Eigerwand

Eigerwand
Nordansicht des Eigers
Der Thunersee vor Eiger-Nordwand (links), Mönch und Jungfrau

Die Eiger-Nordwand ist eine der grossen Nordwände der Alpen. Die Nordwand des Eigers (3'970 m ü. M.) hat ungefähr eine Höhe von 1'650 Metern. Mit einer Länge von bis zu vier Kilometern zählen die Kletterrouten durch die Wand zu den längsten und ermüdendsten der Alpen; die Gefährdung durch Steinschlag ist gross. Bekannt wurde die Wand vor allem durch die dramatische Geschichte der Besteigungsversuche und Besteigungen. Ein weiterer Grund für das grosse öffentliche Interesse ist, dass die Wand von Grindelwald und noch besser von der per Bahn erreichbaren Kleinen Scheidegg direkt einsehbar ist.

Nachdem zwei der ersten Seilschaften bei einem Durchsteigungsversuch tödlich verunglückt waren, erhielt sie den Beinamen Mordwand. Das bekannteste Drama spielte sich 1937 ab, als alle Bergsteiger der Vierer-Seilschaft von Toni Kurz starben. 1938 gelang der Vierer-Seilschaft mit Heinrich Harrer und Anderl Heckmair die Erstbegehung. Die vorwiegend deutsch-österreichischen Erstdurchsteigungsversuche zur Zeit des Nationalsozialismus wurden wegen ihrer politischen Ausrichtung und ihres Kletterstils stark kritisiert.

Heutige Spitzenalpinisten nutzen die Wand für schnelle Begehungen und die Eröffnung weiterer, schwerster Routen. Mittlerweile führen 33, auch untereinander verbundene Routen durch die Wand, von denen einzelne an den sehr hohen Schwierigkeitsgrad Zehn (X) heranreichen. Benötigten die Erstbegeher noch drei Tage für die Route, so liegt die Rekordzeit seit 2008 bei zwei Stunden und 48 Minuten.

Inhaltsverzeichnis

Lage und Umgebung

Schichtung in der Nordwand

Die Eiger erhebt sich südwestlich von Grindelwald (Amtsbezirk Interlaken, Kanton Bern) und ist Teil der Berner Alpen. Die berühmte Nordseite des Eigers ist in die Nordostwand und die Nordwestwand geteilt, dazwischen befindet sich der Nordpfeiler. Der Mittellegigrat begrenzt die Nordostwand nach Osten und die Nordwestwand endet im Westgrat. Am Fusse der Nordwand verläuft die Grenze des UNESCO-Weltnaturerbes Jungfrau-Aletsch-Bietschhorn. Im Fels hinter der Nordwand führen Teile des Grossen Tunnels der Jungfraubahn auf das Jungfraujoch. In der Wand befindet sich die Aussichtsgalerie der Station Eigerwand. Wie der Eiger, ist die Wand aus Kalkstein des helvetischen Systems aufgebaut. Die Sedimente bilden wechselnde Schichten von Schrattenkalk, Mergel und Tonschiefer und fallen mit 60 bis 70 Grad nach Norden ab.[1] Die Schichtung zeigt sich am Äusseren der Nordwand.

Besteigungsgeschichte

Die Eiger-Nordwand wurde von vielen berühmten Bergsteigern wie Gaston Rébuffat, Hermann Buhl, Kurt Diemberger oder Reinhold Messner durchstiegen. War die Durchsteigung der Wand in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch ein ernstes und prestigeträchtiges Unternehmen, verwandelte sie sich mit fortschreitender Entwicklung von Klettertechnik und Ausrüstung für Spitzenalpinisten in eine Standard- oder Trainingstour. Diese versuchten in den Jahren nach 2007 vorwiegend durch möglichst schnelle Begehungen der Wand auf sich aufmerksam zu machen.

Den Beinamen „Mordwand“ erhielt sie Mitte der 1930er Jahre, nachdem die ersten beiden ernsthaften Durchsteigsversuche tödlich geendet hatten. [2] Seitdem sind in und an der Nordwand 51 Menschen ums Leben gekommen. Zwölf starben nach erfolgreicher Durchsteigung beim Abstieg, die meisten von ihnen in der Westflanke (Stand: April 2007). Zwei Kletterer werden noch vermisst. Bei einem ist fraglich, ob er überhaupt in die Wand eingestiegen ist – von ihm wurde nur das Zelt am Wandfuss gefunden.[3]

Vorgeschichte

Die Eiger-Nordwand von Nordwesten gesehen.

In der alpinen Literatur wird die Eiger-Nordwand zum ersten mal anschaulich in einem Buch von 1864 beschrieben:

„Von den Tausenden, die jährlich unter dem Schatten dieser grandiosen Mauer vorbeigehen, die an Höhe und Steilheit die des Wetterhorns noch übertrifft, ist wohl jeder von dem wilden Abbruch zutiefst beeindruckt. Aber so überwältigend der Anblick dieser Felsabstürze von unten auch sein mag – niemand kann sie richtig einschätzen, der nicht von oben in sie hineingeschaut hat. Nicht einmal in der Dauphiné habe ich einen so jähen, glatten Abbruch gesehen. Ein Stein, der von der Gratkante abbricht, fällt Hunderte Meter hinunter, ohne einmal aufzuschlagen. Es ist fast verblüffend, daß die Westseite dieses massigen Felsberges verhältnismäßig leicht zu begehen ist, während die Nordwand so jäh in die Tiefe stürzt, als ob hier der ganze Berg abgeschnitten wäre. Glatt und absolut unersteigbar [...]“

A. W. Moore: The Alps[4]

Unter Alpinisten wird der Begriff „Nordwand“ häufig mit besonderen Schwierigkeiten und Gefahren assoziiert. In den Alpen weisen steile Wände nur bei nordseitiger Ausrichtung größere Vergletscherungen auf. Durch die fehlende Sonneneinstrahlung dauert es auch länger, bis nach einem Wettersturz die Vereisungen an den felsigen Abschnitten abtauen. In Wänden wie der Eiger-Nordwand löst frisch gefallener Schnee durch die Steilheit bereits bei relativ geringen Neuschneemengen Lawinen aus. Die Eiger-Nordwand wurde von vielen Bergsteigern als eines der „letzten Probleme“ der Alpen betrachtet, vor allem nach der geglückten Begehung anderer Nordwände (Matterhorn und Grandes Jorasses). Im halbrunden Wandaufbau können sich extreme Stürme entwickeln und die Temperaturen auf bis zu –40 °C fallen. Bemerkenswerterweise scheint dabei in der Umgebung die Sonne. Auch bei Einbruch einer typischen Kaltfront aus Nordwesten stellt die Nordseite des Eigers das erste hohe Hindernis dar, und das Wettergeschehen der Front ist hier besonders intensiv.[5][6]

