Effizienzmarkthypothese

Effizienzmarkthypothese

Die fundamental geprägte Effizienzmarkthypothese (engl. Efficient Market Hypothesis, kurz EMH) wurde 1970 von Eugene Fama[1] als mathematisch-statistische Theorie der Volkswirtschaftslehre zusammengefasst. Sie besagt, dass die Finanzmärkte in dem Sinne effizient sind, dass vorhandene Informationen bereits eingepreist sind und somit niemand in der Lage zu dauerhaft überdurchschnittlichen Gewinnen ist.

Inhaltsverzeichnis

Grundlagen

Die Effizienzmarkthypothese geht also davon aus, dass alle Marktteilnehmer – also Käufer ebenso wie Verkäufer – vollständig rational und auf der Basis gleicher Informationen agieren und die Summe dieser Informationen jederzeit bereits in den Kursen verarbeitet ist. Kein Teilnehmer wäre also in der Lage, den Markt auf Dauer zu schlagen.

Ihre Verfechter verstehen die Preisbildung auf komplexen Finanzmärkten ähnlich wie jene auf traditionellen Märkten. Wie zum Beispiel Kartoffeln auf einem Bauernmarkt: Angebot und Nachfrage sowie Eckdaten über die zukünftige Verfügbarkeit von Kartoffeln reichen aus, um einen fairen Preis zu errechnen. Droht etwa ein schlechtes Jahr für Kartoffelbauern mit extremer Trockenheit, werden die Preise steigen.

Man unterscheidet drei Kernaussagen dieser Hypothese:

  1. schwache Hypothese: Aus den Kursverläufen der Vergangenheit kann nicht auf Kurse in Gegenwart und Zukunft geschlossen werden.
  2. mittelstarke Hypothese: Alle marktrelevanten öffentlich zugänglichen Informationen sind zusätzlich zu den Kursverläufen der Vergangenheit bereits im Kurs enthalten.
  3. starke Hypothese: Alle marktrelevanten Informationen inklusive Insider-Informationen und der Informationen der mittelstarken Hypothese sind bereits im Kurs enthalten.

Die Markteffizienz-Theorie wird pointiert häufig mit dem Satz: „Der Markt hat immer recht“ umschrieben, welcher die starke Hypothese widerspiegelt.

Schwache Effizienz

Diese erfordert, dass Informationen aus der vergangenen Marktentwicklung eingepreist sind. Der gegenwärtige Preis wäre dann bester Schätzer für künftige Preise und keine wirkungsvolle Prognose durch Chartanalyse möglich.

Bei der Anwendung der schwachen Hypothese folgt unmittelbar, dass durch Technische Analyse keine Überrenditen erwirtschaftet werden können.

Mittelstarke Effizienz

Diese erfordert, dass alle öffentliche Information eingepreist ist. Fundamentalanalyse wäre demnach sinnlos. Soll sie erfüllt sein, darf sich die Bekanntgabe von Basisdaten nicht mehr im Kurs niederschlagen.

Bei der Anwendung der mittelstarken Hypothese folgt unmittelbar, dass durch Fundamentalanalyse keine Überrenditen erwirtschaftet werden können, sollte die Fundamentalanalyse effizient unter die Marktteilnehmer verbreitet werden. Zu Zeiten des Internet dürfte dies mehr und mehr der Fall sein. Die Information ist dann ohnehin allen Teilnehmern bekannt und somit wertlos.

Diese Theorie wurde sehr eingehend untersucht und bekam die Bestätigung dadurch, dass die Reaktionen des Marktes bei immer höherer Effizienz durch Online-Trading immer „steiler“ wurden, d.h. dem Idealbild der instantanen Reaktion immer mehr gerecht werden. Insbesondere die Peaks bei der Veröffentlichung der Zahlen des Einkaufsmanager-Index der Universität Philadelphia und der Universität Chicago sprechen dafür.

