binne, Verfassungsrechtliche Überlegungen zu einem „Beitritt“ der DDR nach Art. 23 GG, in: JuS 1990, S. 446 (449); Peter Lerche, Der Beitritt der DDR – Voraussetzungen, Realisierung, Wirkung, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.): Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, § 194, S. 403 ff., Rn 45, 47.
  5. „Mit dem Beitritt der DDR ist die Substanz des Wiedervereinigungsziels […] erreicht. Durch die Änderung der Präambel und des Art. 146 GG a.F. sowie die Aufhebung des Art. 23 GG a.F. ist das Wiedervereinigungsziel insgesamt erfüllt. Weitere Gebiete, die beitreten könnten, gibt es weder nach dem geltenden Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland noch nach dem Völkerrecht (…). Für die Einbeziehung anderer Gebiete des Deutschen Reiches in den Grenzen vom 31. Dezember 1937, auf die Art. 23 Satz 2 GG a.F. abgehoben hatte (…), besteht keine Rechtsgrundlage mehr. Die Bundesrepublik Deutschland ist in dem durch ihre Verfassung und das Völkerrecht festgelegten Gebietsumfang identisch mit dem fortbestehenden Deutschen Reich geworden […] [und] trat damit in die Rechts- und Pflichtenstellung des Deutschen Reiches in vollem Umfang ein.“ (Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band V, S. 1964 f.)

Literatur

Weblinks

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