Die Entwicklung des Materials hat entscheidend zur Machbarkeit der Eiger-Nordwand beigetragen. Steigeisen mit bis zu zehn Zacken wurden bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts verwendet. Doch erst mit den seit 1938 verfügbaren zwölfzackigen Modellen wurden Touren im steilen Eis möglich. Bei Verwendung solcher Eisen erübrigte sich das kraftraubende Stufenschlagen im Eis. Allerdings waren zwölfzackige Steigeisen damals sehr teuer.[7] Seit 1911 wurden neben dem Kletterseil auch Fels- und Karabinerhaken verwendet. Erst die damit verbundene Sicherung über Fixpunkte ermöglichte einen Sicherheitsstandard, der die Durchsteigung schwerer Wände erlaubte. Trotz diesen Verbesserungen blieb das Klettern gefährlich, die Sicherungen waren trügerisch. Da das Seil weiterhin ohne Klettergurt um den Körper gebunden wurde, kam es bei grossen Stürzen meist zu schweren inneren Verletzungen.[8]

Versuche und Erstdurchsteigung

Nordost- und Nordwestwand

Die ersten dokumentierten Ambitionen, die Eiger-Nordwand zu durchsteigen, werden dem Ramsauer Bergführer Johann Grill zugeschrieben. Als dieser 1883 mit seinem Gast John P. Farrar auf dem Weg zu einer Jungfrau-Überschreitung war, faszinierte ihn die Wand so sehr, dass er nur mit Mühe von einem Einstieg abgehalten werden konnte. Erstmals stieg der Grindelwalder Bergführer Christen Almer 1911 mit seinem Zermatter Kollegen Joseph Schaler und dem Engländer P. H. Thorp von der Kleinen Scheidegg bis unterhalb der Station Eigerwand, von wo sie mit Hilfe eines Seils nach oben gezogen wurden.[9]

Den ersten ernsthaften Besteigungsversuch unternahmen die drei Sachsen Willy Beck sowie Kurt und Georg Löwinger, die am 17. Juli 1934 in die Nordwand einstiegen und bis zum 19. Juli eine Höhe von 2900 Metern erreichten. Als Willy Beck stürzte und seine Kameraden mitriss, brachen sie den Versuch ab. Sie wurden über die Station Eigerwand geborgen. Die beiden Münchner Bergsteiger Karl Mehringer und Max Sedlmayr starteten am 21. August 1935 und starben fünf Tage später im Schneesturm. Der Punkt, an dem die beiden vom Tal aus mit einem Fernrohr das letzte Mal gesehen wurden, bekam später den Namen Todesbiwak.[9]

Hinterstoisser-Quergang, 2007

Im Juli 1936 befanden sich die Deutschen Toni Kurz und Andreas Hinterstoisser sowie die Österreicher Willy Angerer und Edi Rainer in Wartestellung unterhalb der Nordwand. Sie stiegen am 18. Juli, zunächst als konkurrierende Seilschaften, auf der gleichen Route in die Wand ein. In der Wand schlossen sie sich zusammen. Per fallendem Seilzugquergang gelang Hinterstoisser die Meisterung einer schwierigen Kletterstelle. Er befestigte ein Geländerseil, an dem die anderen folgen konnten. Dieses zogen sie jedoch wieder ab, was sich später als fataler Fehler erwies. Als die Deutschen durch das erste Eisfeld stiegen, fielen die Österreicher zurück, und Angerer zog sich eine Verletzung zu, vermutlich durch Steinschlag. Nach einem gemeinsamen Biwak am Rande des zweiten Eisfeldes setzten sie den Aufstieg fort, kamen aber nur 200 Höhenmeter weiter. Dies bedeutete ein weiteres Biwak. Am folgenden Tag kamen sie weiterhin nur langsam voran und erreichten, gebremst durch den verletzten Angerer, das „Todesbiwak“. Das Quartett beschloss nun, gemeinsam abzusteigen. In der nächsten Biwaknacht kam es zum Wettersturz. Als sie auf dem Rückweg wieder zum Quergang gelangten, hatten die Felsen einen Eisüberzug, und damit war ihnen der Weg abgeschnitten. Einzige Möglichkeit blieb das direkte Abseilen. Sie erreichten eine Stelle oberhalb des Stollenlochs, wo sie vom Bahnwärter entdeckt wurden. Kurze Zeit darauf riss eine Lawine bis auf Toni Kurz alle Bergsteiger in die Tiefe. Wegen der schlechten Bedingungen in der Wand misslangen alle Rettungsversuche, und der Bergsteiger musste eine weitere Nacht ausharren. Zuletzt bekam der geschwächte Kurz den Knoten eines zusammengeknüpften Seils nicht durch seinen Karabiner, so dass er wenige Meter über den Rettern hängend starb.[10]

Matthias Rebitsch versuchte im Jahr 1937 zusammen mit Ludwig Vörg, die Eiger-Nordwand zu durchsteigen. Sie gelangten einige Seillängen über das Todesbiwak und mussten nach einem Wettersturz den Rückzug antreten. Dies war der erste erfolgreiche Rückzug aus grosser Wandhöhe, nachdem sie sich dort vom 11. bis 14. August aufgehalten hatten. Zu Hilfe kam ihnen, dass sie im später nach Hinterstoisser benannten Quergang ein Seil zurückgelassen hatten.

Erstmals durchstiegen wurde die Eiger-Nordwand vom 21. bis 24. Juli 1938 von einer deutsch-österreichischen Seilschaft mit Anderl Heckmair und Ludwig Vörg sowie Heinrich Harrer und Fritz Kasparek. Die beiden Seilschaften waren getrennt in die Wand eingestiegen, als Heckmair und Vörg wegen der Befürchtung schlechten Wetters zunächst wieder abstiegen. Neben Harrer und Kasparek war zu diesem Zeitpunkt eine weitere Seilschaft in der Wand, die aber nach einer Verletzung ebenfalls den Rückzug antrat. Am frühen Morgen des 22. Juni stiegen Heckmair und Vörg erneut in die Wand ein und erreichten Harrer und Kasparek bereits zwischen dem zweiten und dritten Eisfeld. Sie profitierten von den bereits geschlagenen Stufen, waren aber auch durch ihre zwölfzackingen Steigeisen schneller – Kasparek verfügte nur über Zehnzacker und Harrer hatte gar keine Steigeisen. Immer noch getrennt kletterten beide Seilschaften weiter, Heckmair übernahm die Führung. Nachdem sie sich mehrfach schon gegenseitig unterstützt hatten, schlossen sich die Seilschaften nach einem gemeinsam überstandenen Lawinenabgang endgültig zusammen. Nach zwei weiteren Biwaknächten und drei gemeinsamen Klettertagen bei schlechter Witterung und unter ständigen Lawinenabgängen wurde um halb vier Uhr in der Nacht zum 24. Juli der Gipfel des Eigers zum ersten Mal über die Nordwand erreicht.[11][12][13]