Starke Effizienz

Diese erfordert, dass alle öffentliche wie private Information bereits eingepreist ist. Soll sie gewährleistet sein, darf sich nicht einmal Insiderhandel lohnen. Die Tatsache, dass Insiderhandel stattfindet und sich zumindest kurzfristig lohnt, spricht gegen diese Hypothese, dennoch ist nicht ausgeschlossen, dass auch Insiderinformationen zumindest teilweise bereits eingepreist sind, oder untergraben werden, da Insiderhandel sehr leicht Aufmerksamkeit erregen kann.

Bei Anwendung der starken Hypothese ist die Nichtvorhersagbarkeit der Aktienkurse die unmittelbare Folgerung. Dies scheint plausibel: Wären die Aktienkurse vorhersagbar, würde die Börse nicht mehr funktionieren. Dann gäbe es nur wenige Gewinner und jede Menge Verlierer, die eben das „System“ nicht kennen würden. Da aber die Börse funktioniert, wäre bewiesen, dass Insider keinen allzu großen Einfluss auf den Markt haben können.

In gewissem Sinne ist das wiederum paradox: Wenn schon alle Informationen im Preis enthalten sind, braucht ein Investor sich nicht mehr zu informieren. Wenn man sich aber nicht mehr informiert, so können die Preise nicht mehr die Information widerspiegeln und es gibt keine starke Effizienz des Marktes mehr.

Kritische Betrachtung

Die Markteffizienztheorie hat Stärken und Schwächen.

Die Stärken

  1. Widerlegung der Theorie der selbsterfüllenden Prophezeiung: Rennen alle in die gleiche Richtung, dann funktioniert ein Nullsummenspiel genauso wenig wie das Kniffeln mit einem einzigen gezinkten Würfel: Alle „gewinnen“ automatisch, woraufhin keiner gewinnen kann.
  2. Gute Erklärung des Phänomens, dass bei zunehmender Effizienz des Börsenhandels, zunehmender Effizienz des Online-Tradings und zunehmender Effizienz der Verbreitung von Fundamental-Informationen der Kursverlauf immer sprunghafter verläuft.

Die Schwächen

  1. Viele Marktteilnehmer meinen, dass die Markteffizienztheorie von einer völligen Unvorhersagbarkeit der Kurse ausgeht, d.h. der Random-Walk-Theorie, was jedoch nicht zutrifft.
  2. Die Markteffizienz geht von dem Trugschluss „Information = Wissen“ aus.

Beispiel

Als die überraschend guten Arbeitsmarktdaten am 6. Mai veröffentlicht wurden, explodierte der Dow Jones innerhalb von Sekunden. Dies würde die mittelstarke Hypothese bestätigen. Das Wissen, dass diese Daten aber short zu bewerten seien, sickerte dann erst nach dem Wochenende bei den Marktteilnehmern durch und der Kurs sank zwar sehr stark aber ziemlich „flach“ (ineffizient).

Kritik

Kritiker zeigen immer wieder auf, dass diese mechanistische Sichtweise der Märkte sich in der Realität viel zu oft nicht nachweisen lässt. Auch spätere Überarbeitungen und Erweiterungen wie etwa die Random-Walk-Theorie sind Gegenstand von Falsifizierungen. Die Antithese zur Effizienzmarkthypothese liefern die Vertreter der Behavioral Finance. Sie gehen davon aus, dass Marktpreise viel weniger von fundamentalen Daten geprägt sind als von der Psychologie der Marktteilnehmer.

Literatur

  • E.F. Fama: Efficient Capital Markets, A Review of Theory and Empirical Work, in: Journal of Finance, Vol. 25, S. 383–417, 1970.
  • T. Gudehus T.: Dynamische Märkte, Praxis, Strategien und Nutzen für Wirtschaft und Gesellschaft; s. 5.10 Markteffizienz und Selbstregelung S. 113 ff., Springer, Berlin-Heidelberg-New-York, 2007, ISBN 978-3-540-72597-8.

Einzelnachweise

  1. Interview mit Eugene Fama

Siehe auch


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