Egon Brunswik

Egon Brunswik

Egon Brunswik (* 18. März 1903 in Budapest; † 7. Juli 1955 Suizid in Berkeley (Kalifornien)) war ein US-amerikanischer Psychologe österreichisch-ungarischer Herkunft.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Egon Brunswik ging als Kind nach Wien auf die Theresianische Akademie. Anschließend studierte er Ingenieurwissenschaften an der Technischen Hochschule Wien, wandte sich dann aber der Psychologie zu und studierte sie zusammen mit Paul Felix Lazarsfeld und Konrad Lorenz an der Universität Wien. 1927 promovierte er bei Karl Bühler. Bei einer Gastdozentur in Ankara 1931/32 gründete er das erste psychologische Laboratorium der Türkei. Während seiner Assistenzzeit in Wien lernte er Edward Tolman kennen, der 1933 in Wien Gast war. 1934 habilitierte sich Brunswik mit seinem Werk 'Wahrnehmung und Gegenstandswelt' und erhielt 1936 durch Tolman einen Ruf an die Berkeley University in Kalifornien. 1937 heiratete er dort die Psychoanalytikerin und Sozialpsychologin Else Frenkel, die er bereits aus Wien kannte.

Arbeitsthemen

Brunswik betont die Bedeutung der Umwelt für das nach gültigen Informationen suchende Subjekt. Derselbe Gegenstand wird vom Subjekt immer wieder verschieden wahrgenommen, sodass es über die verschiedenen Informationen Schlüsse auf die Eigenart des Gegenstands machen muss: Die Umwelt ist nicht direkt wahrnehmbar, sondern muss erschlossen werden. Bildlich geht also vom Umweltobjekt ein "Fächer" an Hinweisreizen aus, die vom Beobachter wieder für ein Urteil zusammengeführt werden: die Brunswiksche Linse. Damit wird deutlich, dass Wahrnehmung immer auf durch Vorerfahrungen und Gewichtungen basierenden Schlüssen über eine probabilistische Umwelt beruht. (siehe auch Fuzzy-Logik). Dies wird als 'probabilistischer Funktionalismus' bezeichnet.

Brunswik fragt dann, warum wir dennoch zu recht zuverlässigen Schlüssen über unsere Umwelt kommen und weist nach, dass verschiedene Hinweisreize einander ersetzen können. Konsequenterweise lehnt er Laborversuche, die gerade das Ausschalten solch anderer Variablen zum Kern ihres Vorgehens machen, als künstlich und ökologisch nicht aussagefähig ab. Er wird so ein Begründer ökologischer Ansätze in der Psychologie und zugleich über das schlussfolgernde Subjekt ein früher kognitiver Psychologe.

Das Brunswiksche Linsen-Modell hat sich als Strukturmodell für Themen wie Wahrnehmung, Lernen, Entscheidung, Neugier und Kommunikation als äußerst produktiv erwiesen. In seinen Grundzügen beruht es auf Vorstellungen von Fritz Heider, welche er in seinem Buch 'Ding und Medium' darlegte. Es wurde in verschiedenen Theorien wie der Social Judgement Theorie (SJT) aufgegriffen und weiterentwickelt und 1964 durch Albert William Tucker mathematisiert. In dieser Form wird es bis heute für grundlegende Forschungsdesigns verwendet.

Werke (Auswahl)

  • 1934: Wahrnehmung und Gegenstandswelt: Grundlegung einer Psychologie vom Gegenstand her. Leipzig: Deuticke
  • 1935: Experimentelle Psychologie in Demonstrationen. Wien: Springer
  • 1935: The Organism and the Causal Texture of the Environment. Psychol. Rev., 42, 43-77. (E. Tolman &)
  • 1939: Probability as a determiner of rat behavior. J.exp.Psychol. 25
  • 1939: The conceptual focus of systems. In: M.H. Marx (Ed.): Psychologicals theory. New York: MacMillan 1951
  • 1943: Organismic achievement and environmental probability. Psychological Review, 50, 255-272
  • 1947: Perception and the representative design of psychological experiments. Berkeley: University of California Press 1956
  • 1952: The conceptual framework of psychology. Chicago

Literatur

  • K.R. Fischer & F. Stadler (Hrsg.)(1997). Wahrnehmung und Gegenstandswelt: Zum Lebenswerk von Egon Brunswik (1903-1955), Wien: Springer
  • Kenneth R. Hammond (Ed.) (1966). The Psychology of Egon Brunswik. New York: Holt.
  • Kenneth R. Hammond & T.R. Stewart (Eds.) (2001). The Essential Brunswik. Cary, NC: Oxford University Press.
  • Edward Tolman (1956). Egon Brunswik: 1903-1955 American Journal of Psychology, 69, 2, 315-324
  • Bernhard Wolf (1995). Brunswik und ökologische Perspektiven in der Psychologie. Weinheim

Weblinks


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