Begehungen nach 1938

Eiger und Umgebung bei Nacht. In der Nordwand erkennt man die Beleuchtung der Station Eigerwand

Die erste Wiederholung der Route gelang im Juli 1947 den Franzosen Lionel Terray und Louis Lachenal. Die dritte Begehung unternahmen die Schweizer Hans und Karl Schlunegger und Gottfried Jermann im August desselben Jahres. 1950 wurde die Wand erstmals von den Österreichern Leo Forstlechner und Erich Waschnak an einem Tag, in 18 Stunden, durchstiegen. Als erste Winterbegehung zählt eine umstrittene Tour der Deutschen Toni Kinshofer, Anderl Mannhardt und Toni Hiebeler mit dem Österreicher Walter Almberger im Jahre 1961. Entgegen ihren ersten Behauptungen hatten sie die Wand nicht in einem Zug durchstiegen, sondern in zwei Abschnitten. Zunächst hatten sie bei schlechtem Wetter nur das Stollenloch erklettert und eine Woche später die Tour von dort aus fortgesetzt. Die erste Winterbegehung „in einem Zug“ machten die Schweizer Otto von Almen, Max Dörflinger, Peter Jungen, Hans Müller und Hanspeter Trachsel 1970 auf der Japaner-Direttissima.[9]

Aufsehen erregte 1957 das Corti-Drama. Am 3. August stiegen die Italiener Claudio Corti und Stefano Longhi in die Nordwand ein, verkletterten sich und verloren dadurch einen Tag. So konnten am Hinterstoisser-Quergang die Deutschen Günter Nothdurft und Franz Mayer zu ihnen aufschliessen. Weil die Deutschen ihren Proviantrucksack verloren hatten und Nothdurft erkrankte, schlossen sich die Seilschaften ab dem zweiten Eisfeld zusammen. In der Querung zur Spinne stürzte Longhi ab und landete auf einem Band. Trotz aller Bemühungen konnten die anderen ihn nicht retten, und er musste mit Cortis Biwaksack zurückbleiben. Corti wurde in den Ausstiegsrissen von einem Stein getroffen, stürzte ebenfalls in die Tiefe und wurde am 9. August mit dem Biwaksack der Deutschen zurückgelassen (am heutigen Corti-Biwak). Erst am 11. August konnte er mit einer Stahlseilwinde vom Gipfel aus gerettet werden. Longhi starb am 12. August in der Wand und verblieb dort noch weitere zwei Jahre bis zu seiner Bergung. Nach der erfolgreichen Rettung sah sich Corti Verdächtigungen und Anfeindungen ausgesetzt. Nachdem die weiterkletternden Deutschen vier Jahre verschollen waren, wurde er beschuldigt, die deutschen Kletterer in den Abgrund gestossen und sich ihrer Ausrüstung bemächtigt zu haben. Der Italiener wurde erst rehabilitiert, als man die Leichen der Deutschen 1961 an der Westflanke entdeckte.[14]

1963 gelang dem Schweizer Michel Darbellay die erste Alleinbegehung der Wand auf der Heckmair-Route. Das erste Wintersolo gelang dem Japaner Tsuneo Hasegawa 1978, der allerdings sechs Tage dafür benötigte. Unter fünf Stunden brauchten 1983 unabhängig voneinander Thomas Bubendorfer und Reinhard Patscheider, jeweils in einer Alleinbegehung. Die Leistung Bubendorfers ist jedoch äusserst umstritten, da er die Wand nicht vom Wandfuss aus, sondern aus dem Stollenloch der Jungfraujochbahn beging. Noch schneller waren 2003 der Südtiroler Christoph Hainz mit 4,5 Stunden und im Jahr 2007 der Schweizer Ueli Steck, der 3 Stunden 54 Minuten benötigte. 2008 verbesserte Steck seinen Rekord auf 2 Stunden 47 Minuten.

1974 durchstiegen Reinhold Messner und Peter Habeler die Wand in zehn Stunden, eine Rekordzeit für Seilschaften. Erst 2004 waren Stephan Siegrist und Ueli Steck mit neun Stunden schneller. 2008 steigerten die Schweizer Daniel Arnold und Stefan Ruoss den Rekord auf 6 Stunden und 10 Minuten.[9]

Mit der Münchnerin Daisy Voog durchstieg 1964 in vier Tagen die erste Frau die Nordwand. 1980 gelang der Österreicherin Claudi Heissenberger die erste Frauen-Winterbegehung.[15]

Im Jahr 1999 produzierte das Schweizer Fernsehen in Zusammenarbeit mit dem deutschen Südwestrundfunk die Sendung Eiger-Nordwand Live. Dabei bestiegen die Schweizer Bergprofis Evelyne Binsack, Stephan Siegrist, Hansruedi Gertsch und der Deutsche Ralf Dujmovits am 9. und 10. September den Eiger in 30 Stunden während einer Liveübertragung. Gefilmt wurden sie dabei von Kameras in der Wand, deren Positionen durch Hubschraubereinsatz sehr flexibel waren. Zudem wurde eine fünf Kilometer von der Wand entfernte Kamera verwendet und die Bergsteiger trugen spezielle Helmkameras. Während der Übertragung gab es hohe Einschaltquoten (Schweiz: 63 %[16]) und Zugriffszahlen im Internet.[17] Am 17. und 18. August 2001 stiegen Stephan Siegrist und Michal Pitelka in der historischen Ausrüstung von 1938 durch die Nordwand und wurden von Thomas Ulrich gefilmt.[18]

Kritik an den Besteigungsversuchen um 1935

Nach dem Tod der Seilschaften von 1935 und 1936 begannen kontroverse Diskussionen um die Eiger-Nordwand. Die Bevölkerung der Schweiz, insbesondere im Grossraum um den Eiger, war entzweit. Die einen verlangten ein Verbot der Besteigungen, da der Eiger selbst mit „unmissverständlicher Gebärde“[19] eine Besteigung verböte. Othmar Gurtner bezeichnete 1936 in der Schweizer Zeitung Sport die Seilschaft um Hinterstoisser als „Vermessene […] Desperados, die triebhaft, von irregeleitetem Geltungswahn gejagt, die gewaltigste Wand der Alpen als Beute in den Ehrentempel ihrer neuen Götter tragen wollten.“[20]. Über den missglückten Versuch 1936 schrieb die Neue Zürcher Zeitung: „Die Wanderkletterung fällt nicht mehr in das Gebiet der Bergsteigerei. Sie ist vielmehr eine degenerierte Form der mittelalterlichen Kreuzzüge.[21]. Darüber hinaus wurde den ausländischen Anwärtern das Können und der Verstand für eine erfolgreiche Begehung abgesprochen, einzig Schweizer Bergführer seien dazu befähigt. Eine weitere Meinung war, dass der Wirbel um die Erstbegehung der Nordwand unsinnig sei, da Lauper und seine Begleiter diese bereits bestiegen hätten.[22]

Für diese Abneigung gab es drei Gründe. Einerseits wurde in der Schweiz der Kletterstil, wie er in den Ostalpen geprägt wurde, abgelehnt. Die Ostalpen-Kletterer verwendeten damals Haken und andere Hilfsmittel. Andererseits wurde die nationalsozialistische Ausrichtung sowohl der „Hauptanwärterländer“, wie auch der Hauptanwärter kritisch gesehen. Dazu griffen Aussagen wie: „Die Schweizerführer können doch nix; wir werden die Wand machen!“[23] aus dem Jahr 1936, vom deutschen Nordwand-Kandidat Hans Teufel, das Ehrgefühl der Schweizer an.

