Eduard von Simson

Eduard von Simson
Eduard von Simson, porträtiert von Fritz Paulsen, 1880

Martin (Eduard Sigismund) von Simson (* 10. November 1810 in Königsberg i. Pr.; † 2. Mai 1899 in Berlin) war ein preußischer Richter, Hochschullehrer und Parlamentarier. Er ist der (vergessene) „erste deutsche Verfassungsvater“.[1]

Inhaltsverzeichnis

Leben

Vor seinen jüdischen Eltern ließ sich Simson 1823 taufen. Im März 1826 machte er mit 15 Jahren das Abitur am Collegium Fridericianum. Er studierte Rechtswissenschaft und Kameralwissenschaften an der Albertus-Universität Königsberg, der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. In Königsberg half er Johann Jacoby bei der Gründung des dritten Littauer-Kränzchens am 2. Februar 1827. Das Kränzchen wurde 1829 zur Corpslandsmannschaft Littuania.[2] 1829 promovierte er zum Dr. iur..

Nach längeren Studienreisen durch Europa diente er in der Preußischen Armee. Seit 1831 habilitierter Privatdozent für römisches Recht, wurde er 1833 a. o. Professor. 1834 wurde er zum Mitglied des Tribunals für das Königreich Preußen berufen. 1836 berief ihn die Albertina auf den Lehrstuhl für Recht. 1846 wurde er Rat des Tribunals.

Als Abgeordneter für Königsberg gehörte Simson vom 18. Mai 1848 bis zum 20. Mai 1849 der Frankfurter Nationalversammlung an, zunächst als Sekretär, ab Oktober 1848 als Vizepräsident und ab Dezember 1848 als Präsident. Im April 1849 stand er an der Spitze der Deputation, die König Friedrich Wilhelm IV. seine Erwählung zum Deutschen Kaiser überbrachte. Als diese Sendung scheiterte, lehnte Simson die Fortführung des Präsidiums ab und trat im August 1849 als Abgeordneter für Königsberg in das Preußische Abgeordnetenhaus. Auf dem Reichstag zu Erfurt führte Simson das Präsidium des Erfurter Unionsparlaments.[2]

Seit 1852 widmete er sich nur seinen richterlichen und akademischen Aufgaben. Erst 1858 wandte er sich wieder dem politischen Leben zu. 1860 wurde er zum Vizepräsidenten des Appellationsgerichts Frankfurt (Oder) ernannt. In diesem und im nächsten Jahr führte er das Präsidium des Abgeordnetenhauses, 1867 das Präsidium im Konstituierenden Reichstag des Norddeutschen Bundes. Er präsidierte auch die folgenden Sessionen des Norddeutschen Reichstags und des Zollparlaments.[2]

Am 3. Oktober 1867 überbrachte er Wilhelm I. (Preußen) die Adresse des ersten verfassungsmäßigen Norddeutschen Reichstags nach der Burg Hohenzollern. Am 13. Dezember 1870 reiste er an der Spitze einer Deputation nach Versailles und überbrachte König Wilhelm die Adresse des Norddeutschen Reichstags, durch welche er gebeten wurde, die ihm von den deutschen Fürsten angetragene Deutsche Kaiserwürde anzunehmen.[2]

Auch im Reichstag (Deutsches Kaiserreich) wurde Simson zum Präsidenten gewählt; 1874 musste er aber krankheitshalber eine Wiederwahl ablehnen. 1877 nahm er auch kein Reichstagsmandat mehr an. Seit 1869 Präsident des Appellationsgerichts Frankfurt (Oder), wurde Simson bei der Errichtung des Reichsgerichts in Leipzig am 1. Oktober 1879 zum Präsidenten des Gerichts und des Disziplinarhofs berufen. Am 1. Februar 1891 trat er in den Ruhestand und nahm seinen Wohnsitz in Berlin.

Im Dreikaiserjahr verlieh ihm Friedrich III. (Deutsches Reich) am 18. März 1888 im Schloss Charlottenburg den Schwarzen Adlerorden. Mit dem Wappenbrief vom 28. Mai 1888 wurde er nobilitiert und in den preußischen erblichen Adelsstand erhoben.

Simson starb als Wirkl. Geh. Rat in Berlin. Beigesetzt wurde er in einem Ehrengrab auf dem Friedhof III der Jerusalems- und Neuen Kirche am Mehringdamm in Friedrichshain-Kreuzberg (Grablage: 343-EB-256a).[1][3]

Ehrungen

Im Jahr 1883 wurde Simson zum Ehrenbürger der Stadt Leipzig ernannt. Sie benannte eine Straße, eine Brücke und ein Platz nach ihm. 1893 wurde Simson mit dem sehr selten verliehenen Großkreuz mit Brillanten des Badischen Ordens vom Zähringer Löwen ausgezeichnet. In Berlin ist der Waldweg zwischen Brandenburger Tor und Reichstagsgebäude nach ihm benannt.

Familie

Der jüngere Bruder Georg Bernhard Simson war ebenfalls Jurist und Abgeordneter in der Frankfurter Paulskirche. Eduard Simson war der Vater des Historikers und Monumenta Germaniae Historica-Mitarbeiters Bernhard von Simson.

Einzelnachweise

  1. a b Jürgen Manthey: Königsberg. Geschichte einer Weltbürgerrepublik. München 2005, S. 486-492
  2. a b c d Walter Passauer: Corpstafel der Littuania zu Königsberg, S. 29 f., Nr. 35. Königsberg 1935
  3. Der Mehringdamm hieß zur Zeit des Begräbnisses Belle-Alliance-Straße. Deshalb schreibt Manthey vom Belle-Alliance-Friedhof

Literatur

  • Protokoll der Wahl Simsons zum ersten Präsidenten des Reichstags des Norddeutschen Bundes 1867. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes im Jahre 1867. 1. Band, Berlin 1867, S. 37–38 (Digitalisat)
  • Hans Blum: Die Präsidenten des deutschen Reichstags. Erinnerungen und Skizzen. I. Eduard Simson. In: Westermanns Monatshefte. Oktober 1896, S. 18–27.
  • Dr. Eduard von Simson †. In: Deutsche Juristen-Zeitung. Band 4, 1899, S. 210. (Nachruf; online beim MPIER).
  • Hermann von Petersdorff: Simson, Eduard von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 54, Duncker & Humblot, Leipzig 1908, S. 348–364.
  • Felix Hirsch: Eduard von Simson. Das Problem der deutsch-jüdischen Symbiose im Schatten Goethes und Bismarcks. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht. Band 16, 1965, S. 261–277.
  • Günther Meinhardt: Eduard von Simson. 1981.
  • Hildebert Kirchner: Eduard von Simson. Gesellschaft für Kulturhistorische Dokumentation, Karlsruhe 1985.
  • Bernd-Rüdiger Kern und Klaus-Peter Schroeder (Hrsg.): Eduard von Simson (1810–1899). „Chorführer der Deutschen“ und erster Präsident des Reichsgerichts. Nomos-Verlags-Gesellschaft, Baden-Baden 2001, ISBN 3-7890-7419-5 (Juristische Zeitgeschichte: Abteilung 2, Forum juristische Zeitgeschichte, Band 10).
  • Genealogisches Handbuch des Adels. Bd. 128, Nr. XIII, Starke, Limburg an der Lahn 2002, ISSN 0435-2408.
  • Michael F. Feldkamp, Der vergessene Präsident, in: Das Parlament Nr. 46-47 vom 15. November 2010, S. 3 (online)

Weblinks


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