Drei Tage nach dem Tod von Toni Kurz erliess die Regierung des Kantons Bern ein Besteigungsverbot der Eiger-Nordwand. Dies war rechtlich jedoch nicht haltbar und wurde deshalb bereits im November 1936 wieder aufgehoben. Dafür wurden die alpinen Rettungsstationen von ihrer Pflicht zur Hilfeleistung an der Eiger-Nordwand entbunden.[24]

Auch in England, der damals führenden Bergsteiger-Nation, wurde die Besteigung der Nordwand kritisiert. Der damalige Präsident des Alpine Club, Colonel Strutt, bezeichnete Anwärter als „Geistesgestörte“ und die gewählte Route als „dümmste Variante“.[25] Anzumerken ist dabei, dass die Engländer damals Bergsteigen als eine Tätigkeit ansahen, die mit der Vernunft vereinbar war. Weder wurden grosse Risiken eingegangen noch waren Besteigungen ohne Bergführer üblich.

Auch in Frankreich wurde Kritik geäussert, jedoch in abgeschwächter Form. In einem französischen Roman beschreibt der Autor 1952 den deutschen Kletterstil der 1930er Jahre als die kompromisslose Suche nach der Direttissima. Dabei würden die Kletterer entweder umkommen oder mit viel Glück irgendwann den Gipfel erreichen.[26]

Weitere Vorwürfe gegen die deutsch-österreichischen Nordwand-Aspiranten waren, sie würden nicht „um des Berges Willen“ kommen, sondern um olympische oder national(sozialistisch)e Ehrungen zu erhalten. Ein Großteil der Kritik war auf Vorbehalte gegenüber der deutschen Nation zurückzuführen, da dort die Nationalsozialisten die Macht ergriffen hatten. Offen bleibt die Frage, warum die unter einem ähnlichen Regime stehenden und mit ähnlichen Methoden Alpinismus betreibenden Italiener weniger kritisiert wurden.[27]

Dagegen sah der ehemalige Zentralpräsident des Schweizer Alpen-Clubs, Robert Schöpfer, die Bemühungen um die Nordwand nicht als Entartung, sondern als vorbildhaft und einer sittlichen Verlotterung entgegenwirkend an. Auch der Wander AG, dem Ovomaltine-Hersteller, war das Treiben an der Nordwand willkommen. Sie warb damit, dass die Erstbesteiger Ovomaltine dabei hatten.[28] Daraus lässt sich schliessen, dass sie eine positive Resonanz in der Schweizer Bevölkerung unterstellten. Nicht alle Schweizer hatten eine Abneigung gegen die Besteigung.

Erstdurchsteigung und Nationalsozialismus

Im Rahmen der Olympischen Spiele von 1936 versprach Adolf Hitler den Erstbesteigern der Eiger-Nordwand eine Goldmedaille.[29] Der deutsche Botschafter in Österreich, Franz von Papen, unterzeichnete am 11. Juli 1936 ein Abkommen mit Österreich, das von Deutschland als Vorstufe zum Anschluss Österreichs gesehen wurde. Die deutschen Propaganda nahm mit Freude die Nachricht auf, dass am Fuss des Eigers Seilschaften aus Deutschland und Österreich darauf warteten, in die Wand einsteigen zu können. Ein gemeinsamer Aufstieg und Gipfelsieg wäre ein willkommenes Symbol auch für einen Zusammenschluss auf politischer Ebene gewesen.[30]

Modell der NS-Ordensburg Sonthofen, bei der Heckmair und Vörg zur Zeit der Erstbegehung angestellt waren.

1938 hatte die NS-Ordensburg Sonthofen Bergführer gesucht, worauf Ludwig Vörg, der bereits Erzieher für Sport an der Ordensburg war, Anderl Heckmair eine Stelle vermittelte. Die beiden erhielten für ihr Vorhaben, die Eiger-Nordwand zu besteigen, von den Vorgesetzten freien dienstlichen Spielraum. Ihnen wurde auch Geld zur Finanzierung angeboten, das sie jedoch ablehnten. Nur ein Angebot zur Vervollständigung der Ausrüstung nahmen sie an. Dadurch konnten sie sich die teure, moderne Ausrüstung leisten.

Bereits 1933 war Heinrich Harrer in den NS-Lehrerbund und die SA eingetreten. 1938 folgte die Aufnahme in die NSDAP und die SS. Beim Gipfelversuch hatte Harrer eine Hakenkreuzflagge bei sich, die wegen starkem Wind nicht auf dem Gipfel gesetzt werden konnte.[29]

Nach der Erstbegehung wurde der Erfolg von der Nazi-Propaganda als „Zeugnis des „unbeugsamen Siegeswillens unserer Jugend“[31] gefeiert. Karl Prusik wird mit den Worten: „Ein Volk, das solche Söhne hat, kann nicht untergehen!“[31] zitiert. Für Hitler war das Unternehmen ein Beweis für die Überlegenheit der deutschen Herrenrasse. In Breslau empfing er das Erstbegeher-Quartett, über dessen Fortschritte in der Wand er sich regelmässig hatte berichten lassen. Im Zentralverlag der NSDAP erschien 1938 das Buch Um die Eiger-Nordwand, in dem die vier Erstbesteiger von ihren Erlebnissen berichten.[29]

Den Vorwurf, die Nordwand „für die Nationalsozialisten“ versucht und durchstiegen zu haben, stritten die Erstbegeher ab. Sie waren sich aber bewusst, dass ein Erfolg ihr weiteres Leben positiv beeinflussen konnte. Harrer beispielsweise hoffte, dass die zuständigen Stellen auf ihn aufmerksam würden und er die Möglichkeit bekäme, an einer Expedition zum Nanga Parbat teilnehmen zu können. Fritz Kasparek bekam nach der erfolgreichen Durchsteigung von Heinrich Himmler persönlich das Angebot, in die SS einzutreten, das er auch annahm.[29]

Routen

Durch die Nordwand führen inzwischen 33 Routen (Stand: August 2008). Die ersten sechs Routen wurden bis 1969 eröffnet. Weitere 16 Routen folgten zwischen 1971 und 1988. Von 1991 bis 2008 entstanden die letzten elf Linien durch die Nordwand. Die Gesamtschwierigkeit aller Routen wird mindestens als sehr schwierig bewertet (SS+). Die Kletterschwierigkeiten bewegen sich zwischen der mittleren Schwierigkeit IV+ und reichen bis zu X-. Letztere Schwierigkeit lässt sich kaum noch steigern.

Heckmair-Route

Die bekannteste und heute übliche Route durch die Eiger-Nordwand ist der Weg der Erstbegeher, die Heckmair-Route. Sie wird mit der Gesamtschwierigkeit AS bewertet und beim Klettern muss der V. Schwierigkeitsgrad beherrscht werden. Den Bergsteiger erwarten zwei bis drei Tage Kletterei, die Länge der Tour kommt durch die vielen Quergänge zustande; aus der Wandhöhe von 1650 Metern wird eine Kletterstrecke von vier Kilometern.[32]

Die Heckmair-Route

Insgesamt befinden sich an der Route 17 markante, benannte Stellen. Nach dem Einstieg westlich des Ersten Pfeilers führt die Route relativ direkt in der Wand nach oben, bevor sie auf das Stollenloch zu nach Westen abknickt. Auf der Höhe des Stollenlochs wendet man sich nach Osten. Nach einer erneuten Richtungsänderung wird der Schwierige Riss erreicht, der für die Kletterer Schwierigkeiten von V, A0 bereithält und die erste Schlüsselstelle der Route ist. Aufsteigend folgt die Linie dem Verlauf der Roten Fluh, einer hellen glatten Wandstelle, ohne diese zu betreten. So erreicht der Bergsteiger den Hinterstoisser-Quergang. Die 30 Meter breite Felsplatte ist mit Fixseilen gesichert, so dass ein Klettermanöver wie das des Plattenerstbegehers Hinterstoisser nicht mehr nötig ist. Nach dem Quergang schliesst sich das Schwalbennest an, ein beliebter Biwakplatz nach dem ersten Viertel der Kletterstrecke. Über das erste Eisfeld und den Eisschlauch strebt die Route dem zweiten Eisfeld zu. Nach dessen Bewältigung verläuft die Strecke in östlicher Richtung auf das Bügeleisen zu, ein Felssporn, der das zweite und das dritte Eisfeld voneinander trennt. Etwas weiter oben erreichen die Besteiger das Todesbiwak. Der Name dieses beliebten Biwakplatzes nach halber Kletterstrecke ist darauf zurückzuführen, dass dort die Deutschen Mehringen und Sedelmayr zum letzten Mal lebend gesehen wurden. An das Todesbiwak schliesst sich das dritte Eisfeld an, und der Weg führt in die Rampe. In dieser befindet sich der Wasserfallkamin (Schwierigkeit V, A0), nach dessen Durchkletterung das Rampeneisfeld folgt. Über das Brüchige Band (Brüchiger Riss) gelangt man nach Westen querend zum Götterquergang. An dessen Ende wartet die Spinne, ein Firnfeld in der Gipfelwand. Firncouloirs, die von oben her in die Spinne führen, und solche, die nach unten aus der Spinne herausführen, vermitteln den Eindruck einer riesigen Spinne. Der Route nach oben folgend, erreicht der Kletterer die Ausstiegsrisse und steigt weiter zum Corti-Biwak. Hier hatte Claudio Corti bis zu seiner Rettung ausgeharrt. Der Aufstieg verläuft nach oben zum Gipfeleisfeld, von dem aus die Heckmair-Nordwandroute auf dem Mittellegigrat endet. Diesem aufwärts folgend wird der Gipfel erreicht.[33][32]

Rekordzeiten-Entwicklung der Heckmair-Route

Benötigten die Erstbegeher im Jahr 1938 drei Tage für diese Route, so liegt die Rekordzeit seit 2008 bei zwei Stunden und 48 Minuten. Alleinbegeher erreichen kürzere Durchstiegszeiten, da sie keine Zeit für die Partnersicherung aufwenden müssen.

Alleinbegeher[34]
Jahr Bergsteiger Dauer Anmerkungen
1963 Michel Darbellay 2 Tage
1981 Ueli Bühler 8 Std. 30 Min.
1982 Francek Knez 6 Std.
1983 Thomas Bubendorfer 4 Std. 50 Min. Route bekannt
Reinhard Patscheider 5 Std. On Sight
2003 Christoph Hainz 4 Std. 30 Min.
2007 Ueli Steck 3 Std. 54 Min. Winter
2008 Ueli Steck 2 Std. 48 Min. Winter
Seilschaften[34]
Jahr Bergsteiger Dauer Anmerkungen
1938 Anderl Heckmair
Ludwig Vörg
3 Tage
1947 Hans Schlunegger
Karl Schlunegger
2 Tage
1950 Erich Waschak
Leo Forstlechner
18 Std.
1974 Reinhold Messner
Peter Habeler
10 Std.
2004 Stephan Siegrist
Ueli Steck
9 Std.
2008 Simon Anthamatten
Roger Schäli
6 Std. 50 Min. Winter
2008 Daniel Arnold
Stephan Ruoss
6 Std. 10 Min. Winter

Weitere Routen

Die Routen von 1932–1969

Die im Folgenden genannten Schwierigkeitsgrade sind unter SAC-Berg- und -Hochtourenskala (AS und andere) sowie Kletterschwierigkeiten (V, 7c, A2 und andere) zu finden.

Nach der Durchsteigung der Nordwand dauerte es 28 Jahre, bis 1966 eine neue Route in der Wand eröffnet wurde. Das internationale Team benannte diese neue Route (Schwierigkeit AS+) nach ihrem tödlich abgestürzten Kameraden John-Harlin-Direttissima. Zwei Jahr später wurde im Sommer der Nordpfeiler (Kante zwischen Nordwand und Nordostwand) erstbegangen. Zunächst stieg ein polnisches Team in die Nordwand ein und kletterte zum Nordpfeiler, um etwas östlich von diesem in die Lauper-Route (nach dem Anführer der Erstbegeher-Seilschaft: Hans Lauper) zu gelangen. Die direkte Begehung vom Fuss des Nordpfeilers (SS) gelang einen Tag später Reinhold und Günther Messner, Toni Hiebeler und Fritz Maschke, ebenfalls etwas östlich. 1969 folgte die Japaner-Direttissima (AS+), eine durch den Einsatz von viel Material und Zeit erkämpfte direkte Linie zum Gipfel.

1970 gelang einem schottischen Team mit der Schotten-Route (AS) die Begehung direkt über den Nordpfeiler. Es dauerte weitere sechs Jahre, bis 1976 Tschechen die Tschechen-Route (EX) eröffneten. Sie geht in Höhe des Stollenlochs aus der Heckmair-Route hervor und strebt über den Westteil der Roten Fluh dem Westgrat zu, wo sie endet. Zwei Jahre später eröffneten Tschechen eine weitere Route, die Zweite Tschechen-Route, die aus der John-Harlin-Direttissima beginnt und über den Nordpfeiler in der Lauper-Route mündet. 1979 begingen zwei Schweizer den erstmals den Genferpfeiler und nannten die Route, die auf dem Westgrat endet, Les Portes du Chaos (AS, V).

Die Routen von 1970–1988

Im Juli 1980 wurde der untere, direkte Westgrat erstbegangen. Drei Schweizer durchkletterten 1981 über den Genferpfeiler die Nordverschneidung (AS, VII-), eine für die natürlichen Gegebenheiten logische Route. 1982 wurden im Westteil der Wand von dem slowenischen Solokletterer Knez (SS+, IV+) und den Schweizern Ochsner-Brunner (SS+, V) zwei neue Routen erschlossen. Drei neue folgten 1983: Ein Slowake eröffnete zunächst solo die Ideal-Direttissima (AS), danach folgte die erste richtige Sportkletterroute Spit verdonesque édenté (EX, VIII, A1 oder X-) im Westteil der Wand und zuletzt die Piola-Ghilini-Direttissima (EX-) über den markantesten Pfeiler westlich der Roten Fluh. 1985 wurden wiederum zwei neue Routen erstbegangen, zunächst der Hiebeler-Gedächtnisweg, der aus der unteren Heckmair-Route hervorgeht, nach Osten in die Wandmitte zieht und dann östlich der Tschechen-Route auf den Westgrat führt, anschliessend die Slowenen-Route (AS, VII) im Ostteil der Wand über den Nordpfeiler in die Lauper-Route. Im Jubiläums-Jahr 1988 wurden die drei letzten Routen der 1980er-Jahre erschlossen. Aus den Portes du Chaos eröffneten zwei Schweizer die Route Eigersanction (AS, VII-; benannt nach dem Film aus dem Jahr 1975). Etwas weiter östlich davon erkletterte eine Gruppe Indonesier im Expeditionsstil die Linie Gelber Engel (EX, VII). Ähnlich der direkten Westgratroute eröffneten wiederum zwei Schweizer die Route Löcherspiel, welche sie nach den Löchern im Fels benannten.

Die Routen von 1991–2008

Jeweils am Anfang und am Ende der 1990er Jahre wurden zwei weitere Routen erstbestiegen. 1991 durchstieg ein amerikanischer Sologänger die Route Métanoïa. Diese führt zwischen Heckmair-Route und John-Harlin-Diretissima in die Ideal-Direttissima. 1992 vervollständigten zwei Schweizer ihre Route Le Chant du Cygne (EX, VII) am Genferpfeiler, die sie im Jahr zuvor begonnen hatten. Von Italienern wurde 1998 zwischen Nordverschneidung und Eigersanction die Route Yeti (EX+, IX+) geklettert. 1999 verbanden zwei Deutsche die Chant du Cygne durch die Symphonie de liberté (EX+, X-) mit der Spit verdonesque.

Vom Stollenloch aus kletterten zwei Schweizer 2000 relativ direkt über die Rote Fluh nach oben und nannten den Weg La Vida es Silbar (franz. 7c, IX+). Die Route Deep blue sea (EX+, IX-) westlich der Spit verdonesque hat ihren Namen von dem bläulichen Schimmer des Gesteins, in dem sie verläuft. Sie wurde 2001 von zwei Schweizern erstbegangen. Im Herbst desselben Jahres folgte die direkte Nordwand-Route The Young Spider (EX+, 7a/A2, WI6, M7). 2002 folgte der Griff ins Licht (7c, M5) am Nordpfeiler und 2006 die Russen-Direttissima. 2003 ging aus der Yeti die Route Magic Mushroom (7c; benannt nach einem pilzförmigen Felspfeiler, auf dem die Route endet) vom Dynamitloch aus auf den Westgrat hervor. Paciencia (8a oder X-) ist die 33. Route in der Nordwand. Die Erstbegeher versuchten seit der Erstbegehung dieser Route im Jahr 2003, diese rotpunkt zu klettern, bevor sie ihr einen offiziellen Namen gaben. Dies gelang schliesslich im August 2008.[35]

Rettungen

Rettungshubschrauber der REGA

Die ersten Rettungsaktionen in der Eiger-Nordwand erfolgten mit Hilfe der Wandöffnungen des Stollens der Jungfraubahn. Als 1936 die verunglückte Seilschaft um Hilfe rief, wurden sie vom Bahnwärter oberhalb des Stollenlochs gehört. Die Bergretter gelangten per Sonderzug zum Stollenloch und von dort in die Wand. Sie konnten Toni Kurz jedoch nicht mehr retten. Beim Klettern entlang der Heckmair-Route ist das Stollenloch eine beliebte Rückzugsmöglichkeit im Falle von unvorhergesehenen Schwierigkeiten.

Mit steigender Beliebtheit der Wand bei Alpinisten aus aller Welt nahm auch die Zahl der Unglücksfälle zu, die jedoch nicht alle tödlich endeten. Vor Einführung der Luftrettung kamen Stahlseilwinden zum Einsatz, die die Retter auf den Gipfel trugen. Nach ihrer Installation wird ein Mann die Wand hinabgelassen, der den Verletzten in einem Spezialsitz auf den Rücken nimmt und mit ihm nach oben gezogen wird. Die bekannteste Rettung mit Stahlseilwinden ist die von Claudio Corti, der 370 Meter nach oben geholt wurde.[14] Seit 1965 erleichtert der Einsatz von Helikopteren, mit denen Mensch und Material auf den Eigergletscher geflogen werden, die Rettungseinsätze. Die erste Bergung mit einem Hubschrauber direkt aus der Nordwand gelang 1967 – allerdings von tödlich abgestürzten Bergsteigern. 1970 wurde das letzte Mal die Stahlseilrettung eingesetzt. Die ersten lebenden Bergsteiger wurden mit einer Luftrettung 1971 aus der Wand geborgen. Insgesamt wurden bis 1987 25 Luftrettungen durchgeführt. Eine weitere Verbesserung der Luftrettung am Eiger war die Einführung einer Longline im Jahr 1990, eines variablen, bis zu 227 Meter langen Taus, mit dem der Retter an den Hubschrauber gehängt wird. 1994 wurden mit dieser Methode erstmals Kletterer aus dem oberen Teil des Genferpfeilers geborgen. Luftrettungen sind wegen Steinschlag und Wind nicht ungefährlich. [36]

Nordwand in Literatur und Film

Es wurden rund 50 fiktive Werke verfasst, die den Eiger und größtenteils die Eiger-Nordwand zum Thema haben. Darunter befinden sich Romane, Erzählungen, Schauspiele, Gedichte sowie ein Epos, und ein Comic. 1936 erschien nach dem Tod der Kurz-Seilschaft das Versepos Das Drama am Eiger von Theo Lütolf, das ein fiktives Tagebuch von Toni Kurz darstellt. 1938 schrieb Gustav Renker den Roman Schicksal in der Nordwand, in dem die Nordwand Symbol für den Kampf zwischen Mensch und Natur ist. Neun Werke wurden in der zweiten Phase der „Eiger-Sensation“ von 1956 bis 1966 verfasst. 1956 schrieb Ernst Nobs die Novelle Die Wand, in der eine US-Amerikanerin die Wand durchsteigen will. Oswald Frey veröffentlichte 1959 das Buch Im Schatten der großen Wand über den realen Bergsteiger Alfred Derung. Der Roman Die Nordwand von Otto Zinniker sucht nach Erklärungen, weshalb Menschen extrem bergsteigen. Das Corti-Drama wird 1960 in Eigerjagd (Originaltitel: The Man on the End of the Rope) durch Paul Townend aufgearbeitet, der die Rolle der Presse im Nordwand-Rummel kritisch hinterfragt. Die Corti-Thematik greift auch Whit Masterson 1963 in Man on a Nylon String auf, wobei der Held des Buches den am Berg hängenden Douglas Holden (alias Longhi) aus der Wand bergen will. 1970 erschien Im Auftrag des Drachen (Originaltitel: The Eiger Sanction) vom Pseudonym Trevanian, ein Spionagekrimi bei dem in der Nordwand gekämpft wird. In Bob Langleys Thriller Traverse of the Gods von 1980 findet die Hauptperson in der Nordwand einen deutschen Wehrmachtssoldaten. 1983 verknüpft der Ire Dermot Somers in der Kurzgeschichte Einbruch der Dunkelheit die höllische Nordwand mit der Apokalypse eines Atomkrieges. Im Buch La face de l’ogre von der Französin Simone Desmaison bekommt der Leser Einblicke in die Psyche von Bergsteigern sowie deren Frauen, die am Einstieg zurückbleiben. Die 2000 und 2007 erschienen Bücher Flash-back sur l'Eiger und The Fall von Daniel Grevoz und Simon Mawer lassen die Hauptpersonen auf den Spuren Toni Kurz klettern.[37]

Auch in einigen Filmen spielt die Nordwand eine mehr oder weniger zentrale Rolle. Es gibt einige Dokumentar- und Spielfilme, die sich mit der Eiger-Nordwand befassen oder diese eine Kulisse bildet. Das erste Mal gefilmt wurde die Wand 1936 für das Werk Die Eiger-Nordwand. Im Rahmen der Bergung von Toni Kurz begleitete Max Hermann die Retter mit einer Kleinkamera durch die Wand. Besonders attraktiv schien die begleitende Verfilmung einer realen Durchsteigung der Nordwand auf der Heckmair-Route. Zunächst waren dafür die technischen und bergsteigerischen Probleme zu groß, so dass mehrere Versuche scheiterten, so 1958 und 1959. Ersatzweise wurden die Bergsteiger in der Nordwand von den Graten aus gefilmt. Es gelang schließlich Leo Dickinson 1970, der damit den Film Out of the Shadows into the Sun schuf. Eine andere Dokumentation ist der Film Nordwand – Mordwand, bei dem eine 1988 durchgeführte Besteigung gefilmt wurde. Dazwischen erzählen Heinrich Harrer und Anderl Heckmair von ihrer Besteigung. Es entstanden auch mehrere Dokumentarfilme, in denen vor allem die historischen Ereignisse von 1935 und 1936 nachgestellt wurden. 1962 drehte Luis Trenker seinen letzten Film Sein bester Freund am Eiger und stellte darin die Durchsteigung der Nordwand dar. Mit und von Clint Eastwood wurde das Buch Im Auftrag des Drachen unter dem gleichem Namen verfilmt. Den Höhepunkt der Spielfilme setzte 2008 der Film Nordwand von Philipp Stölzl. Dabei wurde das Drama 1936 für das Kino aufbereitet. Neueres Filmmaterial gibt es auch von den Begehungen im Rahmen der Sendung Eiger-Live 1999, zudem wurde eine Begehung in historischer Kleidung und Ausrüstung im Jahr 2000 gefilmt. Der aktuellste Dokumentarfilm ist Michael Gambons IMAX-Film über die Schweizer Alpen, der eine Durchsteigung der Nordwand des Jahres 2007 festhält.[18]

Literatur

  • Daniel Anker (Hrsg.): Eiger – Die vertikale Arena. 4. überarb. Auflage. AS Verlag, Zürich 2008, ISBN 3-905111-51-9.
  • Daniel Anker, Rainer Rettner: Corti-Drama – Tod und Rettung am Eiger 1957–1961. AS Verlag, Zürich 2007, ISBN 978-3-909111-33-6.
  • Heinz von Arx (Hrsg.), Benjamin Herrmann (Hrsg.): Nordwand – Das Drama des Toni Kurz am Eiger. AS Verlag, Zürich 2008, ISBN 978-3-909111-57-2.
  • Heinrich Harrer: Die weisse Spinne. Das große Buch vom Eiger. 5. Auflage. Ullstein Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-548-36229-X.
  • Rainer Rettner: Eiger – Triumphe und Tragödien. 1932–1938. AS Verlag, Zürich 2008, ISBN 978-3-909111-49-7.
  • Thomas Ulrich: Eiger-Nordwand: Mit Nagelschuhen und Hanfseil auf den Spuren der Erstbegeher. AS Verlag, Zürich 2003, ISBN 3-905111-86-1.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Toni P. Labhart: Geologie der Schweiz. 5. überarb. Auflage. Ott Verlag, Thun 2001 (S.78ff)
  2. Daniel Anker (Hrsg.): Eiger – Die vertikale Arena. 4. überarb. Auflage. AS Verlag, Zürich 2008 (S.12)
  3. Daniel Anker (Hrsg.): Eiger – Die vertikale Arena. 4. überarb. Auflage. AS Verlag, Zürich 2008 (S.302f)
  4. Zitiert nach Heinrich Harrer: Die weisse Spinne. Seite 21, siehe Literatur
  5. Ralf-Peter Märtin: Exkurs drei: Eiger oder Tod. In: Ralf-Peter Märtin: Nanga Parbat. Wahrheit und Wahn des Alpinismus. Bvt Berliner Taschenbuch Verlag, Berlin 2004, (S. 202) ISBN 978-3-833300-93-6
  6. Roman Büttner: Alptraum der Alpen. 2008 (einestages.speigel.de)
  7. Ralf-Peter Märtin: Exkurs drei: Eiger oder Tod. In: Ralf-Peter Märtin: Nanga Parbat. Wahrheit und Wahn des Alpinismus. Bvt Berliner Taschenbuch Verlag, Berlin 2004, (S. 213)
  8. 3sat: Aufrüstung: Der Weg auf die höchsten Gipfel. 2008 Abgerufen am 24. April 2008
  9. a b c d Daniel Anker (Hrsg.): Eiger – Die vertikale Arena. 4. überarb. Auflage. AS Verlag, Zürich 2008 (S.281ff)
  10. Rainer Amstädter: Hinterstoisser-Quergang – Helden oder Opfer. In: Daniel Anker (Hrsg.): Eiger – Die vertikale Arena. 4. überarb. Auflage. AS Verlag, Zürich 2008 (S.77ff)
  11. Heinrich Harrer: Die Weisse Spinne. Seite 71–131, siehe Literatur
  12. Anderl Heckmair: Ausstiegsrisse – Die Durchsteigung 1938. In: Daniel Anker (Hrsg.): Eiger – Die vertikale Arena. 4. überarb. Auflage. AS Verlag, Zürich 2008 (S.228ff)
  13. Wege der Erstbesteiger (einestages.spiegel.de) PDF, Abgerufen am 12. Januar 2009
  14. a b Horst Höfler: Corti-Biwak – Der Überlebende hat Recht. In: Daniel Anker (Hrsg.): Eiger – Die vertikale Arena. 4. überarb. Auflage. AS Verlag, Zürich 2008 (S.238ff)
  15. Daniel Anker (Hrsg.): Eiger – Die vertikale Arena. 4. überarb. Auflage. AS Verlag, Zürich 2008 (S.108)
  16. Alpinismus und Wirtschaft: Gegenpole oder Partner? (mountainfuture.at) Abgerufen am 13. Januar 2009
  17. Freddy Widmer: Die Schau-Wand – Eiger-Nordwand Live. In: Daniel Anker (Hrsg.): Eiger – Die vertikale Arena. 4. überarb. Auflage. AS Verlag, Zürich 2008 (S.149ff)
  18. a b Markus Schwyn: Bügeleisen – Das Unmöglich filmen. In: Daniel Anker (Hrsg.): Eiger – Die vertikale Arena. 4. überarb. Auflage. AS Verlag, Zürich 2008 (S.148)
  19. Zitiert nach Othmar Gurtner, 1937 aus: Daniel Anker: Schwieriger Riss – Eine Wand entzweit das Land. In: Daniel Anker (Hrsg.): Eiger – Die vertikale Arena. 4. überarb. Auflage. AS Verlag, Zürich 2008 (S.64)
  20. Daniel Anker: Schwieriger Riss – Eine Wand entzweit das Land. In: Daniel Anker (Hrsg.): Eiger – Die vertikale Arena. 4. überarb. Auflage. AS Verlag, Zürich 2008 (S.64)
  21. Ralf-Peter Märtin: Exkurs drei: Eiger oder Tod. In: Ralf-Peter Märtin: Nanga Parbat. Wahrheit und Wahn des Alpinismus. Bvt Berliner Taschenbuch Verlag, Berlin 2004, (S. 213)
  22. Meinung eines Freundes Hans Laupers, 1936 in der NZZ aus: Daniel Anker: Schwieriger Riss – Eine Wand entzweit das Land. In: Daniel Anker (Hrsg.): Eiger – Die vertikale Arena. 4. überarb. Auflage. AS Verlag, Zürich 2008 (S.66)
  23. Daniel Anker: Schwieriger Riss – Eine Wand entzweit das Land. In: Daniel Anker (Hrsg.): Eiger – Die vertikale Arena. 4. überarb. Auflage. AS Verlag, Zürich 2008 (S.66)
  24. Daniel Anker: Schwieriger Riss – Eine Wand entzweit das Land. In: Daniel Anker (Hrsg.): Eiger – Die vertikale Arena. 4. überarb. Auflage. AS Verlag, Zürich 2008 (S.64ff)
  25. Sylvain Jouty: Einstieg – Die Faszination der Eigernordwand. In: Daniel Anker (Hrsg.): Eiger – Die vertikale Arena. 4. überarb. Auflage. AS Verlag, Zürich 2008 (S.13)
  26. René Daumal: Le Mont Analogue. Roman d'aventures alpines, non euclidiennes et symboliquement authentiques. 1952
  27. Sylvain Jouty: Einstieg – Die Faszination der Eigernordwand. In: Daniel Anker (Hrsg.): Eiger – Die vertikale Arena. 4. überarb. Auflage. AS Verlag, Zürich 2008 (S.20ff)
  28. Daniel Anker: Schwieriger Riss – Eine Wand entzweit das Land. In: Daniel Anker (Hrsg.): Eiger – Die vertikale Arena. 4. überarb. Auflage. AS Verlag, Zürich 2008 (S.68ff)
  29. a b c d Rainer Amstädter: Spinne – Hitler kletterte mit. In: Daniel Anker (Hrsg.): Eiger – Die vertikale Arena. 4. überarb. Auflage. AS Verlag, Zürich 2008 (S.220ff)
  30. Rainer Amstädter: Hinterstoisser-Quergang – Helden oder Opfer. In: Daniel Anker (Hrsg.): Eiger – Die vertikale Arena. 4. überarb. Auflage. AS Verlag, Zürich 2008 (S.77f)
  31. a b Rainer Amstädter: Spinne – Hitler kletterte mit. In: Daniel Anker (Hrsg.): Eiger – Die vertikale Arena. 4. überarb. Auflage. AS Verlag, Zürich 2008 (S.223)
  32. a b Info: Eiger (Tourenbuch auf alpin.de) Abgerufen am 12. Januar 2009
  33. Daniel Anker (Hrsg.): Eiger – Die vertikale Arena. 4. überarb. Auflage. AS Verlag, Zürich 2008 (S.6)
  34. a b Daniel Anker (Hrsg.): Eiger – Die vertikale Arena. 4. überarb. Auflage. AS Verlag, Zürich 2008 (S.195)
  35. Daniel H. Anker: Rote Fluh – Die alpinistische Erschliessung der Nordseite. In: Daniel Anker (Hrsg.): Eiger – Die vertikale Arena. 4. überarb. Auflage. AS Verlag, Zürich 2008 (S.90ff)
  36. Marco Bomio: Zweites Eisfeld – Rettungen in der dritten Dimension. In: Daniel Anker (Hrsg.): Eiger – Die vertikale Arena. 4. überarb. Auflage. AS Verlag, Zürich 2008 (S.130ff)
  37. Daniel Anker: Götterquergang – Drama an der Bücherwand. In: Daniel Anker (Hrsg.): Eiger – Die vertikale Arena. 4. überarb. Auflage. AS Verlag, Zürich 2008 (S.210ff)

46.5788898.0063897Koordinaten: 46° 34′ 44″ N, 8° 0′ 23″ O; CH1903: (643520 / 158781)


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